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Radierung

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Eine Radierung (v. lat.: radere = kratzen, wegnehmen, entfernen); ist ein grafisches Tiefdruckverfahren. Zu unterscheiden sind Verfahren, die auf physikalischer Kaltverformung der Druckplatte beruhen, und solchen, die auf chemischem oder auf galvanischem Wege Material entfernen. (siehe weiter unten "Techniken des grafischen Tiefdrucks")

Die Technik der Radierung entwickelte sich im 16. Jahrhundert aus dem Kupferstich. Die ersten Radierungen tauchen im Jahre 1513 auf (siehe auch Grafik, Kapitel Geschichte der Graphik).

"Die fünf Landsknechte", Eisenradierung von Daniel Hopfer aus dem frühen 16. Jahrhundert

Herstellungsvorgang einer Ätzradierung im Detail

Die Druckplatte wird mit einer säurebeständigen Schicht - dem Ätzgrund oder Abdecklack, einer Mischung aus Wachs, Mastix und Asphalt - überzogen. Auf dieser Platte wird die Zeichnung mit einer Radiernadel, einer Roulette oder Moulette leicht in diese säurebeständige Schicht eingeritzt. Es folgt ein Säurebad (üblich ist Salpetersäure oder Eisenchlorid), in der die Säure das Metall an den eingeritzten Stellen ätzt. Je nach Zeitdauer der Säureeinwirkung werden die Linien stärker oder schwächer. Sollen einzelne Partien kräftiger erscheinen, werden die übrigen ebenfalls mit der säurebeständigen Schicht bedeckt und die Platte wieder ins Säurebad gelegt. Eine einzelne Druckplatte kann so eine Reihe von Ätzvorgängen aufweisen. Erzielt wird damit im Druck eine Abstufung vom hellsten Grau bis zum tiefsten Schwarz. Der entscheidende Schritt zur künstlerischen Entfaltung der Radierung lag in der Erfindung des stufenweisen Ätzens.

Nach Entfernung des Ätzgrundes wird die Platte mit der Druckfarbe eingefärbt, und durch Wischen soweit von Farbe gereinigt, dass nur die tiefer liegenden, druckenden Plattenteile farbtragend sind. Die Druckfarbe wird beim anschließenden Druck an das Druckpapier wieder abgegeben, wenn ein angefeuchtetes Blatt Tiefdruckpapier durch die Radierpresse gezogen wird.

Techniken des grafischen Tiefdrucks

Beispiel für eine Ätznadelradierung

Die grafischen Tiefdruckverfahren werden in zwei große Gruppen unterteilt: die manuellen Verfahren (wie beispielsweise Kaltnadel, Kupferstich, Mezzotinto) und die Ätzverfahren. Die Radierung zählt zu den Ätzverfahren, zu der auch Aquatinta und Vernis Mou zählen. Carborundum ist eine Kombination aus Radierung und Prägedruck, bei der zusätzlich zur Radierung bestimmte Stellen der Druckplatte mit einer Mischung aus z. B. Carborundum (Schleifsand für Lithosteine) und Marmormehl bedeckt werden. Die "Heliogravure" entstand Ende des 19. Jhdts als mit der Fotografie lichtempfindliche Beschichtungen aufkamen. Auf ein mit Kaliumdichromat sensibilisiertes Papier (Pigmentpapier) wird das Halbtondia belichtet. Anschließend wird dieses Papier in kaltem Wasser gewässert und auf eine mit Aquatinta versehene Kupferplatte gequetscht. Die Entwicklung findet in warmen Wasser statt. Die unterschiedlich starke Lichteinstrahlung ist für die Bildung eines Gelatinereliefs verantwortlich. Je nach Reliefstärke kann die Säure die Gelatine durchdringen. Dünne Schicht erlaubt schnelles Durchdringen und damit längere Ätzzeit (=dunklerer Ton), dicke Schicht das Gegenteil.

Farbradierung

Heute üblich sind Farbradierungen. Hierbei unterscheidet man folgende Varianten:

