Katholisch-apostolische Gemeinden

christliche Gemeinschaft
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Die katholisch-apostolischen Gemeinden sind eine christliche Gemeinschaft, die sich ab 1831 in England bildete.

Geschichte

Ausgangspunkt der katholisch-apostolischen Gemeinden war eine endzeitlich geprägte Erweckungsbewegung innerhalb verschiedener christlicher Kirchen und Glaubensgemeinschaften Großbritanniens. In Teilen dieser Bewegung kam es zu einzelnen Gemeindegründungen. Unter dem Eindruck endzeitlicher Prophezeiungen wurden 12 Persönlichkeiten aus Großbritannien zu Aposteln berufen, deren Aufgabe es sein sollte, die Kirche auf das zweite Kommen Jesu vorzubereiten. Sie versammelten sich in Albury und verfassten das sogenannte Testimonium, das sie verschiedenen weltlichen und kirchlichen Häuptern der damaligen Welt überreichten.

Der Großteil der ersten Amtsträger entstammte der anglikanischen Kirche und der presbyterianischen Kirche Schottlands. Aber auch lutherische, reformierte und römisch-katholische Geistliche fanden hinzu.

1863 kam es zu einem Schisma, aus dem sich ab 1878 die größte deutsche christliche Sondergemeinschaft, die Neuapostolische Kirche (NAK), entwickelte. Hauptgrund war die unterschiedliche Auffassung über den Fortbestand des "zweiten Apostolats". Die englischen Apostel hatten entschieden, dass sie keinen Ratschluss Gottes erkennen könnten, der eine Fortführung bzw. Ersetzung bei ihrem Tod legitimierte. Dem widersprachen einzelne Amtsträger aus Deutschland, wo sich nach England die meisten katholisch-apostolischen Gemeinden gebildet hatten, insbesondere der deutsche Prophet Heinrich Geyer. Er berief neue Apostel, was von den amtierenden englischen Aposteln verworfen wurde und später zu seinem Ausschluss führte. Die katholisch-apostolischen Gemeinden grenzen sich noch heute scharf von allen aus ihnen entstandenen Gemeinschaften ab.

Seit dem Tod des letzten Apostels, Francis Valentine Woodhouse, am 3. Februar 1901 konnten keine Versiegelungen und Ordinationen mehr vorgenommen werden. Die katholisch-apostolischen Gemeinden wurden daher zunehmend in ihren Aktivitäten eingeschränkt, bis schließlich in den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts die letzten ordinierten Amtsträger hochbetagt verstarben.

Lehre und Praxis

Selbstverständnis

Die englischen Apostel schrieben in ihrem Testimonium: "Die Kirche Christi ist die Gemeinschaft aller, ohne Unterschied der Zeit und des Landes, welche im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft und durch ihre Taufe von allen anderen Menschen ausgesondert sind." Sie waren daher von Grund auf ökumenisch eingestellt und sahen ihre späteren Gemeinden als "Modellgemeinden", in denen sich die Vielfalt der christlichen Riten niederschlug.

Gottesdienst

Für den Gottesdienst wurde von den Aposteln eine Liturgie herausgegeben, die auf anglikanischen, römisch-katholischen und orthodoxen Vorlagen basierte. Lichter, Weihrauch, liturgische Gewänder, Weihwasser und Öl waren als Symbole im Gottesdienst in Gebrauch. Die vollständigen liturgischen Formen konnten nur in wenigen Gemeinden ausgeführt werden, da es dazu der Vollzahl der Ämter vor Ort bedurfte und diese nur in wenigen Gemeinden erreicht wurde, so z.B. in der Zentralkirche in London (am Gordon Square) und in Berlin. Es gab täglich vier Gottesdienste: den Morgendienst um 6 Uhr, Gebetsdienste um 9 Uhr und 15 Uhr und den Abenddienst (Vesper) um 17 Uhr. Sonntags um 10 Uhr und an Feiertagen wurde die Eucharistie gefeiert.

