Martha Jacob

deutsche Leichtathletin
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Martha Jacob (* 7. Februar 1911 in Berlin; † 13. September 1976 in Kapstadt) war eine deutsch-jüdische Meisterin im Speerwurf 1929.[1]

Martha Jacob
Voller Name Martha (Marthel) Jacob
Nation Deutschland Deutschland
Geburtstag 7. Februar 1911
Geburtsort Berlin, Deutschland
Beruf Diplomsportlehrerin
Sterbedatum 13. September 1976
Sterbeort Kapstadt, Südafrika
Karriere
Disziplin Speerwerfen
Bestleistung 38,24 m (Speerwerfen)

Leben

Jacob wurde als Tochter von Minna Nee und Adolph Jacob geboren. Beide Eltern lernte sie kaum kennen: Ihre Mutter starb bereits fünf Tage nach ihrer Geburt, bei der es zu Komplikationen kam und ihr Vater starb drei Monate später an Grippe. Sie wuchs bei nahen Familienangehörigen auf. Die ältere Schwester ihrer Mutter, Paulina Heimann, kümmerte sich fortan um die Waise. Sie zog mit dem Baby zu Louis Heimann, dem ältesten Bruder von Jacobs Mutter. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits 60 Jahre alt und mit Hedwig verheiratet, mit der er jedoch kinderlos blieb. Jacob wohnte in einem gutbürgerlichen Milieu in der Tile-Wardenberg-Str. 26, welche sich am Ufer der Spree in Berlin zwischen dem Wikingerufer und dem Hansa–Ufer befindet.

Studium und Karriere

Schon als junges Mädchen zeigte Jacob Interesse an jeder Art der Leibesübungen. Ihre ersten sportlichen Erfahrungen machte sie mit sechs Jahren als Mitglied im ältesten jüdischen Turnverein Deutschlands Bar Kochba Berlin. Sie lernte dort Turnen, Gymnastik und Tanz. Mit acht Jahren gewann sie ihren ersten Juniorenwettkampf im Turnen, mit 13 Jahren (1924) den ersten Vereins-Waldlauf der Senioren über 2 km. Da die jüdischen Sportvereine der damaligen Zeit nicht die Struktur für eine hochklassige Trainings- und Betreuungsleistung boten, trat sie im selben Jahr dem Berliner Sport-Club (BSC) bei, ohne ihre Mitgliedschaft bei Bar Kochba aufzugeben. Beim BSC spielte sie im Hockey- und Handballteam, unter anderem zusammen mit Spielführerin Lilli Henoch, errang eine Vielzahl von Preisen und guten Platzierungen in der Leichtathletik sowohl in der Junior- als auch in der Frauenklasse. Hier stellte sich ihre Begabung für die Wurf- und Stoßdisziplinen, vor allem im Speerwurf heraus, woraufhin sie schließlich im Herbst 1928 zum Sport-Club Charlottenburg (SCC) wechselte.

Der SCC gründete wie der BSC nach dem Ersten Weltkrieg eine Frauen- und Mädchenabteilung, die sich vor allem dem Handball, Hockey und der Leichtathletik widmete. Beim SCC lernte sie Arthur Holz kennen. Der bekannte Trainer und mehrmalige deutsche Meister im Zehnkampf half ihr bei der Verbesserung ihrer sportlichen Leistungsfähigkeit. Im Jahr 1928 begann sie ein Studium an der Deutschen Hochschule für Leibesübungen (DHfL) in Berlin, denn für sie stand fest: „Ich habe mich dem Sport verschrieben. Sport soll mein Beruf werden.“[2]

Olympische Spiele 1928

Am 7. August 1928 entsandte die DHfL eine Gymnastik-Vorführgruppe zu den Olympischen Spielen nach Amsterdam. Die B.Z. am Mittag betitelte ihren Bericht mit „Eine Offenbarung“.[3] Im April 1931 verlieh das IOC der DHfL dafür den Coupe Olympique.

