Andrea Moda Formula war ein italienisches Motorsportteam, das zu einigen Großen Preisen der Formel-1-Saison 1992 antrat. Es baute auf dem früheren Formel-1-Team Coloni auf. Andrea Modas Geschichte ist gekennzeichnet von mangelnden sportlichen Erfolgen und Skandalen, die dazu führten, dass das Team als einziger Rennstall der Formel-1-Geschichte in einer Saison zweimal von der Weltmeisterschaft ausgeschlossen wurde.
Name | Andrea Moda Formula |
---|---|
Unternehmen | Andrea Moda Formula |
Unternehmenssitz | Ancona, Italien |
Teamchef | ![]() |
Statistik | |
Erster Grand Prix | Monaco 1992 |
Letzter Grand Prix | Monaco 1992 |
Gefahrene Rennen | 1 |
Konstrukteurs-WM | – |
Fahrer-WM | – |
Rennsiege | 0 |
Pole Positions | 0 |
Schnellste Runden | 0 |
Punkte | 0 |
Überblick über die Teamgeschichte
Der „König der Nichtqualifizierten“ wird übernommen
Andrea Moda Formula hatte seine Wurzeln in dem italienischen Rennstall Coloni, der von 1987 bis 1991 an 14 Formel-1-Rennen teilgenommen hatte. Das finanziell und technisch sehr schwach aufgestellte Coloni-Team war 1991 für die Presse das „Gespött der Formel 1“[1] gewesen und galt, nachdem es zweieinhalb Jahre in Folge zu keinem Weltmeisterschaftslauf die Startberechtigung erhalten hatte, als „König der Nichtqualifizierten“.[2] Ab Sommer 1991 lag Coloni „finanziell am Boden.“[3] Nach dem erfolglosen Versuch, mit dem ebenfalls leistungsschwachen, mit Lamborghini in Verbindung stehenden Modena Team zu fusionieren, verkaufte der Teamgründer Enzo Coloni seinen hoch verschuldeten Rennstall im September 1991 für angeblich 8 Mio US-$ an den 31 Jahre alten italienischen Unternehmer Andrea Sassetti, der primär in der Modebranche tätig war.
Andrea Moda = Coloni?
Die sportrechtliche Stellung des Andrea-Moda-Teams war zu Beginn der Saison 1992 streitig und sorgte für den ersten von zwei Ausschlüssen des Rennstalls von der Weltmeisterschaft. Sassetti behauptete, sein Rennstall sei in jeder Hinsicht als Nachfolger von Coloni Racing anzusehen, so dass er dessen Auto(s) und dessen Startberechtigung („entry“) nutzen dürfe. Nach Ansicht der Sportaufsichtsbehörde FISA hatte Sassetti dagegen von Enzo Coloni lediglich Rennwagen und technisches Zubehör gekauft, nicht aber die Startberechtigung des Coloni-Teams. Daher sah die FISA Andrea Moda Formula als neues Team an, das eine Sicherheitsgebühr („deposit“) in Höhe von 100.000 US-$ zu entrichten hatte und darüber hinaus ein Chassis einsetzen musste, das nicht bereits zuvor von einem anderen Team gemeldet worden war. Andrea Moda Formula erfüllte zu Saisonbeginn keine dieser Voraussetzungen: Einerseits hatte Sassetti keine Sicherheit geleistet, andererseits hatte er beim ersten Saisonrennen für sein Team den Coloni C4B gemeldet, ein Auto, das unter der Bezeichnung C4 in technisch ähnlicher Ausstattung bereits im Vorjahr von Coloni eingesetzt worden war. Dass der C4 mangels Erfolgen in der Vorqualifikation 1991 tatsächlich kein einziges Rennen bestritten hatte, änderte aus Sicht der FISA nichts an der Regelwidrigkeit seiner (neuerlichen) Meldung.
Zwei Ausschlüsse
Da der Streit über die Stellung des Teams im Vorfeld des Großen Preises von Südafrika nicht beigelegt werden konnte, schloss die FISA Andrea Moda Formula vor Beginn der Vorqualifikation in Kyalami am 28. Februar 1992 von der Teilnahme an der Weltmeisterschaft aus. In den folgenden Wochen kam es zu einer Einigung zwischen Sassetti und der Sportaufsicht. Nach Entrichtung der Sicherheitsgebühr wurde Andrea Moda zu den weiteren Läufen der Weltmeisterschaft zugelassen. Bedingung war, dass das Team künftig mit einem eigenen Rennwagen an den Start ging. Das führte zum Aufbau des Andrea Moda S921, der den alten Coloni C4B im Frühjahr 1992 ablöste. Das Ausbleiben des Teams beim Großen Preis von Südafrika und dem folgenden Rennen in Mexiko wurde als höhere Gewalt qualifiziert und blieb deshalb für das Team folgenlos.[4] In den folgenden Monaten meldete sich Andrea Moda zu neun Großen Preisen, qualifizierte sich aber nur zu einem Rennen. Nach zahlreichen Misserfolgen und Aufsehen erregenden Zwischenfällen schloss die Aufsichtsbehörde das Team Ende August 1992 zum zweiten Mal von der Weltmeisterschaft aus. Zur Begründung gab die FIA an, das Auftreten von Andrea Moda Formula sei geeignet, das Ansehen der Formel 1 zu beschädigen. Auf diese Bestimmung hatte sich die FIA zuvor noch nie berufen.
Personal
Management
„Eine zwielichtige Gestalt“: der Teamchef
Inhaber des Teams war Andrea Sassetti, ein 1960 in der Region Marken geborener Unternehmer, der seit 1985 den italienischen Schuh- und Stiefelhersteller Andrea Moda leitete. Zu seiner Biografie existieren unterschiedliche Angaben, die im Detail stark voneinander abweichen. Einige Quellen behaupten, er sei mit Silvano Sassetti verwandt, dem Gründer des gleichnamigen Herstellers hochpreisiger Damen- und Herrenschuhe, der in Andrea Sassettis Geburtsort Monte San Pietrangeli ansässig ist. Nach anderen Angaben war Sassetti durch einen hohen Gewinn bei einem Pokerspiel zu Reichtum gekommen.[5] Wieder andere vermuten, dass Sassetti illegale Geschäfte betrieb und Kontakte zum organisierten Verbrechen hatte.[6] Im Internet kursiert die Abschrift eines Interviews, das Sassetti im Frühjahr 2012 telefonisch gegeben haben soll[7] und das biografische Details sowie Einzelheiten zur Entwicklung von Andrea Moda Formula enthielt. Danach war Andrea Sassetti der Sohn armer Landwirte, der, aufbauend auf einem kleinen Geldgewinn bei Glücksspielen, durch eigene Arbeit zu Wohlstand gekommen ist.
