Femme fatale

literarischer Frauentypus
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Unter einer Femme fatale (französisch für "verhängnisvolle Frau") versteht man im Film und, daran angelehnt, auch in der Literatur eine verführerische Frau, die – mit magisch-dämonischen Zügen ausgestattet – Männer erotisch nicht nur an sich bindet, sondern sie auch von ihren höheren Interessen und Aufgaben ablenkt, ihre Moral untergräbt und sie meist auch ins Unglück stürzt. Gleichzeitig beschert sie dem verführten Mann ein Höchstmaß an Liebeserfüllung, was ihr oft einen äußerst ambivalenten Charakter verleiht.

Postkarte von Mata Hari

Das Wort "Vamp" wird weitgehend bedeutungsgleich verwendet.

Die Femme fatale im Film

Stummfilmzeit

Im Film erscheint der Typus der Femme fatale seit der Stummfilmzeit. Schauspielerinnen, die solche Charaktere wiederholt verkörpert haben, sind in den USA z. B. Theda Bara, Alla Nazimova und Gloria Swanson, und in Deutschland Fern Andra und Pola Negri. Ein charakteristisches deutsches Filmbeispiel ist Robert Wienes Film Genuine aus dem Jahre 1920, in dem die Femme fatale buchstäblich das Blut der Männer, die ihr erotisch verfallen, trinkt und so auf einprägsame Weise die Etymologie des Worts "Vamp" erläutert.

1940er Jahre

Die Femme fatale ist die zentrale Frauenfigur des amerikanischen Film noir der 1940er-Jahre.

Kennzeichen der Femme fatale sind

  • Divergenz von Erscheinung und Wesen
  • übererotisierte weibliche Attraktivität
  • Intelligenz und Gefühlskälte
  • manipulative Fähigkeiten
  • Machtstreben
  • selbstbestimmte Sexualität
  • destruktive Norm- und Gesetzesüberschreitung

Die Grenzen des Stereotyps „Femme fatale“ mit dem Stereotyp des „Bad Good Girl“ sind häufig fließend.

Beispiele

Dämonische Verführerinnen in der Literatur

Das Motiv der dämonischen Verführerin durchzieht die gesamte Weltliteratur seit der altbabylonischen Zeit. Biblische Beispiele sind Eva, Potiphars Weib und Dalila. In der Epik der klassischen Antike erscheinen u. a. Pandora, Helena, Circe und die Sirenen. Im Mittelalter entstanden die Lieder von der Nixe Melusine, von Meliur, von Armida und das Motiv der Mahrtenehe zwischen einem Sterblichen und einem verführerischen, aber Albdruck verursachenden überirdischen weiblichen Wesen. Vamps der Literatur der frühen Neuzeit waren Semiramis, Agrippina, Sophonisbe (bei Calderón), die „Jüdin von Toledo“ (bei Lope de Vega), die Countess Isabella (bei John Marston) und Celinde (bei Andreas Gryphius). Beispiele des 18. Jahrhunderts sind Marwood, die Gräfin Orsina (beide bei Lessing), Madame Reymer (bei Diderot), Danae und Lais (bei Wieland). Goethe hat zum Thema die Verführerin Adelheid (Götz von Berlichingen) und Die Braut von Korinth beigetragen, Ludwig Tieck die Comtesse Blainville, Johann August Apel und Friedrich Laun „Die Totenbraut“ und Coleridge die Lady Geraldine. Von Heinrich Heine stammt das bekannte Gedicht über die Lorelei, von Kleist das Fräulein Kunigunde (Das Käthchen von Heilbronn), von Friedrich de la Motte-Fouqué die Nixe Undine, von Eichendorff die Gräfin Romana und die Gräfin Diana, von E. T. A. Hoffmann „Der Elementargeist“, von Prosper Mérimée die Zigeunerin Carmen, von Emile Zola die Kokotte Nana und von Oscar Wilde die Tänzerin Salome. In Gerhard Hauptmanns Dramen treten gleich eine ganze Reihe von Vamps auf. Eines der bekanntesten Beispiele schuf Frank Wedekind mit der Kindfrau Lulu, dem Prototyp des modernen Vamps (Der Erdgeist; Die Büchse der Pandora). Beispiele des frühen 20. Jahrhunderts sind die „Künstlerin“ Kathi Fröhlich (bei Heinrich Mann), Alpha (bei Robert Musil), Temple Drake (bei William Faulkner) und die Bergkönigin (bei Hugo von Hofmannsthal)

Literatur

  • Gerd Stein, Kulturfiguren und Sozialcharaktere III. des 19. und 20. Jahrhunderts: Femme fatale, Vamp, Blaustrumpf, Frankfurt (Fischer) 1985
  • "Die dämonische Verführerin", in: Elisabeth Frenzel, Motive der Weltliteratur, Stuttgart (Kröner) 5. Aufl. 1999