Chronik
Eine Chronik (von Vorlage:ELSalt2 chronika (biblia) zu chronos ,Zeit‘) ist eine geschichtliche Prosadarstellung, die die Ereignisse in zeitlicher Reihenfolge geordnet darstellt. Chroniken können von knappen, reinen Datenlisten bis hin zu ausführlichen Schilderungen für einzelne Jahresereignisse reichen.
Überblick
Die Chronik als Form der Geschichtsschreibung wurde im Altertum entwickelt. Bereits im alten Orient entstanden kurze chronikalische Werke, wenngleich diese nicht literarisch aufgearbeitet waren und über wichtige Ereignisse knapp berichteten. Auch in der griechisch-römischen Antike wurden Chroniken abgefasst. Zu nennen ist z. B. Apollodor von Athen, Kastor von Rhodos und Dexippos (wenngleich dessen Chronik wohl recht stark der „klassischen Geschichtsschreibung“ angenähert war). Bedeutenden Einfluss für christliche Geschichtsschreiber hatte das Werk des Sextus Iulius Africanus. Gerade für die Zeit der Spätantike liefern einige Chroniken, obwohl viele nur knappe Darstellungen boten, wichtige Erkenntnisse. Zu nennen sind unter anderem die Chronik des Eusebius von Caesarea, des Hieronymus, des Hydatius von Aquae Flaviae, des Josua Stylites, des Johannes Malalas oder das Chronicon Paschale. Mit dem Ende der Antike lebte diese Tradition im byzantinischen Reich fort (siehe etwa Georgios Synkellos und Theophanes).
Im lateinischen Westen erlebte die Chronik ihre Blütezeit im hohen und späten Mittelalter. Sie stellt sich als Bericht über geschichtliche Vorgänge in zeitlicher Anordnung, jedoch nicht auf der Grundlage der Kalender-Jahre (Annalen), sondern im größeren chronologischen Zusammenhang der Regierungszeiten etwa von Königen und Päpsten dar. Chroniken verfolgen die Absicht, dem Leser einen zeitlich geordneten historischen Überblick zu verschaffen; die von einem explizit christlichen Standpunkt aus verfassten Chroniken versuchen auch, einen Zusammenhang zwischen christlicher Heilsgeschichte und weltlicher Geschichte herzustellen.
Mittelalterliche Beispiele von Chroniken finden sich zum Beispiel in der Chronica maiora des Isidor von Sevilla (6./7. Jahrhundert), der Fredegarchronik oder der Freisinger Chronik (12. Jahrhundert). Ein unbekannter Autor verfasste im 13. Jahrhundert die Chronik der Morea über die Geschichte des fränkischen Kreuzritter-Fürstentums Achaia unter Wilhelm II. von Villehardouin. Deutschsprachige Chroniken (sieht man vom Annolied ab) kennt man seit dem 12. Jahrhundert. Beispiel afrikanischer Chroniken sind die Kilwachronik (um 1520) oder die Patechronik.
Nach Inhalt und Reichweite sind Weltchroniken, Kaiser- und Königschroniken, Landeschroniken, Kloster- und Städtechroniken (für Köln schon 1270!), schließlich die Familienchroniken zu nennen, die seit der Renaissance in Italien, bald aber auch in den deutschen Handelsstädten entstehen und ein neues Medium bürgerlichen Selbst- und Traditionsbewusstseins, aber auch eine Vorform der Autobiografie bilden. Schulchroniken begannen im 19. Jahrhundert und zeichneten oft das bis dahin gesammelte Wissen der ortsschulgeschichtlichen Entwicklung auf, um dann detailliert über die aktuelle Schulsituation (schul-)jährlich zu berichten.
Neben ihrer historischen Gebrauchsform lebt die Chronik heute auch als populäre Gebrauchsform weiter, so zum Beispiel in Dorf- oder Vereinschroniken. Eine weitere Karriere hat sie als literarisches Strukturmodell besonders in der fiktionalen Erzählprosa gemacht. So zum Beispiel in den Buddenbrooks von Thomas Mann.
Verwandte Formen
Durch die rein chronologische Darstellung von Ereignissen unterscheidet sich die Chronik von solchen Geschichtswerken, die das Geschehene unter Herstellung von Bezügen und Zusammenhängen zu verstehen, beschreiben und zu erklären versuchen sowie oft reichere Stilelemente beinhalten (z. B. Reden). Solche Geschichtswerke sind im Mittelalter unter anderem von Gregor von Tours, Ernst von Kirchberg, Fulcher von Chartres, Lambert von Hersfeld, Jean Froissart, Thietmar von Merseburg, Otto von St. Blasien und Matthias von Neuenburg verfasst worden. Bekannte spätmittelalterliche Chronisten aus der Schweiz sind unter anderem Gerold Edlibach, Hans Fründ, Konrad Justinger, Diebold Schilling der Ältere, Diebold Schilling der Jüngere, Werner Schodoler, Christoph Silberysen, Bendicht Tschachtlan und Johann Jakob Wick.
Als Publikation ist eine Chronik ein Nachschlagewerk, das nicht nach dem Alphabet, sondern nach der Zeitachse gegliedert ist. Allerdings findet man im Buchhandel unter der Bezeichnung „Chronik“ auch sonstige Darstellungen, die der Chronologie nicht mehr als andere Geschichtswerke folgen.
Außereuropäische Formen der Chronik sind z. b.
- die Kano-Chronik aus Nigeria
- die Chroniken für zahlreiche südostasiatische Stadtstaaten, siehe Chroniken Südostasiens
Literatur
- Gerhard Wirth, Karl Schnith, Raoul Manselli und 25 andere: '''Chronik'''. A. Spätantike - B. Allgemeine Fragestellung und Überblick über die mittelalterliche Chronistik (Mittelalterlicher Westen)- C-S. Die mittelalterliche Chronistik nach Ländern, Regionen und Kulturen. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 2. Artemis & Winkler, München/Zürich 1983, ISBN 3-7608-8902-6, Sp. 1955–2026 ((mit ausführlichen Literaturangaben)).
- Richard W. Burgess, Michael Kulikowski: Mosaics of Time. The Latin Chronicle Traditions from the First Century BC to the Sixth Century AD. Volume I: A Historical Introduction to the Chronicle Genre from its Origins to the High Middle Ages. Brepols, Turnhout 2013.
- Graeme Dunphy (Hrsg.): Encyclopedia of the Medieval Chronicle. 2 Bde. Brill, Leiden 2010.
- Stefan Dicker: Landesbewusstsein und Zeitgeschehen: Studien zur bayerischen Chronistik des 15. Jahrhunderts. Böhlau, Köln 2009.
- Stephanie Dzeja: Die Geschichte der eigenen Stadt. Städtische Chronistik in Frankfurt am Main vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Lang, Frankfurt a. M. 2003.
- Constantin Hruschka: Kriegsführung und Geschichtsschreibung im Spätmittelalter. Eine Untersuchung zur Chronistik der Konzilszeit. Böhlau, Köln 2001.
- Peter Johanek: Weltchronistik und regionale Geschichtsschreibung im Spätmittelalter. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im Spätmittelalter. Hrsg. von Hans Patze (Vorträge und Forschungen 31), Sigmaringen 1987, S. 287-330.
- Regula Schmid: Geschichte im Dienst der Stadt. Amtliche Historie und Politik im Spätmittelalter. Zürich 2009.
Weblinks
- Literatur über Chroniken im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek