Die Kultur der Zuger Kirschen (Schweizerdeutsch: Zuger Chriesi) ist rund 400 Jahre alt und prägt durch den Kirschenanbau sowie eine Vielzahl von Bräuchen und Kirschenprodukten die Identität der Region Zug wesentlich mit.
Geschichte
Der «Zuger Chriesimärt» (Zuger Kirschenmarkt) wurde 1627 erstmals urkundlich als «kriesymerckht» erwähnt. Die «Zuger Chriesigloggä», eine Art Erlaubnisglocke, die früher den offiziellen Start der Kirschenernte einläutete, ist seit 1711 nachweisbar. Der «Zuger Chriesisturm» bestand gemäss einer Nacherzählung von 1886 darin, dass die Bürger auf das Glockenzeichen hin mit ihren Leitern auf die Zuger Allmend rannten, sie an die volkseigenen Bäume stellten und die frischen Kirschen pflücken durften.
Der Zuger Kirsch (Obstbrand) genoss bereits im 18. Jahrhundert über die Landesgrenzen hinaus einen guten Ruf, und das Zugerland war bekannt für seine Kirschbäume. 1870 wurde zwecks Steigerung der Kirschqualität und des Exportes die «Kirschwasser-Gesellschaft in Zug» gegründet. 1915 gelangte die erste Zuger Kirschtorte in den Verkauf.
2006 wurde die Idee der «1000 Kirschbäume für Zug» lanciert und daraus 2008 die «IG Zuger Chriesi» gegründet. Zur Förderung der regionalen Kirschenkultur riefen die Kantone Zug, Schwyz und Luzern 2009 den Verein «Zuger & Rigi Chriesi» ins Leben.[1] Der Verein setzt sich für die Lancierung der Schutzmarken «AOP/GUB Zuger Kirsch» und «AOP/GUB Rigi Kirsch» sowie die Einführung der Schutzmarke «IGP/GGA Zuger Kirschtorte» ein. 2010 erklärte der Zuger Regierungsrat das «Zuger Chriesi als Kulturgut» zu einem Legislaturziel, 2011 machte der Zuger Stadtrat das Projekt «1000 Kirschbäume für Zug» zu einem seiner Legislaturziele. Im selben Jahr wurde die «Zuger Kirschtorten-Gesellschaft» in Steinhausen gegründet und der Verein «Aegeri Chriesi» in Oberägeri ins Leben gerufen.[2]
Der Kirschenanbau im Kanton Zug figuriert seit 2011 unter den lebendigen Traditionen der Schweiz,[3] die im Rahmen des immateriellen Kulturerbes der UNESCO auf nationaler Ebene erfasst wurden.
Wirtschaftlicher Stellenwert
Bezüglich Baumbestand erreichte die Zuger Kirschenkultur ihren Höhepunkt 1951. In diesem Jahr erfasste man anlässlich der periodischen Obstbaumzählung im Kanton Zug den Bestand von 44’482 Kirschbäumen. Danach setzte aufgrund reger Bautätigkeit und Veränderungen in der Landwirtschaft ein Rückgang der Hochstamm-Bäume ein. Zudem sorgten die tiefen Kischpreise dafür, dass manche Bauern ihre Kirschen nicht mehr ernteten und verkaufen konnten. Von den über 400 Bauernbetrieben im Kanton Zug betreiben rund drei Viertel Kirschenanbau (Stand 2013).
Förderung
«IG Zuger Chriesi» ist die Bezeichnung für eine 2008 in der Stadt Zug gegründete Interessengemeinschaft (IG), welche die Förderung der Zuger Kirschen und Kirschenkultur in der Region Zug zum Zweck hat. Schweizweite Aufmerksamkeit fand die Gruppierung mit ihrem Projekt «1000 Kirschbäume für Zug», das die Pflanzung von 1000 neuen Hochstamm-Kirschbäumen in der Region Stadt Zug vorantreibt. Es soll helfen, den markanten Rückgang des Kirschbaumbestandes zu bremsen und die Zuger Kirschenkultur mit ihren Produkten zu fördern. Spätestens bis ins Jahr 2018 soll die Pflanzung von 1000 neuen Kirschbäumen in der Region Zug realisiert sein. Die Bevölkerung kann sich am Vorhaben beteiligen, indem sie Patenschaften für die Bäume übernimmt.