Ein sportlicher Höhepunkt war die Deutsche Leichtathletikmeisterschaft am 21. Juli 1929 in Frankfurt/Main. In ihrer Paradedisziplin, dem Kugelstoßen, wurde Jacob nur Dritte. Sie siegte jedoch im anschließenden Speerwerfen. Aufgrund des deutlichen Sieges und der erzielten Weite, rechnete sie sich gute Chancen auf eine vordere Platzierung bei den Deutschen Meisterschaften aus. Sie schlug somit die aktuelle Weltrekordhalterin Auguste Hargus und wurde mit 38,24 m[4] zum ersten und einzigen Mal Deutsche Meisterin im Speerwurf im Bereich der Deutschen Sportbehörde für Leichtathletik (DSB). Den Weltrekord verfehlte sie mit ihrem Wurf nur um 15 Zentimeter. Einen Tag später stellte sie ihr Training auf das Speerwerfen um.[5]

Der Weg in die Nationalmannschaft

Diesem Meistertitel folgte für Jacob die Berufung in die Nationalmannschaft für den zweiten Frauenländerkampf gegen Großbritannien, der am 8./9. August 1929 in Düsseldorf ausgetragen wurde. Das Speerwerfen gewann Auguste Hargus, Jacob wurde zweite. Den Länderkampf gewann die deutsche Frauenmannschaft nicht zuletzt wegen des Doppelsieges im Speerwurf. Ende 1929 rangierte Jacob mit 38,24 m in der Weltbestenliste des Speerwurfs auf dem 5. Platz, in Deutschland lag sie hinter Tilly Fleischer (38,25 m) auf Rang 2. Sie beeindruckte somit die britischen Gegnerinnen mit ihrer Leistung und ihrer aufgeschlossenen Art. Es folgte eine Einladung der British Women’s Athletic Federation, mit dem Ziel, die britischen Leichtathletinnen im Frühjahr und Sommer 1931 für die Olympischen Spiele 1932 in Los Angeles zu trainieren. Jacob nahm die Einladung an; sie war damit die erste ausländische Trainerin, die von der ''British Women’s Athletic Federation'' engagiert wurde.

Ihre leichtathletische Vielseitigkeit, Technik und nicht zuletzt die Trainingsfortschritte führten dazu, dass man sie im Frühjahr 1932 erneut nach England rief. Nach Beendigung ihres Engagements und der Rückkehr aus London widmete sie sich ihrem Studium und ihrem eigenen Training. Neben regelmäßigen Starts für den SCC bestritt sie auch immer wieder Wettkämpfe für ihren jüdischen Verein Bar Kochba. Trotz ihrer Leistungen nahm sie im März 1932 nicht an der ersten Makkabiade in Tel Aviv teil. Im September des Jahres nahm sie an den Leichtathletikmeisterschaften des Deutschen Kreises des Makkabi–Weltverbandes in Leipzig teil und gewann dort das Diskus- und Speerwerfen.

Am 21. Juni 1932 beendete sie ihr Studium an der DHfL und erhielt das Sportlehrerinnen-Diplom. Das Thema der Diplomabschlussarbeit lautete: „Organisationsfragen- und -formen der Frauenleichtathletik“ (PA Hazel Shore). Für den SCC trat sie im August bei den Verbandsmeisterschaften an, wo sie Dritte im Fünfkampf wurde.

Nationalsozialismus

Martel berichtet über diese Geschehnisse später:

„I was evicted from the S.C.C in March 1933 because I was a Jew.“[6]

Auf Anraten ihrer Tante reiste Jacob im April 1933 nach London, wo sie aus ihrer Zeit als Nationaltrainerin noch über Kontakte verfügte. Mit wenig Geld und kleinem Gepäck versuchte sie hier einen Neuanfang. Doch selbst als bekannte Leistungssportlerin und Trainerin, als Diplomsportlehrerin und ausgebildete Masseurin war es ihr fast unmöglich, eine einträgliche Beschäftigung zu finden. Ohne offizielle Arbeitserlaubnis erweisen sich ihre Versuche als schwieriges Unterfangen. Trotz des Dilemmas startete sie bei verschiedenen Leichtathletikwettkämpfen und stellte im Mai 1933 neue Rekorde im Diskuswerfen und Kugelstoßen auf. Im September des reiste sie als einzige Frau im 25-köpfigen britischen Team zu den europäischen Makkabi–Meisterschaften nach Prag und gewann dort Goldmedaillen im Speer- und Diskuswerfen.

