Eiszeitalter

Zeitalter ausgedehnter Vergletscherungen
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Als Eiszeit oder besser als Eiszeitalter bezeichnet man eine Periode der Erdgeschichte, die durch Vereisung beider Pole gekennzeichnet ist. Gemäß dieser Definition leben wir seit etwa 2,6 bis 2,7 Millionen Jahren in einem Eiszeitalter. Seit dieser Zeit, vor allem aber seit etwa 1 Million Jahren, ist das Klima der Erde relativ kurzfristigen Schwankungen unterworfen, den Kaltzeiten (Glaziale) und Warmzeiten (Interglaziale).

Bayrisches Alpenvorland mit Städten, Gewässern und Eiszeit-Spuren

Verwendung der Begriffe

Der Begriff Eiszeit wird meist synonym zu Kaltzeit bzw. Glazial verwendet. Er wurde in diesem Sinn 1837 von Karl Friedrich Schimper eingeführt. Um Verwirrungen zu vermeiden, benutzt man für die gesamte Periode der letzten 2,6 Millionen Jahre und auch für die älteren Vereisungsphasen besser den umfassenderen Begriff Eiszeitalter, der sowohl die Kaltzeiten als auch die dazwischen liegenden Warmzeiten umfasst. Das gegenwärtige Eiszeitalter wird in der Fachsprache als Quartär bezeichnet.

Struktur des Eiszeitalters

Eiszeitalter sind auf der Erde relativ selten. Die Erde ist, betrachtet man ihre gesamte Geschichte, ein normalerweise eis- und frostfreier Planet, auf dem es jedoch periodisch relativ kurze Kältephasen von ca. 15–20 Millionen Jahren Dauer gibt, in denen eine Eisbedeckung an Polen und in Gebirgen auftritt, sowie Gletschervorstöße in mittlere Breiten erfolgen. Dies sind die Eiszeitalter.

Unser jetziges Eiszeitalter hat vor etwa 2,58 Millionen Jahren, im Pliozän, begonnen. Andere Quellen geben den Beginn mit 2,7 Millionen Jahren vor heute an. Wir sind also vermutlich erst am Anfang einer längeren Eiszeitphase. Innerhalb der einzelnen Eiszeitalter gibt es allerdings relativ warme und extrem kalte Zwischenphasen. Die Kältephasen eines Eiszeitalters (Kaltzeiten bzw. Glaziale) sind gekennzeichnet durch massive Gletschervorstöße. Sie sind in der Regel länger als die Wärmephasen (Warmzeiten bzw. Interglaziale), die nur rund 15.000 Jahre dauern. Warmzeiten beginnen häufig recht abrupt, während die Abkühlung eher schleichend erfolgt. Dabei verläuft die Klimaveränderung selten gleichmäßig, sondern mit abrupten Änderungen und dazwischen liegenden gegenläufigen Entwicklungen.

Ein gesamter Zyklus von einer Warmzeit zur nächsten dauert um die 100.000 Jahre. Diese Zyklendauer ist allerdings erst seit 600.000 - 800.000 Jahren gültig. Von 2,7 Mio. Jahren vor heute bis vor 600.000 Jahren lag die Dauer eines Zyklus nur bei etwa 40.000 Jahren. Dies ist mit der etwa gleich langen Periode, mit der die Schiefe der Ekliptik (Stellung der Erdachse) schwankt, in Verbindung zu bringen. Der 100.000-Jahre Zyklus beruht vor allem auf Änderungen der Exzentrizität der Erdbahn. Warum es zu dem Wechsel in der Dauer der Warm-Kaltzeit-Zyklen kam, ist im Moment nicht eindeutig geklärt.

Unsere heutige Klimaperiode, in der geologischen Zeitskala als Holozän bezeichnet, ist eine Warmzeit innerhalb eines globalen Eiszeitalters, die seit etwa 11 000 Jahren andauert. In der Wärmephase eines globalen Eiszeitalters bleibt das Klima im erdgeschichtlichen Vergleich relativ kalt, die Eisbedeckung von Polen und höheren Gebirgen wird durch Dauerfrost erhalten. Gletschervorstöße in mittlere Breiten werden aber zurückgebildet, und es kommt dort zu wesentlich gemäßigterem Klima, insbesondere mit milderen Wintern.

Kaltzeiten des gegenwärtigen Eiszeitalters

Während der Kaltzeiten breiten sich im Lauf der Zeit die Eismassen von Arktis, Antarktis und den Gebirgen stark aus und bedecken schließlich große Teile Europas, Asiens, Japans und Nordamerikas. Zu den Spuren der Eiszeiten gehören zum Beispiel Trogtäler (bei einigen Gletschern im Gebirge), Moränen, Gletscherschliff, Findlinge und Toteislöcher.

Dass die heutigen Gletscher der Alpen oder Skandinaviens Reste dieser letzten Vereisung sind, wird vielfach angenommen, ist aber falsch. Vielmehr waren Europa und Skandinavien auf dem Wärmehöhepunkt der jetzigen Warmphase vor ungefähr 7 000 Jahren völlig eisfrei. Die jetzigen europäischen Gletscher sind also ziemlich jung und höchstens 6 000 Jahre alt, also keine eiszeitlichen Reste; ihr Umfang schwankte in den letzten Jahrtausenden zudem stark.

