Frankfurter Judengasse

ehemalige jüdische Siedlung in Frankfurt am Main
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Die Frankfurter Judengasse war das von 1462 bis 1796 bestehende jüdische Ghetto in Frankfurt am Main. In der Frühen Neuzeit lebt in ihr die größte jüdische Gemeinde Deutschlands.

Auf Merians Stadtansicht von 1628 ist die Judengasse rechts oben als doppelte Häuserreihe erkennbar.

Lage und Bebauung

Die Judengasse lag jenseits der Stadtmauer am östlichen Rand Frankfurts. Nur wenig mehr als 3 Meter breit und etwa 330 Meter lang, beschrieb sie einen Bogen, der ungefähr von der heutigen Konstablerwache bis fast ans Mainufer reichte. Sie war rundum von Mauern umschlossen und nur über drei Tore zugänglich. Da der Frankfurter Magistrat sich jahrhundertelang einer Vergrößerung des Ghettos widersetzte, lebten auf dem Areal, das ursprünglich für 15 Familien geplant war, am Ende des 18. Jahrhunderts rund 3.000 Menschen. Nicht weniger als 195 Häuser und Hinterhäuser bildeten je zwei doppelte Gebäudezeilen zu beiden Seiten der Gasse. Zeitgenossen wie Goethe schildern sie als äußerst drangvolles, düsteres Stadtquartier. Aufgrund der engen Bebauung wurde die Judengasse mehrfach durch Feuersbrünste zerstört - allein im 18. Jahrhundert vier Mal.

Leben im Ghetto

 
Stammhaus der Bankiersfamilie Rothschild in der Judengasse

Das Leben in der Judengasse wurde bis ins Kleinste von der so genannten Judenstättigkeit reglementiert. Diese Verordnung des Frankfurter Rats legte unter anderem fest, dass die Juden das Ghetto nachts, Sonntags und an christlichen Feiertagen nicht verlassen durften. Über diese Isolierung hinaus enthielt die Judenstättigkeit eine Unzahl weiterer, zum großen Teil diskriminierender und schikanöser Bestimmungen. Sie regelte Aufenthaltsrecht, die Erhebung von Abgaben, und die berufliche Tätigkeit der Juden ebenso wie ihr Verhalten im alltäglichen Leben. So waren den Bewohnern der Judengasse pro Jahr nur eine bestimmte Zahl von Hochzeiten erlaubt. Selbst wohlhabende und angesehen Bewohner wie der Bankier Mayer Amschel Rothschild waren von den diskriminierenden Beschränkungen nicht ausgenommen.

Das Ende des Ghettos

Frankfurt hielt als eine der letzten Städte in Europa an der Ghettoisierung seiner jüdischen Bevölkerung fest. Erst als nach der Beschießung der Stadt durch französische Revolutionstruppen im Jahr 1796 erneut große Teile der Judengasse abbrannten, wurde den betroffenen Bewohnern gestattet, sich im christlichen Teil Frankfurts niederzulassen. Formell wurde der Ghettozwang erst 1811 durch die Regierung des damaligen Großherzogs von Frankfurt Carl Theodor von Dalberg aufgehoben.

Aufgrund der beengten Wohnverhältnisse verließen die meisten Juden im Laufe des 19. Jahrhunderts das Ghetto und ließen sich überwiegend im benachbarten Ostend nieder. In den 70er und 80er Jahren des 19. Jahrhunderts wurden der größte Teil der als unbewohnbar geltenden Häuser abgerissen. Zu den wenigen Gebäuden, die vorerst erhalten blieben, gehört das als Museum genutzte Stammhaus der Rothschilds.

Mit der Neubebauung wurde der südliche Teil der Judengasse 1885 nach einem ihrer berühmtesten Bewohner, Ludwig Börne, in Börnestraße umbenannt. Dort stand bis zur Reichspogromnacht von 1938 auch eine der Hauptsynagogen der Stadt.

Überreste des Ghettos

Nachdem die Nationalsozialisten fast alle Frankfurter Juden vertrieben, deportiert oder ermordet hatten, wurden in den Bombennächten des 2. Weltkriegs auch die Reste der ehemalige Judengasse vollständig zerstört. Die Lage der früheren Judengasse ist heute nicht einmal mehr im heutigen Straßenverlauf erkennbar, da das gesamnte Gebiet nach den Zerstörungen des Krieges völlig neu bebaut wurde. Das Gelände lag nach 1945 lange weitgehend brach.

Ende der 1980er Jahre wurden beim Bau eines neuen Verwaltungsgebäudes für die Frankfurter Stadtwerke Fundamente einzelner Häuser der Judengasse entdeckt. Daraufhin entwickelte sich eine bundesweite Debatte über den angemessenen Umgamng mit den Überresten jüdischer Kultur. Beigelegt wurde der Streit, indem die archäologischen Zeugnisse gesichert und in das neu gegründete "Museum Judengasse" im Untergeschoss des Verwaltungsgebäudes integriert wurden.

Literatur

  • Amos Elon: Der erste Rothschild. Biographie eines Frankfurter Juden, Reinbek 1999 ISBN 3499608898


Seite des Museums Judengasse