Feline infektiöse Peritonitis
Die Feline Infektiöse Peritonitis (FIP) ist eine virusbedingte Infektionskrankheit, die ausschließlich Katzen (Felidae) befällt. Der Name leitet sich von der häufigsten klinischen Manifestation, einer Bauchfellentzündung (Peritonitis) ab, allerdings können auch andere serösen Häute betroffen sein, weshalb auch der Name Feline Infektiöse Polyserositis verwendet wird. Bei einem klinischen Ausbruch der Erkrankung endet sie praktisch immer tödlich.
Ursache und Epidemiologie
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Die Ursache für die FIP ist ein hoch virulentes Coronavirus. Es gilt als gesichert, dass es sich hierbei um kein wirklich eigenständiges Virus, sondern um eine Mutation des eigentlich harmlosen felinen enteralen Coronavirus (FeCV) innerhalb des Trägertieres handelt. Der die Krankheit verursachende Erreger wird hiervon abweichend als felines Coronavirus (FCoV) bezeichnet. Die Mutation besteht aus einer Deletion im 3C-Gen, welche allerdings nicht immer an der selben Stelle stattfindet. Begünstigt wird die Veränderung durch das ungenaue Arbeiten der viralen RNA-Polymerase, durch welche es pro Replikation zu durchschnittlich 3 Mutationen im Erbgut des Virus kommt. Das FeCV kommt weltweit vor, aber nur bei etwa fünf bis zehn Prozent der FeCV-seropositiven Hauskatzen kommt es zur FIP-Erkankung. Bezogen auf die gesamte Katzenpopulation hat die FIP eine Inzidenz von ein bis zwei Prozent. Es werden serologisch zwei Virustypen unterschieden, wobei der vor allem in Europa und den USA auftretende Typ 1 in Zellkulturen vermehrbar ist, was der vor allem in Japan auftretende Typ 2 nicht vermag.
Die Übertragung des zunächst ungefährlichen FeCV erfolgt unter anderem durch Kontakt mit infiziertem Kot oder über verunreinigte Gegenstände. Überdies können Menschen das Virus transportieren und auf die Katze übertragen. Oft infizieren virustragende Katzenmütter ihre Feten bereits während der Trächtigkeit. Die Übertragung der bereits mutierten Form spielt vermutlich keine Rolle bei der Verbreitung der Krankheit.
Prinzipiell sind alle Katzenarten und Altersgruppen empfänglich. Am häufigsten befällt die Erkrankung Tiere im Alter von sechs Monaten bis fünf Jahren. Katzen in größeren Katzenhaltungen sind stärker gefährdet als einzeln lebende Wohnungskatzen. Bei Großkatzen sind besonders größere Bestände in Zoos gefährdet, Leoparden gelten als besonders empfindlich.
Geschichte
Die FIP wurde ab 1954 vermehrt in den USA beobachtet. 1966 erfolgte eine erste umfassende Beschreibung durch Wolfe und Griesemer, die auch den infektiösen Charakter der Erkrankung nachwiesen.
Pathogenese und Formen
Die Pathogenese der Erkankung ist bislang nicht vollständig geklärt. Die Mutation der meist harmlosen FeCV in die sogenannten „FIP-Viren“ erfolgt im Darm und kann erst Jahre nach der FeCV-Infektion erfolgen. Mit dieser Mutation erlangt das Virus die Fähigkeit, sich an Ribosomen von Monozyten und Makrophagen zu binden und sich in diesen zu vermehren (Replikation).
Man nimmt heute an, dass ob und in welcher Form die Krankheit letztendlich auftritt, vom Immunstatus des Einzeltieres abhängig ist.
Bei einem Teil der Tiere bricht die Erkrankung trotz erfolgter Virusmutation auf Grund einer starken zellvermittelten Immunreaktion nicht aus. Das Immunsystem ist dadurch in der Lage, die infizierten Blutzellen unter Kontrolle zu halten. Diese Tiere bleiben ohne klinische Symptome, scheiden aber als latente Virusträger dieses weiter aus. Bei einem Teil der Tiere wird auch eine vollständige Viruselimination vermutet, wodurch sie allerdings für Neuinfektionen wieder empfänglich sind.
Klinisch manifest wird eine FIP vermutlich erst bei Störungen des Immunsystems, z. B. durch Stress oder andere Erkrankungen, die zu einer stärkeren Virusvermehrung im Darm führt. Entscheidend für die Pathogenese ist paradoxerweise die vermehrte Bildung von Antikörpern, denn diese können das Virus nicht neutralisieren. Es werden vermehrt Makrophagen aktiviert und in diesen kommt es zu einer stärkeren Virusvermehrung (sog. „antibody-dependent enhancement“).