Durch die Bildung kontinentaler Eismassen wurde den Meeren massiv Wasser entzogen, wodurch viele Landbrücken entstanden und Meere wie die Nordsee teilweise trocken fielen.

Das letzte glaziale Maximum (LGM) war vor etwa 21 000 Jahren; damals gab es bis zu 3 km mächtige Eisschilde, zum Beispiel im heutigen Ostseeraum und beim kanadischen Schild, der Meeresspiegel lag 130 m unter dem heutigen Niveau und die globale Durchschnittstemperatur war 5 bis 6 K niedriger. Aufgrund der Gaseinschlüsse in polarem Eis weiß man, dass die atmosphärische Konzentration der Treibhausgase Kohlendioxid (CO2) nur 70 % und Methan (CH4) nur 50 % des vorindustriellen Wertes betrug (CO2 im LGM: 200 ppmv, vorindustriell: 288 ppmv, heute: 370 ppmv; CH4 im LGM: 350 ppbv, vorindustriell: 750 ppbv, heute: 1750 ppbv).

Heute werden etwa 10 % der Erdoberfläche von Eis bedeckt. Am letzten Höhepunkt der Vereisung waren es 32 %, wobei die Veränderung in der Antarktis im Vergleich zur Arktis nicht so dramatisch ist. Man nimmt an, dass dies vor allem darauf zurückzuführen ist, dass der Eisaufbau auf dem Land und flachen Schelfen der Nordhemisphäre effektiver ist als in zirkumantarktischen Ozeangebieten.

Die letzten Kaltzeiten

In Mitteleuropa werden die Kaltzeiten nach Flüssen benannt, die im Allgemeinen die weiteste Ausdehnung der Eisschilde angeben. In Süddeutschland ging die Vereisung von den Alpengletschern aus, in Norddeutschland kam das Eis aus dem baltischen Raum. Deswegen werden im Alpenraum und Norddeutschland unterschiedliche Flüsse zur Namensgebung synchroner Vereisungen verwendet. Dabei ist der Begriff Eiszeit anstelle des heute bevorzugten Kaltzeit nach wie vor gebräuchlich.

Die letzten Kaltzeiten
Alpenraum
(Namensgeber)
Norddeutschland
(Namensgeber)
Zeitraum
(Tsd. Jahre)
Günz-Kaltzeit (Günz) Elbe-Kaltzeit (Elbe) 640–540
Mindel-Kaltzeit (Mindel) Elster-Kaltzeit (Weiße Elster) 350–250
Riß-Kaltzeit (Riß) Saale-Kaltzeit (Saale) 230–130
Würm-Kaltzeit (Würm) Weichsel-Kaltzeit (Weichsel) 115– 10


Alle Kaltzeiten hatten erhebliche Auswirkungen auf die Fauna und Flora ihrer Zeit. Charakteristisch waren etwa Tiere wie Mammuts, Mastodonten, Säbelzahnkatzen, Höhlenlöwen, Höhlenbären und weiteren Formen. Auch lebten der Homo heidelbergensis, der Neandertaler und der Homo sapiens in Europa während der Kaltzeiten.

Frühere Eiszeiten

Auch die ältere Erdgeschichte ist durch das Auftreten bedeutender Vereisungsphasen geprägt. Nach der so genannten »Schneeball Erde«-Theorie war die Erde in ihrer Frühzeit vor etwa 700 bis 600 Millionen Jahren mehrmals fast komplett von Eis bedeckt, was die Entstehung des Lebens weit hinauszögerte. Klimamodelle der frühen Erde unterstützen diese Theorie mittlerweile zunehmend. Die Vermutung einer Eiszeit als Ursache für das Artensterben zu Beginn des Mesozoikums wurde dagegen mittlerweile widerlegt.

Ursachen von Kalt- und Warmzeiten

Die Suche nach den Ursachen für die zyklisch auftretenden Kalt- und Warmzeiten gehört auch heute noch zu den spannendsten Herausforderungen für die Paläoklimatologie. Sie ist eng mit den Namen James Croll und Milutin Milanković verbunden. Beide hatten Ideen des Franzosen Joseph Alphonse Adhémar weiterentwickelt, wonach Veränderungen der Erdbahngeometrie für wiederkehrende Kaltzeiten verantwortlich waren.

Erdbahngeometrie

Die Veränderung der Erdbahngeometrie wiederum wird durch wechselseitige Gravitationskräfte im System Sonne, Erde, Mond hervorgerufen; sie ändern die Form der elliptischen Erdumlaufbahn um die Sonne mit einer Periode von etwa 100 000 Jahren (Exzentrizität), die Neigung der Erdachse zur Umlaufbahn mit einer Periode von etwa 40 000 Jahren (Schiefe der Ekliptik), während die Tag-und-Nacht-Gleiche auf der elliptischen Umlaufbahn etwa nach 20 000 Jahren dieselbe Position auf der Ellipse einnimmt (Präzession). Durch diese so genannten Milanković-Zyklen verändert sich die Verteilung der Sonnenenergie auf der Erde.

