Die Straßenbahn St. Pölten war eine Straßenbahn in der niederösterreichischen Landeshauptstadt St. Pölten bis in das Jahr 1976. Die Planung der St. Pöltner Straßenbahn AG geht auf das Jahr 1905 zurück. Ursprünglich stand die Lastenbeförderung im Vordergrund, jedoch entwickelte sich der Personenverkehr deutlich stärker. An der Gesellschaft waren vor allem die Fabrikbetriebe wie die Harlander Coats und die Glanzstoff Austria beteiligt, die über Gleisanschlüsse an die Straßenbahnstrecke verfügten.
Straßenbahn St. Pölten | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Streckenlänge: | 9,42 km | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Spurweite: | 1435 mm (Normalspur) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Stromsystem: | 800 = | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Maximale Neigung: | 25,61 ‰ | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Minimaler Radius: | 100 m | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Geschichte
1905 wurde die St. Pöltner Straßenbahn Aktiengesellschaft (St.P.St.B.) gegründet und eine Vorkonzession erteilt. Aktionäre waren neben der Stadt St. Pölten die einige Industrielle der Stadt, gemeinsam wurde ein Kapital von 100.000 Kronen aufgebracht.[1] Nach der konstituierenden Sitzung am 2. April 1910 wurde die für Bau und Betrieb notwendige Konzession am 1. Mai erteilt.[2] Kurze Zeit später wurde mit dem Bau der Straßenbahn begonnen. Am 18. März 1911 wurde die Bahn feierlich eröffnet. Im Mai desselben Jahres wurde die Aktiengesellschaft, die nur zur Erbauung gedient hatte, aufgelöst und eine neue unter gleichem Namen gegründet, das Aktienkapital betrug 1.137.000 Kronen. Der Verwaltungsrat bestand aus Hermann Ofner (Stadtrat und Obmann der Bausektion der Stadt St. Pölten), Johann Urban (Direktor der Ersten österreichischen Glanzstoff-Fabrik), Josef Salcher junior (Direktor der Aktiengesellschaft der Harlander Baumwollspinnerei und Zwirnfabrik), Karl Salzer (Gesellschafter der Matthäus Salzers Söhne), Josef Benker (Seifensiederei Benker), dem Wiener Advokaten Wilhelm Graf und dem Bauamtsdirektor der Stadt St. Pölten, Josef Prokop.[3]
Neben der Stammstrecke wurden zahlreiche Industrieanschlüsse gebaut. Für den Betrieb der Bahn wurden anfangs drei Triebwagen für den Personenverkehr und zwei Lokomotiven für Lastentransporte von der Grazer Waggonfabrik beschafft. Weiters befanden sich die Güterwagen G1 (gedeckter Güterwagen) und JnG2 (Niederbordwagen) bis zum Beginn des 1. Weltkrieges im Besitz der St.P.St.B. Eine Verlängerung vom Bahnhofsplatz bis zur Kremser Gasse, die nur für den Personenverkehr diente, wurde am 12. Dezember 1912 in Betrieb genommen. Die Straßenbahn war eingleisig ausgelegt. Ausweichen gab es bei der Papierfabrik Salzer sowie in der Eybnerstraße. Auf weiten Teilen führte die Trasse abseits von Straßen, sie hatte somit den Charakter einer Überland-Straßenbahn.
Die Haupteinnahmequelle der Straßenbahn St. Pölten stellte der Güterverkehr dar, der Personenverkehr spielte anfangs eine untergeordnete Rolle. Durch die Anbindung des Stadtzentrums konnte eine Frequenzsteigerung im Personenverkehr erreicht werden, weshalb weitere Beiwagen angeschafft werden mussten.
1914 erwarb die Straßenbahn St. Pölten den einzigen in Österreich gebauten Postpakettriebwagen, der als Nr. 4 in den Fahrzeugbestand aufgenommen wurde (siehe Bild oben). Bis zur Aufgabe der Post- und Paketbeförderung mit der Bahn im Jahre 1932 brachte dieses Fahrzeug regelmäßig Post und Pakete nach Harland.
Die Strecke führte bis 1951 von der Brunngasse nach Harland, danach wurde die Strecke ab der Goldeggerstraße verkürzt. Grund für die am 21. Mai 1951 erfolgte Verkürzung war der zunehmende Individualverkehr. Die Straßenbahn war fortan nicht mehr mit dem Stadtzentrum verbunden, was einen starken Frequenzeinbruch zur Folge hatte. Der Zahl der transportierten Güter ging ebenfalls empfindlich zurück.
1974 beschloss die Betriebsleitung den Kauf zweier gebrauchter Triebwagen der Type T1 der Wiener Linien.
Am 10. Februar 1976 wurde die Straßenbahn aufgrund einer unbeglichenen Stromrechnung stillgelegt. Verhandlungen über eine Übernahme mit der ÖBB oder dem Land Niederösterreich scheiterten, sodass die Firma Konkurs anmelden musste.[4]
Nachnutzung
Heute sind Teile der ehemaligen Trasse zum Radweg „Tramway Trasse“ umfunktioniert, die denkmalgeschützte Remise steht an der Kreuzung Herzogenburgerstraße/Daniel-Gran-Straße und ist heute ungenutzt.[1] Seit 2004 wird über eine Wiedereinführung der Straßenbahn in St. Pölten nachgedacht; eine kurzfristige Realisierung scheint aber unwahrscheinlich.
