Jane Stirling

schottische Amateurpianistin
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Jane Wilhelmina Stirling (* 15. Juli 1804 in Perthshire; † 6. Februar 1859 ebenda) war eine schottische Amateurpianistin.[1] Bekannt wurde sie als Studentin und Freundin von Frédéric Chopin. Sie nahm ihn 1848 mit auf eine Tournee nach England und Schottland und übernahm nach seinem Tod die Kosten seiner Ausgaben und Manuskripte. Obwohl es keine Beweise für eine Liebesbeziehung zwischen ihnen gibt, wurde Jane Stirling nach Chopins Tod oft als „seine Witwe“ bezeichnet.[2]

Achille Devéria: Jane Stirling

Leben

Stirling entstammte schottischem Adel und war das jüngste von dreizehn Kindern John Stirlings.[3][4] Als Laird of Kippendavie saß er auf Kippenross House bei Dunblane.[5] Sie verlor die Mutter im Alter von 12 und den Vater mit 16 Jahren. Das Erbe machte sie zu einer reichen jungen Frau. Sie wurde unter die Vormundschaft ihrer verwitweten Schwester Katherine Erskine gestellt, die beim Todes ihres Vaters 29 Jahre alt war.

Jane Stirling war beliebt und sehr hübsch. Ihr wurde nachgesagt, über dreißig Heiratsanträge abgelehnt zu haben. Seit 1826 teilten sie und ihre Schwester ihr soziales Leben auf zwischen Schottland und Paris.[3] Sie befasste sich nicht nur mit Musik und Kunst, sondern auch mit der Reform des Strafvollzugs, der Homöopathie und dem Konflikt zwischen Protestantismus und Katholizismus in Schottland.[6]

Schülerin und Förderin

Sie traf Chopin 1842 [6] oder 1843 [7] und wurde umstandslos seine Klavierschülerin. Dass sie eine talentierte Pianistin war, ließ sich aus Chopins Bemerkung zu ihr ableiten: „Eines Tages werden Sie sehr, sehr gut spielen.“ [7] Gegen Ende seines Lebens vertraute er ihr sogar eine seiner eigenen Schülerinnen an, Vera Rubio, um sie zu unterrichten.[7] 1844 widmete er ihr die zwei Nocturnes Op. 55.[7] Als sie ihm den Wunsch bekannte das Cellospiel zu erlernen, brachte Chopin sie mit seinem Cellopartner Auguste Franchomme zusammen.[3]

Jane Stirling arbeitete mit Chopin an der Zusammenstellung von sieben Bänden der französischen Ausgabe der meisten seiner Werke und an der Zusammenstellung eines thematischen Registers. Diese Bände wurden später von dem französischen Musikwissenschaftler und Chopin-Biographen Édouard Ganche genutzt, um die Oxford-Originaledition von Chopins Werken zu erstellen.[8] Allerdings ist eine offene Frage, ob Chopin diese Sammlung als Basis einer Sammlungs-Revision seiner Musik betrachtete. [9] Sie wurde auch seine Sekretärin, Agentin und Geschäftsführerin. Sie arrangierte sein Konzert in der Salle Pleyel am 16. Februar 1848; sie kümmerte sich auch um die Heizung, die Lüftung und die Blumen. Der wichtigste Teil dieses Konzertes war die Barcarolle (Chopin); aber Chopin war zu erschöpft, um den letzten Teil selbst zu spielen. Nachdem er es noch geschafft hatte, ohne Hilfe zu seiner Garderobe zu gehen, brach er in den Armen Jane Stirlings zusammen. Dies war sein letztes Konzert in Paris.[3] Es hatte Pläne für ein weiteres Konzert im März gegeben, aber in Paris brach die Februarrevolution 1848 aus. Viele Menschen flohen aus der Stadt; Chopin war plötzlich um seinen Lebensunterhalt als Klavierlehrer und Pianist gebracht.[6]

