Flaggenstreit

heftige Kontroverse über die Verwendung oder die Symbolik einer Flagge
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Mit Flaggenstreit oder Flaggenkrieg wird eine Kontroverse über die Verwendung oder die Symbolik einer Flagge bezeichnet, die äußerst heftig geführt wird. Teilweise wird diese sogar als „symbolpublizistischer Bürgerkrieg“ bezeichnet.[1] Die Gründe für den Streit sind zumeist politischer und/oder ideologischer Natur. Gerade in Zeiten des politischen Umbruchs, in denen die nationalen Symbole oft einen Wandel erleben, wird um diese meist erbittert gestritten.

Neuseeland: Nationalflagge und Silberfarn-Flagge friedlich nebeneinander

Abweichend davon kann mit einem Flaggenstreit auch der Konflikt über die zu setzende Nationalflagge auf einem bestimmten Territorium, um Besitzansprüche eines Staates zu bekräftigen, gemeint sein. Ein Beispiel dafür wäre der Flaggenstreit zwischen den Vereinigten Staaten und Panama 1964 oder der Konflikt zwischen Kanada und Dänemark um die Hans-Insel.[2]

Historische Beispiele

Weimarer Republik

Mit dem Wechsel von Schwarz-Weiß-Rot des Kaiserreiches zu Schwarz-Rot-Gold in der Weimarer Republik kam es zu ständigen Diskussionen über die deutschen Nationalfarben. Der Streit führte neben parlamentarischen und öffentlichen Diskussionen sogar zu Straßenkämpfen zwischen den gegnerischen Lagern. Die Monarchisten und Nationalsozialisten favorisierten die Wiedereinführung der alten Flagge und verspotteten die neue Flagge als „Schwarz-Rot-Mostrich/Senf“. Die Gegner der Kaiserfarben antworteten mit „Schwarzweißrot, Männeken ist tot, Schwarzrotgold, die Jungfrau, die ist hold.“

Im Jahr 1926 scheiterte das Kabinett des Reichskanzlers Luther sogar am Flaggenstreit. Er ordnete am 5. Mai 1926 an, dass die gesandtschaftlichen und konsularischen Behörden des Reiches im außereuropäischen Ausland in Zukunft die schwarz-rot-goldene Nationalflagge und die schwarz-weiß-rote Handelsflagge (mit dem schwarz-rot-goldenen Obereck) nebeneinander setzen sollten. In den darauf folgenden hitzigen Debatten sowohl in der Öffentlichkeit als auch am 12. Mai 1926 im Reichstag, wurde Luther schließlich gestürzt.[3]

Der Streit eskalierte an Häuserbeflaggungen vor der Reichstagswahl am 6. November 1932. Sein Ende fand er mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und der vorläufigen Wiedereinführung von Schwarz-Weiß-Rot als Nationalflagge Deutschlands.[1] Schwarz-Rot-Gold kehrte mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland (Mai 1949) und der DDR (7. Oktober 1949) nach dem Zweiten Weltkrieg endgültig zurück.

Monarchisten gegen Republikaner in Portugal 1910

Mit der Ausrufung der Republik am 5. Oktober 1910 brach ein so heftiger Streit über die zukünftigen Symbole des Landes aus, dass man später vom „Flaggenkrieg“ (A Guerra das Bandeiras) sprach. In dieser Zeit gab es eine Vielzahl von unterschiedlichen Vorschlägen für eine neue Nationalflagge.[4] Vor allem über die Grundfarben wurde diskutiert. Während die Republikaner ihre traditionellen Farben Rot und Grün als neue Farben wollten, hielten die Monarchisten an dem alten Blau-Weiß fest. Blau hatte zudem eine religiöse Bedeutung als Farbe Unserer Lieben Frau der Empfängnis (Nossa Senhora da Conceição), der Schutzpatronin Portugals, und war ein Dorn in den Augen der Republikaner, welche die Säkularisierung Portugals anstrebten. In einer Regierungskommission wurden ab dem 15. Oktober 1910 verschiedene Entwürfe diskutiert.[5] Schließlich entschied sie sich für das Grün-Rot der Republikanischen Partei als Farben für die neue Flagge Portugals. Die politische Bedeutung dieser Farben, die bereits die republikanischen Aufständischen vom 31. Januar 1891 in Porto verwendeten, wurde hinter patriotischen Begründungen verborgen.[6][7]

Gewalttätige Folgen hatte der Flaggenwechsel in der Kolonie Portugiesisch-Timor, in der Unruhen ausbrachen. Die dortigen Kleinkönige (Liurai), die unter Oberhoheit Portugals die direkte Macht ausübten, hatten unter anderem als Zeichen des Bündnisses jeweils eine portugiesische Flagge erhalten, die der timoresischen Tradition folgend als heilige Objekte verehrt wurden, aus denen die Herrscher ihre Autorität und Stärke schöpften. Diese heilige Bedeutung der blau-weißen Flagge führte dazu, dass die neue Flagge oft nicht angenommen und die alte Flagge der Monarchie von den Liurais weiter benutzt wurde.[8][9]

