Cholesteatom

Krankheit des Ohres
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 14. Februar 2014 um 22:04 Uhr durch Zusasa (Diskussion | Beiträge) (Primäres Cholesteatom). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Klassifikation nach ICD-10
H71 Cholesteatom
H60.4 Gehörgangscholesteatom
H95.0 Rezidivierendes Cholesteatom, Mastoidhöhle, nach Mastoidektomie
H66.2 Otitis media epitympanalis
{{{05-BEZEICHNUNG}}}
{{{06-BEZEICHNUNG}}}
{{{07-BEZEICHNUNG}}}
{{{08-BEZEICHNUNG}}}
{{{09-BEZEICHNUNG}}}
{{{10-BEZEICHNUNG}}}
{{{11-BEZEICHNUNG}}}
{{{12-BEZEICHNUNG}}}
{{{13-BEZEICHNUNG}}}
{{{14-BEZEICHNUNG}}}
{{{15-BEZEICHNUNG}}}
{{{16-BEZEICHNUNG}}}
{{{17-BEZEICHNUNG}}}
{{{18-BEZEICHNUNG}}}
{{{19-BEZEICHNUNG}}}
{{{20-BEZEICHNUNG}}}
Vorlage:Infobox ICD/Wartung {{{21BEZEICHNUNG}}}
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Als Cholesteatom (Synonym: Perlgeschwulst, Zwiebelgeschwulst, Otitis media epitympanalis) des Ohres bezeichnet man eine Einwucherung von mehrschichtig verhornendem Plattenepithel in das Mittelohr mit nachfolgender chronisch-eitriger Entzündung des Mittelohrs. Die chronische Mittelohrentzündung beim Cholesteatom wird als chronische Knocheneiterung bezeichnet. Beim gesunden Ohr sind das verhornende Plattenepithel des äußeren Gehörgangs und das Schleimhautepithel des Mittelohrs durch das Trommelfell vollständig voneinander getrennt.[1] Wird diese Barriere aufgehoben, können Plattenepithelzellen in die Paukenhöhle einwachsen. Dadurch kommt es zu einer Ausbreitung von verhornendem Plattenepithel in die Mittelohrräume.

Cholesteatome können auch außerhalb des Ohres in der Schädelhöhle oder Schädelwand entstehen.

Medizingeschichte

Joseph-Guichard Du Verney (1648–1730) berichtete erstmalig über eine fettige Masse im Schläfenbein und nannte diese „Stéatome“.[2]Jean Cruveilhier nannte im Jahre 1829 die Raumforderung im Felsenbein beschreibend tumeur perlée wegen der makroskopisch perlförmigen Erscheinung.[3] Der bis heute gebräuchliche medizinische Terminus des „Cholesteatoms“[4] geht auf den deutschen Physiologen und vergleichenden Anatom Johannes Peter Müller zurück, der diese zu den gutartigen Fettgewebsgeschwülsten rechnete.

Pathogenese

Physiologischerweise wird die Paukenhöhle mit einer einschichtigen kubischent (isoprismatischem) bis platten Epithelschicht ausgekleidet. Dringen in dieses Gewebesystem verhornende Plattenepithelien ein oder entwickeln sich diese aus embryonalen Mesenchymresten beginnen diese zu proliferieren und es entsteht eine zwiebelschalenartige Perle aus verhornenden Plattepithelzzellen welche die Cholesteatommatrix bilden. Von dieser kann die Cholesteatomperimatrix unterschieden werden, diese entsteht aus dem subepithelialen Bindegewebe. Somit lassen sich am Cholesteatom, aus pathohistologischer Sicht, zwei wesentlichen Schichten unterscheiden. Die Cholestatommatrix ist die oberflächlich gelegene Epithelschicht mit verhornenden Plattenepithelzellen. Sie gleicht dem Trommelfellepithel und dem Gehörgangsepithel, jedoch ohne dessen Anhangsgebilde. Hingegen stellt die Perimatrix das darunter liegende Bindegewebe dar, sie ist für den Stofftausch des Epithel zuständig. Je nach Entzündungsaktivität ist ihre Dicke und Ausdehnung verschieden. Bei hoher inflammatorischer Aktivität kann die zwischen Matrix und Perimatrix gelegene Basalmembran stellenweise unterbrochen sein.[5]Diese begleitende Entzündungsreaktion führt über die Wirkung verschiedener Zytokine zu einer inflammatorisch bedingten Aktivierung und Chemotaxis der Osteoklasten in dem das Cholesteatom umgebenden Knochen. Diese Entzündung kann auf die knöchernen Anteile von Mittelohr und Innenohr übergreifen, die dadurch sukzessive zerstört werden.[6]

Vermutlich durch den ferner gestörten Sekretabfluss und einer bakteriellen Superinfektion – häufig mit Pseudomonas aeruginosa – führt das eingewachsene Epithel zu einer Steigerung des Entzündungsprozesses.

