Neugriechische Sprache

Sprache
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Neugriechisch (Νέα Ελληνικά) ist eine der 21 offiziellen Amtssprachen der EU. Es wird von ca. 16 Millionen Menschen als Muttersprache gesprochen, von denen ca. 10,5 Millionen in Griechenland leben. Die anderen Muttersprachler sind auf 35 andere Staaten verteilt. Auf Zypern ist Griechisch ebenfalls Amtssprache, offiziell neben dem Türkischen. Außerdem ist es in einigen südalbanischen und süditalienischen Gemeinden, in denen Angehörige der griechischen Minderheit leben, als lokale Amtssprache- oder Schulsprache zugelassen. Siehe: Griko in Italien

Neugriechisch

Gesprochen in

Griechenland, Zypern, Albanien, Mazedonien, Türkei, Bulgarien, in isolierten Sprachinseln in Süditalien (Kalabrien und Apulien) und überall dort, wohin Griechen ausgewandert sind (USA, Australien, Deutschland usw.)
Sprecher 16 Millionen
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache in Griechenland, Zypern, Europäische Union
Sprachcodes
ISO 639-1

el

ISO 639-2 (B) gre (T) ell

Geschichte

Neugriechisch gehört zur Indoeuropäischen Sprachfamilie und hat sich aus dem klassischen Altgriechisch entwickelt. Philologen bezeichnen üblicherweise den Sprachstand ab 1453 (Fall Konstantinopels) als "Neugriechisch". Innerhalb der heute noch gesprochenen Indoeuropäischen Sprachen steht das Griechische isoliert, dh. es ist mit keiner weiteren Sprache näher verwandt.

Bis vor wenigen Jahren wurde das Neugriechische unterschieden in Dimotiki ( Δημοτική ), der heute lebendigen Volkssprache, und Katharevousa ("die Gereinigte"), einer mehr an das klassische Griechisch angelehnten Hochsprache. Nach Ende der Papadopoulos-Diktatur wurde die Katharevousa 1975 durch Parlamentsbeschluss als Amtssprache abgeschafft und spielt heute außer in Inschriften und Orts- oder Lokalitätsbezeichnungen keine Rolle mehr, die Dimotiki hat sich in allen Lebensbereichen als gesprochene und geschriebene Sprache durchgesetzt.

Mit der Kunstsprache Katharevousa versuchten national gesinnte, gebildete Kreise des jungen griechischen Staates die Kontinuität zur "großen" klassischen Vergangenheit zu unterstreichen. Die kompliziertere Grammatik und der veraltete Wortschatz wurden von der Bevölkerung nicht angenommen, trotzdem tobte ein jahrzehntelanger Sprachstreit zwischen den Puristen (Befürwortern der Katharevousa mit Zentrum an der Universität in Athen) und den Demotikisten (Anhängern der Volkssprache mit Zentrum an der Universtät in Thessaloniki).

Dialekte

Die neugriechische Sprache wird heute vergleichsweise einheitlich gesprochen und ist kaum in Dialekte zergliedert. Dies ist auch die offizielle Lehrmeinung in Griechenland, jedoch könnte man das in Teilen Kretas, des Epiros und Thrakiens (vor allem in Nord-Evros) gesprochene Idiom als Dialekt bezeichnen. Im vielen Teilen Griechenlands werden in unbetonten Silben /e/ als /i/ und /o/ als /u/ ausgesprochen, während unbetontes /i/ und /u/ verstummen. Dabei sind die Abweichungen zur Hochsprache nicht so groß, wie beispielsweise der Unterschied zwischen Plattdeutsch oder Alemannisch zum Hochdeutschen, aber durchaus so weit von der Hochsprache entfernt wie das Tirolerische.

Große Unterschiede zur heutigen neugriechischen Umgangssprache finden sich hingegen im Pontischen sowie im Tsakonischen. Beide Sprachen sind stark von altgriechischen Dialekten geprägt, das Pontische weist starke ionische Einflüsse auf, das Tsakonische hat sich aus dem Dorischen entwickelt, wohingegen das Standard-Neugriechische auf der Koine und damit dem attischem Dialekt beruht. Tsakonisch wird noch in 10 Dörfern in der Region Lakonien auf dem Peloponnes aktiv gesprochen, Pontisch war der verbreitete Dialekt der griechischen Siedlungen rund um das Schwarze Meer. Im Rahmen des Bevölkerungsaustausches mit der Türkei im Jahr 1922 wurde diese Volksgruppe in andere Teile Griechenlands umgesiedelt, wo die Mundart mit der Zeit assimiliert wurde.