  • Colorierte Radierung: Radierungen, die in einer (Grund-)Farbe gedruckt sind, werden nachträglich mit Aquarellfarbe oder Buntstiften coloriert.
  • Farbradierung von einer Platte: In der einfachen Variante wird die Druckplatte mit verschiedenen Farben eingefärbt. Naturgemäß ist das aber schwierig zu steuern und es ist so kaum möglich einen einheitlichen Auflagendruck (eine bestimmte und garantierte Anzahl identischer Exemplare) durchzuführen. Stanley William Hayter hat mit anderen Künstlern im "Atelier 17" in Paris eine spezielle Technik der Farbradierung entwickelt, die auf der Abstoßung fetthaltiger und wasserlöslicher Farbe beruht, wodurch wiederholbare Mehrfarbdrucke von einer Platte (einem Druckstock) möglich sind.
  • Mehrplattenfarbradierung: Eine präzise Steuerung erlaubt der Druck von mehreren Druckplatten. Von der ersten Druckplatte wird das Motiv auf weitere, gleich große Platten übertragen, die dann andere Farben tragen. Dies gelingt durch verschiedene Pausverfahren oder indem man beim Übertragen das Bütten (Druckpapier) noch unter der Walze der Druckpresse lässt, die bereits gedruckte Druckplatte gegen eine unbenutzte tauscht und den Druckvorgang wiederholt. Hierbei bildet sich das Druckbild auf der unbedruckten Platte ab. Der Druck der Mehrplatten-Farbradierung erfolgt dann in der Reihenfolge von der hellen zur dunklen Farbe.
  • Druck auf farbiges Papier: Indem mit weißer Farbe auf blaues, schwarzes oder bräunliches Papier gedruckt wurde, ahmten die Künstler Kreide-, Silberstift- und Rötelzeichnungen nach.
  • Montagedruck: Wird die Druckplatte mit der Dekupiersäge in verschiedene Teile zerlegt, können diese jeweils separat eingefärbt werden. Anschließend werden sie auf dem Drucktisch der Presse nebeneinander gelegt und gedruckt.
  • Kombinationsdruck: Durch die Kombination verschiedener Drucktechniken (Hochdruck/Tiefdruck) oder durch Einkleben von farbigem Papier bzw. Metallfolie sind ebenfalls wiederholbare Farbvarianten möglich.

Geschichte der Radierung

Die Entstehung von Drucken und somit auch von Ätzradierungen hängt eng von der Möglichkeit ab, Papier herzustellen. Zeitgleich mit der Entstehung der Papiermühlen im 15. Jahrhundert, tauchten die ersten „Drucke“ auf, welche vor allem Waffenschmiede und Goldschmiede herstellten, indem sie Ruß in die Vertiefungen ihrer Verziehrungen rieben und Abdrücke nahmen. Wahrscheinlich diente dies der Reproduzierbarkeit und Dokumentation.

Aus dem Jahr 1515 ist die erste Eisenätzradierung bekannt, ebenfalls aus dem Bereich der Waffenschmiedekunst, diese Technik setzte sich aber nicht durch, da Eisen zu spröde ist. Anfang des 16. Jahrhunderts stellte Herkules Seghers (Niederlande) erste Ätzungen in Kupferplatten her. Als frühe Künstler, die sich dieses Verfahrens bedienten, seien Urs Graf (Schweiz) und Daniel Hopfer (Augsburg) genannt. Im 16. Jahrhundert diente die Kupferradierung vor allem als „billige Reproduktionstechnik“ so stellten diverse Künstler "Reproduktöre" ein, welche Kupferradierungen von ihren Kunstwerken herstellten. Diese Drucke wurden in ganz Europa verteilt, um Werbung für die eigene Werkstatt zu machen. Eine erwähnenswerte Nebenwirkung dieser Entwicklung ist, dass sich dadurch Stilentwicklungen viel schneller (in Europa) verbreiteten.

Erst im 17. und 18. Jahrhundert wurde die Kupferradierung als eigenständiges künstlerisches Ausdrucksmittel von Künstlern wie Rembrandt, Goya, Lorrain und Tiepolo verwendet. Damit zusammen hängt mit Sicherheit auch die Entwicklung der Technik der Flächenätzung (Aquatina), welche die Möglichkeit eröffnete, Flächen mit gleichmäßigen Grauwerten herzustellen.

Die Kupferradierung verlor Mitte des 19. Jh. an Bedeutung durch die Erfindung von Lithographie, Cliché und Autotypie. Aber auch in unserer Zeit, ist die Radierung bei Sammlern als unabhängige Kunstform beliebt, da sie das Sammeln von Kunst zu erschwingliche(re)n Preisen ermöglicht. Außerdem spielt die Kupferätzung (fotochemische Ätzung) bei der Herstellung von Zeitschriften und Zeitungen, im Zylinderrotationstiefdruck, wieder eine Rolle.

