Lope de Aguirre

baskisch-spanischer Eroberer in Südamerika
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Lope de Aguirre (* um 1511 in Oñate; † 27. Oktober 1561) war ein spanischer Konquistador, der sich während einer Expedition auf der Suche nach dem Goldland Eldorado gegen die spanische Krone auflehnte.

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Lope de Aguirre

Lebenslauf

Aguirre (bask. Agirre) wurde zwischen 1511 und 1515 in Oñate in der baskischen Provinz Gipuzkoa geboren. Er entstammte vermutlich einem adligen Geschlecht und hatte einen kirchlichen Richter als Vorfahren.

Vermutlich 1536 oder 1537, also unmittelbar nach der spanischen Eroberung, erreichte Lope de Aguirre Peru und war in der Folgezeit an verschiedenen politischen Intrigen beteiligt. Damals kam es zwischen konkurrierenden Gruppen von Konquistadoren immer wieder zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen, während die spanische Krone durch Entsendung königlicher Beamter versuchte, das neue Territorium unter ihre Kontrolle zu bekommen. Für besonderen Unmut unter den Eroberern sorgten neue Gesetze, welche die Versklavung von Indianern verboten. Einige Rebellen argumentierten, die Eroberung Perus sei ein Privatunternehmen gewesen und die spanische Krone habe daher keinen Anspruch auf die neuen Ländereien. Auch Lope protestierte in mehreren Briefen an den spanischen König gegen die Zustände in der Kolonie. In diesen Briefen, die zum Teil noch erhalten sind, greift er den spanischen König Philipp II. scharf an, bezeichnet ihn einmal gar als „schlimmer als Luzifer“.

Aguirre verdiente sich seinen Unterhalt zunächst mit Pferdezucht und nahm dann an einer Expedition gegen den Indianerstamm der Chunchos teil. 1541 kämpfte er auf der Seite von Alvares Holguín gegen Diego de Almagro el Viejo, danach auf Seiten des Vizekönigs Blasco Núñez de Vela gegen Gonzalo Pizarro. Zwischenzeitlich floh er nach Nicaragua und kam erst 1548 nach der Hinrichtung Gonzalo Pizarros nach Peru zurück. Es wird vermutet, ist aber nicht nachgewiesen, dass Aguirre 1553 an der Rebellion Sebastián de Castillas gegen die spanische Krone teilnahm.

Im Jahre 1554 gab es einen Gnadenerlass des Vizekönigs für alle ehemaligen Rebellen, die sich der Armee von Alonzo de Alvarado anschlossen, um den Aufstand von Hernández Girón niederzuschlagen. Aguirre nahm an den Kämpfen auf Seiten des Vizekönigs teil, wurde im Mai 1554 in der Schlacht von Chuquinga verwundet und hinkte seitdem.

Von 1554 bis 1558 trieb sich Aguirre beschäftigungslos in Peru herum und soll zwischenzeitlich zusammen mit seinem Freund Lorenzo de Salduendo wegen Verschwörung gegen die Krone inhaftiert gewesen sein. Einer Verurteilung entgingen beide angeblich dadurch, dass sie sich zur Expedition von Pedro de Ursúa meldeten. Dabei nahm Aguirre seine Tochter Elvira mit.

Amazonasexpedition zur Suche nach dem Eldorado

Pedro de Ursúa plante eine Expedition ins Reich der Omagua im Süden des heutigen Venezuela, wo man damals das sagenhafte Goldland Eldorado vermutete. Diese Vermutung beruhte auf Berichten des deutschen Konquistadors Philipp von Hutten. Dass dieses Land in Wirklichkeit nicht existierte, war damals noch nicht bekannt, man hielt es vielmehr für ein reales Königreich.