Das Griko, eine noch in wenigen Dörfern Süditaliens gesprochene Mundart, ist ebenfalls stark vom dorischen Griechisch beeinflusst.

Phonologie

Unterschiede zum klassischem Griechisch

Die wichtigsten phonologischen Veränderungen fanden wahrscheinlich schon während der hellenistischen Periode statt:

  • Veränderung der stimmlosen, aspirierten Verschlusslaute — phi |p'|, theta |t'| und chi |k'| — zu stimmlosen Reibelauten |f|, |th| und |ch|.
  • Veränderung der stimmhaften Verschlusslaute — beta |b|, delta |d| und gamma |g| — zu stimmhaften Reibelauten |w|, |dh| und |gh|.
  • Vereinfachung des Vokal- und Diphthong-Systems (s.u).

Diese phonologischen Entwicklungen haben sich nicht in der Orthographie niedergeschlagen.

Vokale

Das Neugriechische besitzt 5 Monophthonge.

Monophthonge des Griechischen
  vorne zentral hinten
hoch i   u
mitte ɛ   ɔ
tief   a  

Aussprachehinweise

Alle Vokale werden kurz und offen ausgesprochen, also das "e" wie deutsches "ä" in "hätte", nicht wie "heben" und das "o" wie in "offen", nicht wie in "Ofen". Unbetontes "i" vor einem anderen Vokal wird oft zu einem "j"-ähnlichen laut abgeschwächt (μια -> /mja/) oder palatalisiert den vorangehenden Konsonanten: (ελιά -> /eʎa/.

Die im Wortschatz seltenen Vokalfolgen αϊ, εϊ oder οϊ tauchen sowohl silbisch als auch unsilbisch gesprochen auf, nur im letzteren Vorkommen liegt ein Diphthong vor.

Konsonanten

Das Griechische hat 25 Konsonanten.

Konsonanten des Griechischen
  bilabial labio-
dental
dental alveolar palatal velar
Plosive p b     t d c ɟ k g
Affrikaten       ts dz    
Nasale m     n ɲ ŋ
Vibranten       r    
Frikative   f v θ ð s z ç x ɣ
Approximanten         j  
Laterale       l ʎ  

Quelle: SAMPA für Griechisch (englisch) Zur Erläuterung der Artikulationsorte siehe die Grafik unter Phonetik.

Aussprachehinweise

Die Plosive p, t, k und b, d, g werden weniger behaucht, also weicher als im Deutschen ausgesprochen.

Das griechische Gamma ( γ ), meist mit "g" transkribiert, ist kein velarer Verschlusslaut sondern ein Reibelaut, ähnlich einem stimmhaften "ch" was dem deutschen "Zäpfchen-R" nicht unähnlich klingt. Es ist ungefähr der gleiche Laut wie "g" in Berlinerisch "Wagen".

Das Chi ( χ ) hat die gleichen beiden Ausprachevarianten (Allophone) wie das deutsche "ch", nämlich pallatal wie in "ich" oder velar wie in "ach". Allerdings richtet sich die Aussprache nicht wie im deutschen nach dem vorhergehenden Vokal, sondern nach dem folgenden. Vor Konsonanten findet sich tendenziell mehr die velare Aussprache.

Grammatik

Die neugriechische Sprache hat einen Großteil der altgriechischen Grammatik vereinfacht, ist aber immer noch eine stark flektierende Sprache. Sie ist eine der wenigen indogermanischen Sprachen, die eine synthetische (also nicht mit Hilfsverben konstruierte) Diathese (d.h. eigene Endungen für Aktiv und Passiv) beibehalten hat, genauso wie die konsequente Unterscheidung der Verb-Aspekte Einmalig/Abgeschlossen (Aorist) und Dauernd/Wiederholt.

