Richard Coudenhove-Kalergi

österreichischer Schriftsteller, Politiker und Gründer der Paneuropa-Bewegung
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Richard Nicolaus Graf Coudenhove-Kalergi (* 16. November 1894 in Tokio; † 27. Juli 1972 in Schruns/Österreich) war ein österreichischer Schriftsteller, Politiker und Gründer der Paneuropa-Union.

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Richard Coudenhove-Kalergi

Leben

Coudenhove-Kalergi, Sohn des königlich-kaiserlichen Botschafters in Japan Heinrich Coudenhove-Kalergi und seiner japanischen Frau Mitsu Aoyama, war ein Visionär. Er entwickelte die „Pan-Europa“-Idee und schlug vor, dass Europa sich zu einem politischen und wirtschaftlichen Zweckverband zusammenschließt, genannt Pan-Europa, d.h. „Ganz Europa“. Im Jahr 1924 gründet er die Paneuropa-Union, die älteste europäische Einigungsbewegung. Mitglieder waren unter anderem Albert Einstein, Thomas Mann und Konrad Adenauer. Graf Coudenhove-Kalergi war damit ein Vordenker der heutigen europäischen Idee und des europäischen Selbstverständnisses, bzw. einer europäischen Identität. Im Gegensatz zur heutigen Europäischen Union (EU) sah Kalergi Europa eher als Gegengewicht zu den USA, Russland und Asien in wirtschaftlicher, aber auch kultureller und politischer Hinsicht.

Weitere Aspekte eines Europa nach Kalergi waren Freiheit, Frieden, Wohlstand und Kultur. Das heutige Europa hat eben dieses Selbstverständnis übernommen, das Kalergi in einer Zeit des absoluten Nationalismus verbreitete, gerade nach dem 1. Weltkrieg, welcher 1918 endete. Graf Coudenhove-Kalergi forderte Frankreich und Deutschland auf, ihre Streitigkeiten beizulegen und sich stattdessen auf die Gemeinsamkeiten zu konzentrieren. Die skandinavischen Staaten sollten nach Kalergis Ansicht bei Europas Fortschritt die Initiative ergreifen und versuchen im restlichen Europa zu vermitteln.

Kalergis Ideen wurden verdrängt, als 1939 der 2. Weltkrieg ausbrach. Während des Dritten Reiches wurde die Paneuropa-Union verboten. 1938 emigrierte er zuerst in die Schweiz und anschließend in die USA. In dieser Zeit lehrt er in New York als Professor für Geschichte. Coudenhove-Kalergi gab seine Ideen bis zu seinem Tode 1972 nicht auf und blickte voller Freude und Hoffnung auf die Entwicklung Europas nach Ende des 2. Weltkriegs. Er begrüßte ganz besonders die Rede Winston Churchills im Jahre 1946, der zentrale Forderungen Kalergis aufnahm. Am 18. Mai 1950 erhielt er den ersten internationalen Karlspreis der Stadt Aachen für besondere Verdienste um die Europäische Einigung.

Am 5. Juni 1950 unterbreitete er dem Europarat seinen Entwurf für eine Europäische Flagge (Brief im PDF-Format). Wegen des Widerstands der Türkei gegen den Entwurf mit einem roten Kreuz in der Mitte der Flagge wird der Vorschlag später aufgegeben.

Am 3. August 1955 schlug er Beethovens Vertonung von Schillers Ode an die Freude als neue Europäische Hymne vor (Brief im PDF-Format). Seit 1972 ist die Melodie offizielle Hymne des Europarats und seit 1985 die offizielle Hymne der Europäischen Union.

Nach Coudenhove-Kalergis Tod wurde sein langjähriger Vizepräsident Otto von Habsburg 1972 Präsident der Internationalen Paneuropa-Union.

Barbara Coudenhove-Kalergi ist seine Nichte, Ida Friederike Görres ist seine Schwester.

Siehe auch: Europäische Einigung

Zitate

  • „Der Mensch der fernen Zukunft wird Mischling sein. Die heutigen Rassen und Kasten werden der zunehmenden Überwindung von Raum, Zeit und Vorurteil zum Opfer fallen. Die eurasisch-negroide Zukunftsrasse, äußerlich der altägyptischen ähnlich, wird die Vielfalt der Völker durch eine Vielfalt der Persönlichkeiten ersetzen.“

Praktischer Idealismus, Seite 23.

  • „In der Regel ist der Urbanmensch Mischling aus verschiedensten sozialen und nationalen Elementen. In ihm heben sich die entgegengesetzten Charaktereigenschaften, Vorurteile, Hemmungen, Willenstendenzen und Weltanschauungen seiner Eltern und Voreltern auf oder schwächen einander wenigstens ab. Die Folge ist, daß Mischlinge vielfach Charakterlosigkeit, Hemmungslosigkeit, Willensschwäche, Unbeständigkeit, Pietätlosigkeit und Treulosigkeit mit Objektivität, Vielseitigkeit, geistiger Regsamkeit, Freiheit von Vorurteilen und Weite des Horizonts verbinden.“

Praktischer Idealismus, Seite 21.

