Gemessen am Pro-Kopf-Einkommen in US$ ist Chile das reichste Land Südamerikas. Beim Pro-Kopf-Einkommen in Kaufkraftparitäten liegt Chile auf Platz drei in Südamerika mit rund 10.000 US$ pro Kopf. Es beträgt also ungefähr ein Drittel des deutschen. Die Wirtschafts ist sehr marktorientiert: Die meisten Bereiche sind liberalisiert und privatisiert, die Staatsquote beträgt mit 22% deutlich weniger als die Hälfte Deutschlands und nur wenig mehr als die der USA.


Chile das exportstärkste Land Südamerikas, aber auch ist sehr abhängig von Exporten, die etwa ein Drittel des BIP ausmachen (was etwa der deutschen Exportquote entspricht). Exportiert werden vor allem Rohstoffe, in erster Linie Kupfer, und landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Wein, Holz und Fischereiprodukte. Das Land verfügt über die größten bekannten Kupfervorkommen der Welt (ca. 40 Prozent) und ist der weltgrößte Kupferexporteur, was seine Wirtschaft extrem abhängig vom Kupferpreis macht. Der Fall der Kupferpreise um einen Cent pro Pfund bedeutet für das Land Einnahmeverluste von etwa 100 Millionen US-Dollar im Jahr.
Chile ist Mitglied der APEC (Asia Pacific Economic Cooperation) sowie assoziiertes Mitglied des Mercosur.
Aktuelle Situation
Als im Zuge der Krisen in Asien und Brasilien 1998 die Rohstoffpreise einbrachen, geriet auch Chile in eine Rezession. Nachdem sich der Kupferpreis von 1999 bis 2005 um 150 Prozent erhöht hat (von 0,74 US-Dollar auf 1,88 US-Dollar je englischem Pfund Feinkupfer), wächst die Wirtschaft Chiles auch wieder kräftiger (2004 um 5,8 Prozent). Bei einer Steuerquote von 19 Prozent erwirtschaftet der Staat einen kleinen Haushaltsüberschuss.
Sektoren
Die Landwirtschaft erwirtschaftet neun Prozent des BIP, die Industrie 34 Prozent und der Dienstleistungsbereich 57 Prozent.
Landwirtschaft
Nur etwa 7 % der Landfläche wird für die Landwirtschaft genutzt, davon nur 3% für Ackerbau und der Rest für meist extensive Weidewirtschaft. Intensive Landwirtschaft wird vor allem im Zentraltal betrieben. Im Norden Chiles beschränkt sich die Landwirtschaft im wüstenhaften Gebiet oft nur auf Oasen. Die Viehzucht ist hauptsächlich in Zentralchile und im nördlichen Teil von Südchile angesiedelt.
Unter Frei und Allende wurden umfangreiche Agrarreformen durchgeführt, bei denen 40% der bewirtschafteten Fläche umverteilt wurden und die Vorbesitzer entschädigt wurden. Pinochet gab zwar 29% des enteigneten Landes zurück und beendeten den Anbau in Genossenschaften, doch wurde der größte Teil der verteilten Flächen nicht zurückgegeben. Deshalb gibt es in Chile bis heute einen großen Sektor an mittleren Betrieben (20 ha - 100 ha). Unter der Diktatur und von den Concertación-Regierunen weiter verfolgt, wurde die Landwirtschafts modernisiert und trägt heute ganz wesentlich zum Export und Arbeitsangebot (20% der Beschäftigte) bei.
Basis der Forstwirtschaft sind riesige gepflanzte Wälder aus Kiefern (pino insigne) und Eukalyptus. In den 70ern und 80ern wurden 80.000 ha jährlich neu gepflanzt (entspricht fast der Fläche Berlins).
Chile ist die viertgrößte Fischfangnation der Welt, wobei während der Diktatur der Pazifik massiv Überfischt wurde. Das Land hat vor kurzen Norwegen als größten Produzenten von (meist gezüchtetem) Lachs überholt, allerdings stammen sowohl Kapital als auch Technologie meist aus Norwegen oder Japan.
Chile exportiert vor allem Holzprodukte (Holz, Papier, Zellulose), Fischereiprodukte (Fischmehl, Lachs), Früchte (Äpfel, Weintrauben) und Wein und kann sich mit den wichtigsten Lebensmitteln selbst versorgen.
Bergbau
Chile ist mit 27% der globalen Produktion vor Indonesien und den USA der größte Kupferproduzent und der größte Kupferexporteuer der Welt. Mit 40% der weltweiten Reserven besitzt das Land auch mit Abstand die größten Vorkommen des Metalles. In Chile liegen die größten Kupferminen der Welt, Chuquicamata (Übertage) und El Teniente in Sewell (Untertage). Fast die gesamte Produktion befindet sich in Händen des staatlichen Konzerns CODELCO.
Bis in die 50er Jahre besaßen vor allem US-amerikanische Firmen die Kupferminen. Die wichtigsten waren Anaconda und Kennecott. Weil diese Konzerne trotz immenser Gewinne (der relative kleine Außlandsstandort (16% des Kapitals) Chile brachte Anaconda 80% ihres Auslandsgewinnes) kaum investierten, sank der Weltmarktanteil Chiles am Kupfer von 19% in den 40ern auf 13% 1966. Eduardo Frei Montalva handelte mit den Firmen 1965 eine 51%ige Beteiligung des Staates ("Chilenisierung") und die Option auf eine komplette Übernahme aus. Da nun alle Investitionen von der Regierung getragen wurden, aber ein Großteil der Gewinne weiterhin den Konzenen zugute kam, forderten auch die Christdemokraten schon 1969 eine komplette Verstaatlichung. Im Juni 1971 beschloss das Parlament unter Allendes UP-Regierung einstimmig die Verstaatlichung. Die Firmen sollten entschädigt werden, allerdings unter Abzug der übermäßigen (d.h. über dem US-amerikanischen Renditeniveau liegenden) Gewinne der letzten 25 Jahre. So errechnete der Oberste Rechnungshof Schulden der Konzerne von 400 Mio. US$ an den chilenischen Staat.
Trotz Schwierigkeiten nach der Nationalisierung (Ersatzteilemangel, Kaufboykott der USA, fehlende Investitionen der letzten Jahre, 25% Preisrückgang auf dem Weltmarkt bis 1972) behielt die Militärdiktatur die Verstaatlichung bei. Seit 1958 erhält das Militär direkt (also ohne Einflussmöglichkeit des Parlaments) 10% der Kupfererlöse.
Neben Kupfer wird in Chile in wesentlich kleinerem Maßstab auch Eisenerz gefördert.
Industrie
Nach Anfängen im 19. Jahrhundert begann in Chile im Zuge der Importsubstituierenden Industrialisierung (ISI) in den 30er Jahren der Aufstieg eines dynamischen Senkundärsektors, der mit einem Anteil von fast 30% am BIP in den 60ern den Höhepunkt seiner Bedeutung erreichte. 1939 wurde als Planungsbehörde die Corporación de Fomento de la Produción (CORFO) gegründet. Bis 1970 stieg der Anteil des Staates an allen Investitionen auf 70%. Bis in die 50er Jahre wurde eine weitgehende Deckung der inländischen Nachfrage nach kurzlebigen Konsumgütern erreicht (Lebensmittel, Schuhe, Textilien, Holzprodukte). Aufgrund des kleinen Marktes (Neun Millionen Einwohner) sties die ISI schon bald an ihre Grenzen.
Allende begann 1970 mit einer schrittweisen Umgestaltung der Industrie nach sozialistischem Muster. Gegen den massiven Widerstand der politischen Opposition und der Unternehmerschaft und unter in Kauf Nahme einer radikalen Polarisierung der Politik begann er mit Vertsaatlichungen von Konsumgüterindustrien. Banken wurden Verstaatlicht, in dem die Regierung ihre Aktien aufkaufte.
Die Diktatur Pinochets begann mit einer strikten Austeritätspolitik, die zwar die Inflation nicht unter 300% senken konnte, aber zu einem Rückgang der Industrieproduktion von 27% führte. Grund war die Öffnung der Märkte (alle Zölle sofort auf 10% gesenkt) und damit ein Ende der bisher durch die ISI geförderten Branchen. Auch regelmäßige Abwertungen konnten die Deindustrialisierung nicht aufhalten. Erst nach dem Wunder von Chile - der Boomphase von 1977 bis 1980 - wurde wieder das Produktionsniveau unter Allende erreicht. Durch die Fixierung des Peso an den US-Dollar 1979 (Verhältnis 39:1) - immer noch zur Inflationsbekämpfung - wertete die Währung real (Inflationsrate war immer noch um die 20%) massiv auf und eine zweite Welle des Fabirksterbens setzte ein: Die Industrieproduktion sank alleine 1982 um 21%. Gemessen am BIP, sank das Gewicht des sekundären Sektors von 30% 1974 auf 19% in den 80er Jahren. Erst unter den demokratischen Regierungen erholte sich die Industrie substanziell und leistet heute 34% des des BIPs. Die Grundlagen wurden aber durch eine weniger ideologische Wirtschaftspolitik ab 1985 unter Finanzminister Hernán Büchi gelegt: Die schnell eingeführten Schutzzölle (bis 35%) wurden nur schrittweise gesenkt und der Export aktiv gefördert (Exportpromotionsagenturen).