Diese Erfolge sicherten jedoch nicht ihre Eigentumsverhätnisse und so zog sie in der Hoffnung, eine Arbeitserlaubnis, zu erhalten bereits im Jahr 1934 nach Frankreich. Da sich die französische Frauenleichtathletik zu dieser Zeit noch nicht auf internationalem Niveau befand, bot man ihr an, das olympische Team für die Olympischen Spiele vorzubereiten und stellte ihr als Olympiatalent eine Arbeitserlaubnis im Rahmen einer Ausnahmeregelung in Aussicht. Als bekannt wurde, dass es sich bei ihr um eine deutsche Jüdin handelt, versagt man ihr jedoch plötzlich jede Unterstützung. Aufgrund ihrer weiterhin konstant hohen Leistung, die sie anlässlich diverser Wettkämpfe unter Beweis stellte, qualifizierte sie sich an der 2. Makkabiah vom 2. bis zum 7. April 1935. In Palästina startete sie jedoch nicht für das britische oder französische, sondern für das deutsche Team. An dem weltgrößten jüdischen Sportfest nahmen 7000 Athleten aus 27 Staaten teil. Sie verpasst dreimal nur knapp den Sieg; im Kugelstoßen, Speer- und Diskuswerfen erringt sie jeweils die Silbermedaille hinter der US-Meisterin und Weltrekordhalterin im Diskuswerfen Lillian Copeland.

Auf ihrer Suche nach einem Auskommen verschlug es sie wenig später in die Niederlande, wo man ohne Arbeitserlaubnis legal Geld verdienen konnte. Hier lernte sie Leo Kerz kennen, einen bereits zu dieser Zeit bekannten Bühnenbildner und Beleuchtungsmeister. Er hatte in der Weimarer Republik bei dem Avantgardisten Erwin Piscator sein Handwerk erlernt und sollte nach dem Krieg neben anderen Stationen noch lange Jahre am Broadway tätig sein. In den Niederlanden feierten sie ihre Verlobung.

Trotz der sich verstärkenden Ausgrenzung der Juden in Deutschland zog es Jacob immer wieder zurück nach Berlin, um an jüdischen Sportfesten teilzunehmen und bei diesen Gelegenheiten Familie und Freunde zu besuchen. Zuletzt startete sie im Juli 1935 auf dem Sportplatz der jüdischen Gemeinde Berlin im Grunewald. Zuhause erwarteten sie nicht nur ihre Tante Paulina und ihr Onkel Louis, sondern auch eine polizeiliche Vorladung, in der man ihr erklärte, dass es Probleme mit ihren Papieren gäbe. Obwohl ihre Tante ihr dringend davon abriet, blieb Jacob entschlossen, der Vorladung zu folgen. Sie und ihre Tante Paulina trafen um 9:00 Uhr auf der Dienststelle ein. [7] Schnell stellte sich heraus, dass mit ihren Papieren alles in bester Ordnung sei. Sie war aus anderen Gründen in das Visier des Sicherheitsdienstes geraten. Durch ihre Aktivitäten in Großbritannien, wo sie sich für die europäischen Makkabi-Meisterschaften in Prag und auch für die 2. Makkabiah in Tel Aviv stark engagierte, wurde sie mit Sir Henry Mond Melcgett bekannt, einem einflussreichen Industriellen und Präsidenten des Makkabi-Weltverbandes. Vermutlich im Zusammenhang mit den Boykottbestrebungen im Ausland versuchte man von ihr Informationen darüber zu gewinnen, wie das britische Establishment über die Deutschen und die Olympischen Spiele dachte. Nach wenigen Minuten stellte sich heraus, dass sie hierzu nur sehr wenig sagen konnte. Dessen ungeachtet setzte man die Befragung bis zum Abend fort. Noch auf der Heimfahrt fiel für sie der Entschluss, Deutschland unverzüglich zu verlassen. Paulina nähte ihr etwas Hartgeld in den Mantel und in der selben Nacht fuhr sie ihr Onkel zu einem Bahnhof. Von hier aus flüchtete sie mit dem Zug über Belgien zurück in die Niederlande.