Feuchte Form
Bei einer schwachen zellvermittelten Immunantwort kommt es zu einer anhaltenden Virämie und zur massiven Bildung von Immunkomplexen, zur Aktivierung des Komplementsystems und von Makrophagen. Dies führt zu einer lymphoplasmazellulären Perivaskulitis (durch Lymphozyten und Plasmazellen gekennzeichnete Entzündung in der Umgebung der Blutgefäße) der serösen Häute, die zu Nekrosen führt. Makroskopisch stellen sich diese Entzündungsherde als weißliche Knötchen dar. Durch die Entzündung kommt es auch zu einem Austritt von Serum und Proteinen in die Körperhöhlen und zu Fibrinablagerungen auf inneren Organen.
Trockene Form
Bei der trockenen Form dominieren größere Knoten, die vorwiegend innerhalb der Organe entstehen. Es handelt sich dabei um verschmolzene Entzündungsherde, die wie bei der trockenen Form aus einer Perivaskulitis entstehen. Sie werden gelegentlich auch als „granulomatöse“ Veränderungen bezeichnet, es handelt sich aber nicht um eine echte granulomatöse Entzündung. Die Flüssigkeitsaustritte sind bei dieser Form nicht anzutreffen. Man nimmt an, dass sich diese Form bei einer weniger stark geschwächten zellvermittelten Immunantwort entwickelt und sie eine mildere, protrahierte Verlaufsform darstellt. Die Grenzen zwischen beiden Formen sind jedoch fließend.
Symptome
Eine klinisch manifeste FIP beginnt mit verminderter Futteraufnahme (Anorexie), Abmagerung sowie wiederkehrendem, therapieresistentem Fieber. Die weiteren Symptome sind von der Form der Ausprägung abhängig, wobei fließende Übergänge zwischen beiden Formen auftreten können.
Feuchte Form
Die klassische „feuchte Form“ äußert sich in Flüssigkeitsansammlungen in der Bauchhöhle (Bauchwassersucht, Ascites) und/oder Brusthöhle (Pleuraerguss). Die Flüssigkeitsansammlungen in der Bauchhöhle können als Umfangsvermehrung mit Fluktuation meist klinisch diagnostiziert werden. Flüssigkeitsansammlungen in der Brusthöhle können zu schwerer Atemnot führen. Eine Punktion liefert eine gelbliche, fadenziehende, visköse Flüssigkeit.
Trockene Form
Die „trockene Form“ äußert sich in knotigen Veränderungen, vor allem im Bauchraum. Auch das Gehirn, die Augen oder die Organe der Brusthöhle können betroffen sein. Je nach Organlokalisation können gelbliche Schleimhäute (Ikterus), Augenerkrankungen, Anämie oder neurologische Erscheinungen auftreten.
Diagnose
Ein klinischer Anfangsverdacht ist bei jedem Fieber bei einer jüngeren Katze (jünger als sechs Jahre), das nicht auf eine Antibiose anspricht, gegeben.
Feuchte Form
Bei der feuchten Form sind die Flüssigkeitsansammlungen sowie ein vermehrter Gehalt an Globulinen im Blut (Hyperglobulinämie) bereits deutliche Indizien. Bestimmte Veränderungen des Blutbildes (mittlere bis schwere Anämie, Neutrophilie und Leukopenie) sind weitere Verdachtsmomente.
Folgende weiterführenden diagnostischen Testmethoden sind möglich:
- Rivalta-Probe: Sie kann bei der feuchten Form anhand eines Punktats durchgeführt werden. Dabei wird ein Reagenzglas mit destilliertem Wasser mit einem Tropfen Eisessig versetzt und anschließend ein Tropfen des Punktats hinzugegeben. Im positiven Fall löst sich der Tropfen nicht auf und sinkt nach unten. Ein negativer Test schließt eine FIP fast mit Sicherheit aus (Sensitivität 98 Prozent), während ein positiver Test sie zwar wahrscheinlich macht, nicht aber beweist (Spezifität etwa 80 Prozent).
- Antikörpernachweis im Punktat: Der Nachweis von Antikörpern in den Punktaten bei der feuchten Form mittels Immunfloureszenztest hat eine Sensitivität und Spezifität von etwa 85 %.