Im Zuge der Reprivatisierungen der von Allende verstaatlichten Betriebe bildeten sich für Konzerne heraus, die zusammen den Bankenmarkt und über Beteiligungen zwei Drittel der 250 größten Privatunternehmen kontrollierten. Nach massiven Staatseingriffen im Zuge der Krise 1982/83 (in der der Staat für private Spekulationsschulden aufkam) wurden die Betriebe Anfang der 80er Jahre abermals privatisiert. Außerdem wurde in der zweiten Hälfte der 80er Jahre eine Reihe von Staatsbetrieben, die zu CORFO gehörten, privatisiert und damit die bis heute andauernde Welle von Privatisierungen in Entwicklungs- und Schwellenländern eröffnet. Relativ zur größe des Landes wurde etwa doppelt so viel privatisiert wie in Großbritannien unter Margaret Thatcher. Häufig wurden die Unternehmen bei der völlig intransparenten Privatisierung weit unter ihrem Wert verkauft - die meisten waren nur wenig verschuldet und warfen hohe Gewinne ab.
Dienstleistungen
Außenhandel
Chiles Wirtschaft hängt stark vom Export ab. 2004 betrug der Exportanteil 34 Prozent des Bruttosozialprodukts, was etwa der Quote von Deutschland entspricht. Besonders wichtig für die chilenische Wirtschaft ist der Kupferexport. Mit dem starken Anstieg der Rohstoffpreise explodierten die Exporte 2004 geradezu von 20,4 Milliarden US-Dollar im Vorjahr auf 31 Milliarden US-Dollar. Importiert wurden Güter für rund 22 Milliarden US-Dollar.
Produkte
Exportiert werden vor allem Rohstoffe und nur wenig verarbeitete Produkte, sogenannte primärgüter-basierende Produkte. Neben Kupfer sind dies vor allem Wein und Obst, Lachs und Fischmehl, Holz, Papier und Zellulose und Methanol. Bis Mitte der 70er Jahre bestand der Export etwa zu 3/4 aus Kupfer. Verstärk seit Mitte der 80er können nicht-traditionelle Rohstoffe und rohstoffnahe Produkte erfolgreich auf dem Weltmarkt abgesetzt werden. So hat sich der Export von Wein und Lachs in den letzten 13 Jahren etwa verzehnfacht, der von Papier und Zellulose vervierfacht und der von Obst mehr als verdoppelt. Bedingt durch den extrem Anstieg des Kupferpreises ist ihr Anteil am Gesamtexport in den letzten Jahren trotz fortschreitenden absoluten Wachstums wieder etwas zurückgegangen.
Anteil der wichtigsten Produkte gesamten Export in Prozent. Quelle: IHK Pfalz | ||||||
1991 | 1996 | 2000 | 2003 | 2004 | 2005 | |
---|---|---|---|---|---|---|
Gesamtwert in Mrd. US-$ | 8,9 | 15,4 | 19,2 | 21,5 | 32 | 40 |
Kupfer | 40,5 | 39,1 | 37,9 | 36,1 | 44,8 | |
Obst | 11,0 | 8,2 | 9,3 | 8,3 | 6,3 | |
Zellulose & Papier | 5,0 | 6,5 | 6,4 | 5,7 | 5,1 | |
Lachs | 1,5 | 2,6 | 4,9 | 5,3 | 4,4 | |
Wein | 1,0 | 1,9 | 3,0 | 3,1 | 2,6 | |
Methanol | 0,9 | 0,6 | 1,7 | 2,0 | 1,6 | |
Fischmehl | 5,2 | 3,9 | 1,2 | 1,7 | 1,1 | |
Konsumgüter | 13,1 | 21,7 | 16,0 | 14,1 | 12,4 | |
Kapitalgüter | 20,8 | 31,1 | 17,9 | 16,4 | 14,6 |
Salpeter und Kupfer
Während von den 1870er Jahren bis zur Weltwirtschaftskrise Salpeter fast den gesamten Export ausmachte, dominiert seitdem Kupfer. In den letzten 30 Jahren konnte Chile seine Exporte deutlich diversizifieren. Allerdings nahm der Anteil von Kupfer zugunsten anderer Rohstoffe zu. Industrieprodukte, selbst niedrigen Technologiegrades, werden bis heute (2004) kaum exportiert.
Anteil von Salpeter und Kupfers am gesamten Export in Prozent. Quelle: Handbuch der 3. Welt: 299; Thorp (1998): 347 und andere. Daten sind nicht immer konsistent. | ||||||||||||||||
1900 | 1910 | 1920 | 1930 | 1940 | 1950 | 1960 | 1970 | 1980 | 1990 | 1991 | 1993 | 1996 | 2000 | 2003 | 2004 | |
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Salpeter | 65 | 67 | 54 | 43 | 19 | 22 | ||||||||||
Kupfer | 14 | 7 | 12 | 37 | 57 | 52 | 87/67 | 86/79 | 59/46 | 55/46 | 40 | 43 | 39 | 38 | 36 | 45 |
Rang | Land | Fördermengen (in Tsd. t) |
Rang | Land | Fördermengen (in Tsd. t) |
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1 | Chile | 4620 | 11 | Sambia | 336 |
2 | Indonesien | 1167 | 12 | Mexiko | 315 |
3 | USA | 1140 | 13 | Argentinien | 218 |
4 | Australien | 876 | 14 | Papua-Neuguinea | 211 |
5 | Russische Föd. | 844 | 15 | Südafrika | 130 |
6 | Peru | 843 | 16 | Mongolei | 120 |
7 | Kanada | 577 | 17 | Bulgarien | 108 |
8 | Polen | 572 | 18 | Indien | 79 |
9 | China | 554 | 19 | Portugal | 77 |
10 | Kasachstan | 432 | 20 | Schweden | 72 |
Siehe auch: Chuquicamata, CODELCO
Holzwirtschaft
Die wichtigsten Produkte in diesem Bereich sind neben Naturholz Holzpellets, Papier, Zellulose und zunehmend auch Möbel. Während der Export dieser Produkte 1973 erst 105 Mio. US-Dollar ausmachte (in Preisen von 1995), stieg er bis 1995 auf 1,8 Mrd. Schon in den 60er Jahren begann die Regierung mit umfangreichen Aufforstungen. Als nach dem Putsch jegliche aktive Rolle des Staates in der Wirtschaftspolitik gestrichen werden sollte, blieb die Förderung der Forstwirtschaft als einziges großes industriepolitisches Projekt erhalten. Ab 1974 wurden vom Staat 75% der Kosten bei Aufforsten übernommen. Privat bepflanztes Land wurde für nicht enteigenbar erklärt. Zahlreiche Regularien (etwa das Verbot des Fällen von jungen Bäumen unter 18 Jahren und das Exportverbot für Rohholz) wurden abgeschafft, um das Investitionsklima zu verbessern. Die Banco del Estado stellte subventionierte Kredite für den Sektor bereit.
Lachs
Während Chile 1986 noch praktisch keinen Lachs exportierte, betrugen die Exporte 1998 schon 700 Mio. US-Dollar. Inzwischen hat Chile Norwegen als weltgrößten Exporteur von Zuchtlachs überholt. Allerdings sind bis heute die Mehrzahl der häufig industriell betriebenen Lachsfarmen an den Seen im süden des Landes in der Hand von norwegischen oder japanischen Agrarkonzernen. Die Fundación Chile begann in den 70ern, aktuelle Technologie für die Lachszucht in Chile zu verbreiten. Anfang der 80er Jahre nahm die Firma Salomones Antárctica am Llanquihue-See die erste große Lachszucht in Betrieb genommen, worauf zahlreiche Nachahmer in der seenreichen Región de los Lagos folgten. Bezeichnenderweise wurde die Firma wenig später an den japanischen Konzern Nippon Suisan verkauft.
Wein
Mitte der 80er jahre war auch der Weinexport Chiles noch marginal. Obwohl im Land seit der Kolonialzeit Wein angebaut und gekeltert wird, war die Qualität früher nicht auf Weltmarktniveau. So exportierte Chile 1985 Wein für gerade mal 10 Mio. US-Dollar. 13 Jahre später waren es bereits 550 Mio. Auftakt des Booms war 1981, als die Spanische Firma Miguel Torres im Zentraltal in der Nähe von Curicó einriesiges Weingut aus dem Boden stampfte. Es folgten zahlreiche Auslandsinvestoren, darunter Rothschild, Larose Trintaudon, Grand Manier, Roberto Mondavi und die Brüder Christian.
