Pazifismus

gegen den Krieg stehende ethische Grundhaltung
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 1. Februar 2006 um 11:51 Uhr durch Jed (Diskussion | Beiträge) (Verhältnis zu Friedensbewegungen, Antimilitarismus und Sozialismus). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Als Pazifismus bezeichnet man eine ethische Grundhaltung, die Krieg prinzipiell ablehnt und politisch danach strebt, bewaffnete Konflikte zu vermeiden, zu verhindern und die gesamtgesellschaftlichen Bedingungen für einen dauerhaften Weltfrieden zu schaffen. Pazifisten nennt man die Vertreter und Anhänger dieser Grundhaltung, die sich als Gegensatz zum Bellizismus versteht. Dieser sieht Krieg als legitimes Mittel politischer Konfliktaustragung und Interessendurchsetzung.

Peace-Zeichen

Der Begriff

Der Ausdruck Pazifismus ist abgeleitet vom lateinischen Wort pax für „Frieden", „Vertrag" (Genitiv pacis), und dem Verbum facere für „machen, tun". Seine Prägung wird dem Franzosen Émile Arnaud (1901) zugeschrieben. Dieser bezog ihn auf damalige Gruppen zur Schaffung eines Völkerrechts, die sich seit etwa 1815 in vielen europäischen Staaten gebildet hatten.

Die Wortverbindung „Frieden machen" bzw. "schaffen, stiften" ist jedoch weit älter. Sie erscheint seit Beginn der schriftlichen Überlieferungen in verschiedenen antiken religiösen und weisheitlichen Traditionen. Eine Wurzel des europäischen Pazifismus wird oft in der Bergpredigt gesehen, wo es heißt (Mt 5,9):

Selig sind die, die Frieden machen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.

Die Absage an jede kriegerische Gewalt unterscheidet Pazifisten von anderen politischen Kräften, die sich ebenfalls auf Kriegsverhinderung orientieren, dazu aber Waffengewalt und Rüstung nicht ausschließen, sondern sich ausdrücklich darauf stützen. Diese Orientierung beherrscht heute nahezu alle Staaten, seien sie demokratisch oder nicht. Pazifismus bildet also faktisch meist eine Minderheitsposition, die sich gegen die herrschende staatliche Gewaltpolitik richtet.

Meist wird Pazifismus heute unter folgenden Aspekten aufgefasst:

  • als Weltanschauung, die davon ausgeht, dass die Verhinderung von Kriegen von der Haltung jedes Einzelnen, von gesellschaftlichen Gruppen und Staaten abhängt.
  • als Versuch, einen drohenden Krieg aktiv zu verhindern, also als Bemühung zum Aufbau einer breiten Antikriegsbewegung,
  • als Versuch, einen laufenden Krieg vorzeitig zu beenden, also Verhandlungsbereitschaft zu stärken und bei den kriegführenden Parteien zu erreichen,
  • als Absage an jede Teilnahme an kriegerischer Gewalt, also aktive Kriegsdienstverweigerung,
  • als Versöhnungsarbeit vor und nach einem Krieg, die sich Kriegsopfern zuwendet und gesellschaftliches Bewusstsein zu verändern sucht, um weitere Kriege nachhaltig zu verhindern.

Verhältnis zu Friedensbewegungen, Antimilitarismus und Sozialismus

Die weitergehende Perspektive, alle Kriege abzuschaffen, verbindet Pazifisten mit politischen Gruppen, die ebenfalls Bedingungen für eine dauerhafte weltweite Friedensordnung schaffen wollen. Unter ihnen ist jedoch nicht nur umstritten, was als Hauptursache der Kriege zu gelten hat und daher primär zu bekämpfen ist, sondern auch, welche Mittel dazu legitim sind und welche Strategie langfristig dazu erfolgversprechend ist.

