GayRomeo gilt mit insgesamt über 301.000 Usern (deutschlandweit über 203.000) als das größte Chat- und Kontaktportal für schwule, bisexuelle und transsexuelle Männer im deutschsprachigen Raum. Es wird seit Oktober 2002 von der Berliner Firma PlanetRomeo GmbH betrieben. An Computerplätzen mit eingeschränkter Intimsphäre oder potenzieller Datenüberwachung - etwa am Arbeitsplatz, im Hotel oder Internetcafé - kann das Portal auch in einer grafisch neutral gehaltenen Version unter einer unverfänglichen Internetadresse (PlanetRomeo) oder als kleiner, unauffälliger Messenger (mini.gayromeo.de) aufgerufen werden.
Verbreitung
Aufgrund der hohen Mitgliederrate (in Berlin-Mitte besitzt statistisch gesehen jeder 13. Einwohner ein Profil) wird GayRomeo in der Szene auch das "schwule Einwohnermeldeamt" genannt. Wegen der Möglichkeit von Mehrfachanmeldungen durch ein und dieselbe Person sind diese Zahlen allerdings nicht aussagekräftig. Nicht erlaubt sind gesetzeswidrige oder überwiegend kommerziell ausgerichtete Profile. Gayromeo erreicht gleichgeschlechtlich orientierte Männer in nahezu allen sozialen und beruflichen Schichten, jedoch variiert der Verbreitungsgrad wie bei der allgemeinen Internetnutzung auch je nach Altersgruppe, Bildungsstand und weiteren Kriterien. Das Angebot wird von Politikern aller Parteien in Anspruch genommen. Bislang hat allerdings nur der Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) die Möglichkeit genutzt, während des Bundestagswahlkampfes 2005 mehrfach eine virtuelle Bürgersprechstunde abzuhalten.
Funktionsweise
Bei dem Kontaktportal können sich ausschließlich Männer und Transsexuelle anmelden. Frauen ist der Zugang nicht gestattet. Bei der Anmeldung wird anhand einer Eingabemaske ein individuelles Profil angelegt, eine Art virtueller Steckbrief, der Angaben zur eigenen Person und zu sexuellen Vorlieben sowie in der Regel ein oder mehrere Bilder enthält. Dieses Profil kann so eingestellt werden, dass es entweder als User-Homepage für alle Internetnutzer frei zugänglich ist oder aber nur von anderen, ebenfalls registrierten Mitgliedern eingesehen bzw. in einer plattforminternen Suchmaschine gefunden werden kann. Ziel des Profils ist die Selbstdarstellung und die Kontaktaufnahme zum Zwecke der rein virtuellen Kommunikation (Chat), zum Sex oder zur gemeinsamen Freizeitgestaltung (Ausgehen, Museumsbesuche etc.).
GayRomeo hat neben dieser Grundfunktion zahlreiche Zusatzangebote, wie Diskussionen in einem umfangreichen Angebot von thematischen Clubs, Informationen zu Safer Sex oder Links zu Zeitschriften für Schwule.
Kontroversen zu GayRomeo
Safer Sex
Um den häufigen Vorwürfen zu begegnen, dass Plattformen wie GayRomeo gezielte Treffen von Männern zum Sex ohne Kondom fördern würden, informiert GayRomeo auch über Risiken des sogenannten Barebackings und stellt den eigenen Standpunkt dazu klar. Allerdings finden keine größeren redaktionellen Eingriffe oder Zensur statt, um eine offene Propagierung von Barebacking durch Dritte zu verhindern. Dies wird von den Betreibern wohl auch nicht als sinnvoll angesehen, da es im Netz konkurrierende Plattformen gibt, die auf das Vermitteln von unsafen Sexkontakten spezialisiert sind. Neben gesundheitlichen birgt das Thema auch juristische Konsequenzen für Nutzer, die solche Kontakte suchen, denn die potentielle Ansteckung eines nicht HIV-infizierten Menschen mit HIV steht in einigen Staaten unter Strafe (z. B. in Österreich). GayRomeo stellt Informationen der Deutschen AIDS-Hilfe bereit und erlaubt es Nutzern, bei ihren Suchen nach potenziellen Sexpartnern solche auszufiltern, die von sich nicht behaupten, stets Safer Sex zu betreiben.
