Das Corps Lusatia Leipzig ist eine pflichtschlagende Studentenverbindung im Senioren-Convent zu Leipzig. 1848 gehörte das Corps zu den Gründern des Kösener Senioren-Convents-Verbands.[1] Die aktiven Leipziger Lausitzer studieren an der Universität Leipzig. Zu den Alten Herren gehören auch Alumni der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen, der Freien Universität Berlin, der Technischen Universität Berlin, der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität Breslau, der Universität Hamburg, der Universität zu Köln und der RWTH Aachen.

Couleur und Wahlspruch
Die Lausitzer tragen das stahlblau–gold–rote Band und eine blaue Studentenmütze im kleinen Biedermeierformat. Das Fuchsband ist stahlblau–rot.
Der Wahlspruch ist Libertas vita carior! [2]
Damals und heute
Studenten aus der Lausitz (lat. Lusatia) stifteten das Corps mit den Farben blau–rot–gold am 7. September 1807. Die Constitution des Corps datiert vom 13. Januar 1808.[3] Am 13. Januar 1808 nahm Lusatia den Namen Coniunctio Lusato-Polonica an. Sie kehrte am 9. August 1808 zum früheren Namen zurück und änderte am 24. März 1832 die Farbenfolge in blau–rot–gold.[1] Als Reaktion auf das Alleinvertretungsbestreben der Urburschenschaft gründete Lusatia mit Gleichgesinnten 1821 auf der Rudelsburg den Allgemeinen Senioren-Convent Jena-Leipzig-Halle, den Vorläufer des Kösener Senioren-Convents-Verbands.
Wegen einer Verrufserklärung wurde Lusatia mit den anderen Leipziger Corps am 12. März 1887 durch die Universität suspendiert. Dafür stiftete sie am 21. April 1887 „Cimbria“ mit den Farben hellblau–schwarz–kirschrot. Die Suspendierung endete am 10. September 1888.[1]
Auf Betreiben vom örtlichen Leiter der Deutschen Studentenschaft suspendierte die Universität Leipzig das Corps im April 1934.[1] Der Grund waren Auseinandersetzungen mit dem NS-Studentenbund. Lusatia widersetzte sich erfolgreich. Nach der Auflösung des HKSCV am 28. September 1935 suspendierte Lusatia am 11. Februar 1936. Mit den Corps Budissa, Saxonia Leipzig und Thuringia Leipzig führte sie ihre Tradition in der Kameradschaft Markgraf von Meißen getarnt weiter. Während des Zweiten Weltkrieges setzten Soldaten der Studentenkompanien das Corpsleben an der Universität Leipzig fort. Sie fochten Mensuren im geheimen Leipziger Waffenring. Nach ihrem Versuch, 1944 auch den Kösener SC-Verband auf der Rudelsburg neu zu gründen, leitete die Gestapo ein Verfahren wegen Hochverrats ein.
Da sich ein Weiterleben unter dem kommunistischen Regime nach dem Zweiten Weltkrieg in Leipzig als unmöglich erwies, wurde der Corpsbetrieb 1946 zunächst an die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen verlegt. Im Erlanger Senioren-Convent gehörte Lusatia zu den 22 Corps, die sich im Januar 1950 in der Interessengemeinschaft zusammenschlossen und die Rekonstitution des KSCV vorbereiteten.
1958 verlegte das Corps nach West-Berlin. Dort erzwang es 1968 gegen die Freie Universität gerichtlich seine Zulassung als studentische Vereinigung.[4] Nach der Deutschen Wiedervereinigung kehrte Lusatia 1990 an die Heimatuniversität zurück. Seit 1993 führt sie auch die Tradition des 1832 gestifteten Corps Lusatia Breslau fort. Lusatia Breslau war im westdeutschen Exil Mitglied des SC zu Köln und hatte nach Tradition der Technischen Hochschule Breslau einen weiteren Standort an der RWTH Aachen.
Seit 2005 tritt Lusatia amtlichen Bestrebungen entgegen, das Corps an der Universität Leipzig aus dem Blickfeld der Studentenschaft zu rücken. Ein Rechtsstreit war deswegen anhängig; der Anspruch des Corps, auf die Website der Universität verlinkt zu werden, wurde zurückgewiesen.[5]
Vorort
In den Jahren 1861, 1895, 1914 und 1987 (Berlin) stellte Lusatia als präsidierendes Vorortcorps den Vorsitzenden des oKC. Auch der Tübinger Vorortsprecher (1959) war Lausitzer. Paul Hirche (Lusatia Leipzig, Neoborussia Berlin) unterstützte Leonhard Zander 1881 bei seiner Kösener Reforminitiative.
Auswärtige Beziehungen
Lusatia ist das älteste blaue Corps, steht aber auch in Verhältnisverträgen mit Corps anderer Kösener Kreise, mit kreisfreien Corps und mit einem Corps des Weinheimer Senioren-Convents.