Fahrzeuge
Die Strecke wurde mit folgenden Fahrzeugen befahren:
Nummer | Baujahr | Hersteller | LÜP | Achsstand | Bemerkungen |
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Lokomotiven | |||||
Lok 1 | 1911 | Grazer W. | 8.500 mm | 3.200 mm | Güterzuglok |
Lok 2 | 1911 | Grazer W. | 8.500 mm | 3.200 mm | Güterzuglok |
Lok 3 | 1930 | Grazer W. | 8.500 mm | 3.200 mm | Güterzuglok |
Lok 4 | 1953 | Goldeband | 7.640 mm | 2.800 mm | Güterzuglok |
Triebwagen | |||||
1 | 1911 | Grazer Waggonfabrik | 7.900 mm | 2.700 mm | Plattform Verglasung, 1976 ausgemustert |
2 | 1911 | Grazer Waggonfabrik | 7.900 mm | 2.700 mm | Plattform Verglasung, 1976 ausgemustert |
3 | 1911 | Grazer Waggonfabrik | 7.900 mm | 2.700 mm | Plattform Verglasung, 1976 ausgemustert |
4 | 1914 | Grazer Waggonfabrik | 7.700 mm | 2.700 mm | Postpakettriebwagen, 1938 in Beiwagen umgebaut |
5 | 1929 | Grazer Waggonfabrik | 10.700 mm | 3.200 mm | Plattform Verglasung, Tonnendach, 1976 ausgemustert |
006 | 1925 | Simmering | 11.600 mm | 3.600 mm | 1963 ex Wiener Stadtbahn, 1974 ausgemustert |
7 | 1954 | Lohner | 11.600 mm | 3.300 mm | 1974 ex Wiener Straßenbahn, 1976 ausgemustert |
Beiwagen | |||||
1 1 | 1901 | Grazer Waggonfabrik | 8.700 mm | 3.000 mm | Plattform Verglasung, 1920 umgebaut |
1 2 | 1891 | Simmering | 6.080 mm | 1.600 mm | 1918 ex Wiener Straßenbahn, 1941 umgebaut |
1 3 | 1905 | Bremer Straßenbahn | 7.800 mm | 2.200 mm | 1927 von der Bremer Straßenbahn gekauft, 1965 ausgemustert |
4 | 1914 | Werkstatt | 7.700 | 2.700 mm | umgebauter Tw 4, 1975 ausgemustert |
Bahndienstfahrzeuge | |||||
Draisine | 1943 | Werke Wörth | 4.960 mm | 2.200 mm | ex ÖBB X613.005, an Draisinenmuseum Traismauer abgegeben |
Turmwagenanhänger | ? | Eigenbau | ? | ? | heute Mariazeller Museumstramway |
Alle erhaltenen Fahrzeuge befinden sich heute im Besitz der Museumstramway Mariazell-Erlaufsee. Nr. 4 wurde weitgehend in den Originalzustand zurückversetzt.
Literatur
- Die elektrische Straßenbahn St. Pölten–Harland. (Mitteilungen der Österreichischen Siemens-Schuckert-Werke). In: Elektrotechnik und Maschinenbau. Anzeiger. Heft 22/1921, 29. Mai 1921, S. 89 f.
- Harald Marincig: "Die St. Pöltner Straßenbahn". Erste Auflage, Verlag Pospischil, Wien 1981.
- Wolfgang Kaiser: Straßenbahnen in Österreich. GeraMond, München 2004, ISBN 3-7654-7198-4.
- Harald Marincig: "Die St. Pöltner Straßenbahn". Zweite, stark erweiterte Auflage. Verlag Bahn im Film, Achau 2011, ISBN 978-3-9503096-0-7.
- Harald Marincig: Die St. Pöltner Straßenbahn. Elektronische Ressource: 1 DVD-R (55 Min.), 12 cm. Bahn im Film, Wien 2011.
Weblinks
- Steve Stipsits: Die Stadt St. Pölten (Straßenbahn, Autobus, O-Bus, U-Bahn). In: public-transport.at, 5. November 2012, abgerufen am 12. Februar 2013.
- Bernhard Graf (Hrsg., Red.): St. Pöltner Straßenbahn. In: tramways.at, abgerufen am 12. Februar 2013.
Einzelnachweise
- ↑ a b Gerhard A. Stadler: Das industrielle Erbe Niederösterreichs, Kapitel Gemeinde St. Pölten – Straßenbahnremise. Böhlau, Wien (u.a.) 2006, ISBN 3-20577460-4.
- ↑ Kundmachung des Eisenbahnministeriums betreffend die Konzessionierung einer mit elektrischer Kraft zu betreibenden normalspurigen Kleinbahn von St. Pölten nach Harland, Reichsgesetzblatt Nr. 96 vom 1. Mai 1910. In: Reichsgesetzblatt, Jahrgang 1910, S. 167. (online bei ANNO). .
- ↑ Firmaprotokollierungen. (…) St. Pölten, St. Pöltner Straßenbahn-Aktiengesellschaft. In: Wiener Zeitung, Amtsblatt, Nr. 144/1911, 25. Juni 1911, S. 749. (online bei ANNO). .
- ↑ Die Abkürzung
AZ
ist obsolet; bitte verwende Vorlage:Arbeiterzeitung.
Anmerkungen
- ↑ Bis 1929: Elbemühl. – Siehe: Gerhard A. Stadler: Das industrielle Erbe Niederösterreichs: Geschichte, Technik, Architektur. Böhlau, Wien (u.a.) 2006, ISBN 3-205-77460-4, S. 639, online.