Vorlage:Mehrfacheintrag Regiogeld (auch Regionalgeld) ist ein zwischen Verbrauchern, Anbietern, Vereinen und Kommunen demokratisch vereinbartes Medium, das innerhalb einer Region als Zahlungs-, Investitions- und Schenkungsmittel verwendet wird und auf Grundlage eines global entwickelten Wertestandards mit anderen sozialen Institutionen auf horizontaler (z. B. andere Regiogelder) und vertikaler Ebene (andere wertschöpfungsfördernde Systeme in der Region) so assoziiert wird, dass sich der Lebensstandard in der Region auf Dauer positiv entwickeln soll.
Viele Regiogeldsysteme sind aus der Antiglobalisierungsbewegung heraus entstanden. Deren Gedanken finden sich in zwei weiteren Merkmalen wieder:
- Zum einen sind sie häufig an eine Umlaufsicherungsgebühr, auch Nachhaltigkeitsgebühr genannt, gekoppelt. Damit ähneln sie dem Freigeld aus der Freiwirtschaft.
- Zum zweiten sind Regiogeldsysteme sehr häufig als Komplementärwährung konzipiert.
Vorteile
Das Ziel von Regiogeldsystemen ist es, die regionale Wirtschaft zu fördern und zu stabilisieren. Durch den kleinen Raum, in dem das Regiogeld verwendet wird, bleibt die Kaufkraft für damit getätigte Geschäfte in der Region, statt ins Ausland oder in Finanzmarkttransaktionen abzuwandern. Dadurch soll der Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland entgegengewirkt werden.
Das Geldsystem ist ein bedeutender Bestandteil der sozialen Umwelt der Menschen. Die Konditionen dieser Umwelt in ihren wesentlichen Aspekten innerhalb möglichst überschaubarer Strukturen selbst beeinflussen zu können, ist eine Grundvoraussetzung für demokratisches Engagement. In diesem Sinn entsprechen regionale Geldsysteme dem Prinzip der Subsidiarität. Sie stehen der Behauptung politischer Alternativlosigkeit entgegen und sollen die Behauptung globaler finanzpolitischer Sachzwänge im Sinne des Thatcherismus widerlegen indem sie den demokratischen Handlungsspielraum der Menschen erweitern.
Durch die Stärkung der regionalen Vernetzung und einen direkteren Kontakt zwischen Herstellern und Endverkäufern erhoffen die Befürworter darüber hinaus:
- Ein geringeres Transportaufkommen, das die Umwelt entlastet.
- Eine bessere Kontrolle der Produktionsbedingungen in Bezug auf Umweltverträglichkeit und soziale Standards.
- Durch kleinere Abnahmemengen mehr Möglichkeiten zur Herstellung individueller Produkte, die Erwartungen und Bedürfnissen der lokalen Kunden besser gerecht werden und zum Erhalt regionaltypischer Eigenheiten beitragen.
- Eine Verbesserung der Zahlungsmoral zwischen den Teilnehmern, da sich durch das Zurückhalten des Regiogelds keine Vorteile ergeben.
Im Allgemeinen wirkt eine Umlaufsicherungsgebühr der Geldhortung entgegen und der Zins pendelt je nach Marktentwicklung um Null, statt wie bei herkömmlichem Geld immer positiv zu sein. Sofern sich im Regiogeldsystem ein funktionierender Finanzmarkt herausbildet, sind zinsgünstige Kredite damit die Regel. Außerdem wird durch das praktische Wirtschaften mit Regionalgeld das Bewusstseins über das Wesen des Geldes geschärft.
Aus Sicht der meisten Befürworter von Regionalgeld handelt es sich bei Zinseinnahmen, die die Summe aus erwartetem Verlustrisiko und Verwaltungsaufwand übersteigen um nicht gerechtfertigte sogenannte "leistungslose Einkommen", die lediglich auf Grund der Struktur des Geldsystems erzielbar seien und auf Kosten der Kreditnehmer wie Staat, Produzenten, Dienstleister oder Privatpersonen beansprucht würden.
Das bestehende Finanzsystem beinhaltet dieser Sichtweise zufolge implizit einen Wachstumszwang für die Wirtschaft, da ohne Wirtschaftswachstum bestehende Kredite und Zinsforderungen nicht zurückgezahlt werden könnten. Befürworter von Regiogeldsystemen sehen hierbei v. a. die Gefahr, dass einerseits Wachstum mehrheitlich rein quantitativ (statt qualitativ) erfolgt und dass dadurch andererseits die begrenzten Ressourcen der Erde überschritten (Verbrauch an Fläche, Trinkwasser, Energieträgern und sonstigen Rohstoffen).
