Die Klassische Testtheorie (KTT) ist die meist verbreitete psychometrische Testtheorie.
Der Schwerpunkt des Modells der klassischen Testtheorie liegt auf der Genauigkeit einer Messung bzw. auf der Größe des jeweiligen Messfehlers. Daher wird sie oft auch als Messfehlertheorie bezeichnet.
Die klassische Testtheorie versucht zu klären, wie, ausgehend von einem Testwert einer Versuchsperson, auf die wahre Ausprägung des zu messenden Persönlichkeitsmerkmals geschlossen werden kann.
Axiome der KTT
Axiom 1: Jeder Testwert (X) ist zusammengesetzt aus einem wahren Merkmalsanteil (T) und einem zufälligen Messfehleranteil (E).
Axiom 2: Der Erwartungswert, der Mittelwert und die Summe der Fehler haben den Wert Null.
Axiom 3: Der Messfehler ist mit dem wahren Wert unkorreliert.
Axiom 4: Wahrer Wert und Fehlerwert zweier verschiedener Tests sind unkorreliert.
Axiom 5: Fehlerwerte von zwei verschiedenen Tests sind unkorreliert.
Je größer der Messfehler desto geringer ist der wahre Merkmalsanteil und desto weniger genau (reliabel) misst ein Test.
Nutzen
Mit Hilfe der klassischen Testtheorie kann die Reliabilität eines Tests bestimmt werden. Damit wird es möglich die wahre Ausprägung des Merkmals sowie die Varianz des Messfehlers zu schätzen.
Vorteil
- Die Annahmen der klassischen Testtheorie sind einfach gehalten und daher leicht empirisch realisierbar.
Kritik
- Möglicherweise ist die Annahme zu grob, da verschiedene Arten von Fehlern berücksichtigt werden müssten.
- Die Stichprobenhabhängigkeit von Reliabilität, Itemschwierigkeit und Itemtrennschärfe wird in der KTT nicht oder nur ungenügend beachtet.
- Die Homogenität von Items kann im Rahmen der KTT nicht geprüft werden.
- Streng genommen ist Reliabilität das einzige Gütekriterium, das im Rahmen der KTT bestimmt werden kann. Die KTT sagt nichts über die Validität eines Tests.
- Grundsätzliche Probleme der klassischen Testtheorie bei der Veränderungsmessung: Die Tests der klassischen Testtheorie werden auf Grundlage der Stabilität der Merkmale (Retestreliabilität/Paralleltestreliabilität) konstruiert, damit steht die Forderung nach hoher Reliabilität im Widerspruch zur Veränderbarkeit der Merkmale.
Literatur
- Gustav A. Lienert, Ulrich Raatz: Testaufbau und Testanalyse. 6. Auflage. BeltzPVU, Weinheim 1998, ISBN 3-621-27424-3