Als Sassetti im September 1991 das Coloni-Team übernahm, hatte er keine Erfahrung im Motorsport. In der Formel 1 wurde er vielfach als Fremdkörper und „zwielichtige Gestalt“ („shady person“)[8] wahrgenommen. Seine Beziehungen zur Modeindustrie wurden bewusst herausgestellt. So bezeichnete ihn die zeitgenössische Motorpresse wiederholt als „Schuhmagnaten“;[5][8][9] als „Kopf eines Konzerns der Schuhindustrie“[10] oder als „italienischen König des Prêt-à-porter“.[11] Ausführungen wie diese sollten Sassettis mangelnde Erfahrung im Motorsport illustrieren.
Über die Motivation Sassettis, an der Formel 1 teilzunehmen, gab und gibt es zahlreiche Mutmaßungen. Die meisten Quellen sprechen Sassetti ein ernsthaftes Interesse am Motorsport ab. Einige sehen in Andrea Moda Formula den – gescheiterten – Versuch, in Anlehnung an die Entwicklung Benettons die Öffentlichkeitswirksamkeit des Motorsports zu Werbezwecken für sein Modeunternehmen zu nutzen, andere halten es nicht für ausgeschlossen, dass das Formel-1-Engagement dem Zweck der Geldwäsche diente.[12]
Technischer Direktor aus den USA
Technischer Direktor war der US-amerikanische Ingenieur Paul Burgess, der seit 1990 für Coloni gearbeitet hatte.[13] Er war dort von Subaru, dem seinerzeitigen Motorenpartner Colonis, in dieser Funktion eingesetzt worden. Burgess überwachte den Aufbau der Modelle C4B und S921 und betreute die Autos bis in den Sommer 1992 hinein an den Rennwochenenden als Renningenieur.[10]
Teammanager: Langjährige Formel-1-Erfahrung
Nach der ursprünglichen Vereinbarung sollte Enzo Coloni auch 1992 das Tagesgeschäft des Rennstalls führen und die sportlichen Einsätze leiten. Allerdings wurde Coloni noch im Dezember 1991 von Sassetti entlassen.[14] Sportlicher Direktor wurde schließlich der Franzose Frédéric Dhainhaut, der 1986 mit dem provençalischen Rennstall AGS in die Formel 1 gekommen war und später die Renneinsätze von Coloni (1989) und Larrousse (1990) organisiert hatte. Der Wechsel zu Andrea Moda Formula fand im Mai 1992 statt; er wurde von Bernie Ecclestone angeregt, der dem italienischen Team einen erfahrenen Organisator an die Hand geben wollte.[15] Dhainhaut verließ das Team im Juni 1992; er war der Ansicht, dass Sassetti und die Mechaniker seine Anweisungen an der Rennstrecke nicht umsetzten.[16] Sein Nachfolger war der Italiener Sergio Zago.[17]
Die Fahrer
Andrea Moda trat 1992 mit vier Fahrern an: Enrico Bertaggia, Alex Caffi, Roberto Moreno und Perry McCarthy.
Anfänglich hatte sich Sassetti um Christian Danner und Gregor Foitek bemüht. Foitek lehnte das Angebot nach einem aus seiner Sicht ernüchternd ausgefallenen Werksbesuch im Januar 1992 ab,[10] während Danners Verpflichtung daran scheiterte, dass er dem Team keine Sponsoren vermitteln konnte.[18]
Enrico Bertaggia und Alex Caffi
Stattdessen vergab Sassetti eines der Cockpits zu Saisonbeginn an Enrico Bertaggia, der 1989 für sechs Große Preise von Coloni gemeldet worden war und seinerzeit bei jedem Versuch der langsamste Fahrer der Vorqualifikation gewesen war. Sein Teamkollege wurde für die ersten Rennen des Jahres Alex Caffi, der 1989 und 1990 insgesamt sechs Weltmeisterschaftspunkte erzielt hatte. Caffi sah sein Engagement bei Andrea Moda Formula nach gesundheitlichen Problemen und sportlichen Misserfolgen in der Vorsaison[19] als Chance auf einen Neuanfang in der Formel 1.[20]
Bertaggia und Caffi wurden nur zu den ersten beiden Großen Preisen des Jahres gemeldet, nahmen aber an keinem Rennen teil. Nachdem Bertaggia und Caffi beim Großen Preis von Mexiko öffentlich ihre Unzufriedenheit über die Entwicklung des Teams geäußert hatten, das seine Meldung zu diesem Rennen überraschend zurückgezogen hatte, wurden sie noch in Mexiko von Sassetti entlassen.[8] Caffi nahm die für ihn enttäuschenden Erfahrungen mit Andrea Sassetti, „einem Verrückten, der alles kaputt gemacht hatte“,[20] zum Anlass, seine Formel-1-Karriere zu beenden; auch Bertaggia fuhr nie wieder ein Formel-1-Auto.
Roberto Moreno
Als Nachfolger Caffis die Zeit ab dem Großen Preis von Brasilien verpflichtete Sassetti den Brasilianer Roberto Moreno. Moreno hatte nach Jahren mit Coloni, AGS und EuroBrun Erfahrung mit kleinen, finanzschwachen Teams. Er galt als „Mann für hoffnungslose Fälle“, der „alles fuhr, was Räder hatte“, und „ein Rennen mit einem rollenden Mülleimer zu bestreiten bereit war, wenn es nichts anderes gab“.
Perry McCarthy
Eine besondere Rolle im Team nahm der zweite Fahrer ein, den Sassetti als Ersatz für Bertaggia verpflichtete. Auf Vermittlung des Managers von Nigel Mansell entschied sich Sassetti Ende März 1992 kurzfristig für den britischen Rennfahrer Perry McCarthy, der im Gegensatz zu Moreno keine Formel-1- und nur wenig Formel-3000- Erfahrung hatte. McCarthy erhielt von Andrea Moda kein Gehalt und musste für sämtliche Reise- und Unterkunftskosten allein aufkommen.[21] „Aufgrund eines Missverständnisses“[22] verweigerte ihm die FISA in Brasilien zunächst die Superlizenz. Nach einer Intervention Bernie Ecclestones[23] erhielt er zum folgenden Rennen in Großen Preis von Spanien die Fahrerlaubnis zurück.