Siehe auch Weinbau in Chile
Handelspartner
Anteil ausgewählter Länder an Chiles Export (2002/04) [1] | |||
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Region | Land | Exporte | Importe |
Europa | 27% | 17% | |
EU | 25% | 16% | |
davon Deutschland | 3% | 4% | |
Asien | 36% | 19% | |
China | 11% | 8% | |
Japan | 11% | 3% | |
Lateinamerika | 14% | 38% | |
Argentinien | 18% | ||
Brasilien | 4% | 9% | |
Mexiko | 5% | 3% | |
NAFTA | 22% | 19% | |
USA | 15% | 15% | |
Rest der Welt | 2% | 6% |
Wichtigster einzelner Handelspartner des Landes sind die USA, allerdings weist Chile eine sehr viel breiter gefächerte Struktur an Handelspartnern auf als andere südamerikanische Länder. Dies ist erstens darauf zurückzuführen, dass Chile aufgrund seiner geografischen Lage eine Schnittstelle zwischen Südamerika, Nordamerika (per Schiff ist die US-Westküste gut zu erreichen), Ozeanien sowie dem östlichen und südöstlichen Asien einnimmt. Ein zweiter Grund für Chiles breite Exportstruktur ist der weltweite Bedarf an chilenischem Kupfer. Drittens haben chilenische Agrarprodukte (insbesondere Obst und Wein) inzwischen weltweit einen hervorragenden Ruf.
Quelle: [2]
Außenhandelspolitik
Chile war 1947 als eines von nur sechs Schwellenländern Gründungsmitglied der GATT.
Nach einer zunehmenden Abschottung vom Weltmarkt im Rahmen der ISI und noch verstärkt unter Allende (allerdings durch dem amerikanischen Kupferboykott auf gezwungenermaßen) öffnete das Pinochet-Regime nach 1973 das Land radikal. Unilateral wurden die Zölle von durchschnittlich 94% (wobei 57 verschiedene Zollklassen mit Sätzen zwischen 0% und 220% möglich waren) auf drei Kategorien mit maximal 60% Zoll vereinheitlicht und gesenkt. Mit der Durchsetzung der Chicago Boys 1975 wurde ein globaler (dass heißt: einheitlicher) Zollsatz von 35% verkündet, zwei Jahre später von 10%. Der Multiple Wechselkurs mit acht verschiedenen Kursen unter Allende wurde schon 1973 vereinheitlicht, außerdem nichttarifäre Handelshemmnisse wie Importquote und Importverbote abgeschafft.
Nach den extremen negativen Effekten der radikalen Einseiten Öffnung in der zweiten Hälfte der 70er Jahre betreibt Chile seit Mitte der 80er Jahre eine deutlich andere Außenhandelspolitik. Zwar sinken die durchschnittlichen Zölle weiterhin und die gesamte Wirtschaftspolitik blieb auf den Weltmarkt ausgerichtet, doch betreibt Chile heute eine sehr selbstbewusste Außenhandelspolitik, die sich in erster Linie auf bilaterale Verhandlungen stützt. Eigene Zollsenkungen lässt sich die Regierung also mit Zollsenkungen anderer Länder bezahlen.
So trat Chile als Gründungsmitlgied 1976 schon wieder aus der Andengemeinschaft (CAN) aus und ist nur assoziiertes Mitglied des Mercosur. In den letzten Jahren hat die Regierung Freihandelsabkommen mit der EU (2002), der NAFTA (2003) sowie den ostasiatischen Staaten Brunei, Südkorea und Singapur abgschlossen. Im September 2005 folgte der wohl in absehbarer Zeit wichtigste Absatzmarkt China. Im Moment laufen Verhandlungen mit Japan und Indien. Bereits jetzt hat Chile Zollfreien Zugang zu Ländern, in denen insgesamt 2,4 Mrd. Menschen leben, die 3/4 des globalen BIPs erwirtschaften. Damit ist das Land auf den Gütermärkten die offenste Volkswirtschaft der Welt.
Geschichte
Staatswirtschaft und Importsubsitution
Die Weltwirtschaftskrise hatte im Exportland Chile gravierende Folgen. Zwischen 1929 und 1932 brach der Export um 82% ein und in der Folge sank die Wirtschaftsleistung um 46%. In der Folge begann Chile wie die meisten lateinamerikanischen Staaten, dem wirtschaftlichen Entwicklungskonzept der Importsubstitution zu folgen. Durch die Abschottung der Märkte mit Zöllen sollte die Binnenachfrage auf die eigene Industrie gelenkt werden und diese sich so entwickeln. Gleichzeitig wurde sukzessive der Wohlfahrtsstaat ausgebaut und der staatliche Einfluss auf die Wirtschaft gestärkt. Negative Begleiterscheinungen waren ineffiziente staatliche Monopole, hohe Preise, eine chronisch negative Leistungsbilanz und eine konstant hohe Inflation. So sank der Anteil vom Importen am Angebot von 52 Prozent vor dem ersten Weltkrieg auf 25 Prozent in den 1960er Jahren. 1974 betrugen die Zölle bis zu 700% (andere Produkte waren dagegen zollfrei).
Der Sozialstaat gehörte Mitte des 20. Jahrhunderts zu den besten Lateinamerikas. Bis zu 79% der Bevölkerung (1974) waren von Sozialgesetzgebung abgedeckt, die Altersvorsorge (Umlageverfahren), Individialität, Berufsunfälle, Krankheit und Arbeitslosigkeit abdeckten. Ab Mai 1981 reformierte das Pinochet-Regime den Sozialstaat von Grund auf: Der Großteil der Sozialversicherung wurde privatisiert, Arbeitsgeberbeteiligung und Solidarausgleich wurden weitgehend abgeschafft, auch wenn es z.B. eine staatlich Garantierte Mindesrente gibt. Die Militärs und Polizei, die ja einen großen Teil des personals der Diktatur stellten, behielten ihre staatliche Vorsorgesysteme allerdings bei (und haben sie bis heute).
Frei und Allende
Mitte der 60er Jahre hatten Leistungsbilanzdefizit und Inflation (25% - 45%) Besorgnis erregende Höhen angenommen. Zentraler Kristallisationspunkt der politischen Polarisierung war die Wirtschaftspolitik. Kommunisten und Sozialisten wollten den kubanischen Weg gehen (allerdings durch Wahlen statt Revolution) und auch die Christdemokraten sprachen die sozialen Probleme an. Besonders die Verstaatlichung der Kupferminen und die Agrarreform, beides unter Eduardo Frei Montalva begonnen und von Allende weitergeführt legten die Grudlage für einen weiteren wirtschaftlichen Entwicklungsschritt unter den Militärs.
Nach seiner Wahl 1970 begann Salvador Allende mit dem zielstrebigen Umbau der Wirtschaft nach sozialistischen Muster. Die Anzahl der Beschäftigten im öffentlichen Sektor und Staatsunternehmen wuchs in drei Jahren um 38%. 1972 wurde mit 3,1% der historische Tiefstand bei der Arbeitslosigkeit erreicht. Die sozialen Fortschritte waren bemerkenswert. Der Anteil der 40% Ärmstem am BIP stieg entgegen dem langjährigen Trend von 1970 bis 1970 rapide an.
Begleitet wurde die Zeit durch viele Streiks (vor allem "Unternehmerstreiks", also Aussperrungen). Dies und Probleme bei den verstaatlichten Betrieben sorgte für stark sinkende Produktivität. In Kombination mit stark steigenden Löhnen resultierte daraus eine immense Inflation von mehreren 100 Prozent ab 1972.
Neoliberale Wende (1973 - 1981)
Planloses Regime
Zwar kündigte Augusto Pinochet nach seinem Putsch 1973 an, Ruhe und Ordnung wieder herstellen zu wollen. Wirtschaftspolitisch agierte das Regime jedoch für mehr als ein Jahr ohne ein koherenten Konzept. Das Wirtschaftswachstum war außerordentlich schwach und die Inflation verharrte im dreistelligen Bereich. Die Generäle der Luftwaffe traten beispielsweise für ein korporatistisches Wirtschaftsmodell ein. Erst mit der Dominanz des Heeresführers Pinochet in der Junta konnte sich ein neoliberales Wirtschaftsmodell durchsetzten.
Neoliberale Wende
Nach einem Besuch des amerikanischen Ökonomen Milton Friedman in Chile im Jahre 1975 (das Land befand sich in einer schweren Rezession mit einem BIP-Rückgang von 13%) konnte dieser die Militärführung von monetarisitsch-neoliberalen Reformen überzeugen. Die marktliberale Strömung innerhalb des Regimes behielt die Oberhand über eher nationalistisch-populistische Tendenzen. Statt einer nach innen gerichteten Entwicklung eröffnete das Pinochet-Regime die Periode der Exportorientierten Entwicklung in Südamerika. Mitte der 1980er Jahre bis Mitte der 1990er folgten alle südamerikanischen Länder Chile in dieser "Neoliberalen Wende". Die wirtschaftstheoretische Ideologie für diese Wende lieferten die Chicago Boys mit ihrem geistigen Vater Milton Friedman. Die Chicago Boys waren von der absoluten Überlegenheit des Marktes überzeugt. In Chile äußerte sich das vor allem durch eine starke Exportorientierung, eine umfassende Liberalisierung und Deregulierung (der Staat zog sich aus vielen Bereichen der Wirtschaft zurück), eine wirtschaftspolitisch motivierte Privatisierung, auch von Infrastruktur, Bildungswesen und Gesundheitsversorgung sowie den Rückbau der staatlichen Sozialsysteme.