Prinzipielle Pazifisten halten Krieg für schlechthin illegitim und inhuman. Sie glauben, dass dieser niemals Gutes bewirken könne und durch höhere Ziele zu rechtfertigen sei. Das unterscheidet sie von anderen Kriegsgegnern, die sich oft im Vorfeld heraufziehender Kriege oder nach Kriegsniederlagen zu einer Friedensbewegung zusammenfinden. Diese besteht nie nur aus prinzipiellen Gegnern kriegerischer Gewalt; viele Friedensbewegte lehnen z.B. einen Verteidigungskrieg nicht generell ab. Situationsbedingt vermischen sich in breiten Antikriegsbewegungen, die von Bevölkerungsmehrheiten getragen werden, oft eigennützige nationale Motive mit subjektiv pazifistischer Überzeugung:

  • Ablehnung von Fremdbestimmung durch kriegführende Hegemonialmächte,
  • Protest gegen die wirtschaftlichen Kriegskosten,
  • Angst vor negativen sicherheitspolitischen Folgen einer Kriegsbeteiligung für das eigene Land.

Auch Antimilitaristen wollen Kriege verhindern und Krieg abschaffen, bekämpfen aber nicht nur ideologische Kriegsorientierungen, sondern auch das Militär und die Rüstungsindustrie als wesentliche Kriegsursachen. Dies haben sie mit Sozialisten gemeinsam, die die Ursache der meisten Kriege in ökonomischen Macht- und Profitinteressen ansiedeln und die Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen ändern wollen, die solche Interessen hervorbringen und verstetigen.

Dabei schließen am Marxismus orientierte Strömungen Waffengewalt als zwar inhumanes, dennoch unter Umständen notwendiges und unvermeidbares Mittel zur Überwindung von Ausbeutung und Unterdrückung meist nicht prinzipiell aus. Sie sehen diese jedoch nicht unter dem Aspekt von Krieg, sondern als revolutionäre und darum legitime nichtstaatliche Gegengewalt der Bevölkerung zur Kriegsverhinderung und Kriegsabschaffung.

Zwischen diesen Richtungen und der kriegsbejahenden SPD-Mehrheit gab es innerhalb der Sozialdemokratie vor 1918 auch pazifistische Minderheiten. In Frankreich vertrat diese vor allem Jean Jaures, in Deutschland seit 1917 einige Mitbegründer der USPD wie Kurt Eisner und Eduard Bernstein. Ähnliche Positionen zwischen einem strikten Revolutionskurs und einer Kriegsbeteiligung als "kleinerem Übel" vertraten später auch manche Protagonisten eines "Dritten Weges" oder eines Reformkommunismus, z.B. Alexander Dubcek im Prager Frühling von 1968.

Auch Teile der heutigen Linkspartei verstehen sich als Pazifisten und lehnen vor allem die Ausdehnung des Einsatzgebiets der Bundeswehr und ihre Teilnahme an NATO-Einsätzen wie im Kosovo als völkerrechts- und grundgesetzwidrig ab. Manche Gruppen aus der Friedensbewegung der 1980er Jahre weisen demgegenüber jedoch auf die frühere Unterdrückung von Pazifisten in der DDR und den hohen Anteil ehemaliger Angehöriger der Nationalen Volksarmee in der heute pazifistisch gewendeten PDS hin.

Verhältnis zur Realpolitik

Pazifisten verkennen nicht die Existenz von gesellschaftlichen Gewaltverhältnissen, ungerechten Wirtschaftsstrukturen und Machtgefälle zwischen verschieden "entwickelten" und gerüsteten Staaten. Sie halten aber Krieg für ethisch unter keinen Umständen zu rechtfertigen und prinzipiell ungeeignet, Konflikte zu lösen. Daher lehnen sie auch Verteidigungskriege, die heute meist als "gerechte" Kriege deklariert werden, ab. Sie sind nicht zuletzt deshalb in Europa seit Entstehung der internationalen Friedensbewegung eine Minderheit geblieben.

