Agnus Dei (lat. Lamm Gottes, oder altgriechisch Ἀμνὸς τοῦ Θεοῦ (Amnòs tou Theou) ist ein seit ältester Zeit im Christentum verbreitetes Symbol für Jesus Christus. Als Osterlamm, gekennzeichnet mit der Siegesfahne, ist es ein Symbol für die Auferstehung Jesu Christi. Es ist häufiger Bestandteil der christlichen Kunst und ein christliches Symbol in der Heraldik.

Agnus Dei sind außerdem die ersten Worte eines Gebets oder Gesangs der eucharistischen Liturgie. Es gehört zum Ordinarium, den feststehenden Teilen der Heiligen Messe, und ist dadurch in der Regel auch Bestandteil von Mess-Vertonungen. Auch Litaneien schließen mit dem Agnus Dei.
Bibel
Altes Testament
Diese Vorstellung des Agnus Dei bezieht sich auf das Lamm als Opfertier im Alten Testament, besonders auf die Pessach-Lämmer, deren Blut in der Nacht des Auszugs der Israeliten aus Ägypten (Exodus) auf Gebot Gottes hin als Schutzzeichen vor dem Todesengel an den Türpfosten gestrichen wurde (Ex 12 EU). Auf den Exodus Israels als Heilshandeln Gottes hin, wurde das Schlachten eines Lammes zur zentralen Praxis des Pessach-Festes (neben dem Backen von ungesäuertem Brot).
Auch das dritte Gottesknechtslied bei Jesaja (Jes 52,13ff EU) verbindet sich mit der Symbolik des Lammes. Dort heißt es vom Gottesknecht: „Er wurde misshandelt und niedergedrückt, aber er tat seinen Mund nicht auf. Wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt, und wie ein Schaf angesichts seiner Scherer, so tat auch er seinen Mund nicht auf.“ (Jes 53,7 EU).
Neues Testament
Insbesondere in den johanneischen Schriften des Neuen Testaments spielt die Lamm-Gottes-Symbolik eine besondere Rolle. An zwei Stellen des Johannes-Evangeliums weist Johannes der Täufer auf Jesus Christus mit den Worten hin: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt.“ (Joh 1,29 EU, Joh 1,36 EU). Die Kreuzigung Jesu fand nach dem Johannesevangelium zu der Zeit statt, als die Pessach-Lämmer geschlachtet wurden. Nach dem Bericht der drei synoptischen Evangelien fand das Abendmahl Jesu Christi in der Nacht des Pessachfestes statt, woher die enge Verbindung zwischen der Eucharistie und der Symbolik des Lammes herrührt.
Im Kontext eines Gemeindezuchtfalles wird im 1. Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth Jesus Christus als das Pessach-Lamm bezeichnet, das schon geopfert ist (1 Kor 5,7 EU). Dass das Blut des Lammes zur Erlösung der Menschen dient, wird in 1 Petr 1,19 EU deutlich. Petrus verdeutlicht den Adressaten, dass sie nicht mit vergänglichen Wertstoffen, wie Silber oder Gold losgekauft (erlöst) wurden, „sondern mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel“.
In der Offenbarung des Johannes nimmt die Vorstellung des Lammes, das hier identisch mit Jesus Christus ist, einen breiten Raum in der apokalyptischen Schau des Sehers ein. In der großen Thronsaalvision des Johannes wird das Aussehen des Lammes als „wie geschlachtet“ beschrieben (Offb 5,6 EU). Es ist das Zentrum der Anbetung (Offb 5,8f EU). Allein das Lamm kann das Buch mit den sieben Siegeln öffnen, was die einzelnen endzeitlichen Geschehnisse des Buches in Gang setzt (Offb 5,5 EU). Im selben biblischen Buch wird auf die „Hochzeit des Lammes“ verwiesen, die am Ende der Zeiten stattfinden wird, wenn Christus die erlöste Menschheit als seine „glückliche Braut“ zu Gott heimführt (vgl. Offb 19,9 EU). Am Ende ist es das Lamm, das zusammen mit Gott das Zentrum des neuen Jerusalems ist (vgl. Offb 14 EU).
So wie das Lamm traditionell als Zeichen des Lebens und der Unschuld verstanden wird und sein weißes Fell die innere Reinheit und Frömmigkeit symbolisiert, verweist das Osterlamm' darauf, dass Jesus Christus nach dem Zeugnis der Bibel und dem christlichen Glauben gemäß unschuldig für die Menschen gestorben ist. Jesus Christus ist, als Gottes Sohn, das reine und sündlose Lamm Gottes, das für die Sünden der Menschen von Gott geopfert worden ist. Nach christlicher Theologie ist Jesus Christus der Mittler, der durch seinen Opfertod die Versöhnung zwischen Gott und der gefallenen Schöpfung (Gen 3 EU) hergestellt hat und so den Sieg über den Tod und Ewiges Leben errungen hat. Diese Versöhnung wird im Glauben an Jesus als Erlöser und der Taufe dem Menschen übertragen und in der Feier des Abendmahles vergegenwärtigt.
