Hetta (eigentlich Henriette) Irmgard Margot Gräfin Treuberg, geborene von Kaufmann-Asser, (nach eigenen Angaben: *10. November 1886 in Berlin, nach anderer Quelle 10. Januar 1880; † 1941 in Madrid, war eine deutsche Pazifistin im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts.
Genealogie
Ihr Vater war Prof. Dr. jur. Richard Ritter von Kaufmann-Asser (ab 1873 Aufsichtsrat der "Gussstahl- und Waffenfabrik Witten, vormals Berger & Co.", Hauptprodukt Jagdwaffen; in ihrer Biographie gibt die Gräfin Treuberg den Beruf ihres Vater mit "Ingenieur" und seine Religion mit "Calvinist" an).
Ihr Onkel väterlicherseits, der sie nach eigenen Angaben sehr prägte, war der Politiker und Friedensnobelpreisträger von 1911 Tobias Asser.
Ihre Mutter war die (jüdische) Baronin Landau (Das Berliner "Bankhaus Jacob Landau" war eines der renommiertesten Deutschlands; es war z.B. 1883 über eine Aktienbeteiligung an der "Deutschen Edison-Gesellschaft" im Gründungskonsortium der AEG von Emil Rathenau vertreten, 1911 entsandte es einen Verteter in den AEG-Aufsichtsrat).
Ihre Schwester Emilia Stefania war mit Marilek Poznanski, dem Inhaber der größten Textilfabrik Polens (in Łódź), verheiratet.
Sie hatte zwei Brüder:
Heinrich Ritter von Kaufmann-Asser, war zur Zeit der Weimarer Republik vom 3. Juni bis 17. August 1932 Reichspressechef, vom 23. März bis 1. September 1933 deutscher Botschafter in Argentinien.
Günther von Kaufmann-Asser, er besaß die italienische Staatsbürgerschaft, war im "Heimatdienst" tätig (in Dänemark und Italien). Er hatte kaum Kontakt zu Hetta Gräfin Treuberg.
Am 28. Juni 1904 heiratet sie einen bayerischen Kämmerer, Ernst Ludwig Graf Fischler von Treuberg (1874-1950). Dieser war ein Sohn von Maria Crescentia von Hohenzollern-Sigmaringen und Ferdinand Graf Fischler von Treuberg (1845-1897), Verwandter von Dom Pedro II, Kaiser von Brasilien. Die Ehe wurde am 19. Mai 1914 in Augsburg geschieden.
Kinder: Franz Friedrich (1907-1982), Amalia Maria (Amelie) (1908-1918), Bianca Henrietta Maria (1913-1984).
Prägungen in Kindheit und Jugend
Schon kurz nach ihrer Geburt in Berlin zogen ihre Eltern zunächst nach Weimar, später nach Florenz, Italien. Sowohl in Weimar als auch in Florenz bildete ihr Elternhaus jeweils rasch einen Treffpunkt der intellektuellen und künstlerischen Kreise der Stadt. In Weimar war z.B. Richard Strauß unter den Gästen. In Florenz, wo die Familie in der ehemaligen Boccaccio-Villa wohnte, verkehrten dort neben italienischen Aristokraten auch viele bekannte deutsche Künstler, z.B. Arnold Böcklin und der Bildhauer Adolf von Hildebrand. In der jungen Gräfin Treuberg wird hier ihre spätere Begeisterung für Italien und die Malerei geweckt. Als 17jährige wird sie in Rom am Hof des Königs Umberto "vorgestellt".
1904 lernte sie in Florenz ihren späteren Mann kennen, mit dem Sie später auf dessen Gut Holzen bei Augsburg in Bayern zog. Auch dort traf sie wiederholt verschiedene Persönlichkeiten aus der Wittelsbacher höfischen Gesellschaft, Politik und Kultur, amüsiert sich bei (und über) Hofbällen und anderen gesellschaftlichen Ereignissen. Durch diese früh erworbenen Kenntnisse und Beziehungen hatte sie später hervorragende Kontakte und Zugang zu höchsten Kreisen der Europäischen Diplomatie und der Berliner sowie Münchner Regierungen.
Beginn des politischen Engagements
Da sie aber doch andere Lebensvorstellungen entwickelt hat, scheiden sie und ihr Mann sich 1914 einvernehmlich. Sie zieht zunächst wieder nach Florenz. Als der erste Weltkrieg beginnt, auch Italien vor dem Kriegseintritt steht, verstärkt sich ihr politisches Interesse. Sie reist häufig nach Rom, tauscht sich mit dortigen Diplomaten über die Lage aus.
