Der große Andere

Konzept der Psychoanalyse nach Lacan
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 4. April 2004 um 13:53 Uhr durch 80.143.116.50 (Diskussion). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Der große Andere (auch Herrensignifikant) ist in der Theorie des Psychoanalytikers Jacques Lacan der ultimative Signifikant, der am Ende jeder Bedeutungskette steht und der das Symbolische organisiert. Dieser existiert nur im Effekt, dadurch dass er das Symbolische, die sozialen Regeln ausrichtet in einem Feld, wo er nicht beinhaltet ist, wo er ausgeschlossen ist. Der große Andere ist nicht nur die ausgeprochenen Regeln, die das soziale Leben regeln, sondern auch die Klischees, denen wir uns alle nicht entziehen können, sowie auch andere Netze imformeller Regeln.

"Der große Andere existiert nicht" ist ein berühmter Ausspruch von Lacan, der bedeutet, dass der große Andere nicht im Realen existiert, sondern nur in unserer phantasmatischen Vorstellung. Dieses Phantasma, oder Trugbild, ist in der Vorstellung begründet, der große Andere sei in sich selbst mangelhaft, "gebarrt" (also durchgestrichen), das Phantasma stellt einen Versuch dar, diesen Mangel des großen Anderen aufzufüllen. Er sieht auch das Opfer als Zeichen dafür, das es überhaupt einen anderen gibt, der ein Opfergeschenk animmmt, das Opfer erüllt also nicht den Zweck etwas im Tausch zu bekommen, sondern den Schein der Omnipotenz des großen Anderen aufrecht zu erhalten.

Postmoderne

In Zeiten der Postmoderne und Post-Politik ist das allgemeine Vertrauen unterminiert, das allen Einwänden trotzt (Zizek). Sicherheiten und Regeln, die die Gemeinschaft und das Individuum betreffen werden nicht mehr als allgemein gültig angesehen.

Da die Postmoderne eine Fülle von Freiheiten bietet, werden immer mehr Themen von der Reflexivität kolonisiert, es gibt nicht mehr die Freiheit, sondern den Zwang zur Entscheidung, den Zwang zur Wahl. Aber woher weiß man, was man wirklich will? Das Begehren ist nach Lacan immer das Begehren des (großen) Anderen, es gehört nicht einem alleine, sondern es ist sowohl das Begehren des anderen (ich begehre jm. anderen), als auch das Begehren des Anderen (ich will wissen, was der andere an mir findet, von Lacan, als Que vois -"Was willst du?" bezeichnet).

Diese (falsche) Vorstellung, der große Andere existiere, bringt im heutigen Leben, nach Slavoj Zizek, verschiedene Probleme und Irrtümer mit sich. Er wird von der Ebene des Phantasmatischen in die Ebene des Realen transferiert, es wird fälschlicherwiese angenommen es gäbe ihn im Realen. So bedingen die zwei Standpunkte, einerseits eine zynische Distanz zu öffentliche Autoritäten und andererseits eine paranoide Vorstellung, à la Akte X ("Die Wahrheit ist irgendwo da draußen"), einander und ermöglichen eine exzessive Form des Genießen des Anderen.

Der Andere im Anderen (existiert auch nicht)

Dem "großen Anderen", dem offiziellen Netzwerk symbolischer Ordnung wird also mißtraut und der Andere im Anderen, der garantieren soll, dass der große Andere nichtsdestotrotz ganz ist, genossen. New Age scheint ebenso der Versuchung zu unterliegen, dass der große Andere wiederkehrt und zwar in der Jungschen Version einer Sexualisierung des ganzen Universum ("Männer kommen vom Mars und Frauen von der Venus") und der Einteilung in Archtypen, etwa das weiblich-mitfühlende in jedem moderenen Menschen, als Antithese zum Feminismus.

Auch das "Code-Knacken" zeigt, diesmal Glyan Daly folgend, den verzweifelten Versuch, dem großen Anderen doch die Fäden aus der Hand zu nehmen und das sozial Leben zu entschlüsseln. Es geht hier um Filmszenen, wo der Held, die Heldin versucht einen, oft für die Menschheit wichtigen, Code zu entschlüsseln versucht. Dieses Bemühen ist, im Grunde vor allem das fanatische Bestreben, sich überhaupt zu versichern, dass der große Andere im Realen zu fassen ist. Es bekommt zusätzliche Verstärkung durch die Digitalisierung des Alltasglebens, da die Paranoia dadurch verstärkt wird, dass immer mehr Anteile unseres Alltagslaben ins Virtuelle verlagert werden, dass der große Andere in den Computernetzwerken veräussert sei, etwa als bösartiger Programmierer, der uns an etwas hindere.