Angeregt durch den deutschen Meteorologen Wladimir Peter Köppen formulierte Milanković 1941 in seiner Arbeit »Der Kanon der Erdbestrahlung und seine Anwendung auf das Eiszeitproblem« die Hypothese, dass eine Kaltzeit immer dann auftritt, wenn die Sommersonneneinstrahlung in hohen nördlichen Breiten minimal wird. Kühle Sommer sind nach Köppen für den Eisaufbau entscheidender als kalte Winter. Milanković suchte also dort nach den Ursachen für Eiszeiten, wo sie am offensichtlichsten sind, in den hohen nördlichen Breiten.

In jüngster Zeit gerät die Milanković-Theorie immer mehr in die Kritik. Die Vorstellung von einer wichtigen Rolle der Tropen und der Südhemisphäre bei Kaltzeit-Warmzeit-Wechseln gewinnt seit Ende der 1990er-Jahre zunehmend an Bedeutung. Statt eines Antriebs in hohen nördlichen Breiten allein muss nun von Veränderungen des globalen Strahlungshaushalts ausgegangen werden, unter anderem durch Änderungen der Zusammensetzung der Atmosphäre. Komplexe interne Wechselwirkungen durch ozeanische und atmosphärische Zirkulation – vor allem im Zusammenhang mit dem Golfstrom –, die Wirkung der Treibhausgase und andere Prozesse führen zu einem komplizierteren Mechanismus der Steuerung von Kaltzeit-Warmzeit-Wechseln.

Plattentektonik

Antrieb für die Änderungen in der Wechselwirkung der ozeanischen und atmosphärischen Zirkulation sind die Verschiebungen der kontinentalen Platten. Durch das Zusammen- oder Auseinanderdriften der Kontinente werden Meeresströmungen umgeleitet, die Gebirgsbildung verändert groß- und kleinräumig die Luftsrömungen.

So öffnete das Wegdriften von Australien und danach von Südamerika von der Antarktis im Oligozän zwei Passagen (Tasmanische Passage und Drake Passage) durch die sich ein Strömungssystem rund um die Antarktis etablieren konnte. Dieser kalte zirkumantarktische Strom isolierte Antarktika von warmen Oberflächenwassern. Antarktika kühlte ab und die Eisbildung an der südlichen Polkappe wurde so eingeleitet. Zuvor war die Meeresströmung stark zum Äquator hin abgelenkt, so dass sie stärker aufgewärmt wurde, bevor sie wieder zum Pol zurückkam.

Die Bildung einer Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika vor 4,2 bis 2,4 Millionen Jahren sorgte für die Umlenkung warmer Meeresströmungen und die Entstehung des Golfstroms, wie wir ihn heute kennen. Die Zufuhr von warmem Wasser in den hohen Norden konnte erst die notwendige Feuchtigkeit bereitstellen, um Grönland, den Baltischen Schild und das Nordmeer zu vereisen.

Die Entstehung der Faltengebirge, wie z. B. der Alpen, der Rocky Mountains oder des Himalayas, die für die Änderung der Zirkulationsmuster in der Atmosphäre sorgte, brachte ebenfalls die notwendige Feuchtigkeit auf die Kontinente, die zur Vergletscherung weiter Teile beitrug.

Aktivitätszyklen der Sonne

In der letzten Kaltzeit gab es zwei Dutzend erhebliche Klima-Umschwünge, bei denen innerhalb nur eines Jahrzehnts die Lufttemperatur über dem Nordatlantik um bis zu zwölf Grad Celsius anstieg. Diese Dansgaard-Oeschger-Ereignisse traten meist alle 1470 Jahre auf.

Diese Periodizität kann mit einer Überlagerung der drei bekannten Aktivitätszyklen der Sonne von elf, 87 und 210 Jahren erklärt werden: Nach 1470 Jahren ist der 210er-Zyklus sieben mal und der 86.5er-Zyklus 17 mal abgelaufen.

In der heutigen Warmzeit traten diese Dansgaard-Oeschger-Ereignisse nicht mehr auf, da die schwachen Sonnenschwankungen die stabilen Atlantikströmungen der letzten 10.000 Jahre nicht mehr stören konnten.

Siehe auch

Literatur

  • Edmund Blair Bolles: Eiszeit. Wie ein Professor, ein Politiker und ein Dichter das ewige Eis entdeckten, Berlin 2000. ISBN 3870245220
    »Zur Forschungsgeschichte, insb. Louis Agassiz, Charles Lyell und Elisha Kent Kane.«
  • Hansjürgen Müller-Beck: Die Eiszeiten. Naturgeschichte und Menschheitsgeschichte, München 2005. ISBN 3-406-50863-4
    »Knappe Einführung aus der Beck'schen Reihe.«
  • Josef Klostermann: Das Klima im Eiszeitalter, Stuttgart 1999. ISBN 3-510-65189-8