Ursúas Expedition verzögerte sich mehrmals aus Geldmangel. Die königliche Verwaltung, froh darüber, so viele potenzielle Unruhestifter weit weg von Peru zu wissen, gewährte schließlich einen größeren Zuschuss. Das dann immer noch fehlende Geld besorgte sich Ursúa durch einen fragwürdigen Gewaltstreich, so dass er schließlich mit 300 bewaffneten Spaniern, mehreren hundert indianischen Hilfskräften, 20 afrikanischen Sklaven und 27 Pferden im Februar 1559 Lima verlassen konnte. Im September 1560 erreichte die Expedition den Amazonas und begab sich mit Schiffen flussabwärts in den kaum erforschten Urwald.

Der Expedition hatten sich von Anfang an zahlreiche Unzufriedene angeschlossen in der Hoffnung, Ursúa würde seine Truppen für einen Aufstand gegen den Vizekönig einsetzen. Für diese Leute war es eine Enttäuschung, als die Expedition dann tatsächlich in den Urwald aufbrach. Ursúa war zuvor gewarnt worden, mehrere bekannte Unruhestifter, darunter Aguirre, mitzunehmen, hatte die Warnungen allerdings ignoriert.

Als im November der Mittellauf des Amazonas erreicht war und sich das angebliche Goldland als Illusion erwies, mehrte sich die Unzufriedenheit unter den Expeditionsteilnehmern. Aguirre und Salduendo zettelten eine Verschwörung gegen Ursúa an. In der Nacht zum 1. Januar 1561 wurde dieser ermordet und der andalusische Edelmann Fernando de Guzmán als neuer Expeditionsführer eingesetzt.

Guzmán verkündete, die Suche nach dem nicht existierenden Reich der Omagua aufgeben und stattdessen nach Peru zurückkehren zu wollen, um dort den Kampf gegen den Vizekönig und seine Beamten aufzunehmen. Daraufhin wurde er im März 1561 von der Mehrheit der Expeditionsteilnehmer als neuer Anführer bestätigt. Auf Vorschlag Aguirres wurde Guzmán wenige Tage später zum Herrscher ausgerufen und sollte nach der Ankunft in Peru zum König gekrönt werden. Ein von Aguirre aufgesetztes Dokument, in dem sie sich vom spanischen Königreich lossagten, wurde von den meisten – nicht allen – Expeditionsteilnehmern unterzeichnet.

Der Feldzug gegen Peru

Da der Rückmarsch durch den Urwald nicht zu bewerkstelligen war, ließen Guzmán und Aguirre seetüchtige Schiffe bauen. Auf den Spuren des Konquistadors Francisco de Orellana wollte man den Amazonas bis zur Mündung befahren, um dann per Schiff über Panama zurück nach Peru zu gelangen. Aguirre hoffte, in Panama und Nicaragua die Rebellenschar durch Anwerbung unzufriedener Spanier und Cimarronen weiter zu vergrößern.

Auf der Weiterfahrt kam es zu einem Machtkampf zwischen Aguirre und Salduendo, in dessen Folge Letzterer vor den Augen Guzmáns von Aguirre ermordet wurde. Guzmán kamen daraufhin Bedenken an dem Unternehmen und er ließ sich von mehreren Offizieren Unterstützung bei einem geplanten Vorgehen gegen Aguirre zusichern. Aguirre kam ihm jedoch zuvor und ließ Guzmán und seine Anhänger am 22. Mai 1561 umbringen und rief sich selbst zum neuen Führer aus. Einige Soldaten, die seine Vorgehensweise kritisierten, ließ er ebenfalls töten.

Unterwegs wurden indianische Siedlungen rücksichtslos geplündert und friedliche Bewohner umgebracht. Als die Expedition schließlich die Mündung des Amazonas erreichte, ließ Aguirre die etwa 100 überlebenden peruanischen Indianer im Urwald aussetzen, da die Lebensmittel nicht für die weitere Mitnahme per Schiff ausreichten.

Die Expedition erreichte am 20. Juli 1561 die vor der Küste Venezuelas gelegene Isla Margarita. Die Insel wurde im Handstreich besetzt, alle königlichen Beamten festgenommen, die Gerichtsakten verbrannt. Aguirre errichtete eine über 40 Tage dauernde Schreckensherrschaft auf der Insel, der sowohl Einheimische als auch weitere von ihm als unzuverlässig eingestufte eigene Männer zum Opfer fielen. Er konnte aber auch neue, von der Aussicht auf Beute angelockte Anhänger gewinnen.

