Verfolgungsbetreuung

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Der Begriff Verfolgungsbetreuung ist eine umstrittene Wortschöpfung von Kritikern einer neuen Richtlinie der Bundesagentur für Arbeit, die im Zusammenhang der Hartz 4-Gesetze erlassen wurde. Der Begriff kritisiert, dass die Betreuung von Arbeitslosen mit dem Ziel ihrer Eingliederung in den Arbeitsmarkt seit 2003 mit einer verschärften Kontrolle ihrer Berechtigung für Sozialleistungen einhergeht. Er will auf mögliche Behördenwillkür mit dem Ziel der Einschüchterung von Arbeitslosen und statistischen Reduzierung der Leistungsempfänger aufmerksam machen.

Begriffsgeschichte

Mitarbeiter des Arbeitsamtes Bochum benutzten 2003 erstmals den Begriff Verfolgungsbetreuung, um Aufgaben zu umschreiben, für die sie eine Vorgabe des Bundesarbeitsamtes verantwortlich machten. Damit waren die „Geschäftspolitischen Ziele“ der Bundesagentur für Arbeit von 2003 gemeint, in denen das Ziel formuliert wurde, die Anzahl derjenigen, die zu Unrecht oder in ungerechtfertigter Höhe Sozialleistungen beziehen, durch verstärkte Kontrolle des Vorliegens der Leistungsvoraussetzungen zu reduzieren, damit der Anstaltshaushalt ohne Zuschüsse auskomme. Diese Zielvorgabe wurde von vielen Arbeitsverwaltungen örtlicher Arbeitsämter übernommen.

Die „Maßnahme 11“ des Bochumer Arbeitsamtes betraf die „die Einrichtung roulierender Trainingsmaßnahmen für Berufsrückkehrerinnen“. Offiziell war das Ziel eine bessere „Vermittlung in Arbeit“. Es wird behauptet, daß man mit einem Anteil der Frauen mit Kindern kalkulierte, die nicht in eine Trainingsmaßnahme einsteigen würde. Hierdurch ergebe sich angeblich eine Reduzierung der Zahl der zur Vermittlung zur Verfügung stehenden Frauen im Leistungsbezug um etwa 300, das finanzielle Einsparungsziel wurde mit insoweit mit dem - gemessen am Gesamthaushalt verschwindend geringen - Betrag von 380.000 Euro angesetzt. Eine „Maßnahme 3“ hielt die Sachbearbeiter dazu an, bei der Entscheidung über Sperrzeiten nicht nach den Grundsatz „in dubio pro reo“, im Zweifel für den Angeklagten - also weniger großzügig - zu verfahren. Mitarbeiter des Arbeitsamtes Bochum protestierten hier auch gegen die Formulierung des Grundsatzes, die juristisch nur im Strafrecht verwendet wird.

In Pressemitteilungen der Gewerkschaft ver.di hieß es dazu: Den Arbeitslosen droht die „Verfolgungsbetreuung“. Konkret bedeutet das, jede mögliche und unmögliche Gelegenheit zur Verhängung einer Sperrzeit wird genutzt. Der Druck auf die Arbeitslosen macht auch vor den Kolleginnen und Kollegen in den Ämtern nicht halt. Es werden Hitlisten eingerichtet, mit dem Ziel, zu schauen, wer in welcher Zeit wie viele Sperrzeiten verhängt.

Der Begriff im Diskurs um den Sozialstaat

Die Gewerkschafterin Dorothee Fetzer sieht als Gegnerin eines Sozialabbaus in der von ihr so bezeichneten Verfolgungsbetreuung eine Strategie der Disziplinierung und der Ausgrenzung (Dorothee Fetzer). Unter dieser Kritik steht auch die Leitlinie von „Fördern und Fordern“ aus dem durch Hartz-IV-Reform entstandenen SGB II, da es hier um den „Abbau von Leistungsrechten, insbesondere von kalkulierbaren, einklagbaren Geldleistungsansprüchen zur Existenzsicherung“ (Helga Spindler) gehe. Das SGB II sieht hier den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung vor, die nur unter besonderen Voraussetzungen vom Erwerbslosen abgelehnt werden kann. Von der Kritik wird dieses Verlangen einer Mitarbeit des Arbeitslosen an seiner Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess als Beispiel überzogener Anforderungen und eine Entwicklung weg von Rechten und hin zu „nebulösen ‚Chancen’" und „autoritären Fürsorgeangeboten“ (Spindler) gesehen.

Als gezielte Verfolgungsbetreuungsmaßnahmen gelten die Vorgaben des Bundesminister Clement vom 3. Juni 2005. Darin formuliert er „Sofortmaßnahmen zur Vermeidung bzw. Aufdeckung von Leistungsmissbrauch“. Zu ihnen gehört die Kontrolle der „faktischen Verfügbarkeit“; eine Betreuung mit dem Ziel, „Leistungsmissbrauch entgegentreten zu können“, beispielsweise durch die Einrichtung von Prüf- und Außendiensten und von Schnellvermittlungsstellen.

Kritik

Sowohl die Proteste einiger Arbeitsamtsmitarbeiter als auch die der Gegner von Maßnahmen, die zu verschärften Kontrollen führen, stoßen auf heftige Kritik bei den Befürwortern solcher Maßnahmen. Sie sehen in den Maßnahmen zur Kontrolle eine wesentliche Aufgabe der Gesetzgebung und der Agenturen für Arbeit. Zur "Modernisierung unserer Sozialsysteme" und gehöre es auch, den "Leistungsmissbrauch" einzudämmen. Kritisiert wird insbesondere auch eine "polemische Zielsetzung des Begriffs".

Literatur

  • AA-Rundbrief 1/2003 vom 7. März 2003, Geschäftsanweisung
  • Vorrang für die Anständigen – gegen Missbrauch, „Abzocke“ und Selbstbedienung im Sozialstaat. Ein Report vom Arbeitsmarkt im Sommer 2005, Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, August 2005
  • Koalitionsvereinbarung der CDU, CSU und SPD, S. 21 – 32
  • Helga Spindler, zitiert nach Dorothee Fetzer, Vortrag Verfolgungsbetreuung vom 30.10.2005
  • Dorothee Fetzer: Verfolgungsbetreuung, Schikanen und Verletzungen der Privat und Intimsphäre. In: Agenturschluss (Hg) (2006):Schwarzbuch Hartz IV. Sozialer Angriff und Widerstand – Eine Zwischenbilanz. Assoziation A, Hamburg/Berlin. ISBN 3-935936-51-6