Unterschiede zum Altgriechischen

Wichtige Änderungen der neugriechischen Grammatik gegenüber dem Altgriechischen sind u.a.:

  • Der Dativ ist bis auf wenige Redewendungen wie εν τάξει (en táxei /ɛn ˈdaˌksi/) ("in Ordnung") verloren gegangen und wird syntaktisch meist durch eine Präpositional-Konstruktion mit se (eigentl. in... hinein) + Akkusativ ersetzt.
  • Verlust des Infinitivs (wird durch Nebensätze ersetzt "Ich will kaufen" -> "Ich will, dass ich kaufe", untergeordneter Nebensatz mit "να" na angeschlossen).
  • Verlust der Modi (Konjunktiv und Optativ) zugunsten von Konstruktionen mit "να" na
  • Verlust des Duals (wird durch den Plural ersetzt).
  • Die Verkleinerung der Anzahl von Deklinationen und der verschiedenen Formen in jeder Deklination. Einige altgriechische Formen weden gelegentlich bei aus dem Altgriechischen übernommenen Wörtern benutzt.
  • Die neue Modalpartikel θα (aus θέλω να ("ich will, dass...") > θε' να > θα) für das Futur und Konditional.
  • Einführung weiterer Hilfsverben.
  • Reduzierung der Partizipien auf das Partizip Perfekt Passiv (...μένος). und das Gerund (...οντας)
  • Erweiterung des Futurs auf die Aspektunterscheidung zwischen Präsens/Imperfekt und Aorist.
  • Verlust der dritten Person Imperativ, außer in Archaismen wie ζήτω! ('Er/Sie/Es lebe!').
  • Neue Pronomen für die 2. Person Plural, da die alten wegen der Lautveränderung akustisch nicht mehr von denen der 1. Person Plural zu unterscheiden waren.
  • Vereinfachung des Systems der Präfixe, Verlust der Reduplikation, teilweise Verlust des Augments.

Besonderheiten

Gerade die beibehaltene Aspekt-Unterscheidung der "einmaligen, abgeschlossenen Handlung" (gebildet mit dem Aorist-Stamm der Verben) und der "andauernden oder wiederholten Handlung" (gebildet mit dem Präsens-Stamm) als eigene, in vielen anderen Sprachen unbekannte grammatische Kategorie verlangt vom Neugriechisch Lernenden besondere Aufmerksamkeit. Eine weitere grammatische Besonderheit des Neugriechischen ist die reichhaltige Wortgruppe so genannter Deponentien - Verben, welche mit passivischen Endungen gebildet werden, aber trotzdem rein aktivische Bedeutung haben ( έρχομαι, ich komme).

Wortschatz

Dem Grundwortschatz des Neugriechischen kann man seine Herkunft aus dem Altgriechischen noch sehr stark ansehen, die Ähnlichkeiten auf morphologischer Ebene sind stärker ausgeprägt als man es in der vergleichbaren Entwicklung vom Lateinischen zum Französischen oder Spanischen vorfinden kann. Mit sehr guten Kenntnissen des Altgriechischen ist ein gelesener neugriechischer Text sinngemäß zu verstehen, ebenso umgekehrt. Da an deutschen Schulen die Erasmische Aussprache gelehrt wird, kann man mit Altgriechisch-Kenntnissen im heutigen Griechenland mündlich weder verstehen noch verstanden werden.

Natürlich hat das Neugriechische in den Jahrhunderten der Besatzung des Landes durch anderssprachige Mächte viele Worte aus deren Sprachen übernommen. So findet man mache italienische Vokabel, die durch die genuesischen oder venezianischen Besatzer übermittelt wurde (porta πόρτα "Tür", bagno μπάνιο "Bad", coverta κουβέρτα "Decke", scala σκάλα "Treppe", terazza ταράτσα "Terasse"), aber auch einige türkischstämmige Worte, letztere vor allem aus dem Bereich der Alltagskultur wie Essen oder Musik (Köfte -> Keftedes, Baklavas, ...). Schon im frühen Mittelalter sind einige arabische Worte aufgenommen worden v.a. im Bereich Mathematik oder Medizin (...). Die Bezeichnungen neuzeitlicher Errungenschaften sind teils aus dem Französischen (Douche ντους "Dusche", Crayon κραγιόν "Lippenstift") oder Englischen übernommen (bar μπαρ "Kneipe", sandwich σαντουίτς "Belegtes Brot", goal γκολ "(Fußball)Tor"). Anglizismen sind allerdings bei weitem nicht so häufig wie im Deutschen, u.a. da die Bezeichnungen neuer Begriffe oft direkt aus dem Altgriechischen Vokabular gebildet werden.