Ab April 1992 versuchte Sassetti, an McCarthys Stelle wieder Enrico Bertaggia zu melden, der zwischenzeitlich neue Sponsoren gefunden hatte.[24] Die Rede war von Mitteln in Höhe von 1.000.000 US-$.[8] Da Andrea Moda allerdings mit der Verpflichtung Morenos und McCarthys die maximal zulässige Anzahl an Fahrerwechseln bereits vollzogen hatte, ließ die FISA einen weiteren Fahrerwechsel nicht zu.[24][25] McCarthy wurde daraufhin zum „ungeliebten Kind des Teams“:[26] Sassetti sah ihn als wesentlichen Grund dafür an, dass das Team auf Bertaggias Sponsorgelder verzichten musste.[27] In der Folgezeit benachteiligte Sassetti ihn konsequent, sodass McCarthy kaum gezeitete Runden zurücklegen konnte und keine realistische Chance für eine (Vor-) Qualifikation bekam. Er versuchte, McCarthy zur Kündigung zu bewegen, indem er ihn so selten wie möglich fahren ließ[8] oder ihm lediglich veraltetes oder unsicheres Material zur Verfügung stellte[8]. McCarthy hielt seinerseits an dem Vertrag fest, da er keine Alternative in der Formel 1 hatte. Ein geplanter Einsatz als Testfahrer bei Arrows kam nicht zustande, weil Sassetti McCarthy keine Freigabe erteilte.[28] In dem angeblich 2012 mit geführten Interview bestätigte Andrea Sassetti die grundsätzliche Benachteiligung McCarthys, bestand aber darauf, dass dieser von Anfang an die Situation des Teams gekannt habe: McCarthy habe gewusst, dass Andrea Moda nicht in der Lage gewesen sei, zwei Fahrzeuge gleichzeitig einzusetzen; er sei gleichwohl im Team verblieben, um überhaupt in der Formel 1 präsent zu sein.[7]
McCarthy verarbeitete seine Erfahrungen mit Andrea Moda 2002 in einer Autobiografie, der er den Untertitel „Formel 1 auf die harte Tour“ („Formula One the hard way“) gab.
Ressourcen
Technische Ausstattung
Zu Saisonbeginn befand sich der Sitz von Andrea Moda Formula noch in Enzo Colonis Werkstatt im umbrischen Passignano sul Trasimeno.[10][29] Im März 1992 verlegte Sassetti den Stützpunkt des Rennstalls in seine Heimatregion Marken. Die meisten Veröffentlichungen geben als Sitz des Teams die Stadt Ancona an;[6][30] eine einzelne Quelle benennt dagegen die 50 km von Ancona entfernte, zur Gemeinde Morrovalle gehörende Ortschaft Trodica als Standort.[31] Dort befand sich auch eine Werkstatt, in der Stiefel und Schuhe der Marke Andrea Moda hergestellt wurden. Die Zentrale des Rennstalls war in einer Lagerhalle untergebracht. Bei seinem einzigen Besuch im Juni 1992 führte sich Perry McCarthy „mehr an ein Verbrecherversteck als an eine Formel-1-Zentrale“ erinnert.[6]
Das Team nutzte das Material von Enzo Colonis ehemaligem Formel-1-Rennstall. Nach Angaben von Beobachtern investierte Sassetti nichts oder nur sehr wenig in eine Verbesserung der Ausrüstung, deren Niveau als amateurhaft beschrieben wurde.[29] Insgesamt fehlte es an Material, um zwei Rennwagen gleichzeitig einsatzbereit zu machen. Wiederholt mussten sich die Mechaniker Ausrüstungsgegenstände und Werkzeuge von anderen Rennställen ausleihen. Sassetti hat angeblich im Jahr 2012 bestätigt, dass er das Personal seines Teams – Mechaniker und LKW-Fahrer – unter anderem aus den Handwerkern seiner Schuhfabrik rekrutiert habe.[7] Gregor Foitek, der Andrea Modas Werkstatt im Januar 1992 besuchte, kam zu der Einschätzung, dass die Infrastruktur des Teams „so schlecht ist, dass sie es nicht wert ist, mit der Formel 1 in Verbindung gebracht zu werden.“[10]
Die Autos
Im Dezember 1991 erschien Andrea Moda Formula erstmals mit dem technisch unveränderten Coloni C4 bei einem Wettbewerb in Bologna, der keinen Bezug zur Weltmeisterschaft hatte. Danach wurde er unter Verwendung einer neuen Antriebseinheit zum C4B umgebaut. Nach der Zurückweisung dieses Modells durch die FISA im Februar 1992 entstand der Andrea Moda S921, mit dem das Team bei insgesamt neun Großen Preisen antrat.
Coloni C4B
Der C4B beruhte auf dem Coloni C3, der im Frühjahr 1989 von Christian Vanderpleyn für den Einsatz mit einem Cosworth-DFR-Motor konstruiert worden war. Anfang 1990 hatte Coloni eines der beiden Chassis auf einen Subaru-Zwölfzylinder umgestellt; ein zweites Chassis erschien im Spätsommer 1990 als Coloni C3C erneut mit Cosworth-Motor. Dieses Chassis ließ Coloni für die Saison 1991 von Studenten der Universität Perugia im Rahmen einer Studienarbeit leicht modifizieren. Aus ihm wurde der C4, mit dem sich Pedro Chaves 1991 zu keinem Rennen qualifizierte.
Für die Saison 1992 wollte Sassetti das inzwischen zweieinhalb Jahre alte Chassis mit einer neuen Antriebseinheit an den Start bringen. Er erwarb zwei gebrauchte Zehnzylindermotoren von Judd (Typ GV), die im Jahr zuvor von der Scuderia Italia im Dallara 191 eingesetzt worden waren, sowie die Hinterachse und wohl auch das Sechsganggetriebe des Dallara. Überwacht von Paul Burgess, bauten Studenten der Universität Perugia in den ersten Wochen des Jahres 1992 das alte Chassis und die neue Antriebseinheit zusammen.[10] Anfang Februar 1992 erfolgte eine Testfahrt des C4B, die nach Einschätzung Alex Caffis erfolgreich verlief.[10]
Sassetti meldete den C4B zum Saisonbeginn 1992 für Alex Caffi und für Enrico Bertaggia. Ob tatsächlich für jeden Fahrer ein Fahrzeug hergestellt wurde, ist zweifelhaft, denn der Coloni C4, auf dem der C4B basierte, war ein Einzelstück. In Südafrika erschien das Team nur mit einem rennbereiten Auto.[32] Eine einzelne Quelle berichtet, dass das Team in Kyalami auch ein zweites, nicht komplettiertes Chassis in der Box hatte.[32] Es gibt keine Abbildungen, die dies bestätigen könnten. In allen zeitgenössischen Veröffentlichungen wurde regelmäßig nur ein Fahrzeug vom Typ C4B – und zwar jeweils das gleiche – gezeigt.[33][34]
Ob Andrea Moda anfänglich geplant hatte, die gesamte Saison 1992 mit dem C4B zu bestreiten, ist unklar. Einzelne zeitgenössische Quellen bezeichneten den C4B bereits vor dem Beginn der Saison als bloßes Interimsauto, dessen Ablösung durch eine neuere Konstruktion bevorstand;[35] Andere gehen davon aus, dass sich Sassetti erst nach dem Ausschluss des Teams in Kyalami erstmals um einen Nachfolger bemühte.[22]
Andrea Moda S921
Nach dem Ausschluss des Teams und der Zurückweisung des Coloni C4B musste Andrea Moda Formula für die weiteren Rennen ein Auto an den Start bringen, das noch nicht von einem anderen Team gemeldet worden war. Aus Zeit- und Ressourcenmangel konnte das Team kein eigenes Auto konstruieren. Max Mosley, seit einem Jahr Präsident der FIA, stellte Anfang März 1992 den Kontakt zu dem britischen Konstruktionsbüro Simtek her, dessen Mitinhaber er war. Simtek hatte 1990 im Auftrag von BMW ein Formel-1-Auto konstruiert, der zu dieser Zeit erwog, werksseitig in den Grand-Prix-Sport einzusteigen.[10] Die Simtek-Wagen sollten für BMW ein erster Schritt sein, das Formel-1-Umfeld näher kennenzulernen. 1991 gab BMW das Formel-1-Projekt auf. Ob eines der beiden Chassis zu dieser Zeit bereits komplett einsatzbereit war, ist unklar. Simtek sah in Andrea Moda Formula eine Gelegenheit, die im Werk verbliebenen Chassis einer bestimmungsgemäßen Nutzung zuzuführen.
