Du bist Deutschland ist eine auf ein neues deutsches Nationalgefühl zielende sogenannte Social-Marketing-Kampagne. Die Kampagne wurde im Rahmen der Initiative Partner für Innovation von 25 Medienunternehmen ins Leben gerufen und von Bertelsmann koordiniert. Die großangelegte Kampagne wird kontrovers diskutiert.
Allgemeine Daten
Die Kampagne läuft vom 26. September 2005 bis zum 31. Januar 2006. Im Zentrum der Kampagne steht ein 2-minütiger TV-Spot, der zum Kampagnenauftakt auf fast allen großen Fernsehkanälen nahezu zeitgleich ausgestrahlt wurde. Ergänzend werden großformatige Anzeigen in Printmedien, Flyer, Plakatierungen und bis zu zweiminütige Fernseh- und Kinowerbespots eingesetzt. Laut Presseprospekt handelt es sich um „die größte Social-Marketing-Kampagne in der Mediengeschichte der Bundesrepublik“. Die Höhe des Werbevolumens wird offiziell mit 30 Millionen Euro beziffert. Da aber alle beteiligten Unternehmen und Darsteller auf ihr Honorar verzichten, wird diese Summe nicht ausgegeben, sondern ist nur eine virtuelle Aufsummation üblicherweise für derartige Zusammenhänge zu zahlender Kosten.
Die Begleitmusik der Kampagne stammt vom US-amerikanischen Komponisten Alan Silvestri und ist bekannt aus dem Spielfilm Forrest Gump (1994).
Logo
Das für die Kampagne erstellte Piktogramm besteht aus drei Flächen, deren Farbgebung die deutschen Nationalfarben enthält. Es besteht eine stilistische Ähnlichkeit zum Logo der Olympischen Spiele in Barcelona (1992), das, wie das Kampagnenlogo, eine fortschreitende Person darstellen soll.
Eine weit verbreitete, zweite Assoziation ist allerdings ein „Hundehaufen“, was schon kurz nach Vorstellung der Kampagne für zahlreiche bissige Bemerkungen sorgte.
Inhalt
Erklärtes Ziel der Kampagne ist es, „Initialzündung einer Bewegung für mehr Zuversicht und Eigeninitiative in Deutschland“ zu sein und die Bundesbürger zu „mehr Selbstvertrauen und Motivation“ anzustoßen.
Im Kern der Kampagne steht das sogenannte Manifest, das gleichzeitig auch Inhalt des Werbespots ist. Die bis zu zwei Minuten langen Spots zeigen größtenteils prominente Menschen an historischen, landschaftlichen und urbanen Schauplätzen. Diese tragen den Slogan der Kampagne Du bist Deutschland in verschiedenen Variationen vor: „Du bist das Wunder von Deutschland“, „Du bist der Baum“, sowie Sinnsprüche und Metaphern wie zum Beispiel „Dein Wille ist wie Feuer unterm Hintern“, die positive Gefühle auslösen und den Zuschauer spontan begeistern und mitreißen sollen.
Auszüge aus dem Manifest:
- „Ein Schmetterling kann einen Taifun auslösen. Der Windstoß, der durch seinen Flügelschlag verdrängt wird, entwurzelt vielleicht ein paar Kilometer weiter Bäume. Genauso wie sich ein Lufthauch zu einem Sturm entwickelt, kann Deine Tat wirken. [...] Dein Wille ist wie Feuer unterm Hintern. [...] Doch einmal haben wir schon eine Mauer niedergerissen. Deutschland hat genug Hände, um sie einander zu reichen und anzupacken. Wir sind 82 Millionen. Machen wir uns die Hände schmutzig. Du bist die Hand. Du bist 82 Millionen. Behandle Dein Land doch einfach wie einen guten Freund. Meckere nicht über ihn [...] Du bist Deutschland.“Vorlage:Ref.