Sehr häufig ist der Gebrauch von Verkleinerungsformen ( ...άκι, ...ούλα), mit denen außer Verniedlichung auch Vertrautheit, Üblichkeit oder Nähe ausgedrückt werden.

Rechtschreibung und Betonung

Im Neugriechischen wird das griechische Alphabet verwendet. Da die schriftliche Form viel stärker den klassischen Sprachstand wiedergibt als die gesprochene Sprache, ist die Orthographie z.T. problematisch. Dieses Problem teilt sich die griechische Sprache mit allen Sprachen, deren Verschriftlichung lange zurückliegt und in denen aus "sprachpflegerischen" Gründen keine entsprechend konsequente Rechtschreibreform stattfand.

Trotzdem gilt für die heutige griechische Rechtschreibung mehr als für die deutsche oder englische, dass man "schreibt, wie man spricht". Allerdings sieht sich der griechisch Schreibende mit dem o.g. historisch bedingten Problem konfrontiert: Es gibt sechs verschiedene Schreibweisen des Lautes "i", zwei für "o" und zwei für "e", dh. es gibt im Vokalbereich mehr Grapheme als Phoneme. Lesend kann man mit hoher Treffsicherheit die Lautung auch unbekannter Wörter erschließen, umgekehrt ist die korrekte Schreibung der o.g. Vokale nur erlernbar oder aus Kenntnis des Altgriechischen etymologisch erschließbar.

Mit der Rechtschreibreform von 1982 wurden u.a. die bis dahin verwendeten Hauchzeichen (Spiritus asper und Spiritus lenis) sowie alle Akzente bis auf den Akut ( ´ οξεία) abgeschafft. Als orthographischer Ballast wurden sie bis dahin als Erbe des Altgriechischen mitgeschleppt, obwohl sie für die Aussprache des Neugriechischen keine Rolle mehr spielten. Der weiter verwendete Akut (´) zeigt immer die betonte Silbe eines mehrsilbigen Wortes an, nur in sehr wenigen Ausnahmen wird er als graphische Unterscheidung für gleichlautende Worte unterschiedlicher Bedeutung verwendet, z.B. bei "η", die (Artikel Fem. Sing.) und "ή", oder. Der Doppelpunkt über den Vokalen i oder y (das "Trema") ist kein Betonungszeichen, sondern grafischer Hinweis darauf, dass eine Buchstabenkombination aus 2 Vokalen nicht wie üblich als ein Laut, sondern als zwei getrennte Laute gesprochen werden soll.

Die Betonung einer Silbe erfolgt im Neugriechischen nicht durch Längung des tragenden Vokals, sondern durch die Lautheit der Aussprache (Dynamischer Akzent). Als bedeutungsunterscheidendes Merkmal (siehe Phonem , Morphem) spielt die korrekte Betonung eines Wortes eine sehr viel größere Bedeutung als in romanischen oder germanischen Sprachen. Nicht korrekt betonte Worte werden von Muttersprachlern meist falsch- oder missverstanden. Beispielsweise bedeutet πότε "wann" aber ποτέ "nie". Die Betonung muss auch in gramatischen Regeln berücksichtigt werden (z.B. verschiebt sie sich im Aorist auf die drittletzte Silbe, hat das Verb nur 2 Silben, wird ein sogenanntes Augment-"ε" vor das Verb gesetzt, welches dann die Betonung trägt: κάνω (ich mache) -> έκανα (ich machte)). Dieses Phänomen bringt auch Probleme für viele Grammatiktheorien mit sich.

Siehe auch

Literatur

  • Geschichte:
    • Francisco R. Adrados: Geschichte der griechischen Sprache von den Anfängen bis heute. Tübingen/Basel 2002
    • Hans Eideneier: Von Rhapsodie zu Rap. Aspekte der griechischen Sprachgeschichte von Homer bis heute. Tübingen 1999

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