Fakerproblematik und Realität
Als Schutz gegen vereinzelte Faker bietet GayRomeo ein Meldesystem, bei dem verdächtige Profile den Administratoren zur Überprüfung angezeigt werden können, sowie ein Bestätigungssystem, bei dem persönlich bekannte Benutzer ihre Profile entsprechend markieren und je nach Bekanntheitsgrad die Glaubwürdigkeit ihres Benutzerprofils erhöhen können. Verbreiteter als Faken sind jedoch falsche Angaben zu Alter, Körperbau, Safer Sex-Verhalten oder dem Zeigen von veralteten Fotos. Es kommt auch vor, dass eine reale Person sich zwei, drei oder mehr Steckbriefe unter verschiedenen Pseudonymen anlegt und sich je nach Motivation mit einem anderem Profil einloggt.
Verdrängungswettbewerb mit anderen Kennenlernorten
Einhergehend mit der zunehmenden Verbreitung von GayRomeo und anderen Chatforen bei Bisexuellen und Schwulen scheint sich das Sozialverhalten innerhalb der schwulen Subkultur zu wandeln. Beispielsweise hat sich der Publikumsverkehr an Cruisingorten mit der zunehmenden Verbreitung von GayRomeo und anderen Internetangeboten erheblich verringert. Die populäre Kontaktanbahnung über das Internet reflektiert dabei zum einen das gestiegene Sicherheitsbedürfnis des Einzelnen, weshalb traditionelle Cruisingorte, wie Autobahnparkplätze, Stadtparks usw., insbesondere bei Dunkelheit mehr und mehr gemieden werden. Zum anderen bevorzugen manche Menschen mit gleichgeschlechtlichen Neigungen statt zufälliger und völlig anonymer Begegnungen beim Cruising eher Kontakte zu Gleichgesinnten, bei denen schon vorher eine sexuelle Kompatibilität festgestellt werden kann.
Es wird außerdem behauptet, das Gästeaufkommen in Dienstleistungsbetrieben der schwulen Szene, beispielsweise Bars, Cafés, Discotheken, Saunen sei parallel zur steigenden Popularität von GayRomeo und anderen Internetangeboten zurückgegangen. Dies kann jedoch verschiedenste Ursachen haben, seien sie wirtschaftlicher Natur (Preiserhöhungen in der Gastronomie) oder kulturellen Ursprungs (weniger Ghetto-Bildung mit zunehmender Akzeptanz von Homosexualität in der Gesamtkultur).
Soziale Isolation und Internetsucht
Vor allem die ständig verfügbare Möglichkeit der Kontaktanbahnung - sei es zu Hause, am Arbeitsplatz oder auch unterwegs - scheint die wichtigste Ursache für den unaufhaltsamen Anstieg der Nutzerzahlen und der ungebrochenen Popularität von GayRomeo wie auch anderen Kontaktportalen zu sein. Neben den oben angeführten sozio-ökonomischen Überlegungen sind verhaltenswissenschaftliche Theorien zu erwähnen, die behaupten, durch ein solches Internet-Portal werde die Vereinsamung des Einzelnen gefördert. Auch die damit zusammenhängende Gefahr einer Internetsucht spielt für die Anhänger solcher Suchttheorien eine Rolle. Bestehende soziale Kontakte drohen demnach vernachlässigt zu werden, während adäquate neue Kontakte entweder gar nicht oder zumindest nicht nachhaltig aufgebaut werden können. Die ursprüngliche Motivation, über das Internet Kontakte zu Menschen mit bestimmten Eigenschaften oder Interessen zu knüpfen, werde im Ergebnis nicht selten zu einer endlosen, weil immer wieder neu betriebenen Suche. Es wird aber auch konstatiert, dass durch solche Kontaktportale Freundschaften und sogar Partnerschaften entstanden sind.