Hamas

palästinensische politische und militärische Organisation (Terrororganisation)
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Die palästinensische, islamistische Hamas (arabisch حماس Hamās, ein Akronym aus حركة المقاومة الاسلامية Harakat al-muqāwama al-islāmiyya, was soviel wie „Islamische Widerstandsbewegung“ bedeutet - der Name selbst ist ein gebräuchliches arabisches Wort für „Begeisterung“) ist eine politische Partei in den palästinensischen Autonomiegebieten.

Sie wird von der EU, den USA und anderen Staaten als terroristische Vereinigung eingestuft. Sie ist eng mit der Muslimbruderschaft verbunden. Ihr Ziel ist die Auslöschung Israels. Sie lehnen jegliche Zweistaatenlösung ab. Sie lehnen auch einen säkularen palästinensischen Staat ab. Ihr Ziel ist die Errichtung einer islamischen Theokratie auf den Gebieten des Gazastreifens, der Westbank und Israels.

Ende 1987 bildete sich die Hamas als militanter Ableger der palästinensischen Muslimbruderschaft. Verschiedene Hamas-Organisationen haben sowohl politische als auch Mittel der Gewalt, einschließlich des Terrorismus, angewandt, um ihre Ziele zu erreichen. Die Hamas ist lose strukturiert, mit Organisationen, die sowohl im geheimen als auch öffentlich in Moscheen und sozialen Hilfseinrichtungen arbeiten, um Mitglieder zu werben und Gelder zu sammeln, Aktivitäten zu organisieren und Propagandamaterial zu verteilen.

Besonders unter Palästinensern, die im Gazastreifen leben, erfreut sich die Hamas großer Beliebtheit. Aber auch in der Westbank, und - in geringerem Maße - in anderen Staaten des Nahen Ostens (einschließlich Israels) findet sie Unterstützer. Diese Beliebtheit liegt einerseits in ihrem bewaffneten Kampf, andererseits in ihren wohltätigen Aktionen zugunsten der palästinensischen Bevölkerung begründet.

Die Hamas verwendet Selbstmordattentate gegen israelische Zivilisten als eines der Mittel ihrer Asymmetrischen Kriegsführung gegen Israel. Aufgrund ihrer terroristischen Aktionen wurden die Führer der Hamas oftmals Opfer gezielter Tötungen durch den israelischen Staat, der die Politik gezielter Exekutionen seit 2004 verfolgt.

Friedensinitiativen werden von der Hamas als „reine Zeitverschwendung“ und „sinnlose Bemühung“ abgelehnt. Sie seien „nichts anderes als ein Mittel, um Ungläubige als Schlichter in den islamischen Ländern zu bestimmen“ für Palästina gäbe es keine andere Lösung als den Jihad. (Artikel 13 der Charta)

Hintergrund

Die Hamas bezeichnet die gesamte Region Palästina (damit auch Israel) als „islamisches Heimatland“ das niemals Nicht-Muslimen überlassen werden dürfe und erklärt es zur Pflicht eines jeden Muslims für die Eroberung Israels zu kämpfen. Diese Position ist radikaler als die der säkularen PLO, die 1988 zumindest Israels Souveränität anerkannt hat. Israel wird stattdessen als "zionistisches Gebilde" bezeichnet.

Zur Erfüllung ihrer Ziele betätigt sich die Hamas besonders in jüngerer Zeit auch auf politischem Gebiet. So hat sie an den Wahlen am 25. Januar 2006 teilgenommen. Ein anderes Engagement im zivilen bzw. politischen Bereich stellt z.B. die Teilnahme an den Wahlen für die Handelskammer des Westjordanlandes dar.

Die Ideologie

Die Gründungscharta der Hamas von 1988 erklärt „die Fahne Allahs über jedem Zoll von Palästina aufzuziehen“ zum ideologischem Ziel der Organisation. Das hätte eine Auflösung des Staates Israel sowie jeder weltlich orientierten palästinensischen Institution zur Folge.

Die Charta basiert auf einer Anzahl von antisemitischen Verschwörungstheorien; sie behauptet die Echtheit der Protokolle der Weisen von Zion und dass die Freimaurer, der Lions-Club und der Rotary-Club insgeheim „im Interesse der Zionisten“ arbeiteten. Die Hamasmitglieder sehen in den Juden die Verantwortlichen für die Französische Revolution, den „westlichen Kolonialismus“, den Kommunismus und die Weltkriege.

Hamasführer leugnen den Holocaust. Der von Israel inzwischen getötete Abd al-Aziz ar-Rantisi – Hamas-Führer nach der Ermordung Ahmad Yasins – behauptete, dass der Holocaust nie geschehen sei, dass Zionisten hinter den Nazis stünden und sie finanzierten.