- Kartellcorps
- Borussia Halle
- Hannovera
- Innig befreundete Corps
- Onoldia
- Befreundete Corps
- Palatia-Guestphalia
- Thuringia Jena
- Palaiomarchia-Masovia Kiel
- Baltica-Borussia Danzig zu Bielefeld
- Erz
- Rhaetia
Träger der Klinggräff-Medaille
Mit der Klinggräff-Medaille des Stiftervereins Alter Corpsstudenten wurden ausgezeichnet:
- Hagen Reischel (1991)
- Rüdiger B. Richter (1993)
- Jan-David Hecht (2004)
Einzelne Lausitzer
In alphabetischer Reihenfolge
- Dirk Agena (1889–1934), Jurist und Landwirt, konservativer Landwirtschaftspolitiker in der Weimarer Republik
- Richard Andree (1835–1912), Geograph, Ethnograph (Andrees Allgemeiner Handatlas)
- Wilhelm Augustin Balthasar-Wolfradt (1864–1945), Militärjurist und Ministerialbeamter, Ordensmeister der Freimaurer
- Gustav Bansi (1870-1935), preußischer Ministerialbeamter, Regierungspräsident
- Ernst Bassermann (1854–1917), Jurist, Fraktionsvorsitzender der Nationalliberalen im Reichstag
- Erich Bauer (1890–1970), Studentenhistoriker
- Heinrich Blochmann,(1838–1878), Orientalist, Hochschulpräsident in Kalkutta
- Walter Bloem (1868–1951), Jurist und Schriftsteller
- Ernst Brandes (Politiker) (1862–1935), Agrarpolitiker
- Theodor von Brescius (1798–1871), preußischer Landrat, Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung
- Hans-Dieter Brunowsky (1923–2012), Marineoffizier, Volkswirt und Schriftsteller
- Theodor Christomannos (1854–1911), Jurist, Tiroler Politiker (Erschließung Südtirols)
- Julius Clarus (1819–1863), Pharmakologe in Leipzig
- Hermann Daubenspeck (1831–1915), Reichsgerichtsrat
- Waldemar Dyhrenfurth (1849–1899), Staatsanwalt in Schlesien, Schöpfer des Bonifatius Kiesewetter
- Gottfried Wilhelm Fink (1783–1846), Musikwissenschaftler (Universitätsmusikdirektor Leipzig)
- Eckart Förster (1920–1999), Kinder- und Jugendpsychiater
- Hans-Joachim Funfack (1921–2006), Urologe und Chirurg
- Max Funfack (1895–1972), Urologe
- Friedrich Wilhelm Gesenius (1825–1888), Neuphilologe, Schulreformer
- Otto Gleim (1866−1929), Gouverneur von Kamerun
- Gerhard Hachmann 1838–1904), Erster Bürgermeister von Hamburg
- Karl Haedenkamp (1889–1955), Arzt, Standespolitiker
- Kurt Häntzschel (1889–1941), Verwaltungsjurist, führender Presserechtler in der Weimarer Republik
- Christian Helfer (1930–2008), Rechtssoziologe
- Friedrich Theophil Hensel (1798–1869), Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, Abgeordneter im Sächsischen Landtag
- Scipio Agricola Herbig (1824–1891), MdR
- Christian Gottlob Herzog (1789–1868), Pädagoge, Theologe, Schulpolitiker
- Albert Heym (1828–1878), Seelsorger der vier letzten preußischen Könige
- Friedrich Heinrich Immisch (1819–1897), Theologe, kulturpolitischer Führer der Sorben
- Hartmut Horst (1941–2013), Internist; Fluchthelfer in West-Berlin
- Christoph Kaempf (1913–2001), Mitgründer und Direktor des Deutsch-Japanischen Kulturinstituts in Kyoto
- Fritz König (1866-1952), Pionier der Unfall- und Neurochirurgie
- Viktor Ferdinand von Kranold (1838–1922), Jurist, Eisenbahndirektionspräsident (Entwicklung des Berliner Eisenbahnwesens)
- Otto Küstner (1849–1931), Gynäkologe
- Kurt Albin Lade (1843–1922), Oberbürgermeister der Stadt Gera
- Karl Liebisch (1834–1901), Korps-Auditeur
- Fritz Lindenmaier (1881–1960), Senatspräsident am Reichsgericht, Bundesrichter
- Ferdinand Lindner (1842-1906), Maler und Illustrator
- Reinhold Lobedanz (1880–1955), Jurist, Präsident der DDR-Länderkammer
- Karl Mehnert (1883–1957), Generalleutnant, Stadtkommandant von Dresden
- Heinrich Minckwitz (1819–1886), Jurist, sächsischer Revolutionär und Parlamentarier 1848/49
- Victor Niemeyer (1863–1949), Rechtsanwalt und Notar, Freiballonflieger, Ehrenbürger der Stadt Essen
- Hermann Pauly (1870–1950), Chemiker (Pauly-Reaktion)
- Georg Gottlieb Pusch (1791–1846), Bergmann, Chemiker und Mineraloge: Begründer der Geologie Polens
- Eduard von Rabenau (1796-1881), preußischer Politiker und Dompropst von Naumburg
- Friedrich Wilhelm Ritschl (1806–1876), Altphilologe, Hochschulpolitiker (Kampf für universitäre Selbstverwaltung)
- Gustav Rubner (1810–1882), deutscher Arzt und Politiker
- Eberhard Schaetzing (1905–1989), Gynäkologe, Psychotherapeuth, Autor (Psychopax, Die verstandene Frau)
- Gerd von Scheven (1927–2013), Volkswirt und Ministerialbeamter
- Heinrich Karl Woldemar von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (1810–1871), königlich preußischer General der Kavallerie, General-Adjutant von Wilhelm I.
