Gebietsreform

Reform, die innerhalb einer mittleren Verwaltungsebene die untergeordneten tangiert
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Die Gebietsreform - auch als "(Kommunale) Neugliederung" bezeichnet - ist die Bildung größerer politischer und zugleich auch Verwaltungseinheiten auf der jeweiligen Ebene der Gemeinden, Landkreise bzw. Kreise, Stadtkreise bzw. kreisfreien Städte.

Die Gemeinde- und die Kreisreform wurden entweder zeitlich getrennt oder gleichzeitig durchgeführt.

Gemeindereform

Grundsätze

Für die Gebietsreform der Gemeinden wurde eine Reihe von Grundsätzen entwickelt, die auf eine Vergrößerung der bestehenden Einheiten durch Eingemeindung oder Vereinigung benachbarter Gemeinden abzielte. Ziele sind u.a. Einsparungen und Effizienzsteigerung der Kommunalverwaltung und weiterer Einrichtungen.

Bei der Zusammenlegung annähernd gleich großer Gemeinden wird meistens ein neuer Gemeindename eingeführt. Bei der Eingliederung kleinerer Gemeinden behält die größere in der Regel ihren Namen.

Durchführung

Die Eingliederung oder Vereinigung von Gemeinden setzte bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein, als viele Städte im Zusammenhang mit der Industrialisierung wuchsen und neue Flächen benötigten. Das war überwiegend im rheinisch-westfälischen Industrieraum (Ruhrgebiet) der Fall, wo Gemeinden inzwischen auf eine Größe von mehr als 100.000 Einwohnern angewachsen waren. 1950 wurde in der damaligen DDR durch Zusammenlegung der Orte Ribnitz und Damgarten die Kreisstadt Ribnitz-Damgarten gebildet.

Zwischen 1967 und 1978 reduzierten die westlichen Bundesländer die Zahl ihrer Gemeinden. Dies wurde teils durch Vereinbarungen zwischen den Gemeinden auf freiwilliger Basis, d.h. die Gemeinden entschieden, in welcher Weise sie künftig zusammen arbeiten wollten, teils durch Hoheitsakte erreicht. Während in einigen Ländern Eingemeindungen und Gemeindezusammenschlüsse vorherrschten, wurden in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein neue Gemeindezusammenschlüsse auf Zwischenstufe errichtet (Samtgemeinden, Verbandsgemeinden, Ämter).

Vor der Reform gab es in der Bundesrepublik etwa 24.000 Gemeinden, von denen 10.760 weniger als 500 Einwohner hatten sowie 139 kreisfreie Städte und 425 (Land-)Kreise. Nach der Reform blieben 8505 Gemeinden, 92 kreisfreie Städte und 235 (Land-)Kreise.

Nach einer je nach Bundesland unterschiedlichen Übergangsphase schloss der Gesetzgeber Mitte der 1970er Jahre die Gemeindereform ab, indem er per Gesetz die Neugliederung der Gemeinden beschloss.

Diese Neuordnungen stießen bei den Bürgern nicht immer auf Gegenliebe. Beispiele sind

In einzelnen Fällen wurden die Vereinigungen durch die Gerichte wieder rückgängig gemacht. In Niedersachsen hat der Landtag 1990 eine Korrektur der Gemeindereform beschlossen und der Stadt Aschendorf sowie die Gemeinden Langvörden, Vörden und Mulsum die kommunale Selbstverwaltung wiedergegeben. Dieses Gesetz ist jedoch vom Bundesverfassungsgericht gekippt worden. Einige Berühmtheit erlangte 1978 auch das Dorf Ermershausen mit etwa 800 Einwohnern im Landkreis Haßberge. Es widersetzte sich vehement der Eingliederung in die Gemeinde Maroldsweisach. Das gipfelte in einer Besetzung des Rathauses und der Errichtung von Barrikaden durch Bürger von Ermershausen, mit dem Zweck die Verlegung der Gemeindeverwaltung nach Maroldsweisach zu verhindern. Das Dorf wurde schließlich von mehreren Hundertschaften der Bereitschaftspolizei gestürmt und das Rathaus geräumt. Seit 1994 ist Ermershausen jedoch wieder selbständig. Im Niedersächsischen Gifhorn wurde von den Bewohnern der Gemeinde Gamsen vehement Widerstand geleistet. Das gipfelte 1974 in der Abladung von mehreren Tonnen Mist in und um das Gifhorner Rathaus. Die Gemeinde Horgau in Bayern erreichte durch ein Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes 1983, dass die Eingemeindung nach Zusmarshausen aufgehoben wurde.

