Die betriebsbedingte Kündigung ist nach § 1 KSchG eine Kündigung, die dann sozial ungerechtfertigt ist, wenn sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Ursache des Kündigungsgrundes liegt damit im Bereich des Arbeitgebers. Dieser kann oder will seinen Betrieb nicht mehr mit der bisherigen Personalstärke fortführen. Der Arbeitgeber trifft daraufhin eine unternehmerische Entscheidung, die zu einem Wegfall von Arbeitsplätzen führt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts setzt eine betriebsbedingte Kündigung voraus, dass der Beschäftigungsbedarf für einen oder mehrere Arbeitnehmer in dem bisher wahrgenommenen Aufgabenbereich auf Dauer entfällt und der Arbeitnehmer nicht auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann [1].
Nach dieser Rechtsprechung wird die Rechtmäßigkeit einer solchen Kündigung an einer dreistufigen Prüfung gemessen:
- Das Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung, die zum Wegfall eines oder mehrerer Arbeitsplätze führt,
- einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, sog. fehlende anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit.
- Sofern mehrere vergleichbare Arbeitnehmer betroffen sind ist eine soziale Auswahl unter den in Betracht kommenden Arbeitnehmern vorzunehmen.
Unternehmerischen Entscheidung
Bei der Unternehmerischen Entscheidung handelt sich um den Willensakt des Unternehmers, also dessen Organisationsentscheidung, die der Kündigung vorausgeht und zum Wegfall eines oder mehrerer Arbeitsplätze führt[2]. Die unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers kann sowohl auf inner- wie als auch auf außerbetrieblichen Ursachen beruhen.[3]
Keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit
Sozialauswahl
Die Sozialauswahl ist ein Begriff aus dem deutschen Arbeitsrecht. Nach § 1 Abs. 3 KSchG ist eine Kündigung auch dann sozialwidrig und damit unwirksam, wenn zwar dringende betriebliche Gründe für eine Kündigung vorliegen, der Arbeitgeber aber bei der Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Die Notwendigkeit, eine Sozialauswahl vorzunehmen, setzt also in der Regel die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes voraus und ist nur bei betriebsbedingten Kündigungen erforderlich.
Die soziale Auswahl muss sich auf den gesamten Betrieb erstrecken (also nicht nur auf die Abteilung, in der der Arbeitsplatz weggefallen ist). Ihre Prüfung erfolgt im Rahmen folgender Schritte: Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer, Auswahlentscheidung, Herausnahme einzelner Mitarbeiter.
Bestimmung des Kreises der vergleichbaren Arbeitnehmer
Einzubeziehen sind alle gegenseitig austauschbaren Arbeitnehmer der gleichen betrieblichen Hierarchieebene (sog. „horizontale Vergleichbarkeit“), also alle, die nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen und nach den individuellen vertraglichen Regelungen im Rahmen des Direktionsrechts versetzt werden könnten. Zu prüfen ist dabei, ob der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, vom Arbeitgeber einseitig auf einen anderen Arbeitsplatz versetzt werden könnte, um (ggfs. nach kurzer Einarbeitungszeit) die Funktion des dort beschäftigten Arbeitnehmers auszufüllen. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Reichweite arbeitsvertraglicher Versetzungsvorbehalte; je weiter diese gefasst sind, umso umfassender ist ggf. der Kreis der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer. Diese Wechselwirkung ist Arbeitgebern bei der Arbeitsvertragsgestaltung häufig nicht bewusst.