Privatisierung und Staatsquote
Mit der neoliberalen Wende begann die Junta mit der Rückgabe der unter Allende enteigneten Industirebetriebe und Banken. Auch die US-Minengesellschaften wurden für die Enteignung entschädigt, die Betriebe blieben aber Staatseigentum. Mit den hektischen Privatisierungen und laissez-faire-Tendenzen in der Wirtschaftspolitik der Jahre 1975 bis 1982 erfuhr die Wirtschaft eine starke Konzentration. Der schon seit Jahrzehnten vorhandene Trend, Konglomerate und Konzerne zu schmieden (Grupos económicos), die wirtschaftlich unabhängig und politisch einflussbar waren (so hatten die gupos aus die UP-Regirung schadlos überstanden), verstärkte sich in diesen Jahren. So kontrollierten 1978 fünf Gruppen mehr als die Hälfte der 250 wichtigsten Privatunternehmen, oftmals über Bankbeteiligungen. Die von den Chicago Boys forcierte Kapitalverkehrsliberalisierung erlaubte es den Banken, sich im Ausland spekulativ zu verschulden. Als dann 1982 der Peso abwertete und die Schulden ins unermessliche stiegen, setzte die Regierung Milliarden (6 Mrd. US-Dollar, etwa 30% des BIP von 1983!) ein, um die Unternehmen zu retten. Während also Millionen von Chilenen in der Armut versanken, wurden einzelne grupos mit Staatsgeldern gerettet. Dies führte zu einer De-facto-Verstaatlichung im Bankensektor: 14 von 26 landesweit operierenden Banken wurden vom Staat übernommen. Deshalb betrug die Staatsquote mit 34 Prozent 1980 deutlich mehr als mit 29 Prozent neun Jahre zuvor.
Exportorientierung und Deindustrialisierung
Alle Außenzölle wurden auf von durchschnittlich 94% auf einheitlich 10 Prozent gesenkt. Anders als in den 90er Jahren erfolgte die Öffnung nicht aufgrund von Freihandelsabkommen, sondern unilateral, also ohne dass Chiles Handelspartner ihre Zölle senkten. Verbunden mit einer starken Aufwertung des Peso führte dies zu einer schnellen Deindustrialisierung des Landes, die bis heute fortwirkt: Noch heute ist der Anteil am BIP, den die Industrie erwirtschaftet, geringer als 1970 (23 Prozent im Vergleich zu 27 Prozent). 1980 war die Industrieproduktion nicht größer als zehn Jahr zuvor und die Anzahl der Beschäftigten ging sogar um 22 Prozent zurück. Während unter Pinochet das BIP insgesamt um durchschnittlich 3,4 Prozent pro Jahr wuchs, stieg der Ausstoß der Industrie nur um 1,9 Prozent jährlich. Die Folge war unter anderem, dass die Arbeitslosigkeit von 4,8 Prozent 1973 bald auf knapp unter 20 Prozent stieg und 1983 mit 30 Prozent ihren Höhepunkt erreichte.
Makroökonomische Stabilisierung
In diesem Kernanliegen des Monetarismus war Pinochet einigermaßen erfolgreich: Er konnte die Inflation von 606 Prozent im Putschjahr innerhalb von vier Jahren auf 84 Prozent senken und bis 1981 auf nur noch zehn Prozent drücken. Auch drehte er das jährliche Staatsdefizit von horrenden 25 Prozent des BIP im Putschjahr in ein kleines Plus gegen Ende des Jahrzehnts.
Deregulierung und Liberalisierung
Die Lehrbuchweisheiten der radikalliberalen Ökonomen umsetzend, ordnete das Regime in vielen Bereichen den totalen Rückzug des Staates und jeglicher Kontrollen an. Preiskontrollen für Lebensmittel und andere Güter wurden abgeschafft, die Zinssätze konnten sich frei bilden und die Kreditvergabe wurden nicht mehr staatlich gelenkt. Auch der Arbeitsmarkt wurde dereguliert. Arbeitsschutzgesetzte wurden auf breiter Linie abgeschafft oder entschärft. Die Gewerkschaften wurden verboten oder verloren ihr Streikrecht, der Kündigungsschutz wurde in der Privatwirtschaft abgeschafft. Die Arbeitslosigkeit stieg von durchschnittlich 6% in den 60ern und 5% unter Allende auf 16% von 1974-81 (also mitten im Wirtschaftsboom).
Auch der der Kapitalverkehr wurde vollständig freigegeben. In der Folge verschuldeten sich die privatisierten Banken zu niedrigen Zinsen im Ausland (dass heißt, in US-Dollar) und verliehen das Geld im Inland teuer weiter. Obwohl der Staat kaum neue Kredite aufnahm, stieg die gesamte Auslandsverschuldung Chiles von 1973 bis 1982 von 4 Mrd. Dollar auf 17 Mrd. Als 1982 der Peso abwertete und sich die Schulden vervielfachten, sprach das Regime ein und übernahm die privaten Spekulationsverluste der Banken.
Steuersystem
Im Rahmen einer radikalen Steuerreform wurden die Vermögens- und die Kapitalertragssteuer abgeschafft. Die Körperschaftssteuer wurde gesenkt und statt einer Vielzahl von Verkaufssteuern eine allgemeine Mehrwertsteuer eingeführt. Die Konsequenz der Reform war ein regressiv wirkendes Steuersystem.
Landwirtschaft
Unter Frei und Allende wurden umfangreiche Agrarreformen durchgeführt, bei denen 40% der bewirtschafteten Fläche umverteilt wurden und die Vorbesitzer entschädigt wurden. Pinochet gab zwar 29% des enteigneten Landes zurück und beendeten den Anbau in Genossenschaften, doch wurde der größte Teil der verteilten Flächen nicht an die oft unproduktiven Hacendados zurückgegeben. Deshalb gibt es in Chile bis heute einen großen Sektor von sehr effizient arbeitenden mittleren Betrieben (20 ha - 100 ha).
Das Regime kürzte die Subventionen und öffnete die Märkte für den Weltmarkt. Als Folge dieses abrupten, ungedämpften Schocks sank die landwirtschaftliche Produktion acht Jahre lang. Ab 1983 garantierte die Regierung wieder Mindespreise für bestimmte Produkte. Langfristig sorgte diese "sozialdarwinistische" Haltung aber auch für einen produktiven, exportorientierten Agrarsektor.
Abbau des Sozialstaates
Im Vergleich zu 1970 (also noch vor Allendes Reformen) waren 1975 die Ausgaben für Gesundheit um 33 Prozent niedriger, für Erziehung um 37 Prozent, für Wohnungsbau um 26 Prozent und für Versicherungen um 39 Prozent. Deutlich wird die neue Prioritätensetzung des Diktators: Statt 59 Prozent (1970) gab der Staat 1975 nur noch 32 Prozent der Staatsmittel für Soziales aus. Die Löhne waren 1980 (also sieben Jahre nach dem Putsch) 17 Prozent niedriger als vor Allende.
Ab Mai 1981 reformierte das Pinochet-Regime den Sozialstaat von Grund auf: Der Großteil der Sozialversicherung wurde privatisiert, Arbeitsgeberbeteiligung und Solidarausgleich wurden weitgehend abgeschafft, auch wenn es z.B. eine staatlich Garantierte Mindesrente gibt. Die Militärs und Polizei, die ja einen großen Teil des personals der Diktatur stellten, behielten ihre staatliche Vorsorgesysteme allerdings bei (und haben sie bis heute).
Armut und Ungleichheit
Unter Frei und unter Allende verbesserte sich die Einkommensverteilung und die Armutsstatistiken enorm. Dank Agrarreform und Umverteilungspolitik stieg der Anteil der ärmsten 10% am Gesamteinkommen um 2,0 Prozentpunkte, der der mittleren 50% um 1,8 Prozentpunkte und der Anteil der Oberschicht (reichste 10%) sank um 3,8 Prozentpunkte.
Unter Pinochet kehrte sich diese enorm positive Entwicklung radikal ins Gegenteil. Während aller Phasen - dem Chaos von 1973/74, der Neoliberalen Wende und dem Wirtschaftsboom 1975-81, der Krise 1981-83 und dem zweiten Boom von 1984-87 wurde die Einkommensverteilung immer schlechter. Armut nahm vor allem bis 1983 dramatische Ausmaße an und stabilisiert sich danach. Die Arbeitslosigkeit sank ab 1985 spürbar, blieb aber ein vielfaches der Frei/Allende-Zeit. Einzig ab 1987 ist eine leichte Verbesserung bei der Einkommensverteilung festzustellen. Jetzt sank auch Arbeitslosigkeit und Armut spürbar.
1980 - nach 4 Jahren Boom - lagen die Reallöhne immer noch 10% unter denen von 1970. Die Absolute Armut (nach CEPAL = zu wenig Einkommen zur Ernährung) explodierte geradezu (Absolute poverty virually exploded.) sowohl in der Stadt (von 12% auf 28%) als auch auf dem Land auf insgesamt 30% (von 1970 zu 1980). Das bedeutet, fast ein Drittel der Chilenen konnten sich nicht ausreichend ernähren. 1987 waren die Reallöhne immer noch 5% unter denen von 1970. Erst 1987 bis 1990 stiegen die Reallöhne um 11% und die Arbeitslosigkeit sank auf 7%. (Quelle: Altimir (1998): 61.)