- Antigennachweis in Makrophagen: Bei der feuchten Form kann aus dem Zentrifugat des Punktats ein Ausstrich angefertigt und mit einem Anti-Coronavirus-Konjugat versetzt werden. Die Sensitivität dieses Nachweisverfahrens liegt nur bei etwa 57 Prozent, dafür ist der Nachweis hochspezifisch.
- Albumin-Globulin-Quotient: Die Bestimmung des Quotienten aus Albumin- und Globulin-Konzentration im Blut kann ebenfalls einen Hinweis auf die Erkrankung geben. Bei Quotienten kleiner als 1 besteht ein FIP-Verdacht, Werte unter 0,6 gelten als nahezu diagnostisch. Allerdings gibt es erhebliche Schwankungen hinsichtlich Sensitivität und Spezifität in Abhängigkeit von der Größe des Quotienten. Bei einem Quotienten von 0,9 liegt die Sensitivität bei 89 Prozent, die Spezifität bei 76 Prozent. Liegt der Wert unter 0,6, beträgt die Sensitivität nur noch 48 Prozent, die Spezifität hingegen bei 99 Prozent.
- Antikörpernachweis im Blut: Ein positiver indirekter Immunfloureszenztest von Antikörpern im Blut ist nicht eindeutig. Er sagt nur aus, dass die Katze mit diesem Coronavirus Kontakt hatte. Die Sensitivität liegt bei 85 Prozent, die Spezifität allerdings nur bei 57 Prozent. Ein positiver Test mit einem Titer von kleiner als 1:1600 erhöht zwar die Spezifität auf etwa 98 Prozent, reduziert allerdings die Sensitivität auf 33 Prozent.
- Antigen-Antikörper-Komplex Nachweis im Blut: Der Nachweis von Antigen-Antikörper-Komplexen mittels ELISA hat nur eine Sensitivität von etwa 50 Prozent, die Spezifität liegt bei 91 Prozent.
- FCoV-PCR im Blut: über ein PCR-Verfahren lässt sich eine Virämie nachweisen. Die Sensitivität liegt hier bei etwa 53 Prozent, die Spezifität bei 87,5 Prozent.
Eine Kombination verschiedener Verfahren erhöht die diagnostische Aussagekraft. Eine Bestimmung der durch Hämolyse freigesetzten Lactatdehydrogenase kann ebenso einen weiteren Hinweis auf die Erkrankung geben, ebenso die die Bestimmung der bei Katzen meist durch FIP verursachten Erhöhung des Bauchspeicheldrüsenenzyms alpha-Amylase.
Trockene Form
Während für die feuchte Form ein Antigennachweis im Erguss als beweisend gilt, gilt für die trockene Form bislang nur der pathohistologische Nachweis als ausagekräftig für das Vorhandensein der FIP. Ein Nachweis der Antikörper in Gewebsproben (Bioptat) von Lunge, Leber, Niere und Lymphknoten gilt als beweisend, es gibt aber eine Kreuzreaktion mit der harmlosen FeCV-Variante. Ein PCR-Test zum Virusnachweis in Geweben ist ebenfalls kommerziell erhältlich.
Problematisch ist, dass es bislang keine eindeutige molekularbiologische Charakterisierung der beiden Coronavirus-Varianten gibt, die eine sichere Unterscheidung erlaubt. Von allen diagnostizierten FIP-Erkrankungen liegt beträgt der Anteil der trockenen Form lediglich 17 Prozent, was aber zu einem Gutteil wahrscheinlich durch die schwierige Diagnostizierbarkeit der Krankheit bedingt ist. Eine sichere Diagnose ist bei der trockenen Form nur mittels einer Biopsie und anschließender immunhistochemischer Färbung gestellt werden.
Differentialdiagnose
Bei der recht typischen feuchten Form müssen andere Ursachen für Bauchwassersucht und/oder Pleuraerguss ausgeschlossen werden. Hierzu zählen z. B. Herzerkrankungen, Streptotrichose und eine Ruptur des Ductus thoracicus.
Bei therapieresistentem Fieber und/oder knotigen Veränderungen müssen Feline Leukämie, Immundefizienzsyndrom der Katzen, Panleukopenie, Lymphosarkome, Yersiniose und die Tyzzersche Krankheit in Betracht gezogen werden.
Therapie und Prophylaxe
Eine klinisch manifeste FIP führt unweigerlich binnen weniger Wochen zum Tod, da es noch keine Behandlungsmöglichkeit gibt. Lediglich eine symptomatische Therapie kombiniert mit einer Immunsuppression ist möglich. Daneben bestehen Hinweise, dass sich eine zusätzlich zur immunsuppressiven Therapie durchgeführte Behandlung mit felinem Interferon vorteilhaft auf die Überlebenszeit auswirken kann.