Auf deren Bitten reist sie im April 1915 mit ihren drei Kindern und ihrer Mutter nach Berlin, in der - vergeblichen - Hoffnung, Erzberger und Bülow zu überzeugen, zur Verhinderung des italienischen Kriegseintritts beitragen zu können.
Im Sommer 1916 beginnt ihr pazifistisches Engagement. Sie setzt sich in Dänemark zusammen mit der beim Roten Kreuz aktiven Gräfin Polly Ahlefeldt-Laurvig (1849-1919) für die Heimkehr deutscher und anderer Kriegsgefangener ein.
Politischer Salon
Nach Ihrer Rückkehr betreibt sie in Berlin alsbald selbst einen Politischen Salon im Hotel "Bristol", der nach ihren Worten "den Mittelpunkt der Gesellschaft bildete" und wo sie "ganz anders vermittelnd, mittelnd und aufklärend wirken" konnte. Ihr Salon war der mit Abstand bedeutendste, lange Zeit auch der einzige, Politische Salon im damaligen Berlin. sehr viele Persönlichkeiten unterschiedlichster zeitgenössischer Politikrichtungen aus ganz Europa (und darüber hinaus) verkehrten (viele Diplomaten des Auswärtigen Amtes, sowie der ehemalige preußische Ministerpräsident und Reichskanzler Bernhard von Bülow, die Reichstagsmitglieder Eduard Bernstein (SPD) und Oskar Cohn (Nordhausen)(SPD), des weiteren Karl Kautsky (SPD), der Gesandte Friedrich Rosen, Karl von Wedel, der Publizist Theodor Wolff, Walther Schücking, u.v.a.). Vorgeworfen wurden ihr auch Salonbesuche von Karl Helfferich (DNVP) und Matthias Erzberger (Zentrum), sowie politische Beeinflussung des jungen Prinz Konrad Luitpold Franz von Bayern bei seinen Salonbesuchen, was sie allerdings bestritt. Häufig verkehrte sie auch im Hotel Adlon. Später verlegte Sie den Salon aus Sicherheitsgründen ins Hotel "Esplanade".
Ihr Einfluß reichte zeitweise sogar soweit, dass sie zeitweise für das Auswärtige Amt (an Stelle ihres Bruders Heinrich, der Pressereferent des Kriegspresseamts war, jedoch weniger Sprachkenntnisse besaß) einen großen Teil der internationalen Presse auswertete und darüber (vermutlich entsprechend "gefärbte") Denkschriften an die Amtsleitung verfasste.
Ihr politisches Vorbild war vor allem Maximilian Harden. Zusammen mit Harden setzt sich die Gräfin beim Reichskanzler Bethmann-Hollweg für ein sofortige Beendigung des U-Boot-Krieges ein. Ihre politische Zielvorstellung war "ein Föderativstaat mit repräsentativer Spitze". Sie war durchaus stolz auf die deutsche Kulturnation als Vaterland, lehnte gerade aus dieser Liebe zu Deutschland heraus jedoch den preußischen Militarismus strikt ab. In gewissen Grenzen unterstützte sie auch andere politische Richtungen, soweit diese ebenso den Pazifismus forderten, wie die sozialistische Bewegung. Den Bolschewismus lehnte sie ab, sympathisierte mit Stolypin.
Ihr massives politisches Engagement wird der Gräfin zunehmend gefährlich. Eine Hausdurchsuchung endet zunächst glimpflich. Vom 24. August bis 2. Oktober 1918 wird sie dann in einem kleinen Ort in der Mark Brandenburg (Woldenberg) vorübergehend unter Arrest gesetzt, ihr Politischer Salon wird - unter anderem wegen Duldens von Zweifeläußerungen am Sieg der Mittelmächte, Mitwirken an Vorbereitungen zur Revolution und Spionage für ausländische Mächte - durch die Polizei aufgelöst, sie selbst wird am 13. Mai 1919 auf persönliches Betreiben Erzbergers ganz aus Berlin ausgewiesen, worauf sie zeitweise nach Bamberg, München und Heidelberg ausweicht. Ihre Arretierung und Ausweisung steigerte nur ihren Bekanntheitsgrad. In einigen ausländischen Zeitungen wurde sie daraufhin als "zweite Madame de Stael" gefeiert. In München erlebte sie die Ausrufung der Münchner Räterepublik und kam dort auch mit Kurt Eisner zusammen. Nach der Revolution kehrte sie zunächst wieder nach Berlin zurück, wurde nach eigener Aussage rehabilitiert und sogar entschädigt.