Es ist also keineswegs so, dass Pinochets Wirtschaftsmodell in den Boomphasen für Wohlstand für alle gesorgt hätte. Wie in Tabelle 1 zu sehen ist, wurden 80% der Chilenen unter Pinochet relativ ärmer. Tabelle 2 zeigt, dass der Anteil der Unterschicht am gesamten Wohlstand bis 1988 dramatisch absinkt. Tabelle 3 zeigt die Änderung der Einkommensungleichheit über mehrere Phasen (Allende/Frei; Neoliberale Wende/Boom; Krise; 1978-1988 (Überschneidung, genauere Daten liegen nicht vor); Endphase der Diktatur). Abgesehen von den letzten drei Jahren, verschlechtert sich die Verteilung in jeder einzelnen Periode. Auch zuletzt war der Transfer marginal und fand von Mittel- zu Unterschicht statt. Die Oberschicht blieb unangetastet.
Quelle: Handbuch der Dritten Welt, Band 2: 322. |
Quelle: Duquette (1998): 12. |
Quelle: Altimir (1998): 45. |
Siehe auch Liste der Länder nach Einkommensverteilung
Wunder von Chile
Neben der negativen Folgen der Reformen auf Wirtschaftsstruktur, Armut und Einkommensverteilung konnte auch ein beachtliches Wirtschaftswachstum erzielt werden. Diese Boomperiode von 1976 bis 1981 wird als Miracle of Chile, Wunder von Chile beziehungsweise Milagro Chileno bezeichnet. Der Begriff wurde von Milton Friedman geprägt, der damit weniger den Erfolg bezeichnete als die Konsequenz und Durchsetzungskraft, mit der die Diktatur die neoliberalen Reformen umsetzte. Genauer betrachtet, war der Aufschwung kein besonders herausragender Erfolg. Nach der schweren Rezession 1975 waren die Wachstumsraten von durchschnittlich sieben Prozent keineswegs unnormal. "Unter der Demokratie haben wir bessere Resultate geschafft", meint der ehemalige Chef-Volkswirt der chilenischen Zentralbank, Ricardo French-Davis.
Krise 1981/82 und Pragmatischer Neoliberalismus
Ursachen der Krise
Der strukturelle Grund für chiles schwere Krise 1982 und 1983 lag in der exorbitanten Auslandsverschuldung der Banken. Diese waren privatisiert worden und hatten sich dank des freigegebenen Kapitalmarktes massiv zu variablen Zinsen im Ausland verschuldet und im Inland das Kapital weiterverliehen. Als dann die Zinsen stiegen und der Peso aufwertete, gerieten die Banken in Zahlungsschwierigkeiten. Investoren zogen ihre Portfolioinvestitionen kurzfristig ab und verstärkten so zum einen die Abwertung und zum anderen die Kapitalknappheit der Banken. In Folge der Bankenkrise geriet die gesamte Volkswirtschaft in eine tiefe Rezession.
Exogene Schocks als Auslöser
Mit der Ernennung von Paul Volcker zum Fed-Chef 1979 begann in den USA eine Phase der monetaristischen Disinflationspolitik und damit der hohen Zinsen. Da die meisten chilenischen Auslandsschulden variabel verzinst waren, wurden nicht nur neue Kredite, sondern die gesamte Zinslast schwerer.
Ende 1979 sorgte der Erste Golfkrieg für den Zweiten Ölpreisschock, der zum einen das Ölimportland Chile traf, zum anderen die wichtigsten Exportmärkte in eine Rezession trieb. So sank die Nachfrage und auch der Preis nach Kupfer und anderen Exportprodukten. Der Kupferpreis sank um 17,5%.
1982 sorgten diese Gründe in Mexiko für eine erste Schuldenkrise und die Zahlungsunfähigkeit der dortigen Regierung. In Panik schossen die Risikoaufschläge aller lateinamerikanischen Gläubiger in die Höhe. So wurden der Reihe nach fast alle Länder des Subkontinents in Schuldenkrisen gerissen, Chile eingeschlossen.
Soziale und Politische Folgen der Krise
1982 brach die Wirtschaftsleistung um 14,2 Prozent ein und die Arbeitslosigkeit sprang im folgenden Jahr auf 30 Prozent. Ein Drittel der Bevölkerung war unterernährt, Chile hatte rund 25% Arbeitslose und über 50% lebten unter der Armutsgrenze.
Die harte Wirtschaftspolitik erregte Proteste. 1982 kam es in vielen chilenischen Städten zu "Hungermärschen" und Protesttagen (Dias de protesta). Ihre Forderung lautet: "Brot, Arbeit, Gerechtigkeit und Freiheit". Viele Beobachter rechneten mit einem Sturz Pinochets. Doch durch die Ausrufung des Ausnahmezustandes 1983 konnten die Proteste unter Kontrolle gebracht werden.
Wende in der Witschaftspolitik
Die Regierung musste die Schulden zahlreicher privater Banken übernehmen, um einen Zusammenbruch des Bankensektors und einen Bank Run zu verhindern. In der Folge stieg die Staatsquote über 34% und damit weit höher als unter dem Sozialisten Allende. Spöttisch wurde dieses drastische wirtschaftspolitische Versagen der eigenen Ideologie des Regimes als "Sozialismus á la Pinochet" bezeichnet.
Nach der "arroganten" Wirtschaftpolitik der 70e wurde die Wirtschaftspolitik deutlich modifiziert. Aus Neoliberalismus wurde ein pragmatischer Neoliberalusmus. Wendepunkt war die Ernennung von Hernán Büchi (der nicht in Chicago, sondern an der Columbia University in New York studiert hat) zum Finanzminister. Statt "Neoklassik aus dem Lehrbuch" wurde die Politik wesentlich pragmatischer und ging auch auf die Forderungen von Lobbygruppen ein. Das Dogma der Überlegenheit des Marktes wird in Chile zwar grundsätzlich weiterhin vertreten, aber eben nur grundsätzlich.
So wurden etwa das Exportförderprogramm ProChile ins Leben gerufen. Es bietet chilenischen Unternehmern bis heute praktische und konkrete Hilfestellung etwa bei Informationen über die Eigenheiten der Zielmärkte. Eine weitere Diversifizierung und ein Anwachsen der Exporte konnte durch vergünstigte Kredite und Subventionen für die Exportbranchen erreicht werden. Die Importzölle wurden differenziert und einzelne Zölle auf bis zu 35% angehoben. Für einzelne Agrarprodukte wurden Mindestpreise garantiert. Als Reaktion auf die Bankenkrise wurde die Bankenaufsicht Superintendencia de Bancos e Instituciones Financieras (SBIF) gegründet.
Stabiler Aufschwung 1986-1990
Schon bald stabilisierte sich die Wirtschaft und Mitte der 1980er Jahre begann ein enormer Aufschwung, der bis Ende der 1990er Jahre anhielt. Die Wirtschaft wuchs um Durchschnitt jährlich um 7,9 Prozent, ist also zwischen 1986 und 1999 auf das zweieinhalbfache gewachsen. Auch deshalb war Pinochet (wie die meisten Beobachter) überrascht, als die Chilenen ihn 1988 in einem Referendum abwählten. Trotz allen Erfolges waren die Reallöhne 1988 immer noch 10% niedriger als 1970.
In einer zweiten Welle von Privatisierungen wurden eine Reihe von Staatsbetrieben privatisiert, die zu CORFO gehörten (also nicht erst unter Allender verstaatlich worden waren). Relativ zur größe des Landes wurde etwa doppelt so viel privatisiert wie in Großbritannien unter Margaret Thatcher. Häufig wurden die Unternehmen bei der völlig intransparenten Privatisierung weit unter ihrem Wert verkauft - die meisten waren nur wenig verschuldet und warfen hohe Gewinne ab.
Wirtschaftspolitik der Concertación-Regierungen
In den letzten Monaten der Dikatur versuchte das Regime, die Wirtschaftsordnung unabänderlich festzuschreiben. Zahlreiche Unternehmen wurden privatisiert und die Zentralbank in die Unabhängigkeit entlassen. Der Präsident der Zentralbank sollte fortan vom Militär bestimmt werden. All diese Vorsichtsmaßnahmen erwiesen sich als weitgehen unnötig: Die nachfolgenden demokratischen Regierungen haben am marktorientierten, monetaristischen, rein marktbasiertem und exportorientiertem Wirtschaftsmodell durchgehend festgehalten.
Privatisierungen
Zwar akzeptierten die Concertación-Regierungen die Privatisierungen, doch bremsten sie bei weiteren Privatisierungen. So wurde in der ersten Hälfte der 90er Jahre keine große Staatsfirma verkauft.
Armut und Ungleichheit
Bis heute gibt es keine fundamentale Verbesserung des Sozialstaates, die Bildung ist weitgehend privatisiert und die Einkommensverteilung ist weiterhin extrem ungleich. Dafür beschleunigte sicher der Wirtschaftsaufschwung noch, infolge dessen die Armut in den 90ern halbiert werden konnte (Economist). Ökonomisch war Chile in diesem Zeitraum das mit Abstand erfolgreichste Land des Kontinents.
In den ersten Jahren nach der Transition verbesserte sich die Einkommensverteilung dramatisch.
