Homer

mutmaßlicher Autor der Ilias und Odyssee
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 31. Januar 2006 um 10:45 Uhr durch 84.150.238.11 (Diskussion) (Leben). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Homer (griech. Όμηρος Homeros, „Geisel“ allerdings wurde der Name in der Antike wegen seiner angeblichen Blindheit auch von ο μη ορων "der nicht sehende" abgeleitet) gilt als der älteste namentlich bekannte griechische Dichter.

mutmaßliche Büste des Homer

Leben

 
Anfangsverse der Odyssee.

Er lebte vermutlich im 8. Jahrhundert v. Chr. (oder auch später) in [[Kwesen sein. Schon in der Antike wurde über Homers Person und Herkunft diskutiert: Smyrna, Athen, Ithaka, Pylos, Kolophon, Argos und Chios stritten darum, sein Geburtsort zu sein. Eine der Legenden sagt, er sei am Fluss Meles als uneheliches Kind geboren worden und sein ursprünglicher Name habe Melesigenes gelautet. Gestorben ist er vermutlich auf der Insel Íos. Anders als über seinen Vater sind sich mehrere Quellen einig, dass seine Mutter Kreitheïs hieß. In der Antike wurde er oft als blinder Greis dargestellt. Trotz dieser schon damals regen Spekulationen über seine Herkunft, sein Aussehen und seine Lebensdaten, ist bis heute nicht ganz geklärt, ob eine historische Person „Homer“ überhaupt existiert hat. Die Darstellung Homers als einen blinden, armen Wandersänger geht auf den Verfasser des unter Homers Namen verfassten Apollon-Hymnus, der aber mit fast sicherer Wahrscheinlichkeit nicht von ihm stammt. Er kann eigentlich kein armer Wandersänger gewesen sein, da für sein Werk genaue Kenntnisse der oberen aristokratischen Schichten erforderlich waren, die ein armer Wandersänger nicht besaß.

Werke

Die Epen

Datei:Ilias.png
Anfang der Ilias.

Berühmt geworden ist er als Dichter zweier der frühesten Epen der Weltliteratur, der Ilias und der Odyssee. Seine Autorschaft ist allerdings umstritten.

 
Der blinde Homer wird geführt (William-Adolphe Bouguereau 1874).

Gesichert scheint die Herkunft der Epen aus dem griechischen Kleinasien. Sie wurde durch die sprachliche Analyse der Werke, die beide im ionischen Dialekt des Griechischen geschrieben sind, bestätigt. Ilias und Odyssee sind die ersten großen Schriftzeugnisse der griechischen Geschichte: Mit ihnen beginnt nach klassischer Ansicht die europäische Kultur- und Geistesgeschichte.

Homerische Sprache und Redaktion

Die Grundsprache ist das Ionische der früharchaischen Zeit, durchsetzt mit Beispielen des äolischen Dialektes und offenbar aus älterer Tradition stammenden Überlieferungen. Aufgrund des mündlichen Charakters tauchen viele Zeilen als "Lückenfüller" wiederholt auf, die geflügelten Worte. Bis in die hellenistische Zeit existierten verschiedene Textredaktionen, wobei die ersten Versuche einer Kanonisierung bis in die Zeit des Peisistratos hineinreichen. Die heutige Fassung wurde von Aristarch von Samothrake redigiert und mit der noch heute verwendeten Gesangeinteilung versehen.


Datierung der Epen

Um die homerischen Epen zeitlich einzuordnen bedient man sich mehrerer Vergleiche. So ist es zum einen das Verhältnis zur Hesiodischen Epik, die im 7 Jh.v.Chr. entstand. Dann gibt es Anspielungen auf dem Nestorbecher (730-720) v. Chr., die auf Partien in der Ilias zu weisen scheinen. Der dritte Punkt ist das historische Umfeld in der 2. Hälfte des 8 Jh., dad für die Entstehung der Epen wichtig war, weil es ab dem 7. Jh. die unangefochtene Adelskultur nicht mehr bestand. Der letzte Punkt sind Partien in der Ilias, die auf Ereignisse im 7 Jh. verweisen zu scheinen. Doch all diese Punkte sind nicht eindeutig, sondern lassen sich auch in Frage stellen. So setzt der Nestorbecher die Ilias nicht zwingend vorraus und Hesiod wird bisweilen auch älter geschätzt als Homer. Des Weiteren lassen sich die Partien in der Ilias auch anders auswerten und Literatur kann auch anachronistisch sein, weshalb eine Datierung auf Grund historischer Ereignisse sehr schwer fällt. Doch sprechen die Indizien hauptsächlich auf die 2. Hälfte des 8. Jh. v. Chr..