  • Technik stammt aus der Silber- und Waffenschmiedekunst: Verzierungen wurden auf andere Objekte übertragen -> Ziselieren, Stahlstich
  • Frühform von ??Masacchio?? um 1400
  • Albrecht Dürer (1471 - 1528) war der Sohn eines Goldschmiedes und hat zu Beginn seiner künstlerischen Tätigkeit eine kurze Goldschmiedelehre bei seinem Vater absolviert, bevor er 1486 beim Nürnberger Maler Michael Wolgemuth in die Lehre ging und eine Ausbildung als Maler, Zeichner und Grafiker erhielt; er vervollkommnet v.a. den Kupferstich, macht auch Versuche mit der Ätztechnik (Eisenradierungen) und Kaltnadel. Erste Eisenradierungen seit 1515 (Christus am Ölberg, Die Große Kanone...)
  • Herkules Seghers, holländ. Maler und Grafiker: viel versprechende Arbeiten mit der Ätzung in Kupferplatten
  • Hohe künstlerische Reife der Ätztechnik und der Kaltnadel durch Rembrandt van Rijn; interessant auch hier die künstlerische Nutzung der Plattenzustände als "work in progress"
  • Ende des 18. Jhdts kommt die Aquatinta auf; Francisco de Goya schuf mit dieser Technik die Radierzyklen Los Caprichos und Desastros de la Guerra (die Schrecknisse des Krieges)
  • mit dem Aufkommen der Lithografie verlieren die Radierung und der Kupferstich ihre Bedeutung als künstlerische Reproduktionstechniken, private (bürgerliche) Sammler entdecken die Arbeiten als erschwingliche Möglichkeit Kunst zu sammeln
  • bedeutende (halbwegs) zeitgenössische Künstler der Radierung: Emil Schumacher, Georg Harms-Rüstringen, A. Paul Weber, Horst Janssen, Johnny Friedländer, Andreas Vietz, Jutta Vollmer, Anja Klafki, J.P. Moro, James Coignard, Paul Eliasberg, Marc Chagall, Heinrich Wolff (1875 - 1940), Udo Nolte u.a.

Radierung und Kupferstich

Wie die Radierung zählt auch der Kupferstich zu den Tiefdruckverfahren. Während beim Kupferstich durch das scharfe Einschneiden sehr exakte klare Ränder erzielt werden können, greift die Säure beim Ätzvorgang der Radierung das Metall ungleichmäßig an. Sie dringt, wenn auch nur sehr geringfügig auch unter die Ränder der Deckschicht ein. Dadurch entsteht die etwas körnig wirkende Linie.

Ein weiterer Unterschied zwischen Kupferstich und Radierung liegt in der Möglichkeit der Linienführung. Während bei der Radierung mit der Nadel so frei wie mit einem Bleistift gearbeitet werden kann und damit eine unmittelbare, spontane Zeichnung möglich ist, ist die Schnittführung des Kupferstichs auf gerade oder kurvige Linien beschränkt, die entweder in parallelen Zügen oder in Kreuzlagen geführt werden.

Die Unterscheidung zum Kupferstich kommt vorrangig aufgrund der unterschiedlichen Technik zustande. Der Kupferstich wurde - wie die technisch weniger zeitaufwändige Radierung - als "billige" Reproduktionstechnik, die hohe Auflagen erlaubte, bereits im 16. Jhdt. verwendet. Weil der Radierung die "Kälte" des Kupferstiches fehlt, wurde diese zunehmend als eigenständige und ursprüngliche Ausdrucksform von Sammlern des zu Wohlstand gekommenen Bürgertums im 17./18.Jahrhundert sehr geschätzt. Besonders Rembrandt bediente diesen "Markt" derer, die sich seine Ölgemälde nicht leisten konnten zunächst mit Reproduktionen, aber sehr bald auch mit eigenständigen radierten Werken, deren Formate oft nur die Größe einer halben Postkarte besitzen.

Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts verloren Radierung und Kupferstich schlagartig ihre Bedeutung durch die Erfindung der Lithographie und Zinkotypie, die erst den Druck hoher Auflagen in den Massenblättern ermöglichten. Erst durch den Zylinderrotationstiefdruck, der Millionenauflagen in höchster Farbbrillianz ermöglicht, kamen Kupferstich und Radierung - wenn auch hochtechnisiert - wieder in massenhafte Anwendung. Die Mehrzahl der hochwertigen Modezeitschriften wird heute im Rotationstiefdruck hergestellt, wobei die 4-Farbseparation im Unbuntaufbau sparsamen Farbauftrag mit höchster Farbtreue und Brillianz verbindet. Die Walzen werden dabei entweder computergesteuert graviert (wie vormals im Kupferstich), fotochemisch geätzt (wie in der Radierung) oder galvanochemisch vertieft.

Die manuellen Verfahren sind - bedingt durch die zeit- und arbeitsintensiven Arbeitsabläufe - heute eine eher elitäre grafische Technik, die wegen ihrer eigenständigen grafischen Wirkungen und der Möglichkeit kostengünstiger Kleinauflagen von vielen Künstlern praktiziert wird.

Literatur

  • Walter Koschatzky; Die Kunst der Graphik, München 1977
  • Lothar Lang; Der Graphiksammler, Berlin 1979
  • Wolfgang Autenrieth Techniken der Radierung und der Edeldruckverfahren -Tipps, Tricks, Rezepte und Anleitungen - ein alchemistisches Online-Werkstattbuch. Druck- und Online-Version 2005. Rezepturen zu Abdecklacken, Weichgründen, Ätzmitteln, lichtempfindlichen Beschichtungsverfahren, umfangreichem Chemikalienverzeichnis mit Übertragung historischer Bezeichnungen in heute gebräuchliche Namen und SEHR umfangreicher Literaturliste. Druckversion mit 220 Seiten A4, davon 100 Seiten online.

siehe auch