 
Computertomographie-Serie eines Cholesteatoms (im Bild rot) im Kuppelraum des Mittelohrs
 
Großes Attikcholesteatom (Pfeil), linkes Ohr
 
Sinus-tympanicus-Cholesteatom, linkes Ohr
 
Gehörgangspolyp aus Granulationsgewebe bei Cholesteatom
 
Cholesteatom: Plattenepithel mit Hornlamellen. Histologie. HE-Färbung.
 
Cholesteatom: Ausgeprägte chronische Entzündungsreaktion. Histologie. HE-Färbung.
 
Cholesteatom: Granulationsgewebspolyp. Histologie. HE-Färbung.

Das Cholesteatom besteht im Querschnitt aus schneeweißen, zwiebelschalenartig übereinandergelagerten abgestorbenen Epithelschichten. Umhüllt sind diese von verhornendem Epithel (Matrix), das die Epithelschichten produziert, und einer (meist) entzündlich veränderten Schleimhautschicht (Perimatrix), die für die Knochenzerstörung verantwortlich ist. Hinzu kommen entzündliche und regressive Veränderungen.

Geht man von einem entzündlichen Prozess aus kann man den Formenkreis einer Otitis media chronica, also einen chronischen Mittelohrentzündung einteilen in eine:

  • Chronische Schleimhauteiterung, auch chronische mesotympanale Otitis; was bedeutet das es zumeist durch die Eustachi-Tuben zu einer Entzündung im Mittelohr kommt. Charakteristisch für diese Erkrankung ist der zentrale Defekt im Trommelfell. Der Trommelfellrand, Annulus fibrosus ist dabei überall erhalten.
  • Chronische Knocheneiterung, auch chronische epitympanale Otitis media; hier handelt es sich um eine Form des Cholesteatoms. Beim Blick mit dem Otoskop auf das Trommelfell findet man dort, am Rande typischerweise einen Defekt, ferner sieht man weißliche Granulationen oder auch rote Pseudopolypen im Defekt.[7]

Einteilung

Die Klassifikation der entzündlichen Mittelohrcholesteatome lässt sich von verschiedenen Gesichtspunkten aus vorgenommen werden, so primär, sekundär oder topographisch anatomisch. Die plausibelste Form ist die der Einteilung nach dem Ort des Entstehens.[8]

Im Hinblick auf die Entstehung bzw. den Ort des Entstehens kann man drei Formen des Cholesteatoms unterscheiden:

Primäres Cholesteatom

Beim primären Cholesteatom fehlen Entzündungen in der Vorgeschichte.

  • Retraktionscholesteatom: Ursprung des Cholesteatoms ist die Bildung einer sogenannten Retraktionstasche im Bereich der Pars flaccida (Shrapnell'sche Membran) des Trommelfells im obersten Teil des Trommelfells, vermutlich durch eine chronische Störung der Tubenventilation. Das Cholesteatom entwickelt sich aus der Retraktionstasche und breitet sich vorerst im Kuppelraum des Mittelohres (Attik) aus; man nennt dieses Cholesteatom daher auch Attikcholesteatom.
  • Immigrationscholesteatom: Es entsteht durch aktives Einwachsen von Epithelzapfen in die Shrapnell'sche Membran.

Sekundäres Cholesteatom

Beim sekundären Cholesteatom finden sich in der Vorgeschichte Mittelohrentzündungen oder (chronische) Mittelohrkatarrhe.

Das sekundäre Cholesteatom entsteht auf Basis einer entzündlich entstandenen, tief eingezogenen, hauchdünnen (= atrophischen) Trommelfellnarbe im hinteren Trommelfellanteil (Sinus-tympanicus-Cholesteatom) oder durch eine sogenannte Mittelohr-Atelektase, bei der das gesamte Trommelfell atrophisch verändert und an die innere Wand des Mittelohres angesaugt ist (Pars-tensa-Cholesteatom). Durch entzündliche Veränderungen und Ansammlung von weißlichem Cholesteatommaterial imponieren die Retraktionstaschen oft als Trommelfellperforationen. Echte randständige Perforationen nach nekrotisierender Otitis (z. B. bei Scharlach) als Ausgangspunkt eines Cholesteatoms sind heute eher selten.