Positive Resonanz
Eine von den Initiatoren bei der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Auftrag gegebene Umfrage ergab, dass zwei Wochen nach Start der Kampagne 54% derjenigen, die sie bis dahin bewusst wahrgenommen hatten (35% der Bundesbürger), die Kampagne positiv bewerteten. Weiterhin sprechen die Organisatoren von „rund 400 Firmen, Verbände[n] und Organisationen“ die sich an der Aktion beteiligen wolltenVorlage:Ref; die zahlreiche Unterstützung verschiedenster Medienkonzerne (Liste s. u.) durch kostenlose Werbeplätze sowie die ebenfalls honorarfreie Beteiligung Prominenter zeigt außerdem den Rückhalt der Kampagne bei Firmen und Prominenz.
Auf der Homepage der Kampagne besteht die Möglichkeit, ein Foto von sich, verbunden mit seinem Namen und einer eigenen kleinen Botschaft, in eine Galerie der Unterstützer hochzuladen. Mehrere tausend junge Menschen nahmen bis jetzt dieses Angebot wahr.
Neben zahlreichen kritischen Zeitungsartikeln gibt es auch positive Stimmen, die der Kampagne großen Wert als „Aufbruchssignal“ zuschreibenVorlage:Ref.
Kritik
Seit Kampagnenstart ist die Kampagne Kritik - insbesondere der linken Szene - ausgesetzt. Besonders oft kritisiert wird der nationale Bezug der Kampagne. Kolumnisten verschiedener Zeitungen monieren außerdem, "Du bist Deutschland" fehle als reine "Gute-Laune-Kampagne" der Inhalt.
So spricht zum Beispiel die taz davon, dass mittels einer „neoliberalen Wundertüte“ die „von Depressionen und Zukunftsängsten geschüttelten Deutschen wieder auf gute Laune getrimmt werden“ würdenVorlage:Ref, während die Verantwortung von Staat und Wirtschaft für das „Schicksal des Landes“ dabei auf den Einzelnen abgeschoben werdeVorlage:Ref.
Der Nürnberger Gesellschaftskritiker Robert Kurz sieht sich durch die „Primitivität der Botschaft“, dem „Sprachgestus“, sowie der offenkundigen „Schamlosigkeit“ der Kampagne an „faschistische Durchhalteparolen“ erinnert. Er sieht in der Kampagne den Versuch „mitten im Hurrikan des globalen Krisenkapitalismus die deutsche Volksgemeinschaft als ideologische Not- und Zwangsgemeinschaft auferstehen“ zu lassenVorlage:Ref.
Vorwurf der Verwendung nationalsozialistischen Gedankenguts
Die bewusste Betonung des Einzelnen als Teil eines sich als Nationalstaat konstituierenden Kollektivs rief viele Kritiker auf den Plan. Sie sind der Meinung, dies würde Parallelen zu Ideologien, die unter anderem auch Teil des Nationalsozialismus waren, aufweisen.
Tatsächlich nutzten die Nationalsozialisten die - allerdings auf Adolf Hitler gemünzte - Parole „Denn Du bist Deutschland“ während einer Kundgebung 1935 auf dem Ludwigsplatz in Ludwigshafen, abgebildet in dem Buch „Ludwigshafen - Ein Jahrhundert in Bildern“ des Stadtarchivs Ludwigshafen am Rhein von 1999 (ISBN 3-924667-29-2). Den Satz überragt ein großes Hitlerporträt. Historiker sehen den Spruch dennoch nicht als belastet anVorlage:Ref. In etwas abgewandelter Form taucht der Satz auch in dem Film „Triumph des Willens“ von Leni Riefenstahl auf: „Sie sind Deutschland!“.
Viele Autoren sehen in der Kampagne Parallelen zur Ideologie der Volksgemeinschaft. So spricht zum Beispiel die Berliner Zeitung von einer „Volkskörperrhetorik“, die die Kampagne gebraucheVorlage:Ref. Arian Wendel, Sprecher der linksradikalen Kampagne „Deutschland raus aus den Köpfen!“ und Mitglied von 'solid, spricht schlicht von der „Ideologie einer modernisierten Volksgemeinschaft“, die dazu dienen solle, „soziale Unterschiede zuzuschütten“Vorlage:Ref.