Konzertreise in Britannien

Jane und ihre Schwester schlugen Chopin eine Konzertreise nach England vor. Er war krank und wollte nicht reisen; aber weil er das Geld brauchte, das eine solche Reise einbringen würde, stimmte er schließlich zu. Sie verließen Paris am 20. April 1848. Durch Jane Stirling wurde Chopin der Crème der Britischen Gesellschaft vorgestellt.[3] Bei einem privaten Anlass am 15. Mai spielte er ein Konzert, dem Queen Victoria und Prinz Albert beiwohnten; aber anders als manchmal berichtet wurde er in den Buckingham Palast niemals eingeladen.[6] Als im August die Saison in London zu Ende ging, nahm er eine Einladung von Jane Stirling an, ihre Heimat Schottland zu besuchen.[2] Nahe Edinburgh wohnten sie im Calder House, dem Schloss von Lord Torphichen, einem Schwager der Schwestern.[7] (Im Calder House feierte 1556 John Knox seine Erstkommunion.[5]) Da Chopin von einem reichen Verwandten zun nächsten geschleppt wurde, von Stadt zu Stadt, und ständig Menschen traf, mit denen er sich wegen der Sprachbarriere teils nicht unterhalten konnte (er sprach nur Polnisch und Französisch), verschlechterte sich sein Gesundheitszustand. In Manchester, am 28. August, spielte er drei Stücke, aber war so schwach, dass er auf die Bühne und wieder von ihr heruntergetragen werden musste. Gleiches ist auch aus dem Hause des Klavierherstellers John Broadwood & Sons bekannt: der Vorarbeiter der Londoner Klavierfabrik musste Chopin zum Flügel in den Salon der ersten Etage hinauftragen, weil Chopin die Treppen nicht mehr steigen konnte.

Alle Kosten seiner Reise wurden von Jane Stirling bezahlt.[3] Es war auf dieser Reise, im späten Oktober 1848 in Edinburgh, im Haus von Adam Łyszczyński, eines polnischen Arztes, bei dem er einige Tage verbrachte, dass er seinen Letzten Willen und sein Testament schrieb.– "eine Art Vorsorge meiner Angelegenheiten für die Zukunft, wenn ich irgendwo tot umfallen sollte”, schrieb er an seinen Freund Wojciech Grzymała.

Obschon sie nahezu sechs Jahre älter war als Chopin (sie war im Juli 1804 geboren, im selben Monat wie George Sand), wurde zu jener Zeit allgemein getuschelt, dass Chopin und Jane Stirling seit kurzem miteinander verlobt seien. Dies geschah nie, in der Tat gibt es in keinem der Briefe Chopins einen Hinweis, dass er mal amouröse Gefühle für sie hatte. Im Gegenteil, sie langweilte ihn oft.[3] Er sagte einem Freund über diese Gerüchte: "Sie haben mich mit Mademoiselle Stirling verheiratet; sie kann genauso gut auch den Tod heiraten."[4]

Sein letztes Konzert in Britannien war am 16. November in der Londoner Guildhall, wo er spielte, obschon er sehr krank war.[3] Sie kehrten am 24. November nach Paris zurück, begleitet von hohen Schulden, die Jane Stirling im Stillen bezahlte.[10]

Erbwalterin

 
T. Kwiatkowski: Chopin auf seinem Totenbett [11]

In Chopins letzten Lebenswochen beauftragte Jane den polnischen Künstler Teofil Kwiatkowski mit einem Ölgemälde von Chopin, das auch Chopins Schwester Ludwika Chopin-Jedrzejewicz, Marcelina Czartoryska und Grzymała einschloss.[3]

Im September 1849, einen Monat vor seinem Tod, bezog Chopin eine Wohnung an der Place Vendôme No. 12 im 1. Arrondissement (Paris). Die zweigeschossige Wohnung mit sieben Räumen hatte zuvor die russische Botschaft beherbergt. Chopin konnte sie sich nicht leisten; aber Jane Stirling mietete sie für ihn.

Wenige Tage vor Chopins Tod am 17. Oktober kaufte sie seinen Pleyel-Flügel.[7] Sie bezahlte alle Kosten seines Begräbnisses, alle Reisekosten von Chopins Schwester Ludwika und ihrer Tochter Magdalena, und kam für die Kosten auf, um sein Klavier nach Warschau zu bringen. Sie kaufte alle restlichen Möbel und Wertgegenstände Chopins, einschließlich seiner Totenmasken, die Auguste Clésinger angefertigt hatte.[3][12] Einige der Möbel ließ sie nach Calder House bei Edinburgh verbringen. Sie wurden in einem besonderen Raum gebracht, der dann als Chopin-Museum bekannt wurde. Sie sammelte auch verschiedene Manuskripte, Skizzen, Briefe und andere Papiere von seiner Handschrift, einschließlich handgeschriebener Kommentare, Varianten und Widmungen. Sie hatte eine beträchtliche Korrespondenz mit Ludwika Jędrzejewicz über die posthume Publikation einiger seiner bis dahin unpublizierter Werke. 25 dieser Briefe befinden sich nun im Muzeum Fryderyka Chopina in Warschau.[7]