1960 | 1965 | 1970 | 1974 | 1980 | 1985 | 1988 | 1992 |
---|---|---|---|---|---|---|---|
13,6 | 12,9 | 11,5 | 15,2 | 10,9 | 10,1 | 10,4 | 16,1 |
Asienkrise
1997 und 1998 kam es in Ostasien, Russland und Brasilien zu schweren Wirtschaftskrisen.
Ursachen Mit den Wirtschafts- und Währungskrisen in Südostasien brachen die Rohstoffexporte in diese Region ein, die immerhin etwa ein Drittel des Exportvolumens ausmachen. Durch die dortige Abwertung wurden die Tigerstaaten außerdem zu noch wettbewerbsfähigeren Konkurrenten. Des weiteren wurden auch die Südamerikanischen Nacharn mit in die Rezession gezogen. Das BIP des Kontinents wuchs 1997 noch um 5,2%, im folgenden Jahr nur noch um 2,3% und 1999 schrupmfte es um 0,5%. Nach Südamerika geht ein Fünftel von Chiles Exporten. Insgesamt gingen die Preise für chilenische Exportgüter um 24% zurück (das ist fast doppelt so viel wie in der schweren Krise 1982/83), alleine die für Kupfer um 30% (verglichen mit 17,5% 17 Jahre zuvor). Weniger aussschlaggebend war die Abnahme des Kapitalzuflusses nach Chile, da das Land in den 90ern eher von zu viel Kapitalzufluss bedroht war. Nun konnte die Regierung die sogenannten unremunerated reserve requirements (deutsch Bardepot), ein Instrument zur Dämpfung des Kapitalzuflusses, abschaffen.
Wirtschaftseinbruch Die Folgen für die chilenische Wirtschaft waren gravierend, aber nicht dramatisch. Über zwei Jahre sank das BIP um 3%, die Arbeitslosigkeit stieg von 5% auf 11% und der Peso wertete um 16% gegenüber dem US-Dollar ab. Bei der letzten Krise hatte der BIP-Rückgang (trotz eines kleineren Schocks) noch 14% betragen und die Arbeitslosigkeit war auf 30% gestiegen. Chiles Volkswirtschaft ist also wesentlich resistenter gegenüber externen Schocks als Anfang der 80er Jahre.
Reaktion von Regierung und Zentralbank Die Zentralbank reagierte sofort mit einer massiven Zinserhöhung von 7% auf 14%, um einen Kapitalabfluss zu vermeiden und den Peso zu stabilisieren (schließlich brachen ja gerade weltweit die Währungen von Schwellenländern ein). Anders als im Rest Lateinamerikas (vor allem Brasilien) kam es jedoch nicht zu beunruhigenden Abflüssen. Die Zinserhöhung trug jedoch kurzfristig nicht unerheblich zu Wachstumseinbruch und Arbeitslosigkeit bei. Schon kurze Zeit später wurden die Zinsen wieder auf 5% gesenkt und die Regierung reagierte mit keynesianischer Nachfragepolitik. Das erste Mal seit Jahren wies der Staatshaushalt ein Defizit von 1,5 Prozent des BIP aus. Die Wirtschaft konnte so stabilisiert werden und wuchs nach 3,2% im Jahr 2003 im folgenden Jahr schon wieder um 5,8%.
Untypisch für Lateinamerika ist, dass im Verlaufe der Wirtschaftskrise sowohl der wirtschaftspolitische Kurs beibehalten wurde, als auch zu keinem Zeitpunkt die Gefahr eines Putsches bestand.
Rohstoffboom
Mit dem globalen Aufschwung ab 2001 und der Explosion der chinesischen Rohstoffimporte stiegen die Preise auch für Kupfer sprunghaft an. In nur vier Jahren stieg der Preis für ein englisches Pfund Kupfer an der Londonder Rohstoffbörse von 0,73 Pfund Sterling auf 1,88 Pfund im Oktober 2005 an. In Folge dessen beträgt der Exportanteil von Kupfer heute wieder 45% und die Wirtschaft boomt. Langfristig verstärkt dies die Gefahr, dass eine Diversifikation und Industrialisierung von Wirtschaft und Exporte weiterhin zu gunsten einer von Rohstoffen getragenen Entwicklung unterbleibt.
Sozialpolitik
Armut und Ungleichheit
Chile ist im südamerikanischen Vergleich relativ wohlhabend und in den 90er Jahren bei der Bekämpfung der Armut das erfolgreichste Land des Kontinents gewesen. Trotzdem bleibt Chile, wie fast alle Länder der Region, ein Land mit einer extrem ungleichen Verteilung an Wohlstand. 1994 erhielt das ärmste Fünftel der Bevölkerung 4,6% des Volkseinkommens, das Reichste 56,1%, also 13 mal so viel. Damit ist Chile kein Sonderfall: In Brasilien betrug das Verhältnis sogar 24, in Mexiko 14 und in Venezuela 10. Selbst relativ ungleiche Industriestaaten wie die USA weisen hier mit einem Faktor 9 ein deutlich gerechteres Bild auf, gar nicht zu reden von Deutschland mit 6 oder Japan mit 4. Auch Ostasiatische Schwellenländer wie Südkorea (6) oder Thailand (8) verteilen ihr Volkseinkommen sehr viel egalitärer. (Quelle: Ramos, Joseph: Poverty and Inequality in Latin America) Man kann grob sagen, dass die Armut in Lateinamerika etwa halbiert würde, wenn das Einkommen genauso gerecht verteilt würde wie in den Tigerstaaten.
In den Städten, vor allem in Santiago, leben fast die Hälfte der Bevölkerung in Armenvierteln (Poblaciones). Zwar ist die Armut in den 90er Jahren deutlich gesunken, doch bleibt der Sozialstaat in Chile auch unter den demokratischen Regierungen rudimentär.
1975 | 1980 | 1985 | 1990 | 1995 | 2000 | 2003 | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Chile | 0,704 | 0,739 | 0,763 | 0,785 | 0,816 | 0,843 | 0,854 |
1925 bis 1973
Mit dem Aufschwung der Kupferbergbaus und dem Entstehen von Arbeiterparteien und Gewerkschaften begann Chile schon in den 20er Jahren mit dem Aufbau eines Sozialsystems und spielte damit in Südamerika eine Vorreiterrolle. Mit dem Einsetzen der ISI wurde die Sozialpolitik deutlich ausgeweitet. Weil breite Bevölkerungsschichten inklusive der Mittelklasse nun in Sozialprogramme integiert waren, spricht man von einer universalistischen Sozialpolitik. Der Sozialstaat wuchs also weit über bloße Almosen an die ganz Armen hinaus. Dies soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie weiterhin exklusiv blieb, dass also breite Bevölkerungsschichten ausgeschlossen blieben. Die trifft besonders auf den ländlichen und den informellen städtischen Sektor zu. Unter Eduardo Frei Montalva und Salvador Allende beschleunigte sich der Ausbau des Sozialstaates dramatisch. Man schätzt, dass Anfang der 70er Jahre 70% der Bevölkerung Zugang zum staatlichen Rentensystem unr 90% Zugang zu irgendeiner Form von Gesundheitssystem hatten, für den damaligen Entwicklungsstand des Landes sehr gute Werte (nach Taylor (2001): 24). Allerdings diente das hochkomplizierte System aus hunderten von Programmen auch zunehmend als Kanal für Klientelismus, also die Bevorzugung der eigenen Anhänger durch die jeweilige Regierung.
1925 | 1939 | 1935 | 1955 | 1965 | 1972 | 1981 | 1990 | 1997/8 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
2,1 | 2,7 | 5,2 | 15 | 20 | 25 | 15 | 13 | 15 |
Quelle: Läger et al (2001).
Unter Pinochet
Die Junta brach 1973 drastisch mit traditionellem Modell. Während dies in der Phase von 1973 bis 1976 vor allem quantitative Auswirkungen hatte (alle Sozialprogramme wurden drastisch um 25% bis 50% gekürzt), sorgten die Chicago Boys mit ihren Sieben Modernisierungen zwischen 1977 und 1981 für einen grundlegenden, strukturellen Wandel in der Sozialpolitik, der - anders als die drastischen Kürzungen - die Transition zur Demokratie weitgehend überstanden hat. Grundlegend war eine fundamental gewandelte Sicht auf den Sozialstaat. Dieser sollte vor allem die Allokation von Gütern und Ressourcen über den Markt nicht behindert. Dazu sollte der universalistische Sozialstaat selektiv werden, also nur noch die Ärmsten vor dem Verhungern bewahren. Damit ist das Ziel einer gerechten (im Sinne von gleichen) Einkommens- und Vermögensverteilung einer optimalen Verteilung (im Sinne von: gerecht ist, was man sich erarbeitet und verdient hat) gewichen. Alles, was darüber hinaus geht, soll selbst marktwirtschaftlichen Kriterien entsprechen - also individuelle Zurechnungsfähigkeit und Wettbewerb garantieren. Von diesem Grundmuster sprechen diejenigen, die die chilenische Sozialpolitik als Modell feiern. Grundlage der Reformen war ein schon 1972 an der Pontificia Universidad Católica de Chile ausgearbeiteter Plan namens El ladrillo ("Der Ziegelstein").