Homerische Frage

Die literaturwissenschaftliche Frage nach der Urheberschaft Homers wird die Homerische Frage genannt. Im Hintergrund geht es dabei um das Problem, ob Homer (sollte er denn gelebt haben) tatsächlich Verfasser der beiden Epen ist – das ist allerdings vom Philologischen her unwahrscheinlich, da zwischen Ilias und Odyssee sprachlich ca. 50 Jahre liegen – oder ob unter dem Namen „Homer“ verschiedene Dichter zusammengefasst wurden, die ältere, mündlich überlieferte Sagen verschriftlicht haben. Ein weiterer Aspekt der „Homerischen Frage“ ist die Datierung der beiden Epen: Während die einen von einer Entstehungszeit von ca. 850–800 v.Chr. ausgehen, nehmen andere einen etwa hundert Jahre jüngeren Zeitpunkt dafür an, ca. 750–700 v.Chr.

Homerische Hymnen

Die großenteils legendären antiken Viten Homers berichten außerdem von weiteren ihm zugeschriebenen Werken. Dabei handelte es sich wohl durchweg um Pseudepigraphen, von denen außer Fragmenten nur der Froschmäusekrieg komplett erhalten ist.

Besonders umstritten ist die Urheberschaft der ebenfalls Homer zugeschriebenen 33 Gedichte, die sogenannten Homerischen Hymnen, Preislieder auf griechische Götter. Sie stehen den beiden Epen stilistisch nahe. Rhapsoden pflegten sie als Einleitung zu ihren Rezitationen vorzutragen. Berühmt sind der Hymnos an Appollon und der Hymnos an Aphrodite.

Wirkungsgeschichte

Homers Fortwirkung kann gar nicht überschätzt werden.

Bereits im antiken Griechenland dienten seine Epen den politisch stark zersplitterten griechischen Stämmen und Poleis zur Gewinnung eines gemeingriechischen Selbstverständnisses (siehe Nationaldichter).

Auch für den „Volks“- und „Natur“-Begriff der deutschen literarischen Klassik und Romantik spielt Homers Dichtung die größte Rolle, weil man in ihm einen Beweis dafür sah, dass das Volk eine eigene authentische Stimme habe (vgl. Volkslied), ja, dass aus ihm die Natur selber spreche. Dieser Überzeugung in der antifürstlichen und antiklerikalen Intelligenz seit dem Sturm und Drang ist es zu verdanken, dass durch Wilhelm von Humboldt (neben dem Lateinischen) die griechische Sprache ein Kernstoff der Bildung des Humanistischen Gymnasiums wurde.

Homerische Stoffe und Themen sind dementsprechend sowohl in der klassischen griechischen, als auch in den europäischen Literaturen und Bildenden Künsten allgegenwärtig. In der gehobenen Umgangssprache finden sich dadurch heute noch aus seinem Werk viele Redewendungen und „geflügelte Worte“ (auch dieser Begriff selbst stammt von ihm).

Der Princeton-Psychologe Julian Jaynes (1920–1997) hat in seinem seinerzeit aufsehenerregendem Buch The Origin of Consciousness in the Breakdown of the Bicameral Mind die Andersartigkeit der in der Ilias geschilderten Menschen, die in Entscheidungssituationen von Göttern bzw. göttlichen Stimmen gesagt bekommen, was zu tun ist, im Vergleich zur Figur des Odysseus in seiner dem gegenüber auffälligen „Eigenständigkeit und Selbstbewusstheit“ zum Ausgangspunkt einer weit ausholenden psychohistorischen Studie über den „Ursprung des Bewusstseins“ gemacht. Die Erlebnisweise der Helden von Troja interpretiert er dort im Zusammenhang mit zahllosen anderen literaturhistorischen und archäologischen Hinweisen auf ein gleichartiges Erleben in den Jahrtausenden zuvor als Ausdruck einer vorbewussten oder präreflexiven – aufgrund einiger neurophysiologischer Spekulationen von ihm „bikameral“ genannten – Bewusstseinsstrukur, die dem heutigen Bewusstsein mit seiner ausgeprägen Reflexionsfähigkeit unmittelbar vorausgegangen sei und noch vor 3000–4000 Jahren weithin vorgeherrscht haben soll.

Beginnend 800 v. Chr. werden in den Schriften Homers u.a. erstmals auch von Kriegsverletzungen mit genauen Angaben zur Blutstillung und Wundtherapie und auch die Pflege Verwundeter beschrieben. Sie sind die ältesten literarischen Zeugnisse der frühen griechischen Heilverfahren.

Einige Altphilologen meinen, dass Platon seine Erzählung über Atlantis nach homerischem Vorbild geschrieben habe, um mit Homer zu wetteifern.

Siehe auch

Literatur

  • Robert Fowler (Hrsg.): The Cambridge Companion to Homer. CUP, Cambridge 2004. ISBN 0521012465
Commons: Homer – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wikiquote: Homer – Zitate