Das nächste Ziel seines Feldzuges, die Landenge von Panama, konnte Aguirre nicht mehr erreichen. Mehrere seiner Anhänger waren desertiert und hatten die königlichen Behörden auf dem Festland vor der drohenden Gefahr gewarnt. Unter Führung von Francisco Fajardo landeten in spanischem Sold stehende indianische Krieger auf Margarita und schlossen die Truppe von Aguirre ein. Dieser ließ die als Geiseln festgehaltenen königlichen Beamten ermorden und segelte dann zum Festland.

Aguirre landete in der Ortschaft Burburada und ließ die Schiffe verbrennen. Da sein nächstes Ziel, Panama, den Behörden bekannt war, versuchte er nun, auf dem Landweg über das Gebiet des heutigen Venezuela, Kolumbien und Ecuador nach Peru zu gelangen. Er hoffte auch weiterhin, seine Truppe durch Anwerbung unzufriedener Siedler vergrößern zu können. Die nächsten spanischen Siedlungen, durch die sie marschierten, waren jedoch von den Einwohnern verlassen. Mehrere von Aguirres Anhängern desertierten, andere wurden bei Fluchtversuchen getötet.

Das Ende

In der ebenfalls menschenleeren Stadt Barquisimeto stießen am 27. Oktober 1561 Aguirres Leute mit königstreuen Soldaten zusammen. Diese, zahlenmäßig und waffentechnisch unterlegen, zogen sich zurück, hinterließen aber dabei Begnadigungsbriefe des venezolanischen Gouverneurs für Überläufer. Bei einem weiteren Scharmützel blieben Aguirres Anhänger zwar ebenfalls siegreich, doch immer mehr von ihnen liefen zum Gegner über. Aguirre blieb schließlich allein zurück.

Von all seinen Leuten verlassen, erstach Aguirre seine Tochter Elvira und ergab sich danach den königlichen Soldaten. Bei dem Versuch, eine Erklärung abzugeben, wurde er von zwei seiner ehemaligen Anhänger erschossen, seine Leiche geköpft und gevierteilt. In einem posthumen Prozess wurde Lope de Aguirre des Majestätsverbrechens für schuldig befunden, sein gesamter Besitz zugunsten der spanischen Krone eingezogen.

Die Amnestie des Gouverneurs Vollato für Aguirres Anhänger wurde zunächst von der Audiencia (Gerichtshof) bestätigt, dann aber durch einen Erlass König Philipps II. vom 3. Oktober 1562 wieder aufgehoben.

Nachleben und Überlieferung

Die meisten Berichte über die Rebellion Lope de Aguirres stammen aus den Gerichtsakten. Außerdem sind einige Briefe erhalten. Auf solche Briefe geht etwa die Darstellung der Ermordung Fernando de Guzmáns und anderer Mitglieder der Expedition zurück. Wie glaubwürdig Lope de Aguirres Schilderungen sind, lässt sich nur schwer beurteilen. Vieles in seinen Briefen erscheint übertrieben; sie enthalten groteske und teils wenig glaubhafte Details. So behauptet er beispielsweise, als er von der Reformation in Deutschland hörte, habe er als spontane Reaktion einen Deutschen namens „Monteverde“ in Stücke schlagen lassen. Schon der für einen Deutschen ungewöhnliche, offenbar übersetzte Name („Grünberg“) soll einigen Interpreten zufolge die Glaubwürdigkeit der Episode in Frage stellen.

Das Andenken an Lope de Aguirre überdauerte hauptsächlich in den Archiven Venezuelas und Kolumbiens. Von den meisten Chronisten der Kolonialzeit wurde er als wahnsinniger Mörder und Tyrann dargestellt. Dieser Ruf blieb auch nach dem Erfolg der Unabhängigkeitsbewegungen im 19. Jahrhundert erhalten: Obwohl Aguirre sich von Spanien losgesagt hatte und insoweit als Vorbild der Unabhängigkeitskämpfer gelten könnte, betrachteten ihn die neuen Machthabern als brutalen Repräsentanten gerade jener Kolonialmacht, die man glücklich losgeworden war. Er wurde auf diese Weise zum Bestandteil der nationalen Abgrenzungs- und Selbstfindungsprozesse der beiden Staaten.