Die Interessengemeinschaft ging aus einem von der Stadt Zug initiierten Ideenwettbewerb hervor, der 2007 unter dem Titel «Wir sind Zug» gestartet wurde. Hierbei rief die städtische Regierung die Bevölkerung dazu auf, Projektideen zur Aufwertung und Bereicherung des städtischen Lebens einzureichen.
Bis 2013 gelang es der IG, 500 Hochstamm-Kirschbäume in der Region Zug zu pflanzen und Baumpatenschaften für dieses Vorhaben zu gewinnen. Zudem hat sie seit 2008 massgebend zur Belebung und Ausweitung des alljährlichen «Zuger Chriesimärts» auf dem Zuger Landsgemeindeplatz beigetragen. 2009 sorgte die IG mit der Neuinterpretation des «Zuger Chriesisturms» für landesweite Schlagzeilen. Bei diesem Anlass rennen Erwachsene und Kinder mit langen Chriesileitern durch die Zuger Altstadt, sobald um 12 Uhr die «Zuger Chriesigloggä» der Kirche St. Michael läutet. Das Rennen zieht jedes Jahr Hunderte von Zuschauern und Touristen aus dem In- und Ausland an.
Eine wichtige Rolle spielte die IG bei der Lancierung von neuen Kirsch-Produkten (siehe Abschnitt Moderne Neukreationen). Zudem ist sie Organisatorin des alljährlichen «Zuger Chriesitages», der jeweils am Samstag vor den Sommerferien stattfindet und an dem sich die Bevölkerung bei der «Zuger Meisterschaft im Kirschenstein-Spucken» misst.
Produkte
Zuger Kirschtorte
Die Zuger Kirschtorte ist eine aus zwei Japonaisböden, Biskuit, Kirschsirup und Kirschtortencrème bestehende runde Torte aus dem Kanton Zug. Die Oberfläche der Torte ist mit Puderschnee bestäubt, der Tortenrand mit gerösteten Mandelscheiben dekoriert. Die Torte ist maximal 5 Zentimeter hoch und hat einen Durchmesser von mindestens 10 Zentimetern. Das so genannte Rautenmuster im Puderschnee ist ebenfalls Teil des Originalrezepts. Die Torte soll unter der Bezeichnung «IGP/GGA Zuger Kirschtorte» gesetzlich geschützt werden und ausschliesslich «AOP Zuger Kirsch» enthalten.
Zuger Kirsch
Der Zuger Kirsch ist ein traditionelles, aus Kirschen gebranntes Destillat, das ausschliesslich in der Region Zug hergestellt wird.
Seit dem 2. September 2013 ist der Zuger Kirsch, genauso wie der Rigi Kirsch, im Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen AOP (Appellation d’Origine Protégée) eingetragen und geniesst besonderen Schutz. Nur wer Kirschen aus einem bestimmten Perimeter in der Region Zug-Rigi verwendet, sie in der Region destilliert und das AOP-Pflichtenheft erfüllt, darf seine Kirschbrände «Zuger Kirsch» oder «Rigi Kirsch» nennen. Der Perimeter umfasst den ganzen Kanton Zug, die neun Schwyzer Gemeinden Arth, Küssnacht am Rigi, Steinen, Steinerberg, Sattel, Lauerz, Schwyz, Gersau, Brunnen-Ingenbohl sowie die sieben Luzerner Gemeinden Weggis, Meggen, Vitznau, Greppen, Meierskappel, Adligenswil und Udligenswil.
Der Zuger Kirsch genoss bereits im 18. Jahrhundert über die Landesgrenzen hinaus einen gewissen Bekanntheitsgrad. 1870 schlossen sich die Chriesibauern und Kirschbrenner zusammen und gründeten die «Kirschwasser-Gesellschaft in Zug», um die Qualität des Kirschs zu verbessern und den Export anzukurbeln. Die mit unzähligen internationalen Auszeichnungen und Goldmedaillen prämierte Vereinigung unterhielt um 1900 eigene Depots und Agenturen in Europa, Russland, Kleinasien, Nord- und Südamerika sowie in der Karibik. In der Folge etablierten sich die zahlreichen Haus- und Gewerbebrennereien rund um den Zugersee und die Nachfrage nach Kirsch wuchs weiter an. Der Zuger Kirsch ist heute weltberühmt und bildet das Kernprodukt der 400-jährigen Zuger Kirschenkultur.