Kirchengeschichte
Auf Befehl Justinians II. wurde 691 die Darstellung Christi als Agnus Dei im Kanon 82 der Trullanischen Synode untersagt; das Konzil wurde jedoch im Westen nicht anerkannt. Begründet wurde dies mit der Vorläufigkeit der Darstellung Christi als Agnus Dei, und der notwendigen Darstellung Christi in seiner menschlichen Gestalt als Abbildung des Vollkommenen.
So lautet es im entsprechenden Abschnitt des Synodenbeschlusses: „Auf gewissen heiligen Bildern ist der Vorläufer [das heißt Johannes der Täufer] abgebildet, wie er mit dem Finger auf das Lamm zeigt. Diese Darstellung wurde als Symbol der Gnade gedeutet. Sie war ein verborgenes Sinnbild des wahren Lammes, das Christus ist, unser Gott, der uns offenbart wird gemäß dem Gesetz. Da wir nun diese Sinnbilder und Schatten als Symbole der uns von der Kirche übermittelten Wahrheit übernommen haben, bevorzugen wir heute die Gnade und die Wahrheit selbst als Erfüllung dieses Gesetzes. Daher, um mit Hilfe der Bilder das Vollkommene aufzuzeigen, setzen wir fest, dass von nun an Christus, unser Gott, in seiner menschlichen Gestalt dargestellt werde und nicht mehr in der des Lammes.“ [1]
Die überkonfessionell Unitas Fratrum (Brüder-Unität), im deutschsprachigen Raum besser bekannt als Herrnhuter Brüdergemeine (engl. Moravian Church), benutzt das Agnus Dei als Logo. Umgeben wird es dabei international von dem Motto-Schriftzug "VICIT AGNUS NOSTER - EUM SEQUAMUR" und in Deutschland oft von "UNSER LAMM HAT GESIEGT - LASST UNS IHM FOLGEN".
Liturgie
In der christlichen Liturgie ist das Agnus Dei ein an Jesus Christus gerichtetes litaneiartiges Gebet, das seit dem 7. Jahrhundert in der römisch-katholischen und allen von ihr abstammenden Liturgien während der Eucharistie beim Brechen des Brotes nach dem Friedensgruß gesungen oder gesprochen wird. In der Abendmahlsliturgie in der lutherischen Kirche wird das Agnus Dei nach den Einsetzungsworten von der Gemeinde gesungen.
Außerhalb der Heiligen Messe kommt das Agnus Dei auch am Ende von Litaneien wie der Allerheiligenlitanei oder der Lauretanischen Litanei vor, gefolgt von einer Oration.
Das Abendmahl Jesu nimmt auf das Pessachlamm Bezug, da in der Nacht vor seiner Hinrichtung Jesus mit seinen Jüngern das Pessachmahl hielt. Danach reichte er, gemäß der Tradition, den Jüngern ungesäuertes Brot und Wein. Dem Auftrag Jesu folgend:
:Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis!
:Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis!
:Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.1 Kor 11,23-26 EU
feiert die Kirche bis heute die Eucharistie.
Lateinischer Text:
Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, miserere nobis.
Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, miserere nobis.
Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, dona nobis pacem.
In der Totenmesse wurde vor der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils folgende Abwandlung gesungen:
Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, dona eis requiem.
Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, dona eis requiem.
Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, dona eis requiem sempiternam.
Da heute das Agnus Dei nicht als Fürbitte, sondern wieder als Begleittext zur Fractio (Brotbrechen) verstanden wird, gebraucht man auch im Requiem den gewöhnlichen Text.
Deutscher Text in der Heiligen Messe:
- Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt, erbarme dich unser.
- Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt, erbarme dich unser.
- Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt, gib uns deinen Frieden.
Deutscher Text in der Fassung der lutherischen Messe:
Christe, Du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt, erbarm dich unser.
Christe, Du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt, erbarm dich unser.
Christe, Du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt, gib uns deinen Frieden, Amen.