Der Weg ins Exil

Trotz der Erlebnisse in Berlin wollte Jacob Europa nur ungern verlassen. Da die Versuche eine dauerhafte Arbeitserlaubnis und damit eine echte Existenzgrundlage zu erlangen, ohne Erfolg blieben, war sie gezwungen, sich nach Alternativen umzusehen. Im Moment ihrer Flucht befand sich ihr ältester Cousin zu einem Ruderwettkampf in Südafrika. Als dieser von den Entwicklungen in Deutschland erfuhr und ihm von seiner Mutter davon abgeraten wurde, zurückzukehren, blieb er in Südafrika. Hier sammelte er zusammen mit seiner südafrikanischen Rudermannschaft die notwendigen 100 Pfund zusammen, um Jacob ein dauerhaftes Visum für die Einreise zu ermöglichen. Nach drei Jahren auf der Suche nach einer neuen Lebensgrundlage emigrierte sie und fand ihre neue Heimat in Johannesburg, Südafrika. Hier heiratete sie schließlich Leo Kerz.

Tagsüber verdiente sie sich mit Massagen zusätzliches Geld und nachmittags trainierte sie auf dem Sportplatz. Im Jahr 1937 startete sie bei den südafrikanischen Leichtathletikmeisterschaften, gewann das Speerwerfen und fügte damit ihrer umfangreichen Sammlung den vierten Titel hinzu. Nach drei Jahren Ehe trennten sich Jacob und Kerz.

Ihrem zweiten Ehemann, Barney Shore, begegnete sie bereits unmittelbar nach der Ankunft in Südafrika im Jahr 1936. Bereits vor ihrem persönlichen Kennenlernen war er beeindruckt von der Sportlerin, welche die Titelblätter zahlreicher Sportzeitungen und Magazine schmückte. Im Jahr 1940 heirateten Shore und Jacob. Darauf folgte der Umzug nach Kapstadt, wo ihre beiden Töchter Sandra (* 1942) Hazel (* 1944) geboren wurden.

Jacob kehrte mit ihrem Ehemann im Jahr 1952 nach Deutschland zurück. Das Wohnhaus, in dem sie lebte existierte nicht mehr, von ihrer Familie überlebte nur Paulina, die im Jahr 1939 fliehen konnte und ihr nach Südafrika folgte. Louis wurde in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 von SA-Männern in ein Lager verschleppt, aus dem er nicht heimkehrte.

Am 13. September 1976 starb Jacob im Alter von 65 Jahren in Kapstadt.

Aufgrund des Engagements ihrer Tochter Hazel sowie des American Jewish Committees erklärte sich der SCC bereit, mit einer Gedenktafel seiner jüdischen Mitglieder zu gedenken.[8]

Literatur

  • Berno Bahro, Jutta Braun und Hans Joachim Teichler (Hrsg.): Vergessene Rekorde. Jüdische Leichtathletinnen vor und nach 1933. Verlag für Berlin-Brandenburg, Berlin 2009, ISBN 978-3-86650-038-9, S. 77–87.

Einzelnachweise

  1. Berno Bahro: Martha Jacob – „Ich habe mich dem Sport verschrieben“. In: Berno Bahro, Jutta Braun und Hans Joachim Teichler (Hrsg.): Vergessene Rekorde – jüdische Athletinnen vor und nach 1933. Verlag für Berlin-Brandenburg, Berlin 2009, ISBN 978-3-86650-038-9, S. 77–87.
  2. Zeitungsinterview mit Martha Jacob, Juli 1929 (Privatarchiv Hazel Shore)
  3. B.Z. am Mittag. Nr. 216, Bericht: „Eine Offenbarung“.
  4. Der Leichtathlet. vom 23. Juli 1929.
  5. Zeitungsinterview mit Martha Jacob, Juli 1929 (PA Hazel Shore).
  6. Berno Bahro, Jutta Braun und Hans Joachim Teichler (Hrsg.): Vergessene Rekorde. Jüdische Leichtathletinnen vor und nach 1933. Verlag für Berlin-Brandenburg, Berlin 2010, ISBN 978-3-86650-038-9.
  7. Aussagen von Hazel Shore, 27.04.2009, welches sich auf ein Gespräch ihrer Mutter beruft
  8. Sport unter dem Davidstern auf germanroadraces.de