Quantitative Kürzungen 1974 - 1976
Im Vergleich zu 1970 (also noch vor Allendes Reformen) waren 1975 die Ausgaben für Gesundheit um 33 Prozent niedriger, für Erziehung um 37 Prozent, für Wohnungsbau um 26 Prozent und für Versicherungen um 39 Prozent. Deutlich wird die neue Prioritätensetzung des Diktators: Statt 59 Prozent (1970) gab der Staat 1975 nur noch 32 Prozent seiner Mittel für Soziales aus.
Rentensystem
Gesundheitssystem
Bildungssystem
Seit der Transition
Korruption
Korruption ist in Chile ein sehr viel geringeres Problem als im Rest von Lateinamerika. Gründe sind die marktwirtschaftlichen Strukturen, ein funktionierendes Justizsystem und relativ gut arbeitenden demokratische Institutionen. Der Index der Nichtregierungsorganisation Transparency International weist Chile unter den amerikanischen Ländern nach Kanada und den USA den dritten Platz zu.
1995 | 1996 | 1997 | 1998 | 1999 | 2000 | 2001 | 2002 | 2003 | 2004 | 2005 | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Score | 7,9 | 6,8 | 6,1 | 6,8 | 6,9 | 7,4 | 7,5 | 7,4 | 7,4 | 7,3 | |
Rang | 23 (von 52) | 20 (von 85) | 19(von 99) | 18 (von 90) | 17 (von 102) | 20 (von 133) | 20 (von 145) |
Makroökonomische Daten
Auslandsschulden
Die Staatsschulden Chiles betragen gerade einmal 15% des BIP, und davon ist nur die Hälfte im Ausland aufgenommen. Dafür ist der private Sektor (Unternehmen, Banken und Haushalte) mit mehr als 33% des BIP im Ausland verschuldet. [3]
Vergleich in Südamerika
Land | BIP ($) je Einwohner Kaufkraftparität | Wirtschaftswachstum (%) | Staatsverschuldung % des BIP | Export ($) je Einwohner |
---|---|---|---|---|
Argentinien | 12.352 | 8,00 | 67,50 | 755 |
Bolivien | 2.560 | 2,50 | 171 | |
Brasilien | 8.104 | -0,20 | 58,50 | 398 |
Chile | 10.686 | 3,30 | 14,80 | 1.292 |
Ecuador | 3.747 | 2,50 | 53,70 | 460 |
Kolumbien | 6.644 | 3,70 | 51,90 | 306 |
Paraguay | 4.834 | 1,80 | 45,10 | 440 |
Peru | 5.638 | 4,00 | 49,20 | 325 |
Uruguay | 14.494 | 2,50 | 637 | |
Venezuela | 5.804 | -9,20 | 38,80 | 1.034 |
Zum Vergleich: Mexiko | 9.593 | 1,30 | 23,10 | 1.570 |
Zum Vergleich: Deutschland | 28.666 | 0,90 | 64,20 | 8.815 |
Gewerkschaften und Unternehmerverbände
Traditionell haben sowohl Unternehmer als auch Gewerkschaften in der Politik Chiles ein hohes Gewicht. Auf Arbeitnehmerseite tritt vor allem der Gewekschaftsdachverband Central Unitaria de Trabajadores de Chile (CUT) als politischer Akteur auf, während die Gewerkschaften anders als in Deutschland nur auf Betriebsebene organisiert und deshalb sehr zersplittert sind. Auf Arbeitgeberseite ist weniger der Dachverband Confederación de la Producción y del Comercio (COPROCO) als viel mehr der direkte Einfluss der großen Konzerne und Konglomerate entscheident. Diese grupos económicos hatten ihre größte Bedeutung in der ersten Hälfte des Pinochet-Regimes (1973 - 1982), aber dominieren bis heute weite Teile der Wirtschafts und haben großen Einfluss auf die Politik
Unternehmerverbände
100 Jahre Dominanz der Unternehmer
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts war Chiles Wirtschaft und damit auch die Unternehmer auf den Agrarsektor (für den Binnenmarkt) und den Bergbausektor (Salpeter, ab den 30er Jahren Kupfer für den Export) konzentriert. Mit der Industrialisierung in Folge der Weltwirtschaftskrise und der einsetzten Importsubstituierenden Industrialisierung (ISI) verflochten sich Großgrundbesitzer und Industrielle. Formal zwar eine Demokratie, bestimmte diese Oligarchie de facto auch die Politik des Landes, denn das Wahlrecht war derart eingeschränkt, dass nur einige Tausend wählen durften. So herrschten in Chile über ein Jahrhundert unternehmerfreundliche Regierungen. Zwar verschaffte die ISI dem Land einen Sprung in die Industrialisierung, aber schon Mitte der 50er Jahre wurde die Entwicklung durch Korporatismus, Rent-Seeking und den kleinen Markt Chile (nur 5 Mio. Einwohner) begrenzt. Trotz einem Jahrzehnt der Stagnation setzte erst ein umfassender Reformprozess ein, als 1964 Eduardo Frei Montalva Präsident wurde. Begleitet wurde die Entwicklung seit 1935 durch den mächtigen Unternehmerverband Confederación de la Producción y del Comercio (COPROCO, heute CPC).
Frei und Allende
Weil der unternehmensfreundliche Jorge Alessandri nicht noch einmal kandidieren durfte und Salvador Allende durchaus Chancen auf den Wahlsieg hatte, unterstützten die Unternehmer den Christdemokraten 1964 Frei. Dieser jedoch setzte auf revolución en libertad und Beschleunigte den jahrzehntelangen, graduellen Rückgang der unternehmerischen Macht durch Agrarreformen und Sozialgesetzgebung. Unter Allende begannen die Unternehmer mit einer alles-oder-nichts Opposition gegen die Regierung, was vielleicht angesichts der Bedrohung von Verstaatlichungen verstanden werden kann. Allerdings schürten die Branchenübergreifenden Konzerne (grupos económicos) auch mithilfe ihrer Medienmacht die Angst und sorgten so für Unternehmerstreiks (Aussperrungen) und den bewusst betriebenen wirtschaftlichen Niedergang des Landes, um die Militärs zu einem Putsch zu bewegen.
Die Neoliberale Wende: Unternehmer sei 1973
Der Putsch 1973 wurde von praktisch allen Unternehmern befürwortet und bis zu Letzt blieb die Unternehmerschaft dem Regime loyal. Angesichts der engen personellen Verflechtung zwischen Privatwirtschaft und Regierung, der Reprivatisierung von duch Allende verstaatlichen Unternehmen (1973-76), der gewerkschaftsfeindlichen Politik und der letzten Privatisierungswelle (1985-1990) ist dies auch nicht erstaunlich. Am wichtigsten ist wohl jedoch die makroökonomische Wirtschaftspolitik: Die neoliberal-monetaristische Politik der Chicago Boys wurden auf Unternehmerseite solange vorbehaltlos unterstützt, bis der Boom (Miracle of Chile) 1982 in sich zusammen brach. Doch auch in der Krise konnten zumindest die großen Konglomerate auf Pinochet zählen: Die Milliarden von Spekulationsverlusten der Banken wurden durch Verstaatlichung sozialisiert. In ihrer Loyalität zur Diktatur änderte jedoch weder die Krise noch die massiven Menschenrechtsverletzungen (siehe Geschichte Chiles) etwas: Im Vorfeld des Plebiszites 1988 machten die Unternehmer massiv Stimmung für ein „Sí“ und malten Katastrophenszenarien im Falle einer Concertación-Regierung an die Wand. Zwar sehen bis heute die Unternehmer ihre politischen Vertretung in UDI und RN (die ja auch vom milliardenschweren Unternehmer Piñera geführt wird), aber angesichts der wirtschaftspolitischen Kontinuität arbeiten sie auch mit Mitte-Links-Regierungen hervorragen zusammen. Heute sieht sich die Unternehmerschaft Chiles als Kontrast zum Rest Lateinamerikas: Hochdynamisch, weltmarktorientiert, effizient, leistungsfähig, erfolgreich, unideologisch – Unternehmer ganz im Sinne Schumpeters.
Grupos económicos
Mit den hektischen Privatisierungen und laissez-faire-Tendenzen in der Wirtschaftspolitik der Jahre 1973 bis 1982 erfuhr die Wirtschaft eine starke Konzentration. Der schon seit Jahrzehnten vorhandene Trend, Konglomerate und Konzerne zu schmieden (Grupos económicos), die wirtschaftlich unabhängig und politisch einflussbar waren (so hatten die gupos aus die UP-Regirung schadlos überstanden), verstärkte sich in diesen Jahren. So kontrollierten 1978 fünf Gruppen mehr als die Hälfte der 250 wichtigsten Privatunternehmen, oftmals über Bankbeteiligungen. Die von den Chicago Boys forcierte Kapitalverkehrsliberalisierung erlaubte es den Banken, sich im Ausland spekulativ zu verschulden. Als dann 1982 der Peso abwertete und die Schulden ins unermessliche stiegen, setzte die Regierung Milliarden (6 Mrd. US-Dollar, etwa 30% des BIP von 1983!) ein, um die Unternehmen zu retten. Während also Millionen von Chilenen in der Armut versanken, wurden einzelne grupos mit Staatsgeldern gerettet. Zwar hat die Macht der Großunternehmen durch Strukturwandel und die Transition abgenommen, aber bis heute sind sie sehr einflussreich. Unter den wichtigsten sind heute:
- Grupo Cruzat-Larrain
- Grupo BHC mit der wichtigsten Figur Javier Vial Castillo
- Grupo Matte
- Grupo Angelini
- Grupo Edwards (El Mercurio S.A.P.), mit dem führenden Familienmitglied Agustín Edwards Eastman, die unter anderem fast den gesamten Pressemarkt kontrollieren (El Mercurio, Las Últimas Noticias und La Segunda besetzten alleine etwa 70% des Pressewerbemarktes, dazu gehören Edwards weiter 18 Zeitungen. Wegen der Meinungsmacht und der rechten ideologischen Ausrichtung entführte die linke Stadtguerilla Frente Patriótico Manuel Rodríguez 1991 den Sohn Cristián Edwards.