Als gelungenes Beispiel kann die Gemeindereform der Städte Treysa und Ziegenhain in Nordhessen angeführt werden. Aus den nur 5 km auseinanderliegenden Städten wurde die neue Stadt Schwalmstadt mit 20.000 Einwohnern gebildet, die dadurch zur größten Stadt im ebenfalls neu gegründeten Schwalm-Eder-Kreis wurde. Nach nunmehr dreißig Jahren ist sie in Symbiose zusammengewachsen.

Nach der Wiedervereinigung gingen auch die neuen Bundesländer Gemeindereformen an. In einzelnen Ländern ist sie bis heute noch nicht abgeschlossen, so dass sich die Zahl der Gemeinden in Deutschland (Frühjahr 2003: über 13.000) noch weiter verringern dürfte.

Grundsätze

Für die Gebietsreform der (Land-)Kreise, Stadtkreise bzw. kreisfreien Städte wurde eine Reihe von Grundsätzen entwickelt, die auf eine Vergrößerung der bestehenden Einheiten abzielte.

In Nordrhein-Westfalen galten als Mindestgröße 150.000, in Verdichtungsgebieten sogar 200.000 Einwohner. Ansonsten waren die Grundsätze des Landesentwicklungsplans zu berücksichtigen, wonach die Kreise wirtschaftsräumliche Einheiten darstellen und in ihren Grenzen eine ausgewogene Vielfalt von Gemeinden des Typs A (Unterzentren) und B (Mittelzentren) haben sollten. Entwicklungsachsen durften nicht Grenzen sein, sondern wegen der Interdependenz der beiderseitigen Nutzung quergeschnitten werden.

Durchführung

Die ersten Landkreise im heutigen Sinne wurden gebildet, als Preußen sein Staatsgebiet am 30. April 1815 in Provinzen und Regierungsbezirke und anschließend am 23. April 1816 in Landkreise aufteilte. Schon wenige Jahre danach wurden die ersten "Kreisreformen" durchgeführt, bei denen einzelne Landkreise aufgelöst und mit benachbarten Kreisen vereinigt wurden. Beispiele: 1823 die Vereinigung der Landkreise Dinslaken und Essen zum neuen Landkreis Duisburg und die Zusammenlegung der Landkreise Rheinberg und Geldern, 1832 die Vereinigung des Landkreises Bünde mit dem Landkreis Herford und die Vereinigung des Landkreises Brakel mit dem Landkreis Höxter.

Größere Gebietsreformen wurden in der Weimarer Zeit durchgeführt. Insbesondere im Ruhrgebiet wurde am 1. August 1929 eine große Kreisreform durchgeführt. Seinerzeit entstanden u.a. der Ennepe-Ruhr-Kreis, der Rheinisch-Bergische Kreis und der inzwischen wieder aufgelöste Rhein-Wupper-Kreis. Die größten Kreisreformen wurden in Westdeutschland jedoch in den 1960er und 1970er Jahren durchgeführt.

Die in Niedersachsen zum 1. August 1977 abgeschlossene Kreisreform musste auf Beschluss des Staatsgerichtshofes Bückeburg korrigiert werden. Der aufgelöste Landkreis Friesland und die Stadt Jever hatten Klage gegen das Reformgesetz erhoben und Recht bekommen. Der Landkreis Friesland hat sich 1980 aus den bis zur Kreisreform bestehenden Gemeinden zurückgebildet. Die Gemeinden waren in zwei verschiedenen Landkreisen unterteilt.

Auch die neuen Bundesländer führten nach der Wiedervereinigung Kreisreformen durch.
Hier muss jedoch folgendes vorbemerkt werden: Die DDR war nach Auflösung der Länder im Jahre 1952 in 14 Bezirke (ohne Ost-Berlin) und in 217 Landkreise gegliedert worden. Davor gab es im Gebiet der DDR nur 132 Landkreise. Insofern handelt es sich bei den neueren Reformen quasi um eine umgekehrte Kreisreform.

Nach Abschluss aller Kreisreformen in Deutschland reduzierte sich die Gesamtzahl der (Land-)Kreise von 614 auf 323.
In Mecklenburg-Vorpommern wird derzeit bereits über eine weitere Kreisreform diskutiert durch Reduzierung auf nur noch 5 Großkreise, auch in Sachsen-Anhalt gibt es ähnliche Planungen.

Historische Daten

Literatur

  • Detlev Vonde: Revier der großen Dörfer. Industrialisierung und Stadtentwicklung im Ruhrgebiet. Klartext, Essen 1994 ISBN 3-88474-123-3
  • Hans Joachim von Oertzen und Werner Thieme (Hrsg.): Die kommunale Gebietsreform. Schriftenreihe, Nomos, Baden-Baden 1980-1987
  • Hamann Philipp: Gemeindegebietsreform in Bayern - Entwicklungsgeschichte, Bilanz und Perspektiven, Utz Verlag, München 2005, ISBN 3-8316-0528-9

Siehe auch