Organisation

Die katholisch-apostolischen Gemeinden waren streng hierarchisch organisiert. Es wurde sehr viel Wert auf das sogenannte „vierfache Amt“ gelegt: Apostel (als „Älteste“ der Gesamtkirche), Propheten, Evangelisten und Hirten (nach Eph. 4). Jedes dieser Ämter sollte sowohl in der Gesamtkirche als auch in der Einzelgemeinde (hier entsprechen der Amtskategorie der Apostel die „regierenden Ältesten“) vor Ort vorhanden sein.

Jedem der Apostel wurde ein bestimmter Arbeitsbereich ("Stamm") zugewiesen, für den er zuständig war:

  • Juda - England und Nordamerika (Ap. Cardale)
  • Benjamin - Schottland und protestantische Schweiz (Ap. Drummond)
  • Manasse - Italien (Ap. Perceval)
  • Isaschar - Dänemark, Niederlande und Belgien (Ap. King-Church)
  • Sebulon - Irland, Griechenland und Orient (Ap. Armstrong)
  • Ruben - Süddeutschland und Österreich (Ap. Woodhouse)
  • Ephraim - Polen, Indien und Australien (Ap. Tudor)
  • Asser - Frankreich und die röm.-kath. Schweiz (Ap. Dalton)
  • Simeon - Norddeutschland (Ap. Carlyle)
  • Naphtali - Spanien und Portugal (Ap. Sitwell)
  • Dan - Russland, Finnland und Baltikum (Ap. Dow)
  • Gad - Schweden und Norwegen (Ap. Mackenzie)

Aus dieser Stammeszuordnung leitete später die Neuapostolische Kirche ihr zentrales Leitungsamt, das Stammapostelamt, bei völliger Umdeutung ab.

Der erstberufene Apostel war John Bate Cardale, der auch als Pfeiler der Apostel bezeichnet wurde. Ihm waren zugeordnet der Pfeiler der Propheten, der Pfeiler der Evangelisten und der Pfeiler der Hirten im Sinne von "Säule und Stütze des jeweiligen Amtes". Am bekanntesten hiervon war der Pfeiler der Propheten, Taplin. Auch den anderen elf Aposteln war jeweils ein Prophet, Evangelist und Hirte zugeordnet.

Die Ortsgemeinden wurden von so genannten "Engeln" (=Bischöfen) geleitet. Diesen standen Priester (im vierfachen Amt) und Diakone zur Seite.

Gegenwart

Situation in Deutschland

In Deutschland und auch anderen Ländern existieren noch einige Restgemeinden (Mitgliedschaft nur für Nachkommen früherer Gemeindemitglieder möglich, Ehegatten oder Interessenten werden jedoch gerne willkommen geheißen), deren Gottesdienste von Laienhelfern und Unterdiakonen geleitet werden. Ihre Liturgie beschränkt sich durch den Wegfall der ordinierten Geistlichkeit auf jene Handlungen, die auch Laien vollziehen können, v.a. fürbittende Gebete (namentlich die "Litanei"). Daneben werden Predigten aus der reichhaltigen homiletischen Literatur der katholisch-apostolischen Gemeinden des 19. und frühen 20. Jahrhunderts verlesen. Voraussetzung für die Predigtbefugnis war die Weihe zu einer der drei Amtsstufen (Engel, Priester, Diakon).

Den katholisch-apostolischen Gemeinden wird auch von anderen Konfessionen großer Respekt gezollt.

Umstrittener Neubeginn

In jüngerer Zeit führte die Beschäftigung mit diesen Gemeinden zu einigen Neugründungen, von denen sich jedoch die ursprünglichen Gemeinden distanzieren. Offenbar übt die reichhaltige Liturgie und die fundierte endzeitliche Theologie der katholisch-apostolischen Gemeinden eine große Anziehungskraft aus.