Tatsächlich plante Simon Bolivar im Jahre 1821 aus propagandistischen Gründen eine Veröffentlichung der Briefe Aguirres an den spanischen König. Ob die Veröffentlichung erfolgte, ist nicht mehr nachzuweisen. Eine spürbare Wirkung hatte dieser Versuch aber erst sehr viel später, als Aguirre unter Bezugnahme auf Bolivar von verschiedenen Autoren des 20. Jahrhunderts zu einem Vorkämpfer für die Unabhängigkeit Lateinamerikas stilisiert wurde. Baskische Autoren entdeckten ihn in der Folge ebenfalls als Modell für ihren eigenen Widerstandskampf gegen spanische Unterdrückung. Beide Interpretationen gelten aber als unhaltbare Vereinnahmungen. Tatsächlich war Aguirres Rebellion lediglich das letzte Aufbegehren zu kurz gekommener Konquistadoren gegen die Installation der neuen absolutistischen Ordnung in den spanischen Überseegebieten.

Von einigen gegenwärtigen Historikern wird darauf hingewiesen, dass die von Aguirre begangenen Verbrechen sich nicht allzu sehr von den allgemein üblichen Grausamkeiten seiner Zeit abhoben. Die von ihm und seinen Anhängern verübten Morde wurden von Zeitgenossen vor allem deshalb als besonders schrecklich und skandalös empfunden, weil sie im Rahmen einer Rebellion gegen die königliche Gewalt begangen wurden. Diese These ist jedoch umstritten, da es im 16. Jahrhundert auch andere Aufständische und Rebellen gegen die Krone gab, die ebenfalls als grausam geschildert werden und in den Quellen in sehr ungünstigem Licht erscheinen. Keiner von ihnen wird aber als geisteskranker Schlächter dargestellt. Vielmehr zeigen sich im Falle Aguirres schon in seinen überlieferten Briefen Ansätze zu einer sadistischen Selbststilisierung.

Dem 1972 entstandenen Kinofilm Aguirre, der Zorn Gottes von Werner Herzog, in dem Klaus Kinski den Abenteurer verkörpert, dienten das Leben und die Berichte Aguirres als Inspiration für die (im Wesentlichen aber fiktive) Handlung. Der Titel ist einem Lope de Aguirre zugeschriebenen Zitat entlehnt. Als er sich im März 1561 zum Herrscher von Peru, Tierra Firme (Isthmus von Panama) und Chile ausrief, soll er gesagt haben: „Ich bin der Zorn Gottes, der Fürst der Freiheit, Herr von Tierra Firme und den Provinzen von Chile“.

Literatur

  • Ingrid Galster: Aguirre oder Die Willkür der Nachwelt. Die Rebellion des baskischen Konquistadors Lope de Aguirre in Historiographie und Geschichtsfiktion (1561–1992). Vervuert Verlag, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-89354-075-X
  • Ingrid Galster: Aguirre o La posteridad arbitraria. La rebelión del conquistador vasco Lope de Aguirre en historiografía y ficción histórica (1561-1992). Ed. Universidad del Rosario und Ed. Universidad Javeriana, Bogotá 2011, ISBN 978-958-738-204-4. (auch als E-Book erhältlich)
  • Alfred Antkowiak: El Dorado. Die Suche nach dem Goldland. Verlag Volk und Welt, Berlin 1976.
  • Miguel Otero da Silva: Lope de Aguirre, Fürst der Freiheit. Roman. Aus dem Spanischen von Wilhelm Plackmeyer. Aufbau-Taschenbuch-Verlag, Berlin 1992, ISBN 3-7466-0143-6.

Verfilmungen