Jedoch hat der Pazifismus durch die Erfahrungen der beiden Weltkriege in weiten Teilen der Bevölkerungen europäischer Staaten einen gewissen Rückhalt, so dass deren Regierungen ihre militärischen Maßnahmen heute verstärkt öffentlich begründen müssen. Eine Folge der Weltkriege war der theoretische Ausschluss des Angriffskrieges in der Charta der Vereinten Nationen von 1945. Dies zwingt die UN-Mitgliedsstaaten stärker als früher, eigene Kriegsziele als legitime Verteidigung darzustellen und demokratischer Überprüfung und Kritik zu unterwerfen.

Alternativen zu bewaffneter Konfliktaustragung

Als Alternativen zu militärischen Maßnahmen haben Pazifisten im 19. und 20. Jahrhundert eine Reihe theoretischer Gegenmodelle entworfen und mit praktischen Schritten teilweise auch mit durchgesetzt:

  • Weltorganisationen wie den Völkerbund und die UNO, die bewaffnete Konflikte regulieren und vermeiden helfen sollen,
  • gewaltfreie Protestformen wie den zivilen Ungehorsam und gewaltfreien Widerstand,
  • eine soziale Verteidigung, die auch im Falle einer militärischen Besetzung erfolgversprechend wäre und das Risiko der Selbstvernichtung im Zeitalter der Massenvernichtungsmittel minimiert,
  • die Rüstungskonversion als Abbau von Kriegsindustrie und Umstellung auf zivile Produktion, auch um den Sorgen der dort Beschäftigten vor Verlust ihrer Arbeitsplätze zu begegnen und nachhaltige Absatzchancen zu schaffen.
  • Kriegsdienstverweigerung, die nicht in allen Staaten, beispielsweise in der Türkei legal möglich ist.

In jedem Krieg gibt es Wehrpflichtige oder Berufssoldaten, die versuchen, den Kriegsdienst als Soldaten zu verweigern oder als Deserteure die kämpfenden Truppen verlassen.

Geschichte

Die Sehnsucht nach Frieden durch die Beendigung von Krieg überhaupt ist schon in sehr frühen Texten der Menschheit zu finden. Sie wurde zum einen von Betroffenen selbst formuliert, die in antiken Despotien unter den Kriegen ihrer Herrscher litten und weitgehend ohne politische Einflussmöglichkeiten waren. Sie wurde zum anderen auch von einer frühen Bildungsschicht, die auf die Herrscher mäßigend, beratend und kritisierend einzuwirken versuchte, übernommen, philosophisch begründet und als literarische Friedensidee überliefert. Sie ist als ethische Handlungsanweisung, jenseitige Zukunftsverheißung oder konkrete Utopie auch in den Überlieferungen einiger Religionen verankert.

Antike Wurzeln

Fernöstliche Religionen

Ein Volkslied der Kaisergarde aus dem chinesischen Buch der Lieder (Shījīng), entstanden zwischen 1000 und 700 v. Chr., lautet in einer deutschen Nachdichtung (aus Gedichte gegen den Krieg S. 11):

General!
Wir sind des Kaisers Leitern und Sprossen!
Wir sind wie Wasser im Fluss verflossen -
Nutzlos hast du unser rotes Blut vergossen -
General! [...]
Unsre Kinder hungern, unsre Weiber heulen -
Unsere Knochen in fremder Erde verfaulen - [...]
Welche Mutter hat noch einen Sohn?

An diese Volkstradition anknüpfend, versuchten die chinesischen Weisen Laotse und Konfuzius Frieden durch innerseelische wie politische Balance der Kräfte zu erreichen. Diese Infragestellung des Krieges war aber nicht unbedingt mit der Absage an jede Militärgewalt verbunden.