Kritik an den als Vorbildern dargestellten Persönlichkeiten
Eine weitergehende Kritik betrifft die im Rahmen der Kampagne als Vorbild herausgestellten Persönlichkeiten. Dazu gehören der Rüstungsindustrielle August Thyssen sowie der Industrielle und Wehrwirtschaftsführer Ferdinand Porsche. Porsche war ab 1937 Mitglied der NSDAP, ab 1938 Mitglied der SS, ab 1941 ständiger Vertreter des Reichsministers für Bewaffnung und Munition, ab 1942 Industrierat des Oberkommandos des Heeres. Er gehörte zu jenen Industriellen, die bei der SS um KZ-Häftlinge ersuchten. Er traf am 4. März 1944 den „Reichsführer SS“ Heinrich Himmler, um für das Volkswagenwerk zur Fabrikation einer Geheimwaffe 3500 KZ-Häftlinge zu erbitten. Er erhielt 1943 von Adolf Hitler persönlich das Ritterkreuz zum Kriegsverdienstkreuz. Aufgegriffen wird diese Thematik vor allem durch den "Verband Arbeiterfotografie". Vorlage:Ref
Medienpräsenz
Statistisch werden 1,6 Milliarden Kontakte medial erzielt. Dies entspricht einer rechnerischen Reichweite von 98 Prozent. Jeder Deutsche soll somit durchschnittlich 16 mal erreicht werden. Das Mediavolumen (Stand 23. September 2005) setzt sich zusammen aus:
Zeitschriften | Zeitungen | TV | Kino | Plakat | |
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Anzahl Aufl. in Klammern |
40 Titel (26.072.300) | 8 überregionale Titel (2.195.600) 13 regionale Titel (2.854.800) |
11 Sender | 1.866 Kinos in 343 Orten |
2.326 Mega-Lights (18/1) in 80 Orten |
Kontakte in Mio. Pers. |
625,5 | 82,8 | 761,3 | 32,4 | 84,8 |
Schaltvolumen in Euro |
11.267.051 | 5.378.799 | 12.500.000 | 984.998 | 999.994 |
Träger der Kampagne
- Fernsehen
- ARD • Premiere Fernsehen • ProSiebenSat.1 • RTL Gruppe Deutschland • ZDF
- Axel Springer • Heinrich Bauer Verlag • Hubert Burda Media • Frankfurter Allgemeine Zeitung • Jahreszeitenverlag • Gruner und Jahr • Heise Medien Gruppe • Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck • Zeitungsgruppe Ippen • Verlagsgesellschaft Madsack • Motor Presse Stuttgart • DER SPIEGEL • Süddeutscher Verlag • WAZ-Mediengruppe • Zeitungsgruppe Stuttgart
- Online
- RTL Interactive • TOMORROW FOCUS • T-Online
- Plakat
- Ströer Out-of-Home Media
- Kino
- WerbeWeischer
Für die gestalterische Konzeptionierung ist die Werbeagentur Jung von Matt zuständig. Das "Kampagnenbüro" leitet die fischerAppelt Kommunikation GmbH (Hamburg).
Prominente Unterstützer der Kampagne (Auswahl)
Gerald Asamoah • Reinhold Beckmann • Bobby Brederlow • Yvonne Catterfeld • Sarah Connor • Wojtek Czyz • Justus Frantz und Orchester • Maria Furtwängler • Günther Jauch • Oliver Kahn • Walter Kempowski • Johannes B. Kerner • Oliver Korittke • Walter Lange • Florian Langenscheidt • Patrick Lindner • Sandra Maischberger • Xavier Naidoo • Minh-Khai Phan-Thi • Oliver Pocher • Dominic Raacke • Marcel Reich-Ranicki • Hans Martin Rüter • Kool Savas • Harald Schmidt • Gabriele Strehle • Gerd Strehle • Ulrich Wickert • Anne Will • Martin Winterkorn • Katarina Witt
Quellen
Weblinks
- Dietmar Wittmann: Reaktionen auf die Kampagne in der Bevölkerung (NZ-Online, 22.Oktober 2005)
- Martin Ax: "Wirtschaft übernimmt Verantwortung für dieses Land" (Die Welt, 05. Dezember 2005)
- Jens Jessen: Du bist Werbeagentur (Die Zeit, 06. Oktober 2005)
- Ulrich Gutmair: Du bist von gestern (Netzeitung Voice of Germany, 21. Oktober 2005)
- Edo Reents: Sprüche und Schliche (FAZ, 03. Januar 2006)