Die Komplettierung der Chassis erfolgte im März 1992 unter hohem Zeitdruck bei Simtek. Einige Mechaniker Andrea Modas arbeiteten daran; hinzu kamen zahlreiche Mechaniker anderer Formel-1-Teams, die sich hier ein Zubrot verdienten.[8] Anfang April 1992 wurde das Auto schließlich der Öffentlichkeit präsentiert.
Von dem S921 entstanden zwei Exemplare (S921/1 und S 921/2); der anfänglich geplante Aufbau eines dritten Autos wurde aus Geldmangel nicht verwirklicht.[36] Tatsächlich waren die beiden Autos nie gleichzeitig einsatzbereit. Das Team hatte im Laufe der Saison nicht genügend Teile, um sowohl den S921/1 als auch den S921/2 renntauglich zu machen. Faktisch diente der S921/2 als Reservefahrzeug und Teileträger für den S921/1. Bevor der S921/2 auf die Stecke geschickt wurde, mussten die Mechaniker diverse Komponenten aus dem S921/1 aus- und in den S921/2 einbauen. In einem Fall betraf das die Lenksäule, in einem anderen Fall Teile der Radaufhängungen. Zeitweise wurde der S921/2 mit Teilen ausgestattet, die aufgrund eines Defekts im S921/1 aussortiert worden waren.
Eine Quelle behauptet, beide S921-Exemplare befänden sich nach wie vor im Besitz Andrea Sassettis.[5] Nach anderen Angaben steht ein Auto in einer Mailänder Sammlung, während das zweite von Sassetti verwahrt und gelegentlich von ihm selbst auf dem Misano World Circuit Marco Simoncelli gefahren wird.[7]
Renneinsätze
Bologna Sprint
Der erste Renneinsatz des Teams Coloni-Andrea Moda Formula fand im Dezember 1991 statt. Einen Monat dem letzten Weltmeisterschaftslauf der Saison 1991 in Australien erschien das Team beim Bologna Sprint, einem Wettbewerb, der im Rahmen der jährlichen Bologna Motor Show in einer geschlossenen Halle abgehalten wurde. Hier traten sechs Fahrer in überwiegend italienischen Autos bei kurzen Sprintrennen gegeneinander an. Der Wagen entsprach hier, abgesehen von der schwarzen Lackierung und den Sponsoraufklebern, technisch dem zuvor von Coloni eingesetzten C4. Er war noch mit einem Cosworth-Motor ausgestattet. Fahrer war Antonio Tamburini. Er setzte sich im ersten Sprint gegen Gianni Morbidelli im Minardi M191 durch, scheiterte aber im Halbfinale an Johnny Herbert, der einen Lotus 102 mit Judd-Motor einsetzte.[37]
Weltmeisterschaft 1992
Ausgangslage: Die Vorqualifikation
In den frühen 1990er-Jahren befand sich die Formel 1 in einem Schrumpfungsprozess. Nachdem 1989 noch 20 Teams mit insgesamt 39 Autos an der Weltmeisterschaft teilgenommen hatten, waren es 1990 noch 19 und im folgenden Jahr 18 Teams. Einige kleine Teams beendeten in diesen Jahren ihr Formel-1-Engagement: Rial und Zakspeed gaben Ende 1989 auf, EuroBrun, Life Racing sowie Onyx/Monteverdi 1990, und im Laufe des Jahres 1991 stellten AGS und das Modena Team („Lambo Formula“) den Betrieb ein. Damit reduzierte sich die Zahl der in der Saison 1992 eingeschriebenen Teams auf 16; jedes von ihnen setzte zwei Autos ein.
Nach Maßgabe des Reglements durften im Qualifikationstraining maximal 30 Autos gleichzeitig auf der Rennstrecke sein. Im Hinblick darauf, dass 1992 insgesamt 32 Autos gemeldet waren, war – wie schon in den Jahren zuvor – eine Vorausscheidung notwendig, um die Zahl der im Zeittraining antretenden Autos auf 30 zu begrenzen.[22] Diese als Vorqualifikation bezeichnete Ausscheidung fand jeweils von acht bis neun Uhr am Freitagmorgen vor dem Zeittraining statt. An ihm mussten Andrea Moda als neues Team sowie die zwei schwächsten Teams des letzten Jahres - Fondmetal und Brabham - teilnehmen. Die vier schnellsten Fahrer der Vorqualifikation waren berechtigt, am Zeittraining teilzunehmen, in dem die 26 startberechtigten Fahrer ermittelt wurden. Für die beiden langsamsten Piloten der Vorqualifikation war das Rennwochenende dagegen vorzeitig beendet. Als Brabham im Sommer 1992 den Rennbetrieb einstellte, wurde die Vorqualifikation obsolet; zum Großen Preis von Belgien, der zugleich das letzte Rennen des Teams war, war Andrea Moda Formula automatisch zum Qualifying zugelassen.
Vorbereitungen: Nur selten Testfahrten
Anders als die meisten anderen Rennställe führte Andrea Moda nur sehr wenige Testfahrten durch. Vor Saisonbeginn gab es einen Funktionstest mit dem C4B in Misano.[10] Anfang Juli drehte Moreno ein paar privat organisierte Proberunden mit dem S921 auf der Rennstrecke von Spa-Francorchamps.[38]
Die einzelnen Rennen
Der erste Weltmeisterschaftslauf, zu dem Andrea Moda Formula antrat, war der Große Preis von Südafrika, das Auftaktrennen der Saison 1992. Hier erschien das Team mit Alex Caffi und Enrico Bertaggia. Als Einsatzfahrzeug wurde der Coloni C4B gemeldet. Alex Caffi bewegte seinen C4B am Donnerstag vor dem Rennen. Anlass waren einige Akklimatisationsrunden, die die FISA den Fahrern gewährte, damit sie den seit einigen Jahren nicht mehr benutzten Kyalami vor dem Beginn der Vorqualifikation kennenlernen konnten. Bei diesem Anlass entstanden die einzigen Fotografien des C4B in Bewegung.[39][40] Caffi fuhr nur eine halbe Runde, bevor das Auto infolge einer defekten Batterie zum Stillstand kam.[32] Der C4B wurde nicht für Bertaggia hergerichtet; Bertaggia ging auch nicht mit einem eigenen Auto auf die Rundstrecke. Nach einer Pressenotiz entließ Andrea Sassetti einen Mechaniker, nachdem dieser anweisungswidrig an einem angeblich vorhandenen zweiten C4B gearbeitet hatte.[32] An der Vorqualifikation am folgenden Tag nahm Andrea Moda Formula nicht teil, da es zuvor von der Weltmeisterschaft ausgeschlossen worden war.
