Namus

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Namus ist in vielen orientalischen Gesellschaft neben Achtung, Respekt, Ehre und Würde ein zentraler Wert und für die innerfamiliären Autoritätsbeziehungen von grosser Bedeutung. Die Wirkung des Begriffs ist stark geschlechtsspezifisch.

Etymologie

Die griechische Bezeichnung der Tora lautet Nomos (Ordnung). Mit dem Wort Namus wird u.a. in den [[Hadith]sammlungen von Al-Buchari und Muslim ibn al-Hadschadsch auf den aus der Tora übernommenen Erzengel Gabriel Bezug genommem.al-Namus al-akbar, ist gemäß islamischer Tradition der Erzengel selbst, der auf Moses und dann auf Mohammed herabgesandt worden ist. Es ist hervorzuheben, dass die arabischen Lexikographen im 8. Jahrhundert den Begriff als rein arabisches Wort aus der Wurzel n-m-s (geheim halten; ein Geheimnis jm.anvertrauen) behandeln und verstehen. In diesem Sinne benutzt auch der früharabische Dichter al-Kumait (gest.743) diesen Begriff. Es wird auch angenommen, das Nomos der etymologische Ursprung von Namus ist. Das Wort ist auch in anderen orientalischen Sprachen bekannt, u.a. in Türkisch (Bedeutung: Ehrbarkeit), Urdu und Farsi.

Bedeutung

Die Ehre des Mannes und seiner Verwandten definiert sich unter anderem über die sexuelle Integrität der Frauen in der Familie, insbesondere über ihre sexuelle Enthaltsamkeit. Die Frau darf gewisse Regeln zum Schutz ihrer Keuschheit nicht verletzen. Die Ehre der zukünftigen Ehefrau und ihrer Familie kann nur bewahrt werden, indem sie jungfräulich in die Ehe geht. Die Ehre des Mannes ist aber auch bei der Überschreitung der Grenzen seines Besitzes, der Felder und des Hauses, sowie bei verbalen oder physischen Angriffen auf die Angehörigen seiner agnatischen Gruppe in Gefahr.

Nach Schiffauer ist zu beachten, daß dem Wert der Ehre (namus) die Vorstellung einer klaren Grenze unterliegt, ”die das ‚Innen‘, den Bereich der Familie, vom ‚Außen‘, der (männlichen) Öffentlichkeit des Dorfes oder der Stadt, scheidet. Die Ehre des Mannes ist beschmutzt, wenn diese Grenze überschritten wird, wenn jemand von außen einen Angehörigen der Familie, womöglich eine der Frauen, belästigt oder angreift.” Er fügt hinzu, daß nur die Grenzverletzung relevant ist, nicht aber die Gründe dafür. (Karen Jahn, 2003)

Bedeutung in der heutigen Gesellschaft

Namus gehört zu den wichtigsten Werten vieler traditioneller orientalischer Gesellschaften. Mit der Urbanisierung und Verwestlichung löst sich die städtische Bevölkerung zunehmend vom traditionellen Wertesystem. Dementgegen behält Namus in der ländlichen Bevölkerung seine ursprüngliche Bedeutung. Im Gegensatz zu den Städten werden in den Dörfern Traditionen fortgeführt und es findet eine stärkere soziale Kontrolle statt.

Auswirkung

Der Mann muss sich gesellschaftlich dafür verantworten, wenn die Tochter sich nicht der Konvention gemäß kleidet, sich im Umgang mit Männern „unehrenhaft“ verhält, wenn er von seiner Frau betrogen wird, aber auch, wenn er schwere Beleidigungen ohne eine Reaktion hinnimmt. Selbst viele Männer, die sich als progressiv bezeichnen, richten sich aus Angst vor gesellschaftlicher Ausgrenzung nach diesen Regeln. Oft wird dem Entehrten seine „Schwäche“ bei jeder Gelegenheit vorgeworfen. Er wird nicht für voll genommen, die Frauen der Familie werden belästigt. Ehre bezieht sich allerdings nicht nur auf Beziehungen, sondern erstreckt sich auch auf den Schutz des Eigentums und weitere Bereiche.

„Die Konzepte von sevgi, saygi, seref und namus garantieren das enge Eingebundensein in ein soziales Netz, das soziale Kontrolle ausübt und gegenseitige Unterstützung gewährt. Kinder sollen sich unterordnen, gehorsam sein, sich konform verhalten und Loyalität zeigen, damit ein hoher Grad an Zusammenhalt und gegenseitiger Abhängigkeit gewährleistet bleibt. Prozesse und Erziehungsziele wie Individuation, Autonomie, Initiative, Aktivität oder Neugier sind bei Kindern eher unerwünscht, würden sie doch die Kohäsion der Gemeinschaft gefährden“ (Bilsky/Toker 1999).

In einer strengeren Auslegung dieser Handlungsregeln wird eine mißbrauchte Frau nicht als Opfer gesehen. Dies kann dazu führen, dass die Verwandten einer vergewaltigten Frau die Familienehre durch einen Ehrenmord an der Geschädigten wiederherstellen, oder dass die Frau sich unter sozialem Druck selber das Leben nimmt.

Die Frauenorganisation Terre des Femmes schätzt die Zahl der Mädchen und Frauen, die weltweit im Namen der Ehre ermordet werden, auf jährlich 5000.

Siehe auch

Literatur

  • Jugendliche nichtdeutscher Herkunft im Strafprozeß, In: Lempp, R. / Schütze, G. / Köhnken, G. (Hrsg.): Forensische Psychiatrie und Psychologie des Kindes- und Jugendalters, Wolfgang Bilsky, /Toker, M., Darmstadt, 1999, Steinkopf, p. 287–299
  • Moralische Urteile als handlungsleitende soziale Regelsysteme im Spiegel kulturvergleichender Forschung, In: Thomas, A.: Kulturvergleichende Psychologie, Hogrefe, Göttingen, 1993
  • Turkish Village Disputing Behavior. In: Nader, Laura/Todd, Harry F. Jr.: The Disputing Process – Law in Ten Societies, Columbia University Press, New York, 1978 (Englisch)