Nachteile
Sowohl die regionale Begrenzung des Geldumlaufs als auch die Umlaufsicherungsgebühr können kritisiert werden:
Mit Regiogeld können Produkte, die von außerhalb des Währungsraums kommen, nicht bezahlt werden. Um eigene Produkte in anderen Regionen verkaufen zu können bzw. um von außerhalb importierte Güter bezahlen zu können, ist entweder eine Komplementärwährung notwendig oder eine Möglichkeit zum Tausch zwischen den verschiedenen Währungen - beispielsweise über interregionale Verrechnungsstellen (Clearinghäuser). Dies verursacht jedoch Transaktionskosten und wirkt also wie ein Zoll auf Produkte, die von außerhalb der Region "importiert" werden. Dies ist zwar gerade der Sinn von Regiogeld, bringt aber die üblichen negativen Zollwirkungen (bspw. Handelsbegrenzung, Rückgang von Produzenten- und Konsumentenrente) mit sich.
Ist das Regiogeld als Komplementärwährung konzipiert, so werden diese Nachteile für extraregionale Unternehmen abgemildert. Allerdings stellt sich dann die Frage nach dem Sinn des Regiogeldsystems; für die Bürger bietet das Regiogeld dann nämlich einen geringeren Nutzen als das supraregionale Geld, da man zwar mit beiden Währungen regionale Anbieter bezahlen kann, aber nur das supraregionale Geld als Zahlungsmittel für supraregionale Anbieter taugt. Somit ist es wahrscheinlich, dass das Regiogeld hauptsächlich von denjenigen Haushalten nachgefragt wird, die sowieso regionale Anbieter stärken würden.
Auch der Nutzen einer Umlaufsicherungsgebühr kann hinterfragt werden. Ziel der Umlaufsicherungsgebühr ist es, die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel gegenüber der Funktion als Wertaufbewahrungsmittel zu stärken - also den Konsum gegenüber dem Sparen zu bevorzugen. Zum einen stellt dies gemäß Kritikern eine Einschränkung der Handlungs- und Entschließungsfreiheit der Wirtschaftssubjekte dar.
Zum anderen bemängeln Kritiker von Regiogeldsystemen, dass diese durch die Umlaufsicherungsgebühr entgegen der eigentlichen Intention nicht zu einer Begrenzung des kritisierten quantitativen Wachstums beitragen. Ansatzpunkt ist hierbei wieder die Bevorzugung von Konsum gegenüber Sparen. Gemäß der neoklassischen Wachstumstheorie gibt die Konsumnachfrage hauptsächlich kurzfristige Wachstumsimpulse, während für ein nachhaltiges, langfristiges Wachstum das Sparen unerlässlich ist. Gemäß der keynesianischen Theorie können jedoch auch kurzfristige Nachfragesteigerungen langfristige Wohlfahrtseffekte haben.
Historische Initiativen
Folgende historische Freigeldexperimente waren ihrer Umsetzung nach Regionalgelder:
- Am bekanntesten wurde das Freigeld von Wörgl in Österreich auf Initiative des Bürgermeisters Michael Unterguggenberger in den Jahren 1932/33. Es beruhte auf von der Gemeinde ausgegebenen Arbeitsgutscheinen, die mit hinterlegten Schilling gedeckt und mit einer monatlichen Umlaufsicherungsgebühr von 1 Prozent versehen waren, also 12 Prozent im Jahr.
- Wära-Gutscheine, Herausgeber: Tauschgesellschaft Erfurt 1931. Stückelung 0,5; 1; 2 und 5 Wära. Umlaufsicherungsgebühr von ebenfalls 12 Prozent jährlich. (Fotographien von Wära-Gutscheinen beim Deutschen Historischen Museum (DHM) [1] - Vorderseite im Bauhaus-Stil gestaltet)
- Wära in Ulm (1931). Markengeld mit einer jährlichen Abwertung von etwa 6 Prozent. Abb.: (DHM) [2]
- Geraer Tauscher (1931). Tabellengeld mit einer jährlichen Abwertung von etwa 20 Prozent. Abb.: (DHM) [3]
Heutige Initiativen
Deutschland
mit Umlaufsicherung
- AUGUSTA Regional in Göttingen (Niedersachsen). Umlaufsicherung von etwa 6%/Jahr. Ablaufgeld.
- Bergtaler. Umlaufsicherung von etwa 12%/Jahr. Wertmarke wird monatlich aufgeklebt. Es gibt beim Erwerb einen Bonus von 3%, um Kunden zum Mitmachen zu bewegen.
- Berliner Regional in Berlin. Halbjährliche Umlaufsicherungsgebühr in Höhe von 2 Prozent des Nennwerts? Ablaufgeld.
- Bremer Regional in Bremen. Umlaufsichung von etwa 12%/Jahr. Sind als Tabellengeld ausgeführt, der jeweilige Wert ist auf den Gutschein aufgedruckt und fällt im Lauf des Jahres monatlich um 1 Prozent des Nennwerts.
- Carlo Regional in Karlsruhe (Baden-Württemberg). Umlaufsicherung wie Chiemgauer.