Für den folgenden Großen Preis von Mexiko kündigte Andrea Moda Formula das Debüt des neuen S921 an. Die Teammitglieder und die Fahrer Bertaggia und Caffi waren an der Strecke anwesend. Der S921 war dagegen noch nicht einsatzbereit. Andrea Moda verfügte zu diesem Zeitpunkt lediglich über einen nicht vollständigen Satz von Einzelteilen, die noch nicht zusammengesetzt waren und sich in der Boxengasse von Mexiko auch nicht zusammensetzen ließen. Sassetti hatte die Einzelteile allein deshalb nach Mexiko transportieren lassen, um eine Konventionalstrafe, die für das Auslassen eines Großen Preises fällig war, zu umgehen.[41] Die mangelnde Einsatzbereitschaft des Autos wurde offiziell mit der verspäteten Lieferung wichtiger Einsatzteile erklärt; Sassetti berief sich insoweit auf höhere Gewalt. Seine Piloten, die auf eigene Kosten angereist waren, hatte er vorab nicht von dem Entwicklungsstand des Autos unterrichtet.
Letztlich debütierte der S921 beim Großen Preis von Brasilien. Das Team hatte erhebliche Schwierigkeiten, den Wagen zu starten; Beobachter bezeichneten die unorganisierten, „lächerlichen“ Bemühungen der Mechaniker als „Kabarett“.[42] Letztlich war nur Morenos S921/1 einsatzbereit. Er fuhr nur in der Vorqualifikation. In seiner schnellsten Runde war Moreno nahezu 50 km/h langsamer als das Nigel Mansell, der im Williams FW14B die Poleposition herausfuhr. Letztlich verpasste Moreno die Vorqualifikation um 15 Sekunden. Der zweite neue Pilot Perry McCarthy war, obwohl er an der Rennstrecke war,[43] vom Team nicht gemeldet,[44] da ihm von der FISA kurzfristig die Superlizenz entzogen worden war.
Beim anschließenden Rennen in Spanien legten weder Moreno noch McCarthy in der Vorqualifikation eine vollständige Runde zurück: Der Motor von Morenos Auto erlitt in der ersten Runde einen Defekt. Danach sollte McCarthy in seinem Auto (S921/2) drei langsame Runden absolvieren, um ihn danach an Moreno zu übergeben. Dazu kam es nicht: McCarthys Motor fiel bereits 20 Meter hinter der Boxenausfahrt aus.[45] McCarthy kommentierte den neuen S921 danach wie folgt: „Das Auto übersteuert“.[46]
In San Marino war der S921 konkurrenzfähiger: Moreno verpasste die Vorqualifikation nur um eine Zehntelsekunde. Allerdings konnte er nicht die volle Zeit der Vorqualifikation nutzen: Infolge eines Radlagersschadens musste er das Auto vorzeitig abstellen.[47] McCarthy fuhr im zweiten S921 je nach Quelle sieben[48] oder acht[8] Runden, war aber annähernd neun Sekunden langsamer als Moreno.
Beim anschließenden Rennen in Monaco gelang Roberto Moreno die einzige Qualifikation in der Geschichte seines Teams. In der Vorqualifikation erreichte er mit 1:27,186 Minuten die drittschnellste Rundenzeit und ließ damit Andrea Chiesa im Fondmetal GR01 sowie Ukyō Katayama im Venturi hinter sich. Im Zeittraining war er 0,02 Sekunden schneller als Eric van de Poele und 0,5 Sekunden schneller als Damon Hill, die beide einen identisch motorisierten Brabham fuhren. Mit diesem Vorsprung qualifizierte sich Moreno für den 26. und letzten Startplatz. Im Rennen blieb Moreno Letzter, lag aber nach Ausfällen vorpositionierter Fahrer in Runde zehn bereits auf Platz 19. In der elften Runde fiel Moreno nach einem Motordefekt aus. Perry McCarthy durfte in der Vorqualifikation lediglich drei einzelne, nicht gezeitete Runden zurücklegen; danach musste er auf Anweisung des Teamchefs Frédéric Dhainhaut seinen Wagen in der Box abstellen, wo dieser als Ersatzauto für Moreno vorgehalten wurde.[49] McCarthys kurzes Auftreten in Monaco wird in der Literatur vielfach als bloßer „Alibieinsatz“ gewertet.[50][49]
Beim Großen Preis von Kanada hatte Andrea Moda zunächst keine Motoren zur Verfügung. Der offiziellen Mitteilung des Teams zufolge war die Kiste mit den Judd-Motoren durch einen Fehler der Fluggesellschaft British Airways nicht in das richtige Flugzeug geladen worden.[50] Andere hielten diese Darstellung für vorgeschoben und machten stattdessen Schulden des Teams beim Motorenhersteller Judd[51] oder beim Frachtunternehmer[52] für die ausgebliebene Lieferung verantwortlich. Andrea Sassetti lieh sich in Montréal von Brabham letztlich einen bauartgleichen Motor, den er in Morenos Auto einbauen ließ.[53] Die Meldung McCarthys wurde unter Berufung auf höhere Gewalt zurückgezogen.
Zum folgenden Rennen in Frankreich erschien das Andrea-Moda-Team nicht: Durch einen Fernfahrerstreik waren im Juli 1992 zeitweise die französischen Autobahnen blockiert. Alle Teams konnten die Sperren umgehen, nur die Lastwagen Andrea Modas saßen fest und erreichten die Rennstrecke in Magny Cours nicht rechtzeitig.[54][55] Daraufhin zogen sich nahezu alle Sponsoren von Andrea Moda zurück.[36][8]
In Großbritannien verpasste Moreno die Vorqualifikation um zwei Sekunden; auf den letzten Startplatz fehlten ihm vier Sekunden. Nach Morenos Darstellung verhinderte ein Defekt der Benzinzufuhr schnellere Rundenzeiten.[36] McCarthy wurde in Silverstone mit alten Regenreifen auf die trockene Strecke geschickt.[56][57] Er absolvierte lediglich zwei Runden, zu Beginn der dritten Runde erlitt die Kupplung einen Defekt.[36] Die beste Zeit, die er damit erreichte, lag 16 Sekunden über der von Moreno und 20 Sekunden über der Zeit, die für eine Qualifikation nötig war.