Das Agnus Dei als Sakramentale
In der Stadt Rom war es seit dem 9. Jahrhundert üblich, Wachstäfelchen mit dem eingeprägten Relief des Gotteslamms während der Kartage zu segnen und am Samstag nach Ostern an die Gläubigen auszuteilen, die sie für die private Andacht nach Hause nahmen. Seit dem 15. Jahrhundert segnete der Papst selbst diese Wachstäfelchen. Sie galten als Sakramentale, so dass von ihnen heilbringende Wirkungen erwartet wurden. Zur Verwahrung der auch nördlich der Alpen begehrten Agnus Deis dienten Metallkapseln oder monstranzartige Behälter, (Ostensorien), die oft kunstvoll ausgestaltet wurden.[2] Nach dem Osterfest 1964 wurde der Brauch von den Päpsten aufgegeben.[3]
Ikonografie
In der christlichen Ikonografie wird das Lamm Gottes häufig als Symbol für Christus verwendet. Oft wird es mit der Siegesfahne (rotes Kreuz auf weißem Grund) als Attribut dargestellt, um den Sieg Christi über den Tod und damit seine Auferstehung zu verdeutlichen. In dieser Darstellung wird es auch als Osterlamm bezeichnet. Eine andere Variante zeigt das Lamm liegend, wobei die Beine mit einem Strick gebunden sind. Eine Darstellung des Agnus Dei wird in manchen Fällen mit der Inschrift „Agnus Dei, qui tollis peccata mundi“ bzw. den dazugehörigen Bibelstellen (siehe oben) verbunden. Im Amtsabzeichen des Palliums sind Verweise auf die komplexe biblische Symbolik von Lamm und Hirte enthalten. Der kirchliche Träger des Hirtenamtes trägt das aus Lammwolle gewebte Pallium auf seiner Schulter wie der Hirte das „wiedergefundene Schaf“.
Aufgrund der großen symbolischen Bedeutung für die Eucharistie wurde das Motiv häufig in Kirchen dargestellt, beispielsweise direkt am Altar oder als Deckengestaltung. Auch an Kirchenportalen sind Abbildungen des Lammes Gottes zu finden.
Im nicht-kirchlichen Umfeld ist das Lamm Gottes zum Zunftzeichen der Fleischerinnung geworden.
Musik
Das „Agnus Dei“ gehört bei Vertonungen der Messe zu den feststehenden Bestandteilen und ist von Komponisten aller Epochen und Konfessionen vertont worden.
Agnus Dei wurde als einzelnes Werk vertont, zum Beispiel von 1967 von Samuel Barber, Agnus Dei (auch bekannt als "Barbers Adagio", sogar in einer Techno Version von William Orbit). Teile der Melodie sind im Antikriegsfilm "Platoon" in der Sterbeszene des Elias (Filmplakat) verwendet worden.
Die letzten Worte, die Friedensbitte „Dona nobis pacem“, waren vielfach Motiv für separate Vertonungen. Zu nennen sind unter anderem:
- Violeta Dinescu: Dona nobis pacem für Mezzosopran, Cello und Schlagzeug, 1987
- Marie-Joseph Erb: Missa Dona nobis pacem (op. 89)
- Ernst Pepping: Missa Dona Nobis Pacem (Friedensmesse) für Chor, 1948
- Pēteris Vasks: Dona nobis pacem 1996/1997
Osterlämmer im christlichen Brauchtum
Im christlichen Brauchtum führte die Symbolik des Lammes für die Auferstehung Christi zum Backen von Osterlämmern als Gebildenbrot, die mit der Siegesfahne der Auferstehung versehen, in der Osterfeier zur Speisenweihe gebracht und dann neben anderen Speisen zum Osterfrühstück verzehrt werden.
Literatur
- F. Meinicke: Das Symbol des apokalyptischen Christuslammes als Triumphbekenntnis der Reichskirche, Diss. Straßburg 1908
- W. Molsdorf: Christliche Symbolik der mittelalterlichen Kunst, Leipzig 1962, ISBN 3-201-00411-1
- G. Reichelt: Das Buch mit den 7 Siegeln in der Apokalypse des Johannes, Göttingen 1975, ISBN 3-451-19426-0
- Ch. Markschies: „Hie ist das recht Osterlamm“. Christuslamm und Lammsymbolik bei Martin Luther und Lucas Cranach, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 102 (1991)
- Schüler Duden: Die Religionen, Ein Lexikon aller Religionen der Welt, Mannheim 1977, ISBN 3-411-01369-9
Quellen
- ↑ Ikonographie und Liturgie, von Erzbischof Piero Marini, Päpstlicher Zeremonienmeister, Die Konzilsakten des Zweiten Konzils von Nizäa – des Siebten Ökumenischen Konzils, 5. Februar 2005
- ↑ Josef Braun SJ: Agnus Dei, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. 1, Stuttgart 1933, Sp. 212-216, Onlineversion. Agnus Dei in: Das grosse Kunstlexikon von P.W. Hartmann
- ↑ http://www.sacramentals.org/agnusdei.htm