- Richard von Schlieben (1848–1908), Kultusminister Sachsens, liberaler Schulpolitiker
- Hans Schmidt-Leonhardt (1886–1945), führender Presserechtler des Dritten Reiches
- Eduard Caspar Jacob von Siebold (1801–1861), Gynäkologe
- Otto Söffing (1875-1952), Journalist, Herausgeber der Wochenschrift Mecklenburger Umschau, Hauptschriftleiter des Rostocker Anzeigers
- Bernhard Sommerlad (1905-1979), Journalist, Verlagsbuchhändler, Schriftsteller
- Wolfgang Steinhilber (1931–2009), Kieferchirurg
- Christian Friedrich Stempel (1787–1867), Theologe, als Kito Fryko Stempel namhafter niedersorbischer Dichter
- Heinrich Sturm (1860–1917), Kommunalpolitiker, Oberbürgermeister von Chemnitz
- Wolf Sturm (1921–2013), Arbeitsmediziner
- Julius Hans von Thümmel (1824–1895), Finanzminister und Ministerpräsident Sachsens
- Gustav Adolf von Tzschoppe (1794–1842), Direktor des Geheimen Staatsarchivs
- Victor Weidtman (1853–1926), Jurist, Bergbauindustrieller, Verbandspolitiker (Reichsknappschaftsgesetz)
- Carl Woelck (1868–1937), Bürgermeister von Weißensee
- Kurt Woelck (1882–1958), letzter Oberbürgermeister von Spandau
- Hans Ziegner-Gnüchtel (1859–1926), Bürgermeister der Stadt Wilhelmshaven
- Arthur Zimmermann (1864–1940), Staatssekretär im kaiserlichen Auswärtigen Amt (Zimmermann-Depesche)
Einzelnachweise
- ↑ a b c d Paulgerhard Gladen: Die Kösener und Weinheimer Corps. Ihre Darstellung in Einzelchroniken. WJK-Verlag, Hilden 2007, ISBN 978-3-933892-24-9
- ↑ dt. „Die Freiheit ist uns teurer als das Leben!“
- ↑ Ernst Meyer-Camberg (Hg.): 21 der ältesten Constitutionen der Corps und ihrer Vorläufer bis zum Jahre 1810. Einst und Jetzt, Bd. 26 (1981), S. 145–150
- ↑ Verwaltungsgericht Berlin in DVBl. 68, 714
- ↑ Aktenzeichen 2 B 386/07 des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts Bautzen, Entscheidung: http://www.justiz.sachsen.de/ovgentsch/documents/2B386_07.pdf
Literatur
- Richard Andree: Chronik des Corps Lusatia zu Leipzig 1807 bis 1877. Auszug aus den Annalen des Corps, Leipzig 1877.
- Richard Andree: Geschichte des Corps Lusatia zu Leipzig 1807 bis 1898. Leipzig 1898.
- Erich Bauer: Geschichte des Corps Lusatia zu Leipzig 1807-1932. Zeulenroda 1932.
- Egbert Weiß: Lusatia contra NSDtB 1934. Einst und Jetzt 17 (1972), S. 145–153.
- Egbert Weiß: Lausitzer im Befreiungskrieg 1813/15. In: Einst und Jetzt. (Jahrbuch für corpsstudentische Geschichtsforschung 29) 1984, S. 11–16.
- Egbert Weiß: Die Pistolenduelle der Leipziger Lausitzer im 19. Jahrhundert. In: Einst und Jetzt. (Jahrbuch für corpsstudentische Geschichtsforschung 50) 2005, S. 161–189.
- Egbert Weiß: Leipziger Studentenduelle im 19. Jahrhundert - ein Streifzug durch die Annalen des Corps Lusatia. In: Sebastian Sigler (Hrsg.): Sich stellen - und bestehen!. Festschrift für Klaus Gerstein. Essen 2010, ISBN 978-3-939413-13-4, S. 157–170.
Weblinks
Koordinaten: 51° 19′ 56,4″ N, 12° 20′ 40,7″ O