Beim Großen Preis von Deutschland war Moreno drei Sekunden langsamer als der letzte Qualifikant. McCarthy erhielt von der Teamleitung die Erlaubnis, in der Vorqualifikation eine Runde zurückzulegen.[58] Als er in die Boxengasse zurückkehrte, ließ er versehentlich die Gewichtskontrolle aus und wurde daraufhin disqualifiziert.[59]
Da das ebenfalls der Vorqualifikation unterliegende Brabham-Team in Ungarn aus finanziellen Gründen nur mit einem Auto erschien, traten in der Vorqualifikation nur noch fünf Fahrer an, von denen die schnellsten vier zur Teilnahme am Qualifying berechtigt waren. Zum zweiten Mal in diesem Jahr überstand Moreno daraufhin die Vorqualifikation. Allerdings verpasste er im Zeittraining die Qualifikation um 2,3 Sekunden. McCarthy wurde erst 45 Sekunden vor Ende der Vorqualifikation erstmals auf die Strecke gelassen; damit hatte er keine Chance, eine gezeitete Runde zu absolvieren.[8] Die FIA forderte Andrea Moda daraufhin auf, beim kommenden Rennen in Belgien mit beiden Fahrzeugen „ernsthafte Bemühungen zu unternehmen, sich zum Rennen zu qualifizieren“; für den Fall der Nichtbeachtung wurde ein Ausschluss von weiteren Weltmeisterschaftsläufen in Aussicht gestellt.[60][61]
In Belgien war, nachdem sich das Brabham-Team vollständig aus der Formel 1 zurückgezogen hatte, das Erfordernis der Vorqualifikation entfallen; beide Andrea-Moda-Piloten waren damit automatisch zum Zeittraining zugelassen. Im Freitagstraining waren Moreno und McCarthy die langsamsten Fahrer. Moreno fehlten 14,5 Sekunden auf die Polezeit von Nigel Mansell, McCarthy war nochmals zehn Sekunden langsamer. McCarthy fuhr seine Runden mit einer defekten Lenksäule, die zuvor aus Morenos Auto ausgebaut worden war. Die Mechaniker, denen die Fehlerhaftigkeit der Lenksäule bekannt war, unterrichteten McCarthy vor Beginn der Qualifikation nicht von dem Defekt.[8] In der Nacht zum Samstag wurden Sassetti und Teammanager Zago von der belgischen Polizei im Fahrerlager verhaftet und verbrachte eine Nacht im Gefängnis. Anlass war die Klage eines Kunden, Sassetti hätte ihn mit einem gefälschten Scheck bezahlt.[17] Diesen Vorgang nahm die FISA zum Anlass, Andrea Moda Formula unverzüglich von der Formel-1-Weltmeisterschaft auszuschließen. Zur Begründung wurde vorgetragen, das Verhalten des Teams sei geeignet, den Ruf der Formel 1 zu beschädigen.
Das Team erschien erneut zum Großen Preis von Italien; die Stewarts verwehrten den Mitarbeitern aber den Zugang zur Boxengasse.[62]
Die Zwischenfälle und ihre Bewertung in der Motorsportliteratur
Abgesehen von der Verhaftung des Teamchefs trat keiner der Zwischenfälle, die mit Andrea Moda Formula in Verbindung gebracht werden, für sich genommen erstmals bei diesem Team auf. So war bereits mehrfach ein Team, das regelwidrig ein zuvor von einem Konkurrenten gemeldetes Chassis an den Start bringen wollte, zurückgewiesen worden; zuletzt war die britische Formation Middlebridge-Trussardi betroffen gewesen (1987).[63][64] Auch die systematische Vernachlässigung eines von mehreren gemeldeten Fahrzeugen war nicht neu: Zwei Jahre vor Andrea Moda Formula hatte EuroBrun Racing ebenfalls zwei Autos gemeldet, aber nur eines ernsthaft vorbereitet. Das zweite Auto unter Claudio Langes war de facto lediglich Teileträger und Ersatzfahrzeug für den bevorzugten Fahrer Roberto Moreno gewesen.[65] 1989 hatte das französische AGS-Team seinen zweiten Fahrer Joachim Winkelhock wiederholt mit vollen Tanks oder abgenutzten Reifen in die Vorqualifikation geschickt, um zielgerichtet die Vorqualifikationsversuche eines ungewünschten Piloten zu verhindern.[66] Schließlich kamen frühzeitige Motorendefekte auch bei anderen schwach aufgestellten Teams wiederholt vor: So hatte etwa beim Großen Preis von Portugal 1991 der einzige Motor des Coloni-Teams noch beim Anwärmen in der Box einen Defekt erlitten, sodass Colonis damaliger Fahrer Pedro Chaves nicht einmal die 20 Meter zurücklegen konnte, die nach Ansicht Perry McCarthys beim Großen Preis von Spanien 1992 den kürzesten je unternommenen Versuch der Vorqualifikation darstellten.[67] Neu war allerdings der Umstand, dass all diese Defekte innerhalb eines halben Jahres bei einem einzelnen Team zusammenkamen.[68]
Im Gegensatz zu anderen erfolglosen Teams, denen Journalisten ungeachtet schlechter Ergebnisse wenigstens einen „olympischen Geist“ (Osella)[69] oder ein „tapferes Bemühen“ (Minardi)[70] attestierten, fehlen in der Berichterstattung zu Andrea Moda jegliche Attribute der Anerkennung. Andrea Moda Formula wurde als „der Flop der Formel-1-Saison 1992“[71] oder als „Posse“[72] bezeichnet; die Auftritte des Teams waren nach Ansicht von Beobachtern „trostlos“[30] „chaotisch“[73] oder „blamabel“[68] und „glichen einer Schmierenkomödie“.[74] In der Zusammenfassung ergaben sich folgende Eindrücke:
Few Grand Prix ventures have started so inauspiciously, or ended in such ignominy.
„Kaum ein Formel-1-Projekt begann so unheilvoll und endete so voller Schande (wie Andrea Moda Formula).“[9]
Motor racing should really be left to motor racing people, people who have a vague idea ... what they are doing.
„Motorsport sollte wirklich Leuten überlassen werden, die eine vage Idee davon haben, was sie eigentlich machen.“
„Andrea Moda Formula wirkte nicht wie ein Formel-1-Team, sondern wie eine Rap-Band, der gerade der Ghetto-Blaster kaputtgegangen ist.“[75]
Wegen Privatteams wie Andrea Moda Formula, die von Leuten ohne viel Erfahrung oder Geld gegründet wurden und wenig später verschwanden, verlangte die FIA später von neuen Formel-1-Teams eine Kaution in Höhe von mehreren Millionen US-$.
Weitere Entwicklung
Im Herbst 1992 schrieb sich Andrea Moda Formula für die Formel-1-Saison 1993 ein. Die Meldung wurde jedoch frühzeitig zurückgewiesen.
Stattdessen erschien der Name Andrea Moda 1993 im US-amerikanischen Motorsport: Der Schuhhersteller Andrea Moda trat in diesem Jahr als Sponsor des mit italienischer Lizenz fahrenden Champ-Car-Teams Euromotorsport Racing an, das schwarz lackierte Rennwagen von Lola für Andrea Chiesa, Christian Danner, Davy Jones, David Kudrave, Andrea Montermini und Jeff Wood an den Start brachte. Erfolgreichster Fahrer des Teams war der Rookie Montermini, der mit 12 Punkten Rang 18 der Fahrerwertung belegte.
Zahlen und Daten
Alle Fahrer von Andrea Moda Formula in der Formel 1
Name | Saison | Grands Prix[76] | Punkte | Siege | Zweiter | Dritter | Poles | SR | bester WM-Rang |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Enrico Bertaggia | 1992 | - | — | — | — | — | — | — | — |
Alex Caffi | - | — | — | — | — | — | — | — | |
Roberto Moreno | 1 | — | — | — | — | — | — | — | |
Perry McCarthy | – | — | — | — | — | — | — | — |
Statistik in der Formel 1
Saison | Teamname | Chassis | Motor | Reifen | GP | Siege | Zweiter | Dritter | Poles | schnellste Rennrunden |
Punkte | WM-Rang |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1992 | Andrea Moda Formula | Coloni C4B | Judd GV V10 | G | — | — | — | — | — | — | — | — |
Andrea Moda S921 | 1 | — | — | — | — | — | — | — |
Ergebnisse in der Formel 1
Saison | Nr. | Fahrer | Chassis | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 16 | Punkte | Rang |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1992 | 0 | — | |||||||||||||||||||
34 | A. Caffi | Coloni C4B | EX | ||||||||||||||||||
Andrea Moda S921 | DNS | ||||||||||||||||||||
R. Moreno | DNPQ | DNPQ | DNF | DNPQ | DNPQ | DNPQ | DNPQ | DNQ | DNQ | EX | EX | EX | EX | ||||||||
35 | E. Bertaggia | Coloni C4B | EX | ||||||||||||||||||
Andrea Moda S921 | DNS | ||||||||||||||||||||
P. McCarthy | DNPQ | DNPQ | DNPQ | DNPQ | DSQ | DNPQ | DNQ | EX | EX | EX | EX |
Quellen
- Adriano Cimarosti: Das Jahrhundert des Rennsports, Motorbuch Verlag Stuttgart 1997, ISBN 3-613-01848-9
- Alan Henry: Autocourse 1992/93 London 1992 (Hazleton Securities Ltd.), ISBN 0-905138-96-1.
- David Hodges: A–Z of Grand Prix Cars 1906–2001, 2001 (Crowood Press), ISBN 1-86126-339-2 (englisch)
- David Hodges: Rennwagen von A–Z nach 1945, Stuttgart 1993, ISBN 3-613-01477-7
- Perry McCarthy: Flat Out Flat Broke. Formula One the hard way! Haynes Publishing, Sparkford 2008 ISBN 978-1-84425-0189.
- Pierre Ménard: La Grande Encyclopédie de la Formule 1, 2. Auflage, St. Sulpice, 2000, ISBN 2-940125-45-7 (französisch)
- motor sport aktuell, wöchentlich erscheinende Fachzeitschrift aus der Schweiz, mit diversen Artikeln und Notizen über Andrea Moda in den Heften des Jahrgangs 1992.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Motorsport Aktuell, Heft 47/1991, S. 14.
- ↑ Übersicht über die erfolglosesten Teams der Formel-1-Geschichte auf der Internetseite www.f1rejects.com (abgerufen am 28. Mai 2014).
- ↑ David Hodges: Rennwagen von A–Z nach 1945, Stuttgart 1993, ISBN 3-613-01477-7, S. 58.
- ↑ Das Concorde-Abkommen sah für das Auslassen eines Großen Preises regelmäßig eine Konventionalstrafe in Höhe von 200.000 US-$ vor.
- ↑ a b c Kurzbiografie Andrea Sassettis auf der Internetseite www.oldracingcars.com (abgerufen am 28. Mai 2014).
- ↑ a b c Perry McCarthy: Flat Out Flat Broke. Formula One the hard way! Haynes Publishing, Sparkford 2008 ISBN 978-1-84425-0189, S. 194.
- ↑ a b c d Interview mit Andrea Sassetti aus dem Jahr 2012 (abgerufen am 2. Juni 2014).
- ↑ a b c d e f g h i j k Geschichte von Andrea Moda Formula auf der Internetseite www.f1rejects.com (abgerufen am 28. Mai 2014).
- ↑ a b David Hodges: A–Z of Grand Prix Cars 1906–2001, 2001 (Crowood Press), ISBN 1-86126-339-2, S. 18.
- ↑ a b c d e f g h i Patrice Buchkalter, Jean François Galeron: „Formula 1 – a complete guide to 1992“, Surrèsnes (Taillandrier) 1992, ISBN 2876361078, S. 120.
- ↑ Pierre Ménard: La Grande Encyclopédie de la Formule 1, 2. Auflage, St. Sulpice, 2000, ISBN 2-940125-45-7, S. 605
- ↑ Motorsport aktuell, Heft 49/1992
- ↑ Notiz zu Paul Burgess auf der Internetseite www.oldracingcars.com (abgerufen am 30. Mai 2014).
- ↑ Motorsport Aktuell, Heft 51/1991, S. 14.
- ↑ Motorsport Aktuell, Heft 22/1992, S. 9.
- ↑ Biografie Frédéric Dhainhauts auf der Internetseite www.grandprix.com (abgerufen am 30. Mai 2014).
- ↑ a b Motorsport Aktuell, Heft 37/1992, S. 9.
- ↑ Motorsport Aktuell, Heft 8/1992, S. 5.
- ↑ Caffi war 1991 in einem technisch unterlegenen Arrows gefahren und hatte zudem einen schweren Unfall im Straßenverkehr erlitten.
- ↑ a b Interview mit Alex Caffi auf der Internetseite www.oldracingcars.com (abgerufen am 30. Mai 2014).
- ↑ Perry McCarthy: Flat Out Flat Broke. Formula One the hard way! Haynes Publishing, Sparkford 2008 ISBN 978-1-84425-0189, S. 167.
- ↑ a b c Alan Henry: Autocourse 1992/93 London 1992 (Hazleton Securities Ltd.), ISBN 0-905138-96-1, S. 118.
- ↑ Perry McCarthy: Flat Out Flat Broke. Formula One the hard way! Haynes Publishing, Sparkford 2008 ISBN 978-1-84425-0189, S. 174.
- ↑ a b Motorsport Aktuell, Heft 21/1992, S. 13.
- ↑ Biografie Perry McCarthys auf der Internetseite www.f1rejects.com (abgerufen am 27. Mai 2014).
