Martha-Mitchell-Effekt

Fehldiagnose, die rational begründete Überzeugungen als Hirngespinste deutet
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Als Martha-Mitchell-Effekt wird seit Ende der 1980er Jahre die Fehldeutung von sachlichen Hinweisen und Tatsachen als Hirngespinste und Wahnideen bezeichnet.[1]

Zu dieser falschen Einschätzung kann es kommen, wenn jemand Anzeichen für eine Verschwörung oder andere Machenschaften entdeckt, die von anderen aus unterschiedlichen Gründen als abstrus und unsinnig abgetan und verworfen werden.

Die Namensgeberin Martha Mitchel war die Ehefrau von John N. Mitchell, dem Justizminister und späteren Wahlkampfmanager Richard Nixons. Ihre Vorwürfe stellten sich im Verlauf des Watergate-Skandals als richtig heraus.

Hintergrund

Als Martha ihren zweiten Ehemann John Mitchell 1957 heiratete, war er noch Anwalt in New York. In den kommenden Jahren wurde er ein wichtiger Mitarbeiter Nixons, der ihn kennegelernt hatte, als ihre Kanzleien zusammengelegt wurden. Nach seiner erfolgreichen Wahl zum 37. Präsidenten der Vereinigten Staaten ernannte Nixon seinen Vertrauten zum Justizminister, worauf die Familie nach Washington DC zog.

Bald fiel Martha im ihrem Umfeld durch eigenartiges Verhalten auf. So äußerte sie sich im Gegensatz zu anderen Ehefrauen hoher Regierungsbeamte häufig recht unverblümt und wollte sich nicht auf gängige Aktivitäten wie Spendengalas und Wohltätigkeitstsveranstaltungen beschränken.[2]

Während des Wahlkampfes 1972 verhaftete die Polizei fünf Einbrecher, die versucht hatten, Abhöranlagen im Wahlkampfquartier der Demokraten zu installieren. Nachdem einer der Täter angegeben hatte, die Abhöraktion sei von Mitchel sowie John Dean angeordnet worden, eskalierte die Affäre. Während Nixon die Fassade zunächst noch noch wahren konnte, wurde es für John N. Mitchell zunehmend schwierig, sich herauszureden.

Seine Frau hatte schon in der Vergangenheit mehrfach in den frühen Morgenstunden bei Reportern angerufen, häufig aus dem Badezimmer, damit ihr Mann dies nicht bemerkte. Man raunte, sie wäre bei vielen der Gespräche alkoholisiert gewesen und nahm ihre Ansichten nicht ernst. Nun meldete sie sich erneut bei der Journalistin Helen Thomas und gab an, dass Nixon über die Vorgänge im Bilde sein müsse: Wenn ihr Mann etwas von dem Einbruch wissen sollte, könne dem Präsidenten dies nicht verborgen bleiben. Nixon müsse zurücktreten. In weiteren Telefonaten bekräftigte sie ihre Vorwürfe und sprach dabei häufig mit schleppender Stimme, was sowohl auf ihren Alkoholkonsum wie auf den Südstaatenakzent zurückgeführt wurde. Sie ging von einer Verschwörung aus, an welcher der Präsident beteiligt sei und zu deren Vertuschung ihr Mann als Sündenbock fungieren solle.[3] Bald stellte sich heraus, dass Nixon nicht nur den Einbruch, sondern weitere Aktionen iniitiert und befürwortet hatte, womit der von vielen für abstrus gehaltene Verdacht Martha Mitchells bestätigt wurde.

Martha Mitchell ist Vorbild für die von Jean Smart gespielte First Lady "Martha Logan", Ehefrau des korrupten Charles Logan in der erfolgreichen amerikanischen Fernsehserie 24 um den Antiterrorspezialisten Jack Bauer.

Einzelnachweise

  1. Thomas Grüter, Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer. Wie Verschwörungstheorien funktionieren. Fischer Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 2011, 3. Aufl., S. 130
  2. Thomas Grüter, Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer. Wie Verschwörungstheorien funktionieren. Fischer Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 2011, 3. Aufl., S. 127
  3. Thomas Grüter, Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer. Wie Verschwörungstheorien funktionieren. Fischer Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 2011, 3. Aufl., S. 129