Studentenverbindungen in Österreich

Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 2. August 2014 um 11:55 Uhr durch Q-ß (Diskussion | Beiträge) (Literatur). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Studentenverbindungen in Österreich sind im Großen und Ganzen mit den Studentenverbindungen in Deutschland vergleichbar; sie sind aber in ein katholisches und ein (schlagendes) national-freiheitliches Lager gespalten. Gemeinsame Auftritte bei universitären oder gesellschaftlichen Veranstaltungen sind äußerst selten.

Geschichte

Die Gründung von studentischen Zusammenschlüssen wurde nach den Karlsbader Beschlüssen in Österreich sowohl rigoroser als auch andauernder als in anderen Staaten des Deutschen Bundes unterbunden.

Als älteste Verbindung Österreichs gilt das 1850 gegründete Corps Saxonia Wien; eine erste Gründungswelle von Studentenverbindungen, darunter auch Burschenschaften, begann aber erst mit dem Schillerfest von 1859.[1] Die heute älteste katholische Studentenverbindung Österreichs wurde mit der A.V. Austria Innsbruck 1864 gegründet.[2]

Bedeutung

Die Verbindungen Österreichs sind politisch insgesamt deutlich konservativer als jene in Deutschland. Außerdem sind sie untereinander tief in katholische und schlagende Verbindungen gespalten. Gemeinsame Auftritte bei universitären oder allgemein gesellschaftlichen Veranstaltungen sind dort nach wie vor undenkbar. Die aggressive Ablehnung fand ihren Höhepunkt in der Ermordung eines katholischen Grazer Studenten Anfang des 20. Jahrhunderts.

Manche Korporationsverbände wie der Cartellverband oder der nicht-farbentragende Kartellverband koexistieren als deutsche und österreichische Verbände, weisen aber gemeinsame Wurzeln und teilweise sogar eine gemeinsame Geschichte auf. Einige Burschenschaften sind in ihrer politischen Ausrichtung deutschnational eingestellt.

Ungewöhnlich ausgeprägt ist in Österreich das Schülerkorporationswesen. Der größte Verband von Mittelschulverbindungen ist der Mittelschüler Kartell Verband (MKV). Österreichische Mittelschulverbindungen bezeichnen sich größtenteils als Studentenverbindung.

Lager

Die katholischen Dachverbände Österreichischer Cartellverband (ÖCV) und Kartellverband katholischer nichtfarbentragender akademischer Vereinigungen Österreichs (ÖKV) koexistieren als jeweils eigenständige Verbände mit dem deutschen CV und KV, weisen aber jeweils gemeinsame Wurzeln und teilweise eine gemeinsame Geschichte auf. Sie spalteten sich 1933 von den deutschen Dachverbänden ab. Als Besonderheit existiert in Österreich darüber hinaus der monarchistische Akademische Bund der Katholisch-Österreichischen Landsmannschaften.

Die meisten österreichischen Burschenschaften sind in der pflichtschlagenden Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG) organisiert, zu der 43 Burschenschaften gehören, die überwiegend der Deutschen Burschenschaft (DB) und der Deutschen Burschenschaft in Österreich (DBÖ) oder dem Conservativen Delegierten Convent der fachstudentischen Burschenschaften in Österreich (CDC) angehören. Die österreichischen Corps sind im Kösener Senioren-Convents-Verband organisiert, die Landsmannschaften im Coburger Convent.

Die Spaltung in zwei Lager betrifft auch die österreichischen Schülerverbindungen, welche sich selbst größtenteils ebenfalls als Studentenverbindungen bezeichnen. Die größten Verbände von Mittelschulverbindungen sind der katholische Mittelschüler Kartell Verband (MKV) und der schlagende Österreichische Pennäler Ring (ÖPR).

Parteinähe

Auffallend ist eine parteipolitische und weltanschauliche Nähe zwischen katholischen Korporationen und der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) einerseits, sowie zwischen Burschenschaften und Freiheitlicher Partei Österreichs (FPÖ) sowie dem Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) anderseits.