Im Hinduismus ist Frieden auf Erden nur denkbar als Wirkung der spirituellen Einung der Menschenseele (Atman) mit der Weltseele, dem Brahman. Allein dadurch kann für die Veden der unheilvolle Zusammenhang von Karma und ewiger Reinkarnation, also die Vergeltungskausalität, überwunden werden. Die Bhagavadgita lehrt daher, dass Krieg und Kampf nie aufhören werden. Jedoch berühren sie den, der mit dem Göttlichen eins wird, nicht mehr. Das Kastenwesen blieb daher unangetastet.

Der Jainismus lehrt das asketische Ideal des Nichtverletzens (Ahimsa) und verbietet deshalb das Töten jedes Lebens. Damit versucht der Weise Abstand zu der in schicksalhafte Gewalt verstrickten Welt zu gewinnen, ohne davon ihre Veränderung zu erwarten. Nur die Erlösten erreichen den ewigen Frieden. Dennoch folgerte Gandhi daraus im 20. Jahrhundert politisch wirksame strikte Gewaltlosigkeit.

Der Buddhismus übernahm das Gebot des Nichtverletzens für die Mönche, abgemildert auch für die Laien. Die Verpflichtung zu Mitgefühl und Barmherzigkeit mit allen Lebewesen ist sowohl Weg zur Erleuchtung als auch deren Folge. Daraus ergab sich eine gewaltlose Konfliktbewältigung, die seit dem Großreich Asokas (3. Jahrhundert v. Chr.) auch auf die Politik ausstrahlte. Dabei blieb die Friedenserwartung an die Figur des „guten Herrschers" gebunden und setzte dessen unbeschränkte Machtfülle voraus. So kam es auch im buddhistischen Einflussbereich zu Ausbrüchen von intoleranter Gewalt gegen Andersgläubige, z.B. in Japan.

Griechisch-römische Antike

In der griechischen Mythologie wurde Frieden als Abwesenheit von Krieg und wie Reichtum und Fruchtbarkeit als Geschenk der Götter verstanden. Die Göttin Eirene erscheint als eine der drei Zeustöchter (Horen) bei Hesiod. Der mythischen Friedenhoffnung gab Homer in der Odyssee Ausdruck im Munde der Göttin Athene (24. Gesang, a.a.O., S. 15):

Ruht, ihr Ithaker, vom unglückseligen Kriege!
Schont des Menschenbluts und trennt euch schnell voneinander! [...]
Halte nun ein, [Odysseus] und ruhe vom alles verderbenden Kriege, damit dir Kronion nicht zürne...

Daraus wurde ansatzweise Kritik an der Gewaltpolitik gefolgert, etwa bei Pindar (Fragmentum 110):

Süß ist der Krieg nur dem Unerfahrenen, der Erfahrene aber fürchtet im Herzen sehr sein Nahen.

Der Peloponnesische Krieg veranlasste Aristophanes um 421 v. Chr. zur Dichtung seiner Komödie Eirene, in der er ein Gebet um panhellenischen Frieden einflocht. 411 v. Chr. verfasste er zudem die KomödieLysistrata", in der die Frauen ihre kriegführenden Männer durch Liebesentzug zum Frieden zwingen.

Der Hellenismus erweiterte die Friedensidee auf die umgebenden Völker, verstand sie aber parallel zu den Eroberungsfeldzügen Alexanders des Großen als gewaltsame Befriedung der Barbaren, also als Ergebnis militärischer Siege. Isokrates verurteilte diese kriegerische Machtpolitik um 355 v. Chr. in einer Rede erstmals insgesamt. Er bezeugt auch den Bau eines Eirene-Altars nach dem Friedensschluss zwischen Sparta und Athen (um 375 v. Chr.). Der dortige Opferkult sollte den brüchigen politischen Frieden sichern.

Die klassische griechische Philosophie entfaltet erstmals den Gedanken, dass Krieg nur durch das übergeordnete Ziel des Friedens zu rechtfertigen sei (z.B. Aristoteles, Nikomachische Ethik 1177b). Dies wird eingeschränkt durch die Bestätigung der in Freie und Sklaven getrennten Gesellschaftsordnung, die es zu bewahren gelte. Zwar galt Eintracht (lat. concordia) unter Menschen als hohe Tugend, wirkt aber kaum verändernd auf gewaltverursachende Verhältnisse ein.