  • „So ging schließlich aus all diesen Verfolgungen eine kleine Gemeinschaft hervor, gestählt durch ein heldenmütig ertragenes Martyrium für die Idee und geläutert von allen willensschwachen und geistesarmen Elementen. Statt das Judentum zu vernichten, hat es Europa wider Willen durch jenen künstlichen Ausleseprozeß veredelt und zu einer Führernation der Zukunft erzogen. Kein Wunder also, daß dieses Volk, dem Ghetto-Kerker entsprungen, sich zu einem geistigen Adel Europas entwickelt. So hat eine gütige Vorsehung Europa in dem Augenblick, als der Feudaladel verfiel, durch die Judenemanzipation eine neue Adelsrasse von Geistes Gnaden geschenkt.“

Praktischer Idealismus, Seite 50.

  • „Der Sozialismus, der mit der Abschaffung des Adels, mit der Nivellierung der Menschheit begann, wird in der Züchtung des Adels, in der Differenzierung der Menschheit gipfeln. Hier, in der sozialen Eugenik, liegt seine höchste historische Mission [...]: ausungerechter Ungleichheit über Gleichheit zu gerechter Ungleichheit zu führen, über die Trümmer aller Pseudo-Aristokratie zu echtem neuem Adel.“ Praktischer Idealismus, Seite 56/57.
  • „Diese Entwicklung, und damit das Chaos moderner Politik, wird erst dann ihr Ende finden, bis eine geistige Aristokratie die Machtmittel der Gesellschaft: Pulver, Gold und Druckerschwärze an sich reißt und zum Segen der Allgemeinheit verwendet. Eine entscheidende Etappe zu diesem Ziel bildet der russische Bolschewismus, wo eine kleine Schar kommunistischer Geistesaristokraten das Land regiert und bewußt mit dem plutokratischen Demokratismus bricht, der heute die übrige Welt beherrscht. Der Kampf zwischen Kapitalismus und Kommunismus um das Erbe des besiegten Blutadels ist ein Bruderkriege des siegreichen Hirnadels, ein Kampf zwischen individualistischem und sozialistischem, egoistischem und altruistischem, heidnischem und christlichem Geist. Der Generalstab beider Parteien rekrutiert sich aus der geistigen Führerrasse Europas: dem Judentum.“

Praktischer Idealismus, Seite 32/33.

  • „Was die Juden von den Durchschnitts-Städtern hauptsächlich unterscheidet, ist, daß sie Inzuchtmenschen sind. Charakterstärke verbunden mit Geistesschärfe prädestiniert den Juden in seinen hervorragendsten Exemplaren zum Führer urbaner Menschheit, zum falschen wie zum echten Geistesaristokraten, zum Protagonisten des Kapitalismus wie der Revolution.“

Praktischer Idealismus, Seite 28.

  • „Anfang 1924 erhielten wir einen Anruf von Baron Louis Rothschild: Einer seiner Freunde, Max Warburg aus Hamburg, hatte mein Buch gelesen und wollte uns kennenlernen. Zum meinem großen Erstaunen bot mir Warburg spontan sechzigtausend Goldmark an, zur Ankurbelung der Bewegung während der drei ersten Jahre.“

Ein Leben für Europa, Seite 124/125.

  • „Nur Churchill hielt auch während des Kriegs an der Paneuropaidee fest... Die Paneuropabewegung verdankt ihren Erfolg hauptsächlich der tätigen Mitwirkung der beiden einflußreichsten Zeitungen New Yorks, der New York Times und der New York Herald Tribune.“

PANEUROPA 1922 bis 1966, Seite 73.

  • „Zuletzt war ganz Amerika für die Paneuropa-Idee gewonnen. Nachdem Truman Präsident geworden war, trat auch er öffentlich in einem durch ,Reader's Digest' weitverbreiteten Artikel für die Paneuropa-Idee ein.“

PANEUROPA 1922 bis 1966, Seite 73.

  • „Die nächsten fünf Jahre der Paneuropa-Bewegung waren zur Hauptsache diesem Ziel gewidmet: durch Mobilisierung der Parlamente die Regierungen zu zwingen, Paneuropa zu errichten.“

PANEUROPA 1922 bis 1966, Seite 76.

  • „Unter dem dreifachen Druck der europäischen Parlamente, der Vereinigten Staaten von Amerika und der öffentlichen Weltmeinung entschlossen sich noch im selben Jahr die Regierungen zum Handeln.“

PANEUROPA 1922 bis 1966, Seite 79.

  • „Die Vision eines größeren Europas, eines wahren Paneuropas - von Wladiwostok nach San Francisco - ist das Vermächtnis der alten Paneuropabewegung an die junge Generation.“

PANEUROPA 1922 bis 1966, Seite 103.

Schriften

  • Praktischer Idealismus (1925)
  • Kampf um Paneuropa (3 Bände, 1925-28)
  • Die Europäische Nation (1953)
  • Weltmacht Europa (1971)

Literatur

  • Ziegerhofer-Prettenthaler, Anita (2004): Botschafter Europas. Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi und die Paneuropa-Bewegung in den zwanziger und dreißiger Jahren. ISBN 3-205-77217-2