Die Bethe-Weizsäcker-Formel ist eine Formel zur Beschreibung der Bindungsenergie von Atomkernen nach dem Tröpfchenmodell. Der Begriff Bindungsenergie kann als synonym zum Begriff potentielle Energie in der klassischen Physik betrachtet werden. Im sog. Tröpfchenmodell werden die Nukleonen wie Moleküle eines inkompressiblen geladenen Flüssigkeitströpfchens betrachtet.
Die halbempirische Formel wurde erstmals 1935 von Carl Friedrich von Weizsäcker aufgestellt.
Für einen Kern mit N Neutronen und Z Protonen und damit einer Nukleonenzahl A = N + Z ergibt sich die Bindungsenergie aus den unten aufgeführten fünf Summanden. Aus der Bindungsenergie lässt sich die gesamte Kernmasse m berechnen: mit der Masse des Neutrons = 939,553 MeV und der Protonenmasse = 938,259 MeV. Mit dieser Erweiterung wird die Formel auch häufig Massenformel genannt.
Die gesamte Bindungsenergie eines Atomkerns setzt sich aus fünf Beiträgen zusammen:
Fehler beim Parsen (SVG (MathML kann über ein Browser-Plugin aktiviert werden): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „http://localhost:6011/de.wikipedia.org/v1/“:): {\displaystyle {E}_{Bindung} {=} a_V \cdot A - a_O \cdot A^{2 \over 3} - a_C \cdot Z^2 A^{-{1 \over 3}} - a_S \cdot (A - 2Z)^2 \cdot A^{-1} \pm a_P A^{-1} }
Die fünf Beiträge zur Bindungsenergie im einzelnen:
- Volumenanteil
- mit ≈ 15,85 MeV
Die Volumenenergie resultiert aus der gegeseitigen Anziehung der Nukleonen aufgrund der starken Kernkraft. Da diese aber äußerst kurzreichweitig ist, trägt immer nur die Wechselwirkung mit den nächsten Nachbarn eines Nukleons zur Bindung bei. Für ein von allen Seiten mit anderen Nukleonen umgebenes Nukleon, wie es in großen Kernen der Fall ist, ist somit die Bindungsenergie unabhängig von der Gesamtzahl der Nukleonen.
- Oberflächenanteil
- mit ≈ 18,34 MeV
Die Nukleonen an der Oberfläche sind von weniger Nachbarn umgeben, als Nukleonen im inneren der Kernes. Dadurch sind sie schwächer gebunden und reduzieren die Bindungsenergie. Der Oberflächenterm beschreibt das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen. Die Oberfläche einer Kugel ist proportional zu und proportional zu . Da V = A (siehe Volumenanteil) gilt . V.a. bei kleinen Kernen mit wenig Nukleonen macht sich der Oberflächenanteil stark bemerkbar. Er wird mit wachsender Nukleonenzahl immer kleiner.
- Coulomb-Anteil
- mit ≈ 0,714 MeV
Umso größer ein Kern wird, desto größer wird die gegenseitige Abstoßung der Protonen im Kern aufgrund der Coulomb-Abstoßung. Da die Coulomb-Energie einer homogen geladenen Kugel proportional zu ist wird daraus mit obigen Proportionalitäten und dem einsetzen der Kernladung Z für die Ladung Q: . Dies ist auch der Grund dafür, dass Atome nur bis zu einer Massenzahl von 92 dauerhaft bestehen können. Durch diese Abstoßung wird die Bindungsenergie ebenfalls verringert.
- Symmetrieanteil
- mit ≈ 92,86 MeV
Dieser Term ist quantenmechanischer Natur und sorgt für ein Gleichgewicht zwischen Neutronenzahl und Protonenzahl. Er verschwindet für N = Z und schwächt die Bindung mit zunehmender Differenz zwischen Neutronen- und Protonenzahl. Da sowohl Neutronen als auch Protonen der Fermistatistik folgen, gilt das Pauliprinzip, wonach jeder Quantenzustand nur einfach besetzt werden kann. Der energetisch höchst besetzte Zustand definiert die Fermienergie. Die Symmetrieenergie sorgt dafür, dass Neutronen und Protonen dieselbe Fermienergie haben.
- Paarungsanteil
- mit ≈ 11,45 MeV und für ungerades A (gu- und ug-Kern), für ungerades N und Z (uu-Kern, eher instabil), für gerades N und Z (gg-Kern, besonders stabil)
Die Addition der Anteile ergibt die Bindungsenergie. Die Formel ist unbrauchbar für sehr leichte Atomkerne mit geringer Nukleonenzahl, für größere Kerne ist sie eine gute Näherung. Aber auch hier kann sie beispielsweise die Magischen Zahlen nicht erkären, erst das Schalenmodell liefert hierfür eine Erklärung.
Die oben angegebenen Werte für die empirischen Parameter werden aus experimentell gemessenen Kernmassen bestimmt, indem die Massenformel an die Bindungsenergien von mindestens fünf Kernen angefittet wird. Je nach Wahl dieser Kerne variieren die genauen Werte in der Literatur. Dies liegt dann daran, dass die Formeln für jeweils andere Massenbereiche optimiert wurden.
Eine genauere Erläuterung zu den einzelnen Termen findet sich im Artikel Tröpfchenmodell.
Siehe auch: Hans Bethe, Carl Friedrich von Weizsäcker
Literatur
- Weizsäcker, C. F. von: Zur Theorie der Kernmassen; in: Zeitschrift für Physik 96 (1935) 431-458