Diese Tradition übernahmen die gebildeten Römer zum Teil; so befasste sich eine verlorene Schrift des Varro (Logistoricus Pius de Pace) mit diesem Thema. Von Cicero (106 - 43 v. Chr.) ist das Zitat überliefert: Der ungerechteste Friede ist immer noch besser als der gerechteste Krieg. Auch in den Dichtungen von Vergil (70-19 v. Chr.) und Horaz lässt sich grundsätzliche Kritik am Krieg finden.

In der römischen Rechtstradition gewann Frieden dann Bedeutung als höchstes politisches Ziel der Staatskunst. Die Idee der Pax Romana war seit der toleranten Religionspolitik Cäsars Gemeingut; sie blieb freilich von Expansion und Unterwerfung abhängig. Friedensstiftung war seit der römischen Kaiserzeit gleichbedeutund mit totaler Militärherrschaft. Er wurde ganz auf die Person des Herrschers konzentriert, der sein Alleinrecht zum Setzen der allgemeinen Rechtsordnung im Kaiserkult absicherte.

Judentum

In der Bibel formulierte der Prophet Jesaja nach dem Ende des judäischen Königtums im Babylonischen Exil (586-539 v. Chr.) eine Vision des Endes aller Kriegsgewalt beim Beginn des Gottesreichs (Jes 2,2-5):

[...] Von Zion wird Weisung ausgehen und JHWHs Wort von Jerusalem:
Und er wird richten unter den Heiden und zurechtweisen viele Völker.
Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln.
Denn es wird kein Volk gegen ein anderes das Schwert erheben, und sie werden fortan nicht mehr lernen, Krieg zu führen.

Er schloss daran die Einladung an das Volk Israel an:

Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht JHWHs!

Christentum

Jesus von Nazaret bekräftigte diese Hoffnung der jüdischen Prophetie mit seiner Verkündigung des Reiches Gottes für die Armen. Gemäß seiner Tora-Auslegung sollten seine Nachfolger Nächstenliebe durch den Verzicht auf Rache, Gegengewalt und Feindesliebe verwirklichen (Mt 5,38-48). Dies verstanden die Urchristen als verbindliches Gebot Gottes. Denn sie deuteten Jesu gewaltsamen Tod als Vorwegnahme des Endgerichts und Gewaltverzicht des Sohnes Gottes (Phil 2,5-11), so dass Paulus von Tarsus im Epheserbrief des Neuen Testaments seiner Gemeinde einschärfte (Eph 2,14-16):

ER ist unser Frieden, der aus beiden [den verfeindeten Juden und Fremdvölkern] eins gemacht hat und den Zaun, der dazwischen war, abgebrochen hat, nämlich die Feindschaft:
indem er [...] aus beiden einen neuen Menschen schuf und Frieden machte und beide versöhnte mit Gott in einem Leib durch das Kreuz, an dem er die Feindschaft getötet hat.

Darum galt Mitgliedschaft in der christlichen Gemeinde in den ersten drei Jahrhunderten des Christentums meist als unvereinbar mit dem Kriegsdienst. In der Geschichte des späteren Christentums stellten pazifistische Positionen allerdings jeweils nur Minderheitsmeinungen dar.

Europäisches Mittelalter

Der "gerechte Krieg"

Nach der Konstantinischen Wende wurden jedoch immer Soldaten und römische Staatsbeamte Christen. Nachdem Kaiser Theodosius das Christentum 380 zur Staatsreligion erhob, trat der christliche Pazifismus schlagartig in den Hintergrund. Nun wurde es notwendig, die urchristliche Ethik an die neue Situation anzupassen und Christen im Staatsdienst die Teilnahme an Polizei- und Kriegsdiensten zu ermöglichen. So entwickelte Augustinus von Hippo in seiner Civitas Dei jene Lehre vom Gerechten Krieg, die für die Haltung der Großkirchen bis heute im Kern maßgebend blieb.