Geschichte
Zuger Söldner in französischen Diensten hatten den Kirsch in die feine Pariser Gesellschaft eingeführt. Für seine blühenden Kirschbäume war die Region rund um den Zugersee berühmt, viele Walchwiler Bauern unterhielten eigene Baumschulen und belieferten die gesamte Innerschweiz mit jungen Obstbäumen. Im Zuge der Industrialisierung und des zunehmenden Imports von billigen Obstbranntweinen aus ganz Europa geriet das Zuger Kirschwasser immer mehr unter Druck. 1870 wurde auf Initiative des «kantonalen landwirtschaftlichen Vereins von Zug» die «Kirschwasser-Gesellschaft in Zug» gegründet. Zur neuen Aktiengesellschaft schlossen sich 116 Landwirte und Gutsbesitzer aus dem Kanton Zug mit dem Ziel zusammen, die Qualität des Zuger Kirschwassers zu steigern, Fälschungen zu vermeiden und den weltweiten Export zu fördern. Zu diesem Zweck unterhielt die genossenschaftliche Vereinigung um 1900 über 20 Depots und Agenturen in Europa, Russland, Kleinasien, Nord- und Südamerika sowie in der Karibik und sandte Vertreter aus, die bei Gastronomiebetrieben und Verkaufsläden mit Gratis-Mustern für den Zuger Kirsch warben.
1872 errichtete die Kirschwasser-Gesellschaft an der Chamerstrasse 6 im Stadtzuger Neustadtquartier ein repräsentatives Gebäude mit einer Lagerkapazität von 500 Tonnen Brennkirschen und betrieb dort eigene, dampfbetriebene Destillationsapparate, die von Carl Georg Siemens in Stuttgart hergestellt wurden. Zum unabhängigen Kontrollexperten wurde der Zuger Kantonsschullehrer und renommierte Aargauer Chemieprofessor Friedrich Christoph Mühlberg, der spätere Lehrer von Albert Einstein, bestimmt.
Nicht zuletzt durch die verbesserten Strassen- und Schiffsverbindungen sowie die 1864 eröffnete neue Eisenbahnverbindung von Zürich nach Luzern mit dem gleichzeitig gebauten Zuger Kopfbahnhof an der Kreuzung Alpenstrasse/Bundesstrasse erlangte das Kirschwasser aus dem Kanton Zug weltweite Verbreitung. Zur Kundschaft gehörten ab 1875 auch die Rigi-Touristen, die bei der neuen Zuger Schifflände am Alpenquai in unmittelbarer Nachbarschaft das Kursschiff nach Arth bestiegen. An internationalen Ausstellungen in London, Wien und Weinfelden 1873, Philadelphia 1876, Paris 1878 und 1900, Zürich 1883, Chicago 1893, Genf 1896 und Brüssel 1897 gewann der begehrte Zuger Kirsch höchste Auszeichnungen, an der Schweizerischen Landesausstellung in Bern errang die Gesellschaft 1914 die Goldmedaille. Die Bekanntheit und der gute Ruf des Zuger Kirschwassers konnten innert eines halben Jahrzehnts markant gesteigert werden. Im «Illustrirten Führer Zug» schwärmte man 1885: «Das zugerische Kirschwasser ist nicht nur an allen europäischen Höfen geschätzt, sondern geht auch in die fernsten Welttheile und darf nirgends fehlen, wo der duftende Mokka in chinesischen Schalen aufgetischt wird. So begegnen sich in der zierlichen Tasse des Ostens die Wohlgerüche Arabiens und der feurige Geist der Zugerbergkirschen. Gedörrtes Obst und feines Tafelobst geht in die näher liegenden Länder.»
Man kann davon ausgehen, dass Heinrich Höhn, der an der Alpenstrasse 7 in Zug 1915 die Zuger Kirschtorte erfand, durch die Aktivitäten der Kirschwasser-Gesellschaft inspiriert wurde. Denn diese befand sich in unmittelbarer Nähe von seiner Backstube.