Fast alle Bundeskanzler der ersten Republik aus der Christlichsozialen Partei und der daraus hervorgegangenen Vaterländischen Front, den Vorgängern der späteren ÖVP, gehörten katholischen CV-Verbindungen an. Der Österreichische Cartellverband (ÖCV) hatte sich nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland vom CV abgespalten, als gegen einen Beschluss der Vollversammlung die CV-Verbindungen in Deutschland diesen die Treue versicherten. Engelbert Dollfuß, der Begründer des autoritären Ständestaates, war zum Zeitpunkt seiner Ermordung 1934 Philistersenior seiner Studentenverbindung KÖHV Franco Bavaria (Wien). Teils posthum wurde ihm von fast allen Verbindungen des ÖCV die Ehrenmitgliedschaft verliehen, war Dollfuß doch maßgeblich an der Schaffung des ÖCV beteiligt. Sein Nachfolger als diktatorisch regierender Bundeskanzler, Kurt Schuschnigg, war ebenfalls Mitglied einer ÖCV-Verbindung. In der Zweiten Republik waren und sind zahlreiche ÖVP-Politiker, etwa Andreas Khol, Michael Spindelegger, Günther Platter, Erwin Pröll sowie diverse Mitglieder von Landesregierungen und Bürgermeister, Mitglieder des ÖCV oder des MKV.

In der FPÖ sind traditionell zahlreiche Mitglieder von schlagenden Burschenschaften, daneben auch schlagenden Schülerverbindungen vertreten. Parteichef Heinz-Christian Strache ist Alter Herr der Wiener pennalen Burschenschaft Vandalia, der langjährige Parteiobmann der FPÖ und spätere Gründer des BZÖ Jörg Haider gehörte der fakultativ schlagenden Jägerschaft Silvania Wien an. Mehrere Nationalratsabgeordnete der FPÖ, darunter der dritte Nationalratspräsident Martin Graf, sind Alte Herren der als rechtsextrem angesehenen Burschenschaft Olympia, die 1961 behördlich aufgelöst und 1973 neu konstituiert wurde. Bekannte Waffenstudenten in den Reihen von FPÖ und BZÖ sind unter anderem die Nationalratsabgeordneten Werner Neubauer, Manfred Haimbuchner, Ewald Stadler und Lutz Weinzinger, der Europaabgeordnete Andreas Mölzer und der ehemalige Vizekanzler Herbert Haupt.

In der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) sind Mitglieder von Studentenverbindungen heute kaum vertreten. Zur Zeit ihrer Gründung als SDAPÖ 1888 waren die sozialistischen Gründerväter Viktor Adler und Engelbert Pernerstorfer beide Burschenschafter. Auch später kamen immer wieder sozialistische Politiker aus dem „nationalen“ waffenstudentischen Lager, darunter Eduard Speck, SPÖ-Bürgermeister von Graz 1945–1960 und Alfred Schachner-Blazizek, stellvertretender Landeshauptmann der Steiermark und stellvertretender SPÖ-Parteivorsitzender. Der von der SPÖ nominierte Präsident des Verfassungsgerichtshofs Gerhart Holzinger ist Alter Herr einer ÖCV-Verbindung. Auch der ehemalige parteiunabhängige Außenminister in der SPÖ-Alleinregierung und 1974 von der SPÖ nominierte Bundespräsident Rudolf Kirchschläger war Mitglied der katholischen Pennälerverbindung K.ö.St.V. Waldmark Horn im MKV.

Siehe auch

Literatur

  • Michael Gehler: Österreichische Studentenvereine und Korporationen. In: H. Brandt, M. Stickler (Hrsg.): „Der Burschen Herrlichkeit.“ Geschichte und Gegenwart des studentischen Korporationswesens. Studentengeschichtliche Vereinigung des Coburger Convents, Würzburg 1997. S. 173–205.

Einzelnachweise

  1. Helmut Engelbrecht: Geschichte des Österreichischen Bildungswesens. Österreichischer Bundesverlag, Wien 1986. S. 243.
  2. Helmut Engelbrecht: Geschichte des Österreichischen Bildungswesens. Österreichischer Bundesverlag, Wien 1986. S. 247.