Neuzeit

Deutlicher sichtbar wird der Pazifismus wieder in der frühen Neuzeit in Einzelpersonen wie Erasmus von Rotterdam und christlichen Gemeinschaften wie den Mennoniten und den Quäkern. So äußerte sich Erasmus, wer es süß und ehrenvoll finde, für das Vaterland zu sterben (dulce et decorum est pro patria mori), der wisse nicht, was Krieg sei.

1795 verfassste Immanuel Kant seine Schrift Zum ewigen Frieden. Darin macht er Vorschläge für die Entwicklung eines vertraglich abgesicherten universellen Völkerrechts, das den Frieden gewährleisten sollte.

Der nicht religiöse Pazifismus entwickelte sich insbesondere im 19. Jahrhundert durch Gründung von Friedensgesellschaften in zahlreichen europäischen Ländern und den USA, z. B. der 1892 von Alfred Hermann Fried (Friedensnobelpreisträger 1911) initiierten Deutschen Friedensgesellschaft.

Als Reaktion auf den preußisch - wilhelminischen Militarismus und im Zuge der Internationalisierung der Arbeiterbewegung erstarkte in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland der bürgerliche und sozialistische Pazifismus. Exponenten des so genannten bürgerlichen Pazifismus waren Bertha von Suttner, die 1905, und Ludwig Quidde, der 1927 den Friedensnobelpreis erhielt.

Im Zeitalter der Weltkriege

Einen Rückschlag erlitt der Pazifismus mit der Kriegseuphorie, die zu Beginn des Ersten Weltkriegs verbreitet war. Mit zunehmender Dauer und Grausamkeit des Krieges fanden Pazifisten wie beispielsweise Erich Maria Remarque, Erich Kästner und Kurt Tucholsky sowie Antimilitaristen wie Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg jedoch wieder zunehmend Gehör. Luxemburg und Liebknecht wandten sich ausdrücklich gegen den von ihnen sogenannten bürgerlichen Pazifismus, wie ihn beispielsweise Karl Kautsky und Erich Maria Remarque vertraten. Nach ihrer Anschauung war der Pazifismus nur nach einer sozialistischen Revolution zu verwirklichen.

Trotz der militärischen Niederlage 1918 war die Führungsschicht der Weimarer Republik immer noch so stark militaristisch geprägt, dass sich Pazifisten weiterhin Repressalien ausgesetzt sahen. So wurde der unabhängige sozialistische Pazifist Emil Gumbel, nach anfänglichem Widerstand der badischen Regierung, 1932 als Professor an der Universität Heidelberg entlassen. Carl von Ossietzky wurde 1931 im so genannten Weltbühne-Prozess wegen angeblicher Spionage verurteilt. In Großbritannien trat Bertrand Russell als Pazifist auf und musste deswegen 1918 eine Gefängnisstrafe verbüßen.

Nach 1945

Die bedeutendsten Vertreter des gewaltlosen Widerstands im 20. Jahrhundert waren Mahatma Gandhi in Indien und Martin Luther King in den USA.

Literatur

  • Barbara Bleisch, Jean-Daniel Strub (Hg.): Pazifismus. Ideengeschichte, Theorie und Praxis.Bern 2005.
  • Karlheinz Lipp (Hg):Pazifismus im Ersten Weltkrieg. Ein Lesebuch. Centauraus, Pfaffenweiler, 2004,ISBN: 3825504921
  • KDV. Kriegsdienstverweigerung im Krieg. Rundbrief. Redaktion: Franz Nadler, Rudi Friedrich. Offenbach, erscheint sechsmal pro Jahr.
Wikiquote: Pazifismus – Zitate

Siehe auch