1919 wurde das Gebäude der «Kirschwasser-Gesellschaft in Zug» samt Umschwung an die Protestantische Kirchgemeinde verkauft, die es in der Folge als Pfarrhaus und «Mädchen-Oberschule» nutzte. 1932 wurden die Aktivitäten der Kirschwasser-Gesellschaft eingestellt. Zahlreiche Haus- und Gewerbebrennereien hatten sich anfangs des 20. Jahrhunderts im Kanton Zug etabliert, das Geschäft florierte, die Nachfrage nach köstlichem Zuger Kirsch wuchs bis in die 1950er Jahre weiter an. 2010 wurde der ehemalige Sitz der Kirschwasser-Gesellschaft abgerissen und an seiner Stelle 2012 das Reformierte Kirchenzentrum des Kantons Zug errichtet. Das an der Chamerstrasse 6 angebrachte Steinwappen mit Kirschzweigen erinnert als historisches Überbleibsel an die goldene Zeit des Zuger Kirsch. Das Nachfolge-Unternehmen der Kirschwasser-Gesellschaft existiert heute unter dem Namen KIWAG und ist bei der «Etter Söhne AG Distillerie» in Zug domiziliert.
Popularität
Der «Zuger Kirsch» ist weltweit in über 20 Ländern erhältlich und erlebt seit einiger Zeit eine kulinarische Renaissance. Nicht nur in der Zuger Gesellschaft gilt es als chic, stets einige Kirschflaschen vorrätig zu haben und mit Kirschwasser anzustossen. Bei den traditionellen Mittagessen, die der Kantonsrat an Sitzungstagen gemeinsam einnimmt, wird der «Zuger Kirsch» im Gegensatz zu anderen Destillaten vom Kanton spendiert, weil es ein Stück «Zuger Kulturgut» ist.
Verbrauch
Einige gewerbliche Distillerien und zahlreiche bäuerliche Brennereien stellen in der Region Zug heute pro Jahr rund 50'000 Liter «Zuger Kirsch» (Alkoholgehalt 42%) her. Alleine für die «Zuger Kirschtorten» werden jährlich schätzungsweise 15'000 Liter benötigt. Als Besonderheit werden die hochprozentigen Fruchtbrände in Korbflaschen auf den Dachböden von Bauernhäusern gelagert, wo sich der saisonale Temperaturunterschied günstig auf die Reifung auswirkt. So entstehen typische Geschmacksnuancen wie «Süsse», «Nuss», «Marzipan» oder «Würze». Zuger Brenner produzieren sortenreinen Kirsch oder Assemblagen aus verschiedenen Brennkirschensorten mit unterschiedlichen Jahrgängen, die regelmässig mit Höchstnoten prämiert und mit Medaillen ausgezeichnet werden.
Moderne Neukreationen
Zuger Chriesiwurst
2009 wurde mit der «Zuger Chriesiwurst» eine neue Kirschenspezialität mit getrockneten Kirschen lanciert. Die Wurst besteht aus einem Grundbrät mit gehacktem Rinds- und Schweinefleisch, Halsspeck, Eis, Wasser und Gewürzen. Dazu kommen getrocknete schwarze Zuger Kirschen, die verkleinert in die Brätmasse vermengt werden.
Zuger Chriesigloggä
2011 wurde in Zug das 300-Jahr-Jubiläum der ersten Erwähnung der «Zuger Chriesigloggä» gefeiert. Gleichzeitig wurde die Zuger Chriesigloggä, eine neue Kirschenspezialität in Glockenform aus Schokolade mit Kakao und Kirschengelee (mit oder ohne Zuger Kirsch) lanciert.
Zuger Chriesibier
Das Zuger Chriesibier ist das Produkt einer Baarer Brauerei. Lanciert wurde das Spezialbier 2012 zum 150-Jahr-Jubiläum des Familienunternehmens. Das Bier enthält Saftkonzentrat aus Zuger Kirschen und wird darum mit dem Motto «hiesig chriesig» beworben.
Zuger Chriesijoghurt
Im Sommer 2013 lancierte die Firma Nestlé Hirz das Zuger Chriesi Joghurt. Es enthält ausschliesslich Kirschen aus dem Kanton Zug.
Einzelnachweise
- ↑ Website des Vereins Zuger & Rigi Chriesi
- ↑ Website des Vereins Aegeri Chriesi
- ↑ Kirschenanbau, Informationsseite auf der Website Lebendigen Traditionen