Geschichte

Die Hamas, damals noch unter dem Namen der Muslimbruderschaft agierend, wurde während der siebziger und achtziger Jahre direkt und indirekt durch verschiedene Staaten, einschließlich Saudi-Arabien und Syrien, finanziert. Der politisch-karitative Arm der Hamas wurde in dieser Zeit von Israel anerkannt. Die meisten Experten stimmen darin überein, dass Israel die Hamas unangetastet ließ, ohne sie direkt zu unterstützen, um sie der weltlichen Fatah-Bewegung Jassir Arafats entgegenzusetzen. Die Gruppe enthielt sich während der siebziger Jahre und den frühen achtziger Jahren der Politik und konzentrierte sich auf moralische und soziale Hilfe, wie etwa Angriffe auf die Korruption, versuchte Vertrauen aufzubauen und organisierte Gemeinschaftsprojekte. Mitte der 1980er Jahre wandelte sich die Bewegung unter Scheich Ahmad Yasin. Er predigte Gewalt, wurde vom israelischen Staat 1989 verhaftet und 1997 in einem Gefangenenaustausch gegen zwei Mossad-Agenten in jordanischer Haft entlassen.

Die Abkürzung „Hamas“ erschien erstmalig 1987 in einem Flugblatt, das die israelischen Geheimdienste beschuldigte, die Moral der palästinensischen Jugend zu unterwandern und sie als Kollaborateure anzuwerben. Die Gewaltanwendung durch die Hamas begann zeitgleich mit der ersten Intifada. Sie fing mit „Bestrafungen gegen Kollaborateure“ an und entwickelte sich über Angriffe gegen das israelische Militär schließlich zu gezielten terroristischen Anschlägen gegen Zivilisten. Wie ihre Methoden hat sich auch ihre Rhetorik in den letzten dreißig Jahren geändert und besagt nun, israelische Zivilisten seien - aufgrund der Wehrpflicht - „militärische Ziele“.

Entsprechend der halboffiziellen Hamasbiografie Wahrheit und Bestehen, durchlief die Hamas vier Hauptstadien:

  1. 1967-1976: Aufbau der Muslimbruderschaft im Gazastreifen angesichts der "unterdrückenden" israelischen Gesetze.
  2. 1976-1981: geografische Expansion durch Teilnahme an erfahrenen Gruppierungen im Gazastreifen und im Westjordanland und Gründung von Einrichtungen, z.B. al-Mudschamma' al-islāmi, al-Dscham'iyya al-islāmiyya und der islamischen Universität in Gaza.
  3. 1981-1987: politischer Einfluss durch Einführung von Handlungsmechanismen und der Vorbereitung auf den bewaffneten Kampf.
  4. 1987: Gründung der Hamas als kämpfender Arm der Muslimbruderschaft in Palästina und der Ankündigung des „fortwährenden Dschihad“.

Viele Experten meinen, die Geschichte der Hamas beginne erst mit der Wandlung in den 80er Jahren, nach der ihr politischer Einfluss wuchs.

Die Hamas im Westjordanland entwickelte sich erkennbar anders, unter anderem da sie anfänglich kaum Aufsehen durch die Bildung oder Steuerung von öffentlichen Institutionen erregte. Die Muslimbruderschaft im Westjordanland bildete einen wesentlichen Bestandteil der Jordanischen Islamischen Bewegung, die sich einige Jahre mit dem Haschemitenregime verbündete. Zudem stellte die Muslimbruderschaft im Westjordanland eine höhere soziale Schicht - Kaufleute, Grundbesitzer und Beamte. Bis Mitte der 80er Jahre nahm die Muslimbruderschaft wesentliche Positionen in den religiösen Institutionen des Westjordanlandes ein.

Das US-Außenministerium stuft die Hamas als terroristische Organisation ein. Am 6. September 2003 folgten die EU-Außenminister dem amerikanischen Beispiel, dabei wurden auch die Unterorganisationen der Hamas mit einbezogen.

Organisation

Im militärischen Flügel der Hamas sind verschiedene Gruppierungen vertreten:

  • die Studenten Ayyash, die Studenteneinheiten des Ingenieurs Yahya Ayyash (in Gedenken an Yahya Ayash, den Bombeningenieur, verantwortlich für den Tod von mehr als 50 Israelis und selber getötet 1996) und
  • Izz-ad-Dīn-al-Qassām-Brigaden, Izz-ad-Dīn-al-Qassām-Kräfte, Izz-ad-Dīn-al-Qassām-Bataillone, (in Gedenken an Scheich Izz ad-Dīn al-Qassām, den "Vater des modernen arabischen Terrorismus", getötet von den Briten 1935).