Hetta Gräfin Treuberg publizierte häufig Artikel in verschiedenen Presseorganen, so unter anderem für die Die Zukunft. Durch ihre Kontakte mit Journalisten in ihrem Politischen Salon wurde im In- und Ausland mehrfach über ihre Aktivitäten berichtet. Da auch nach dem Weltkrieg die Verlierer wie siegreiche Machthaber auftraten, intensivierte sie ihre publizistischen Aktivitäten. Bereits 1921 gibt sie ihre Memoiren heraus. Am 28. November 1923 schreibt sie an Reichstagspräsident Löbe. Etwa zur gleichen Zeit beginnt sie, für die Wochenschrift Die Weltbühne zu schreiben, dem Forum der radikaldemokratischen bürgerlichen Linken. Sie wird geradezu eine der "Vielschreiberinnen", insgesamt über 20 politisch engagierte Beiträge finden sich hier, z.B. ein offener Brief an Walter Simons, Der letzte Artikel für die Weltbühne datiert vom 24. Juli 1928. Danach verliert sich ihre Spur. Letztes Dokument von ihr ist ein Brief aus dem Jahr 1940, in dem sie sich für den Farbfilm einsetzt.
Hetta Gräfin Treuberg starb 1941 in Madrid.
Bedeutung
Hetta Gräfin Treuberg war durch ihr Wirken auf zahlreichen politischen und bürgerlich-gesellschaftlichen Ebenen eine der bekanntesten und bedeutendsten deutschen Pazifistinnen des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts.
Ihre Strategie, einerseits von den über die Politik und den Krieg entscheidenden Personen im direkten Gespräch angehört und verstanden zu werden, sowie andererseits Druck aufzubauen durch inoffizielle Gesprächsnetzwerke und später auch Äußerungen gegenüber der Presse, hat jedoch in der deutschen Politik wenig Wirkung gezeigt.
Die Gründe dafür sind hauptsächlich:
- die preußisch-militärisch-arrogante Haltung vieler maßgeblicher Personen und Institutionen, die für ihre logisch argumentierend, europäisch kulturbewußt, sozial und pazifistisch, zudem hoch engagiert vorgetragene (Zitat: "Nicht hoffen - Schaffen muß der Mensch!") Argumentationslinie wenig empfänglich waren,
- weil sie eine Frau war (was in der Politik immer noch unüblich war),
- später zunehmend auch, weil sie eine "Halbjüdin" war.
Der Politische Salon der Gräfin Treuberg war der mit Abstand bedeutendste, lange Zeit auch der einzige, Politische Salon im damaligen Berlin.
Literatur
- Hetta Gräfin Treuberg: Erzbergers Finanzpolitik, Berlin: Verlag der Weltbühne, 1920, S. 378-380. Sonderdruck aus: Die Weltbühne, 16. Jg. (1920), Nr. 12-14, 25. März 1920
- Hetta Gräfin Treuberg (Verf.)/ Marie-Joseph Bopp (Hrsg): Zwischen Politik und Diplomatie. Memoiren von Hetta Gräfin Treuberg geb. v. Kaufmann-Asser; Straßburg: Imprimerie Strasbourgeoise, 1921
- Ann-Katrin Silke Horst: Ein vernachlässigter Aspekt der Berliner Pressegeschichte. Die Journalistinnen der Zeitschrift 'Die Weltbühne' in der Weimarer Republik; München, Univ., Magisterarbeit, 1998
- Adolf Stein (konservativer Journalist, Pseudonym: Rumpelstilzchen) verfaßte eine zeitgenössische Glosse über Hetta Gräfin Treuberg in der „Täglichen Rundschau” (seine Glossen über das Kultur- und Zeitgeschehen der zwanziger Jahre wurden in vielen Zeitungen des ganzen Reiches nachgedruckt und im Folgejahr in Buchform herausgegeben): Jahres-Bd. 11, Glosse 29.
Weblinks
Personendaten | |
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NAME | Treuberg, Hetta Gräfin |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Pazifistin |
GEBURTSDATUM | 10. November 1886 |
GEBURTSORT | Berlin |
STERBEDATUM | 1941 |
STERBEORT | Madrid |