- Chiemgauer in der Region Chiemgau (Bayern). Umlaufsicherung von etwa 8%/Jahr. Alle drei Monate muß eine Gebührenmarke von 2 Prozent des Nennwerts aufgeklebt werden.
- Elbtaler (ab 2006) gültig im Ballungsraum Oberes Elbtal (Sachsen), Umlaufsicherung 5-10% pro Jahr, Lochung des Ablaufmonats, Holographiemarke für Jahresfelder, Mischkonzept euro- und leistungsgedeckter Regionalgutscheine
- Havelblüten. Potsdam, Brandenburg NEU Umlaufsicherung 0 - 3%. Details noch zu klären
- KANN WAS in Schleswig-Holstein. Umlaufsichung von 12%/Jahr. Sind als Tabellengeld ausgeführt, der jeweilige Wert ist auf den Gutschein aufgedruckt und fällt im Lauf des Jahres monatlich um 1 Prozent des Nennwerts.
- Sterntaler Regional. Umlaufsicherung von etwa 12%/Jahr mit Quartals-Gebührenmarke von 3% des Nennwerts
- UrstromTaler Umlaufsicherung bei Gutscheinen 5% im Jahr (Ablaufgeld). Konten 1,2% (monatlich 0,1%)
ohne Umlaufsicherung
- Bethel-Euro Warengutscheine der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel in Bielefeld. Beschränkt auf Mitarbeiter und Bewohner der Anstalten. Mit Ausgabebonus von 5 % für die Benutzer.
Weitere Beispiele für freigeldähnliche Komplementärwährungen:
- Roland in Bremen
- Justus in Gießen (Hessen)
- Justus im Ruhrgebiet (Nordrhein-Westfalen)
- Sieg-Taler im Siegerland
- Rheingold in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen)
- VolmeTALER in Hagen (Nordrhein-Westfalen)
- Talente im Westerwald (Rheinland-Pfalz)
Kanada
- Gogo in Kanada. Ablaufgeld, verfällt nach Ablauf seiner Gültigkeit.
Österreich
- Wörgler Arbeitswertschein (1932)
- Waldviertler Regional. Umlaufsicherung von etwa acht Prozent pro Jahr. Alle drei Monate muss eine Gebührenmarke von zwei Prozent des Nennwerts aufgeklebt werden.
Schweiz
- WIR, seit 1934, nach 1948 ohne Umlaufsicherung, weltgrößter Tauschring, heute WIR-Bank
- Talent, ein Buchgeld-Verrechnungs-Projekt mit Umlaufsicherung
Italien
- Credito in der Föderation Damanhur
Kongresse
Der 1. Internationale Regionalwährungskongress fand in der Zeit von 18. bis 21. August 2005 in Schrems im Waldviertel (Österreich) statt.
Rechtliche Fragen
In Deutschland ist die rechtliche Zulässigkeit von Regiogeld nicht abschließend geklärt.
Einerseits verfügen Europäische Zentralbank und Deutsche Bundesbank laut EG-Vertrag über ein Geldmonopol, genau genommen über ein Monopol zur Ausgabe von Banknoten (siehe Art106.(1).Satz3 des Gründungsvertrags, Art. 16 Abs. 1 S. 3 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank, Art. 10 S. 2 VO (EG) 974/98 (ABl. EG Nr. L 139/1) über die Einführung des Euro in der durch VO (EG) 2596/2000 (ABl. EG Nr. L 300/2) geänderten Fassung sowie in § 14 Abs. 1 S. 2 des Bundesbankgesetzes).
Andererseits gestattet die rechtlich geschützte Vertragsfreiheit, dass Vertragspartner die Charakteristika ihrer Vereinbarung frei bestimmen können. Somit kann, beispielsweise durch Gründung eines entsprechenden Vereins, die Ausgabe des Regiogeldes auf eine privatrechtliche Basis gestellt werden.
Zudem werden im Euro-Raum über den Euro hinaus so gut wie alle Währungen toleriert, so z.B. der US-Dollar, das britische Pfund, die schwedische Krone, die tschechische Krone usw. Wenn all diese Währungen toleriert werden, warum sollten andere Währungen dem gegenüber benachteiligt werden dürfen?
Literatur
- Margrit Kennedy, Bernard A. Lietaer: Regionalwährungen ISBN 3570500527
- Bernard A. Lietaer: Die Welt des Geldes ISBN 340105287X
- Bernard A. Lietaer: Das Geld der Zukunft ISBN 357050008X
Weblinks
- www.regionetzwerk.org - ein Netzwerk von Regiogeld-Systemen
- www.regionalgeldportal.de - Adressen der Regiogeld-Initiativen und tagesaktuelle Sammlung der Pressemeldungen zum Thema
- www.regionales-wirtschaften.de - theoretische und praktische Hintergründe von Regionalwährungen
- Hintergründe, Sinn und Potenzial von Regiogeld
- Was ist denn eigentlich Geld?