Die exakte Farbgebung der Flagge Italiens

Nach einer Reform unter der rechtsorientierten Regierung Berlusconi wurden die Farben der Flagge Italiens 2003 per Gesetz erstmals genau definiert. Statt der bis dato gebräuchlichen kräftigen Farbtöne war das Grün der Flagge nun mehr lindgrün, das Weiß nun leicht elfenbeinfarben und das Rot etwas blasser. Die Opposition nannte dies einen „farblichen Staatsstreich“. Später erklärte Berlusconi, dass es sich bei den Farbtönen, die verwendet wurden, um einen „technischen Fehler“ handle. Am 28. Juli 2006 wurden die Farben unter der linksgerichteten Regierung Romano Prodis als Grün, Weiß und Scharlachrot umdefiniert.[10]

Mazedonien: Der Stern von Vergina

In den meisten Fällen streiten sich verschiedene politische Gruppen innerhalb eines Landes um die Darstellung der Nationalflagge. Als 1992 die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien den Stern von Vergina in ihrer roten Nationalflagge aufnahm, verlangte das Nachbarland Griechenland diesen wieder zu entfernen. Wie auch den Landesnamen Mazedonien, betrachtet Griechenland das Symbol als kulturelles Erbe und sah darin die Gefahr eines mazedonischen Anspruchs auf die nordgriechische Region Makedonien. 1995 tauschte Mazedonien als Kompromiss den Stern in seiner Flagge gegen eine stilisierte Sonne. Inzwischen nutzt die griechische Provinz eine eigene, früher inoffizielle blaue Flagge mit dem Stern von Vergina.

Berliner Flaggenkrieg 1996

 
Die Regenbogenfahne

Nicht ein Streit über das Design einer Nationalflagge, sondern die Verwendung eines Symbols für Homosexualität führte zum sogenannten Berliner Flaggenkrieg. Auf Vorschlag des damaligen Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg SVD (heute LSVD) wurde 1996 das erste Mal in Deutschland die Regenbogenfahne anlässlich des Lesbisch-Schwulen Stadtfestes und des Christopher Street Days in Berlin an den Rathäusern von Schöneberg, Tiergarten und Kreuzberg gehisst. Der damalige Berliner Innensenator Jörg Schönbohm versuchte über mehrere Jahre hinweg erfolglos, das Setzen der Fahne in den Berliner Bezirken unter Verweis auf die Berliner Flaggenverordnung zu verhindern. Seit dem Amtsantritt von Klaus Wowereit als Regierender Bürgermeister 2001 werden die Regenbogenfahnen von diesem gemeinsam mit Vertretern des LSVD jährlich zum Christopher Street Day am Roten Rathaus gehisst.

Flagge des Irak

Der damalige Machthaber des Iraks Saddam Hussein fügte 1991 in die bisherige Nationalflagge des Irak das sogenannte Takbir „Gott ist groß“ (Allahu Akbar) ein. Angeblich soll es sich dabei um seine persönliche Schrift gehandelt haben, weshalb die Flagge, trotz der religiösen Symbolik nach dem Sturz Husseins 2003 in die Kritik geriet. Am 28. Juni 2004 änderte man daher zunächst die Schrift in den eckigen kufischen Duktus. Zudem wurden aber auch besonders von der kurdischen Bevölkerung die drei grünen Sterne in der Flagge, Symbol der Baath-Partei, als Erinnerung an die Unterdrückung in der Diktatur empfunden. Ein Großteil der kurdischen Gebiete setzte daher eine eigene Flagge, statt der Nationalflagge.

Bereits im April 2004 stellte der Irakische Regierungsrat einen Entwurf für eine neue Nationalflagge vor: Auf weißem Hintergrund sind ein hellblauer Halbmond und ein gelber Streifen zwischen zwei blauen Linien zu sehen. Der Entwurf löste heftige Proteste aus, da die panarabischen Farben aus der Flagge verschwanden. Außerdem meinten Kritiker, der Entwurf würde der Flagge Israels ähneln. Viele empfanden die Flagge als Symbol des Amerikanischen Iraks. So blieb es vorerst bei der Änderung des Schrifttyps.

