Horde (Wildbeuter)

kleine, selbständige Gruppe von Jägern und Sammlern
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 9. April 2014 um 19:58 Uhr durch Chiananda (Diskussion | Beiträge) (Einleitung: +). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.


Horde (turksprachigLager“, siehe Wortherkunft und Bedeutungswandel) bezeichnet in der Ethnologie (Völkerkunde) eine kleine soziale Gruppe von etwa 30 bis 50 Menschen, die zusammenleben und meist durch Geburt oder Heirat miteinander verwandt sind. In dieser Bedeutung entspricht „Horde“ dem englischen band („Gruppe, Bande“). Bei entsprechenden Ethnien und indigenen Völkern besteht eine Horde meist aus mehreren verwandten Großfamilien, die in einer Zweckgemeinschaft leben und sich gemeinsam um den Lebensunterhalt, die Sicherheit, religiöse Rituale und die Versorgung und Pflege der Kinder und Alten kümmern.[1] Oft haben Horden eine nicht sesshafte, nomadisierende Lebensweise.[2] Größere Horden können sich in lokale Gruppen (local bands) unterteilen.

In Horden gibt es kaum Machtstrukturen (Herrschaftsfreiheit), die Führung der Gruppe liegt meist in den Händen der älteren Horden­mitglieder (Ältestenrat). Entscheidungen werden in gemeinsamer Übereinstimmung getroffen (Konsensprinzip). Es gibt keine schriftlichen Gesetze, in der Horde bestehende Sitten und Gebräuche werden mündlich überliefert.[1]

Die Bezeichnung Horde oder Band(e) hat Vorläufer in europäischen Sprachen und wurde anfangs für die Darstellung einer Menschengruppe verwendet, die ein gemeinsames „Band“ zusammenhielt. Unter den Anthropologen, Geografen und Entdeckern des 19. Jahrhunderts wurde die „Hordengesellschaft“ (band society) als eine Anfangsstufe der kulturellen Entwicklung angesehen und benutzt, um Jäger und Sammlerkulturen zu beschreiben (siehe auch Ethnologisches Modell der gesellschaftlichen Entwicklung, Soziokulturelle Evolution, Evolutionismus).[1]

Von der Horde unterscheidet sich ein Stamm (englisch tribe) durch die größere Zahl an Mitgliedern und Familien, er besitzt mehr soziale Institutionen, beispielsweise einen oder mehrere Häuptlinge und einen Stammesrat. Bevor sich Stämme entwickelten, waren weite Teile der Kontinente von locker zusammengefügten ethnischen Gruppen oder Horden besiedelt, die ihre jeweils gemeinsame Identität durch Rituale pflegten und festigten.[3][4]

Beispiele

Die Existenz von Horden und Hordengesellschaften ist geschichtlich in mehreren Erdteilen und Klimazonen belegt, bevorzugt in spärlich besiedelten Gebieten. Aufgrund der Verbreitung von modernen Staaten in aller Welt gibt es heute nur noch sehr wenige Hordengesellschaften (vor allem bei isolierten Völkern).

Historische Beispiele liefern viele Indianer Nordamerikas, beispielsweise die Cheyenne, Shoshone und Paiute im Großen Becken sowie die Apachen im Südwesten der heutigen USA

Noch bestehende Hordengesellschaften sind die Buschmänner (San) im südlichen Afrika, die Pygmäen im afrikanischen Regenwald, sowie einige Gruppen der Aborigines in Australien.[1]

Siehe auch

  • Lineage (Abstammungsgruppe)
  • Clan (Familienverband mythischer Abstammung)
  • Phratrie (Clan-Verband)

Literatur

  • Frank Robert Vivelo: Horden. In: Derselbe: Handbuch der Kulturanthropologie. Eine grundlegende Einführung. Klett-Cotta, Stuttgart 1981, ISBN 978-31293-8320-9, S. 194–196 (US-Original: 1978).
  • Gabriele Rasuly-Paleczek: Ad. HORDE (engl. band). (PDF; 222 kB) In: Einführung in die Formen der sozialen Organisation. Teil 5/5, Institut für Kultur- und Sozialanthropologie, Universität Wien, 2011, S. 190–191, archiviert vom Original am 4. Oktober 2013; abgerufen am 9. April 2014 (39 Seiten; Unterlagen zu ihrer Vorlesung im Sommersemester 2011).
  • Dieter Steiner: Die archaische Gesellschaft: Patrilokale/patrilineare Horden… oder egalitäre Gemeinschaften? In: Soziales im engeren Sinne. Eigene Webseite, Zürich, 1998, abgerufen am 26. März 2014 (umfassende Abhandlung über soziale Organisationvon einem Professor für Humanökologie).
  • Redaktion der Encyclopædia Britannica: The Difference Between a Tribe and a Band. In: Britannica Online. , abgerufen am 9. April 2014 (englisch, ausführliche Unterscheidung zwischen bands/Horden und tribes/Stämmen).
Wiktionary: Horde – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. a b c d Redaktion der Encyclopædia Britannica: band. In: Britannica Online. , abgerufen am 9. April 2014 (englisch).
  2. Das HRAF-Projekt des US-amerikanischen Anthropologen George P. Murdock nutzt bezüglich der „Settlement Pattern and Community Organization“ die Kennzeichnung „Bands“ zur Unterscheidung der rund 400 erfassten Ethnien, siehe George P. Murdock: World Ethnographic Sample. In: American Anthropologist. New Series. Band 59, Nr. 4, 1957, S. 664–687, hier S. 669: „B [=] Bands, i.e., migratory or nomadic communities.“
  3. Redaktion der Encyclopædia Britannica: The Difference Between a Tribe and a Band. In: Britannica Online. , abgerufen am 9. April 2014 (englisch).
  4. David Hurst Thomas u. a. (Hrsg.): Die Welt der Indianer. Geschichte, Kunst, Kultur von den Anfängen bis zur Gegenwart. Frederking Thaler, München 1994, ISBN 3-89405-331-3, S. 119 (US-Original The Native Americans).