- ↑ Perry McCarthy: Flat Out Flat Broke. Formula One the hard way! Haynes Publishing, Sparkford 2008 ISBN 978-1-84425-0189, S. 176.
- ↑ Perry McCarthy: Flat Out Flat Broke. Formula One the hard way! Haynes Publishing, Sparkford 2008 ISBN 978-1-84425-0189, S. 195.
- ↑ Perry McCarthy: Flat Out Flat Broke. Formula One the hard way! Haynes Publishing, Sparkford 2008 ISBN 978-1-84425-0189, S. 197.
- ↑ a b Motorsport Aktuell, Heft 10/1992, S. 25.
- ↑ a b David Hodges: Rennwagen von A–Z nach 1945, Stuttgart 1993, ISBN 3-613-01477-7, S. 16.
- ↑ Eintrag auf der Internetseite www.f1technical.net (abgerufen am 2. Juni 2014).
- ↑ a b c d Motorsport Aktuell, Heft 11/1992, S. 8.
- ↑ http://www.f1rejects.com/teams/andreamoda/picture-gallery.html Abbildungen des Coloni C4B beim Großen Preis von Südafrika (abgerufen am 30. Mai 2014)
- ↑ Abbildung eines C4B in der Box am Kyalami Grand Prix Circuit (abgerufen am 30. Mai 2014).
- ↑ Motorsport Aktuell, Heft 12/1992, S. 5.
- ↑ a b c d Motorsport Aktuell, Heft 30/1992, S. 8.
- ↑ Ergebnisse des Bologna Sprint 1991 auf der Internetseite www.silhouet.com (abgerufen am 28. Mai 2014).
- ↑ Motorsport, Heft 30/1992, S. 10.
- ↑ Abbildung auf der Internetseite www.f1rejects.com (abgerufen am 30. Mai 2014).
- ↑ auf der Internetseite www.f1rejects.com (abgerufen am 30. Mai 2014).
- ↑ Motorsport Aktuell, Heft 14/1992, S. 7, 8.
- ↑ Motorsport Aktuell, Heft 24/1992, S. 13.
- ↑ Perry McCarthy: Flat Out Flat Broke. Formula One the hard way! Haynes Publishing, Sparkford 2008 ISBN 978-1-84425-0189, S. 170.
- ↑ Meldeliste des Großen Preises von Brasilien 1992 auf der Internetseite www.motorsport-total.com (abgerufen am 3. Juni 2014).
- ↑ Alan Henry: Autocourse 1992/93 London 1992 (Hazleton Securities Ltd.), ISBN 0-905138-96-1, S. 128.
- ↑ Motorsport Aktuell, Heft 20/1992, S. 10.
- ↑ Motorsport Aktuell, Heft 22/1992, S. 11.
- ↑ Alan Henry: Autocourse 1992/93 London 1992 (Hazleton Securities Ltd.), ISBN 0-905138-96-1, S. 138.
- ↑ a b Motorsport Aktuell, Heft 24/1992, S. 12.
- ↑ a b Alan Henry: Autocourse 1992/93 London 1992 (Hazleton Securities Ltd.), ISBN 0-905138-96-1, S. 147.
- ↑ Motorsport Aktuell, Heft 25/1992.
- ↑ Perry McCarthy: Flat Out Flat Broke. Formula One the hard way! Haynes Publishing, Sparkford 2008 ISBN 978-1-84425-0189, S. 189.
- ↑ Motorsport Aktuell, Heft 26/1992, S. 32.
- ↑ Motorsport Aktuell, Heft 29/1992, S. 10.
- ↑ Alan Henry: Autocourse 1992/93 London 1992 (Hazleton Securities Ltd.), ISBN 0-905138-96-1, S. 171.
- ↑ Alan Henry: Autocourse 1992/93 London 1992 (Hazleton Securities Ltd.), ISBN 0-905138-96-1, S. 177.
- ↑ Abbildung des regenbereiften S921/2 bei Sonnenschein in Silverstone (abgerufen am 12. Juni 2014).
- ↑ Alan Henry: Autocourse 1992/93 London 1992 (Hazleton Securities Ltd.), ISBN 0-905138-96-1, S. 187.
- ↑ Motorsport Aktuell, Heft 32/1992, S. 10.
- ↑ Motorsport Aktuell, Heft 35/1992, S. 7.
- ↑ Alan Henry: Autocourse 1992/93 London 1992 (Hazleton Securities Ltd.), ISBN 0-905138-96-1, S. 198.
- ↑ Alan Henry: Autocourse 1992/93 London 1992 (Hazleton Securities Ltd.), ISBN 0-905138-96-1, S. 215, 218 (mit Abbildung des ausgesperrten Teamtransporters).
- ↑ Motorsport Aktuell, Heft 45/1987, S. 22.
- ↑ Etwas anderes galt allerdings für den Osella FA1/F, der nach allgemeiner Ansicht ein detailgetreuer Nachbau des Alfa Romeo T183 war; das erste der drei Exemplare des FA1/F nutzte sogar das Monocoque eines T183. An der Verwendung des Autos durch Osella Corsa nahm die FISA keinen Anstoß.
- ↑ Motorsport Aktuell, Heft 25/1990, S. 29.
- ↑ Ferdi Krähling, Gregor Messer: Sieg oder Selters. Die deutschen Fahrer in der Formel 1. Delius Klasing, Bielefeld, 2013, ISBN 978-3-7688-3686-9, S. 79.
- ↑ Perry McCarthy: Flat Out Flat Broke. Formula One the hard way! Haynes Publishing, Sparkford 2008 ISBN 978-1-84425-0189, S. 184.
- ↑ a b Adriano Cimarosti: Das Jahrhundert des Rennsports, Motorbuch Verlag Stuttgart 1997, ISBN 3-613-01848-9, S. 442.
- ↑ David Hodges: Rennwagen von A–Z nach 1945, Stuttgart 1993, ISBN 3-613-01477-7, S. 204.
- ↑ Adriano Cimarosti: Das Jahrhundert des Rennsports, Motorbuch Verlag Stuttgart 1997, ISBN 3-613-01848-9, S. 455.
- ↑ Alan Henry: Autocourse 1992/93 London 1992 (Hazleton Securities Ltd.), ISBN 0-905138-96-1, S. 128.
- ↑ Pierre Ménard: La Grande Encyclopédie de la Formule 1, 2. Auflage, St. Sulpice, 2000, S 605.
- ↑ Alan Henry: Autocourse 1992/93 London 1992 (Hazleton Securities Ltd.), ISBN 0-905138-96-1, S. 88.
- ↑ Auto Motor und Sport Spezial: Formel 1 - Vorschau GP von Deutschland 1992, Beilage zu Heft 15/1992, S. 29.
- ↑ Motorsport Aktuell, Heft 24/1992, S. 10.
- ↑ Gezählt werden die Großen Preise, zu denen sich der Fahrer qualifiziert hat.