Die Impfung gegen FIP wird kontrovers diskutiert. Prizipielles Problem ist hierbei, das eine systemisch applizierte Vakzine bei den verwendeten Stämmen die Gefahr der Entstehung einer FIP durch das Impfvirus in sich birgt, das Impfvirus mit dem Feldvirus vermengt werden kann und eine antikörperabhängige Immunverstärkung auftreten kann. Das Ziel des verfügbaren Impfstoffes ist daher die Erzeugung einer lokalen Immunantwort auf zellulärer Ebene und auf Basis von lokalem IgA im Bereich der Eintrittspforte der Viren im Nasen-Rachenbereich. Daher wird die Vakzine in die Nase eingetropft. Bei bereits FeCV-positiven Tieren versagt das Prinzip der Impfung. Sie ist daher nur bedingt zu empfehlen. Sinnvoll ist sie bei seronegativen Katzen in größeren Beständen sowie einzeln in Wohnungen gehaltenen Tieren, die durch zufälligen Kontakt mit eingeschlepptem Virusmaterial (z.B. Kot an den Schuhen der Besitzer) infolge des massiven "Virusloades" in ihrer Immunantwort überfordert wären. Die Schutzwirkung des Impfstoffs (Primucell FIP®) erbrachte in klinischen Studien sehr unterschiedliche Resultate. Je nach Studie wurde eine Effizienz zwischen 0 (für keine Schutzwirkung: McArdie et al., 1995; Scott, 1995) und 75 Prozent (Herstellerangabe, Gerber, 1995; Hoskins et al.) in experimentellen Studien angegeben. Feldstudien gehen von einer "gewissen" Schutzwirkung (Fehr et al., 1995, Postorino Reeves, 1995) aus. Entgegen einigen Meinungen birgt die Impfung aber auch kein gesteigertes Risiko einer Erkrankung für die Tiere in sich.
Den Versuch, die Ausbreitung des FeCV (also der harmlosen Ausgangsvariante des Virus) zu verhindern, verfolgt das Konzept des "Early Weaning" (engl., frühes Absetzen), das 1992 von Addie & Jarrett vorgestellt wurde. Hierbei wird die trächtige Mutterkatze zwei Wochen vor der Geburt von anderen Katzen isoliert und die Geburt und Jungkatzenaufzucht strikten Hygienebedingungen unterworfen. Mit fünf bis sechs Wochen werden die Kätzchen von der Mutter abgesetzt und von ihr getrennt, weil sie nur bis zu diesem Zeitpunkt durch mütterliche Antikörper geschützt sind und danach von ihr das Virus übertragen bekommen könnten. Im Gegensatz zu Erfolgen in Großbritannien, bei denen alle Jungkatzen anschließend FeCV-seronegativ waren, ließ sich dieses Resultat in einer deutschen Studie nicht reproduzieren.
Eine praktikablere Strategie besteht in der Verminderung des Infektionsdruckes innerhalb des Katzenbestandes. Das Prinzip besteht darin, die potentiell krankmachenden FeCV-Viren lediglich soweit wie möglich auszudünnen und ist mit simplen hygienischen Methoden bereits durchführbar.Als mögliche Maßnahmen werden empfohlen:
- Aufstellen möglichst vieler Kotkisten, welche mehrmals täglich gereinigt werden sollten
- möglichst Verwendung immer der gleichen Trink- und Futtergefäße, und deren tägliche Reinigunf
- Haltung der Katzen in Kleingruppen von 3 bis 4 Tieren
- Entfernung von starken Virusausscheidern aus der Gruppe
- Muttertiere 2 Wochen vor dem Wurf aus der Gruppe entfernen und separate Aufzucht der Jungtiere.
Literatur
- Addie, D. D. und Jarrett, J. O.: A study of naturally occurring feline coronavirus infections in kittens. Vet. Rec. 130 (1992), 133-137.
- Groot, R.J. de und Horzinek, M.C. Feline infectious peritonitis. In: The Coronaviridae (Siddell, S.G., Herausgeber), 293-309. Plenum Press, New York (1995).
- Gut, Marco : Kombination von Frühabsetzen und Vakzinierung mit Primucell FIP®: Evaluation der Wirksamkeit zur Verhinderung der Felinen Infektiösen Peritonitis der Katze in einer Feldstudie. Dissertation, Universität Zürich (1998).
- Binder, Christina: Vergleich verschiedener Parameter zur Diagnose der felinen infektiösen Peritonitis. Dissertation, Universität München (2001).