Führung der Hamas

Am 22. März 2004 wurde der Mitbegründer und geistige Führer, Scheich Ahmad Jassin, bei einem gezielten Raketenangriff durch die israelische Luftwaffe im Rahmen der so genannten Operation Stabwechsel getötet, worauf die Hamas mit Vergeltungsschlägen drohte.

Wenige Tage später wurde Jassins Stellvertreter, der Kinderarzt Abd al-Aziz al-Rantisi, in Gaza zum neuen "Generalkommandanten" proklamiert. Kurz darauf tauchte er in den Untergrund ab. Er vertrat - ebenso wie Jassin - die Ansicht, dass Terroranschläge ein legitimes Mittel im Befreiungskampf gegen Israel sind. Knapp einen Monat nach seinem Aufstieg zum Hamasführer am 17. April 2004 wurde Rantisi ebenso wie Jassin von der israelischen Armee gezielt getötet.

Innerhalb der Hamas-Führung, zu der v. a. Chalid Maschal und Mahmud as-Sahar zählen, stand Rantisi für den radikalen Flügel und hat im Sommer 2003 den befristeten Waffenstillstand („Hudna“) abgelehnt. Bekannt wurde er als Sprecher von 400 nach dem Libanon deportierten Kämpfern und durch seine Kontakte zur Hisbollah und zum Iran. Nach einigen Zeiten im Gefängnis war er seit der zweiten Intifada (Sept.2000) dauerhaft auf freiem Fuß.

Aktivitäten

Neben der sozialen und religiösen Ausrichtung der Hamas stechen vor allem ihre terroristischen Aktivitäten in Israel hervor. In der Zeit vom September 2000 und Mai 2003 wurden 1400 israelische Zivilisten Opfer von 27 Selbstmordanschlägen; 200 kamen dabei ums Leben. Weitere 12 Selbstmordanschläge sind fehlgeschlagen. An vielen öffentlichen Orten wie Einkaufspassagen, Tiefgaragen, Restaurants und Hochhäusern explodierten massenhaft Bomben. Die Zivilbevölkerung war stets das Anschlagziel der Hamas. Weitere Anschläge wurden auf Einrichtungen der israelischen Armee verübt.

Über das Internet rief die Hamas-Führung anlässlich des Irakkrieges alle Muslime dazu auf, gegen die „tyrannische und kreuzzüglerische Aggression“ der USA und Großbritanniens zu protestieren und die Produkte dieser Staaten zu boykottieren. Ein Hamas-Sprecher appellierte an die Bevölkerung des Irak, zehntausende Märtyrer bereitzustellen, um sich inmitten der „amerikanischen Tyrannen“ in die Luft zu sprengen.

Die im Rahmen eines Friedensplans für den Nahen Osten ausgehandelte Waffenruhe zwischen Israel, der PA und militanten islamistischen Gruppen fand schon nach zwei Monaten durch ein Attentat in Jerusalem ihr Ende, zu dem sich die Hamas bekannte.

Schon bald wurde die Hamas in den USA und Großbritannien als eine terroristische Organisation eingestuft. Die Behörden im Jordan schlossen 1999 das Hamas-Büro in Jordanien. Die Mitglieder des Politbüros wurden festgenommen und ausgewiesen. Die Außenminister der EU setzten 2003 den politischen Arm der Hamas auf die Liste terroristischer Vereinigungen. Hamas-Anhänger können seitdem verfolgt und deren Konten eingefroren werden.

Die Hamas fordert die Verschleierung von Frauen in muslimischen Ländern und unterstütz den Bau von Moscheen. Sie finanziert soziale Einrichtungen und ersetzt so teilweise die fehlende Infrastruktur im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich in Gaza. Dabei konzentrieren sich diese Aktivitäten, die von Einigen als reine Propaganda angesehen werden, auf die untere, also ärmere Schicht der eigenen Bevölkerung. So wird der starke Rückhalt begründet, den die Hamas in der palästinensischen Bevölkerung genießt und hier werden auch die so genannten Märtyrer für Selbstmordanschläge geworben. Die Hamas wirbt ständig um Mitglieder in Moscheen und Universitäten. Eine Schätzung geht von 80.000 Mitgliedern aus. Der harte Kern der Hamas wird auf 300 bis 3000 Mitglieder geschätzt.

Finanzielle Mittel kommen von ausgebürgerten Palästinensern, vom Iran und von privaten Unterstützern aus Saudi-Arabien und anderen gemäßigten arabischen Staaten. Finanzierungs- und Propagandatätigkeiten finden in Westeuropa und den Vereinigten Staaten statt.

Literatur

  • Gerrit Hoekmann: Zwischen Ölzweig und Kalaschnikow. Geschichte und Politik der palästinensischen Linken. ISBN 3-928300-88-1

Siehe auch