Chopin hatte Jane Stirling erzählt, dass sie der einzige Mensch sei, der seinen richtigen Geburtstag kenne. Sie schrieb ihn auf und platzierte ihn in einer Schachtel, die mit ihm auf dem Friedhof Père Lachaise begraben wurde.[6] (Anm.: Chopins Mutter überlebte ihren Sohn um Jahre.) Am ersten Jahrestag seines Todes verstreute sie über Chopins Grab etwas polnische Erde, die sie von Ludwika erhalten hatte.[3]

Sie studierte Klavier weiter bei Thomas Dyke Acland Tellefsen, einem Schüler Chopins.[7]

Jane Stirling starb mit 54 Jahren an einer Ovarialzyste. Am 11. Februar 1859 wurde sie in der Dunblane Cathedral beigesetzt.[13] Im Testament vermachte sie die Stücke ihres Museums Chopins Mutter, die ihren Sohn um 12 Jahre überlebte. 1863 wurde vieles davon im Januaraufstand zerstört. Im Ostrogski-Palast, dem Sitz der Chopin-Gesellschaft, ist eine Locke von Chopins Haar erhalten, die Jane Stirling verwahrt hatte.[3]

Biographie

Die erste Biographie von Jane Stirling schrieb Audrey Evelyn Bone 1960.[14]

Eine andere Sichtweise: Jenny Lind

Es wurde behauptet, dass die Assistenz von Jane Stirling und Katherine Erskine in Chopins letztem Lebensabschnitt von der äußerst erfolgreichen schwedischen Sopranistin Jenny Lind finanziert worden sei, dass die schottischen Schwestern nur eine Deckung zur Anonymität von Jenny Lind gewesen seien. Ihr Vater hätte ihnen lediglich 300 Pfund hinterlassen, die in keiner Weise ausgereicht hätten, um den Umfang der Großzügigkeit zu finanzieren, den sie Chopin zukommen ließen. Während der Pariser Seuchenmonate und noch einmal auf der Englandreise war Chopin mit Jenny Lind zusammengekommen. Jenny Lind hatte intensiv um Chopin geworben, seine Frau werden zu dürfen, er aber hatte sie - trotz seiner lebenslangen Präferenz für das Belcanto von Sopranistimmen - aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes abgewiesen. Auf der Englandreise wurde Chopin zu einem Diner geladen, zu dem dann - für Chopin überraschend - allein Jenny Lind erschien, ein Diner zu zweit - Indiz, nicht aber Beweis, dass es ein arrangiertes Treffen war. Es gibt allgemein keine Beweise, dass Jane Stirling im Auftrag von Jenny Lind gehandelt hätte oder dass sie mit ihrer Schwester die England-Reise nur im Auftrag eingefädelt hätte. Einem Freund gegenüber seufzte er in Bezug auf Jenny Lind „Ach wäre ich doch jünger!“ Mit 39 Jahren erlag er seiner Tuberkulose.[15]

Einzelnachweise

  1. Burke's Landed Gentry and the Clan Stirling's own genealogy (PDF; 75 kB) call her "Jean-Wilhelmina"
  2. a b Living Scotsman
  3. a b c d e f g h i j k l Clan Stirling Online
  4. a b Globusz Publications
  5. a b bnet
  6. a b c d e The Chopin Society UK
  7. a b c d e f g h Kalejdoskop-Chopin
  8. The Oxford original edition of Frédéric Chopin (Oxford University Press, 1928-1932).
  9. University of Chicago Library
  10. Joseph Banowetz, Piano Works by Frédéric Chopin
  11. Zugegen sind (l-r) Aleksander Jełowicki, Chopins Schwester Ludwika Jędrzejewicz, Marcelina Czartoryska, Wojciech Grzymała und Kwiatkowski selbst
  12. Royal Northern College of Music
  13. David C F Wright, Jane Stirling (PDF; 493 kB)
  14. Open Library
  15. Icons of Europe