Unterer Brunnenturm

Trinkwasserversorgung
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Der Untere Brunnenturm oder Untere Wasserturm ist ein Wasserturm in Augsburg. Er befindet sich auf der Hangkante des Mauerbergs (Springergäßchen 4) oberhalb des heutigen Kinos „Liliom“ (Unterer Graben 1), und wird auch als der Wasserturm „am Mauerberg“ oder „bei den sieben Kindeln“ genannt, nach dem gleichnamigen Haus in der Nähe.

Der Untere Brunnenturm (2014)

Das Untere Wasserwerk war von der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bis 1879 das zweitgrößte Wasserwerk der Stadt nach dem Wasserwerk am Roten Tor.[1] Sein Wasserturm versorgte die ganze „untere Stadt“, außerdem große Brunnen beim Frauentor und bei St. Stephan, und bis zum Ende seines Betriebs 1879 auch einen Teil der Jakobervorstadt.

Geschichte

Der Untere Brunnenturm entstand, ähnlich wie der Kastenturm, auf den Grundmauern eines alten Wehrturmes aus dem ausgehenden Mittelalter an der Augsburger Stadtmauer. Er ist bereits 1502 erstmals als Wasserturm erwähnt. Der Turm hat einen rechteckigen Querschnitt und wurde im Laufe der Geschichte immer wieder höher aufgestockt.

16. Jahrhundert

 
Die Machina Augustana mit sieben archimedischen Schrauben übereinander.

Im Jahr 1538 wurde der Untere Brunnenturm verbessert und erhöht, und zu seinen Füßen wurde ein eigenes Pumpenhaus erbaut. Dieses trieb nun eine Maschinerie von sieben archimedischen Schrauben an, die vertikalen übereinander angeordnet von einer gemeinsamen senkrechten Welle über hölzerne Zahnradgetriebe bewegt wurden. Diese Machina Augustana wurde 1554 vom Mailänder Gelehrten Hieronymus Cardanus detailliert beschrieben.[2] Zum Antrieb der Maschine diente das Wasser des Stadtbachs, während das über die Schrauben hochbeförderte Wasser das des Brunnenbachs war.

17. und 18. Jahrhundert

 
Das Untere Brunnenwerk auf einem Tafelbild von 1753. Unten im Bild ist die Wasserkreuzung zu sehen.

Um das Jahr 1684 wurde der Wasserturm um drei weitere Geschosse auf das Doppelte seiner Höhe aufgestockt. Zu dieser Zeit war die Machina Augustana bereits durch wasserradbetriebene Kurbelpumpwerke ersetzt. 1737 erhöhte der Obmann des Unteren Wasserwerks Caspar Walter die Zahl der Kurbelpumpwerke von drei auf vier. Nachdem er bei diesem Wasserwerk seine Fähigkeiten bewiesen hatte, wurde er später Stadtbrunnenmeister Augsburgs.

19. Jahrhundert

 
Kanalbrücke von 1848

1821 wurde die Pumpmaschine erneut durch eine modernere ersetzt. Hierfür beauftragte man den bayerischen Ingenieur Georg von Reichenbach, einen der bedeutendsten Mechaniker seiner Zeit. Seine Lösung der Aufgabe, die sogenannte Reichenbach'sche Wassermaschine, die hauptsächlich aus Gusseisen gebaut war, verdoppelte die geförderte Wassermenge. Außerdem konnte die Wasserqualität verbessert werden, indem man statt des Wassers des Brunnenbachs nun Quellen aus der Nähe des Wasserwerks nutzte.[3]

Seit 1848 gibt es neben dem Pumpenhaus, nahe dem Haus „bei den sieben Kindeln“, eine aus Gusseisen in vier Sektionen gefertigte 12,3 m lange und 2 m breite Kanalbrücke mit einer Wasserkreuzung, wo ein Kanal (der Brunnenbach) einen anderen (den Stadtbach) überkreuzt. Diese Wasserkreuzung existiert noch heute, steht unter Denkmalschutz und kann vom Fußweg neben dem Kino aus gesehen werden.

1865 ersetzte man die Reichenbach'sche Wassermaschine durch eine nochmals modernere. Diese wurde von der Maschinenfabrik Augsburg gefertigt, dem Vorläufer der M.A.N. 1870 wurde dem Unteren Wasserturm nochmals ein gusseiserner Pavillon aufgesetzt, um einen noch höheren Leitungsdruck zu erhalten.[4] Dieser existiert heute nicht mehr. Nachdem 1879 die Augsburger Wasserversorgung umgestellt wurde, wurden der Untere Wasserturm und sein Pumpenhaus nicht mehr als solche gebraucht. Die Gebäude wurden zwar nicht abgerissen, aber umgebaut und anderen Nutzungen zugeführt. So beherbergten sie unter anderem eine Feilenhauerei, eine Schleiferei, verschiedene mechanische Werkstätten und eine Maschinenfabrik.

Heute

 
Das Kino „Liliom“, dahinter der Untere Brunnenturm

Heute ist der Turm privat bewohnt. An ihm ist noch ein Rest der Stadtmauer aus dem 15. Jahrhundert sichtbar. Das ehemalige Pumpenhaus wird seit 1989 als Kino, Bar und Restaurant genutzt. Im Eingangsfoyer des Kinos kann man noch durch einen Glasboden den darunter hindurchfließenden Stadtbach sehen, und im unteren Gastraum befinden sich noch immer die großen Steinblöcke, die einst als Auflager für die Wasserräder dienten.

Literatur

  • Wilhelm Ruckdeschel: Industriekultur in Augsburg. Brigitte Settele Verlag, 2004, ISBN 3-932939-44-1, S. 24 ff.
  • Wilhelm Ruckdeschel, Klaus Luther: Technische Denkmale in Augsburg. Eine Führung durch die Stadt. ? Auflage. Brigitte Settele Verlag, Augsburg 1984, S. 33 ff.

Einzelnachweise

  1. Wilhelm Ruckdeschel, Klaus Luther: Technische Denkmale in Augsburg. Eine Führung durch die Stadt. ? Auflage. Brigitte Settele Verlag, Augsburg 1984, S. 33.
  2. Hieronymus Cardanus, De Subtilitate, 1554
  3. Wilhelm Ruckdeschel, Klaus Luther: Technische Denkmale in Augsburg. Eine Führung durch die Stadt. ? Auflage. Brigitte Settele Verlag, Augsburg 1984, S. 34,37.
  4. Martin Kluger: Historische Wasserwirtschaft und Wasserkunst in Augsburg. Kanallandschaft, Wassertürme, Brunnenkunst und Wasserkraft. 2. Auflage. Context Verlag, Augsburg 2012, ISBN 978-3-939645-50-4, S. 75 f.
  • Fotografie des Unteren Brunnenturms heute, im Vordergrund das ehemalige Pumpenhaus

Koordinaten: 48° 22′ 20,1″ N, 10° 54′ 0,9″ O