Kongenitales Cholesteatom

Das seltene kongenitale Cholesteatom entsteht aus Zellversprengungen während der Embryonalphase, genauer gesagt durch nicht vollständig zurückgebildetes mesenchymales Gewebe in der Submukosa des Mittelohres. Im Gegensatz zu den anderen Cholesteatomen entwickelt sich das kongenitale Cholesteatom hinter intaktem Trommelfell und (zumindest primär) ohne Kontakt zum Trommelfell.[9]

Symptome

Bei Komplikationen:

Diagnose

Die Diagnose wird mit Hilfe der Ohrmikroskopie gestellt. Der typische Befund ist ein Defekt in der Pars tensa oder Pars flaccida des Trommelfells mit Nachweis weißlich-gelber Schuppen oder Zellmassen in der Läsion. Nicht selten finden sich Polypen aus Granulationsgewebe.

Weiterhin werden Computertomographie-Aufnahmen (CT) angefertigt. Vor Einführung des CT wurden spezielle Röntgenaufnahmen nach Schüller und Stenvers zur Diagnose herangezogen.

 
Axiale CT; Cholesteatom im linken äußeren Gehörgang (rechts im Bild). Die Computertomographie zeigt eine kleine, weichteildichte Arrosion des Knochens.

Das Tonaudiogramm erbringt den Nachweis einer Schallleitungschwerhörigkeit.

Komplikationen

Therapie

Ein Cholesteatom kann nur durch eine Operation entfernt werden. Begleitend wird in der Regel eine systemische Antibiotika-Therapie durchgeführt, um den Entzündungsprozess zu reduzieren und bessere Operationsverhältnisse zu schaffen.

Wenn bei der Operation das Cholesteatom vollständig entfernt werden kann, können Trommelfell und Gehörknöchelchen wiederhergestellt werden (Tympanoplastik). Bei ausgedehntem Cholesteatom oder erheblichen Destruktionen muss durch eine radikale Mastoidektomie eine Radikalhöhle angelegt werden. Dabei wird eine gemeinsame Höhle aus Gehörgang, Warzenfortsatzhöhle und Kuppelraum des Mittelohres hergestellt, die von außen über die erweiterte Gehörgangsöffnung einsehbar und für die Reinigung zugänglich ist. Auch in diesem Fall kann häufig das ehemalige Mittelohr mit einem neuen Trommelfell verschlossen und das Hörvermögen damit wieder verbessert werden (sogenannte flache Pauke).

Literatur

Einzelnachweise

  1. Rudolf Probst; Gerhard Grevers; Heinrich Ivo: Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Georg Thieme, Stuttgart / New York 2000, ISBN 3-13-119031-0, S. 243
  2. Traité de l'organe de l'ouïe, contenant la structure, les usages et les maladies de toutes les parties de l'oreille (in lateinisch: 1683, 1730; in französisch: 1718, 1731 (online), 1783 ; in deutsch: 1732)
  3. Jean Cruveillhier: Anatomie pathologique du corps humain, ou descriptions, avec figures lithographées et coloriées, des diverses altérations morbides dont le corps humain est susceptible. Baillière, Paris 1829
  4. Johannes P. Müller: Ueber den feineren Bau und die Formen der krankhaften Geschwülste. G. Reimer, Berlin 1838
  5. E. Steinbach; A. Pusalkar; H. Heumann: Cholesteatoma pathology and treatment. Adv Otorhinolaryngol (1988) 39: 94-106.
  6. E. Kastenbauer; V. Schilling; J. Bujia: Aktuelles zur Ätiologie und Pathogenese des Cholesteatoms - ein Überblick. Laryngo-Rhino-Otol 1994; 73(1): 2-6 DOI: 10.1055/s-2007-997071
  7. Florian C. Uecker: Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde in Frage und Antwort. Urban & Fischer, München 2006, ISBN 978-3-437-41023-9, S. 28–29
  8. W. Becker; H.H. Naumann; C.R. Pfaltz: Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Kurzgefaßtes Lehrbuch mit Atlasteil Differentialdiagnostischen Tabellen. Georg Thieme, Stuttgart / New York 1986, ISBN 3-13-583003-9, S. 98 f.
  9. J. Nevouxa; M. Lenoir, G. Roger; et al.: Childhood cholesteatoma. European Annals of Otorhinolaryngology, Head and Neck diseases (2010) 127, 143—150