- Grupo Luksic
- Grupo Yarur Banna
- Grupo Parir Lolas
Gewerkschaften
Entstehung der ersten Gewerkschaften
1909 – noch vor den Arbeiterparteien - wurde in Chile die Federación Obrera de Chile (FOCh) gegründet, eine Gewerkschaft von Arbeitern der staatlichen Eisenbahngesellschaft. Sie trat nicht nur als Tarifpartei auf, sonder handelte hatte das Ziel, Chile sozialistisch umzugestalten Nachdem sie sich 1917 auch für andere Branchen geöffnet hatte, erlangte sie zeitweise 70.000 Mitglieder. Ab Mitte der 20er Jahre verfolgte die Regierung Ibáñez eine repressive Politik gegen politisch aktive Gewerkschaften, aber forcierte gleichzeitig den Aufbau von politisch gemäßigten, "legalen" Gewerkschaften. So wurde 1924 ein Arbeits- und Sozialgesetzes verabschiedet, das erstmals das Recht auf Streik und Tarifverhandlungen festschrieb, Zwangsmitgliedschaften vorschrieb, aber die gewerkschaftliche Organisation auf die Unternehmensebene beschränkte. 1936 entstand aus anarchistischen CGT (Confederación General de Trabajo) und der sozialistische CNS (Confederación Nacional de Sindicatos) die Confederación de Trabajadores de Chile (CTCH), die bis zu ihrer Spaltung 1946 zur wichtigsten Arbeiterorganisation wurde. Bald zeigte sich jedoch ein Übergewicht von qualöifizierten Angestellten gegenüber einfachen Arbeitern innerhalb der Gewerkschaften, das bis heute anhält. Während der Regierungszeit der Volksfront (Frente Popular, 1938 – 1945) wuchse die Gewerkschaften sowohl in ihrer Anzahl (Verdopplung 1938 – 1941) als auch ihrer Bedeutung als politische Akteure.
CUT und Allende
1953 wurde die Central Unitaria de Trabajadores de Chile (CUT) als Dachverband der chilenischen Gewerkschaften gegründet. Anfangs noch von kommunistischer Hegemonie bestimmt, machte sich bald die ideologische Heterogenität bemerkbar und die politischen Ziele wurden moderater. 1967 vereinigte die CUT bereits 49 der bestehenden 79 Gewerkschaften und 60% aller Gewerkschaftsmitglieder. Der stetige Bedeutungsgewinn der Gewerkschaften seit den 50er Jahren beschleunigte sich unter Frei weiter: Während seiner Amtszeit verdoppelte sich die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder und die CUT wurde akzeptierter Ansprechpartner der Regierung. Unter der sozialistischen Regierung Allendes stiegen die Gewerkschaften in eine Doppelrolle als Vertretung der Arbeitnehmer und Mitglied der Regierung auf.
Unter Pinochet
Die Militärs waren sich der Bedeutung der Gewerkschaften bewusst: Neben der langen Tradition und tiefer Verwurzelung in der Gesellschaft, der politischen Ausrichtung, der Dominanz linker Ideologien waren sie eng mit den Kommunisten und Sozialisten verflochten. Also zerstörten die Putschisten noch am 11. September 1973 die Zentrale der CUT. Die meisten Gewerkschaften wurden verboten, die Funktionäre verfolgt und das Streikrecht abgeschafft. Immerhin war ein Jahr nach dem Putsch waren noch rund 50% der Gewerkschaftsfunktionäre im Amt, was sowohl auf die Existenz von gemäßigten oder Pinochet-Loyalen Gewerkschaften hindeutet als auch auf eine (im Vergleich zu den politischen Parteien) gemäßigter Haltung des Regimes gegenüber Gewerkschaften. Am Höhepunkt der Macht, im Juli 1979 wurde der plano laboral als eine der Sieben Modernisierungen verabschiedet. Auf internationalen Druck lockerte Pinochet einige Repressionsmaßnahmen. Das wieder erlangte Streikrecht galt aber nur für 60 Tage und wenn die Funktionsfähigkeit des Unternehmens dadurch nicht eingeschränkt wurde. Weiter wurde der Mindestlohn und die Indexierung von Löhnen außer Kraft gesetzt und der Kündigungsschutz abgebaut. Die fortdauernde Schwächung der Gewerkschaften erfuhr mit der Krise 1982/83 eine Wende: Die Mitgliederzahl konnte bis 1991 verdoppelt werden und sowohl während der día de protesto als auch bei der Organisation der Concertación spielten Gewerkschaften herausragende Rollen.
Seit 1990
Trotz gewerkschaftsfreundlicher Reformen und Mitte-Links-Regierungen haben die Arbeitnehmervertretungen an Einfluss verloren. Ideologisch heimatlos, vom Strukturwandel unter Druck gesetzt und weiterhin nur auf Betriebsebene organisiert und deshalb zersplittert (1998 gab es fast 15.000 Gewerkschaften), ging der Organisationsgrad von 22% (’91) auf 16% (’95) zurück, besonders bei Klein- und Mittelbetrieben (7% bzw. 2%). Die politisierte Führung der CUT (Vertreter der PPD und der kommunistischen Partei sitzen im Vorstand) gilt in der Regel als regierungsnah und strebt Konsens mit Staat und Unternehmen an, während es den Basisgewerkschaftern darum geht, ihre wirtschaftlichen Interessen in den Tarifverhandlungen durchzusetzen.
Siehe auch
Weblinks
Literatur
- Einf+hrung und Überblick
- Nohlen, Dieter / Nolte, Detlef: Chile, in: Nohle, Dieter / Nuscheler, Franz: Handbuch der Dritten Welt, Band 2: Südamerika, ISBN 380120202X.
- Eßer, Klaus (2004): Wirtschaftliche Spezialisierung und Aufbau eines modernen Nationalstaates in Chile, in: Imbusch/Messner/Nolte (Hrsg.): Chile heute, Frankfurt am Main, S. 565-601.
- Politikwissenschaftliche Analysen
- Duquette, Michel: The Chilean economic miracle revisited, in: The Journal of Socio-Economics, 1998, vol. 27, issue 3, p. 299-321 (englisch). Weblink. Für Volltext ist (kostenlose) Anmeldung erforderlich.
- Thiery, Peter (2000): Transformation in Chile – Institutioneller Wandel, Entwicklung und Demokratie 1973-1996, Frankfurt am Main.
- Gewerkschaften
- Angell, Alan (1972): Politics and the Labour Movement in Chile. Oxford University Press, London
- Barrera, Manuel;et al.(1986): Trade Unions and the State in Present Day Chile. United Nations Research Institute, Geneva
- Grewe, Hartmut; Mols, Manfred (Hrsg.) (1994): Staat und Gewerkschaften in Lateinamerika. Schöningh, Paderborn
- Nohle, Dieter (1973): Chile – Das sozialistische Experiment. Hoffmann und Campe, Hamburg
- Nolte, Detlef (1986): Zwischen Rebellion und Integration – Gewerkschaften in der chilenischen Politik. Breitenbach, Saarbrücken
- Rojas Hernández, Jorge (1986): Die chilenische Gewerkschaftsbewegung 1973-1984. Campus Verlag, Frankfurt am Main; New York
- Stephen, Lynn (1997): Women and Social Movements in Latin America. University of Texas Press, Austin,
- Unternehmer
- Imbusch, Peter (1995): Unternehmer und Politik in Chile. Vervuert, Frankfurt am Main
- Imbusch,Peter (2004): Unternehmer und ihre Verbände als gesellschaftlich-politische Akteur, in: Imbusch, Peter; et al.: Chile, heute. Vervuert, Frankfurt am Main
- [4] Information zu den Grupos económicos
- Armut und Ungleichheit
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- aktuelle Wirtschaftliche Situation
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- Maggi, Claudio/Messner, Dirk (2004): Chile – ein Modellfall? Herausforderungen an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, in: Imbusch/Messner/Nolte (Hrsg.): Chile heute, Frankfurt am Main, S. 501-524.
- Außenhandel
- Ffrench-Davis, Ricardo (2002): The impact of exports on growth in Chile, in: CEPAL Review 76, S. 135-150.
- Herzer, Dierk (2003): Exportexpansion, vertikale Exportdiversifizierung und Wirtschaftswachstum in Chile, Göttingen.