Im Januar 2008 folgte ein weiterer Vorschlag für eine neue Nationalflagge. Der Text Allahu Akbar sollte nun in Gelb statt in Grün gehalten werden. Die gelbe Farbe sollte hier die kurdische Minderheit repräsentieren. Die Bedeutung der Sterne wurde uminterpretiert in Friede, Toleranz und Gerechtigkeit.[11] Doch auch dieser Entwurf wurde von den Kurden wegen der Sterne abgelehnt.[12]

Schließlich wurden die Sterne aus der Flagge entfernt. Die grüne Beschriftung erhielt zudem einen dunkleren Farbton.[13][14] Im November 2008 sollte über eine neue Nationalflagge entschieden werden, die aus Einsendungen zu einem Wettbewerb ausgewählt werden sollte. Das blieb aber aus.[15]

Aktuelle Beispiele

Der Union Jack in Nationalflaggen

Die Nationalflaggen Australiens, Neuseelands und Tuvalus führen in der Gösch den Union Jack als Symbol der Bindung an die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien. Dies wird von Teilen der jeweiligen Bevölkerung als Symbol der Vorherrschaft Großbritanniens abgelehnt. Traditionelle Farben und Symbole der Sportler Australiens und Neuseelands liefern in diesen Ländern Vorlagen für beliebte Flaggenvorschläge, die vor allem bei Sportveranstaltungen bei den Fans ihre Verwendung finden. In Australien entstand so eine weit verbreitete Flagge mit einem boxenden, goldenen Känguru (Boxing kangaroo), teils mit den Sternen aus der Nationalflagge in Gold auf grünem Grund. In Neuseeland findet sich oft eine schwarze Flagge mit einem silbernen Farn. Daneben gibt es in beiden Ländern eine Vielzahl weiterer Vorschläge.

Während in Australien und Neuseeland die Diskussion seit Jahren ohne Ergebnis anhält, wurde in Tuvalu bereits zwischen 1995 und 1997 eine Nationalflagge ohne Union Jack verwendet, bis ein erneuter Regierungswechsel auch die Rückkehr zu einer leicht modifizierten Form der alten Nationalflagge mit dem Union Jack nach sich zog.

In Kanada wurde 1965 die alte Flagge mit dem Union Jack endgültig durch eine neue Nationalflagge ersetzt. Hier hatte vor allem die frankophone Bevölkerung (etwa 23 % der Kanadier, über 80 % in Québec) gegen den Union Jack aufbegehrt.[1] Allerdings sind hier immer noch einige nicht zufrieden, die sich an der rot-weißen Farbgebung störten, die ihnen als zu englisch erscheint. Sie fordern weiterhin ein sichtbares Symbol der Französisch sprechenden Bevölkerung, so etwa durch die Aufnahme von Blau in die Nationalflagge (in Anlehnung an das Bleu-Blanc-Rouge der französischen Tricolore), was aber auch wieder der Farbgebung des Union Jack entsprechen würde. [16]

Union Jack in Nordirland

 
Der Union Jack am Rathaus von Belfast

Am 3. Dezember 2012 beschloss der Stadtrat der nordirischen Hauptstadt Belfast den Union Jack nur noch zu besonderen Anlässen statt täglich am Rathaus zu setzen. Infolgedessen kam es zu gewalttätigen Unruhen durch pro-britische Protestanten, die darin eine Abkehr vom Vereinigten Königreich sehen.[17] Ausschreitungen gab es insbesondere in Belfast, aber auch in anderen mehrheitlich von Protestanten bewohnten Städten Nordirlands. Die Krawalle hielten bis Mitte Januar 2013 an.[18]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b c Michael Seeger: Der Flaggenstreit der Weimarer Republik
  2. Erkunde-Wissen.de: Kalter Hans
  3. A. Rabbow: dtv-Lexikon politischer Symbole. München 1970
  4. Flags of the World – Proposals for the new portuguese national flag (1910–1911)
  5. Lomba Viana: Do azul-branco ao verde-rubro. O simbolismo da bandeira nacional (Portugiesisch)
  6. Ministério da Defesa Nacional: A Bandeira Nacional (Portugiesisch)
  7. Acção Monárquica Tradicionalista: Bandeiras de Portugal (Portugiesisch)
  8. History of Timor – Technische Universität Lissabon (PDF; 824 kB)
  9. * Monika Schlicher: Portugal in Osttimor. Eine kritische Untersuchung zur portugiesischen Kolonialgeschichte in Osttimor 1850 bis 1912. Abera, Hamburg 1996, ISBN 3-931567-08-7, (Abera Network Asia-Pacific 4), (Zugleich: Heidelberg, Univ., Diss, 1994).
  10. Flags of the World – Italy
  11. Radio Netherlands, 15. Januar 2008, Iraq’s new flag half satisfies everyone
  12. Aswat Aliraq, 20. Januar 2008, Parliament to vote on changing flag after four days
  13. Offizielle Seite des Parlament des Irak (Arabisch)
  14. BBC, 22. Januar 2008, Iraq parliament approves new flag
  15. CW56, 15. Juli 2008, Iraq announces competition to design new national flag
  16. Canadian Duality Flag
  17. Süddeutsche Zeitung: Polizei nimmt in Belfast 70 Randalierer fest, 7. Januar 2013, abgerufen am 7. Januar 2013
  18. Junge Welt: Abgehängt – Zum Flaggenstreit in Nordirland, 10. Januar 2013