Auswahlentscheidung
Nach den im Gesetz abschließend aufgezählten Gesichtspunkten ist dann unter den vergleichbaren Arbeitnehmern derjenige zu ermitteln, den eine Kündigung am wenigsten hart treffen würde. Dieser „sozial stärkste“ Arbeitnehmer ist dann zu kündigen. Seit 1. Januar 2004 sind dabei ausschließlich folgende Kriterien (sog. Sozialkriterien) zu berücksichtigen:
- Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Lebensalter
- Unterhaltspflichten
- Schwerbehinderung
In Betrieben, in denen ein Betriebsrat gewählt ist und die Betriebsparteien sog. Auswahlrichtlinien (vgl. § 95 BetrVG) vereinbart haben, sind dabei die Regelungen solcher Richtlinien zu berücksichtigen. In diesem Fall kann im Kündigungsschutzprozess die Sozialauswahl nur noch auf „grobe Fehlerhaftigkeit“ überprüft werden. Grob fehlerhaft ist die soziale Auswahl erst dann, wenn die gesetzlichen Auswahlkriterien überhaupt nicht zu Grunde gelegt wurden oder die einzelnen Gesichtspunkte in einem auffälligen Missverhältnis zueinander gewichtet wurden.
Herausnahme einzelner Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl
Es besteht die Möglichkeit, einzelne Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl herauszunehmen. So kann der Arbeitgeber bei der Auswahl Arbeitnehmer herausnehmen, deren Weiterbeschäftigung "im berechtigten betrieblichen Interesse" liegt (sog. Leistungsträgerklausel, § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG). Zur Begründung eines solchen Interesses kann sich der Arbeitgeber nicht allein darauf berufen, der gekündigte Arbeitnehmer sei besonders krankheitsanfällig. Zu dieser Feststellung kam der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts in einem Urteil vom 31. Mai 2007 - Az: 2 AZR 306/06 -.
Ein solches berechtigtes betriebliches Interesse kann aber nach der neuen Formulierung des Gesetzes, die „Erhaltung der Personalstruktur des Betriebes“ darstellen. Falls die Arbeitsgerichte diese Vorschrift weit auslegen, entwertet dies die sozialen Besitzstände vieler (vor allem älterer) Arbeitnehmer, die sie durch ihr Lebensalter und ihre langjährige Betriebszugehörigkeit erworben haben. Dann darf der Arbeitgeber neue jüngere Mitarbeiter behalten und älteren langjährigen kündigen.
Die Reichweite dieser seit 1. Januar 2004 geltenden Neuregelung, die bereits unter der Regierung Kohl in fast identischer Form vorübergehend eingeführt worden war, ist bislang von der Rechtsprechung noch nicht ausreichend geklärt.
Eine ähnliche Wirkung hat auch die wiedereingeführte Möglichkeit eines "Interessenausgleichs mit Namensliste". Hierbei einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf die zu kündigenden Mitarbeiter. Die Prüfung der Sozialauswahl ist auch in diesen Fällen, ähnlich wie bei der Auswahlrichtlinie, auf "grobe Fehlerhaftigkeit" beschränkt und die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast verschlechtern sich zu Lasten des Arbeitnehmers.
Arbeitnehmerüberlassung (Zeitarbeitsunternehmen)
Die Grundsätze der Sozialauswahl gelten auch für die Kündigung von Arbeitnehmern in Unternehmen, die Arbeitnehmer an andere Unternehmen verleihen. Die im Einsatz befindlichen Leiharbeitnehmer bleiben auch während der Zeit ihrer Arbeitsleistung beim Entleiher Angehörige des Betriebs des Verleihers. Der Verleiher muss ggf. einen Arbeitnehmer gegen einen der übrigen überlassenen, sozial weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer auszutauschen.[1] Er kann sich in der Regel nicht darauf berufen, keine Sozialauswahl vornehmen zu müssen, weil sich der Entleiher eine Letztentscheidung vorbehält, welcher Arbeitnehmer bei ihm eingesetzt werden soll. Das verleihende Unternehmen muss ggf. die Sozialauswahl vornehmen, bevor es bei der Neubesetzung von Stellen die Profile seiner Arbeitnehmer an andere Unternehmen übersendet. Es muss in diesem Fall den Entleihern die Profile der sozial schutzwürdigeren Kandidaten übersenden.[2]
Überblick über einzelnen betriebsbedingte Kündigungsgründe mit Rechtsprechungsnachweisen
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. BAG 18.5.2006 AP Nr. 7 zu § 9 AÜG mwN.
- ↑ BAG NZA 2009, 312; BAG NZA 2006, 266; Gilberg NZA 2003, 818.
- ↑ BAG NZA 2003, 850.
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