Die italienische Luftwaffe (Aeronautica Militare Italiana) ist eine von vier italienischen Teilstreitkräften und untersteht dem Generalstab der Streitkräfte im Verteidigungsministerium in Rom. Die Sollstärke der italienischen Luftwaffe liegt bei derzeit (2005) bei 44.000 Berufssoldaten und Freiwilligen.
Organisation
Dem Generalstab der Luftwaffe in Rom unterstehen drei große Kommandobereiche:
- Luftflottenkommando ("Comando della Squadra Aerea-CSA" (Rom-Centocelle)
- Luftwaffenunterstützungskommando ("Comando Logistico-COMLOG") (Rom-Pratica di Mare)
- Luftwaffenausbildungskommando ("Comando Generale delle Scuole-CGS") (Rom-Guidonia)
Hinzu kommt das operative Einsatzzentrum "Comando delle Forze Aeree-COFA" in Poggio Renatico bei Ferrara auf das auch der Generalstabschef der Streitkräfte direkten Zugriff hat. Zugleich ist es das NATO-Einsatzkommando "CAOC 5" ("Combined Air Operations Center 5", früher die V. ATAF in Vicenza). Im apulischen Martina Franca besteht darüber hinaus ein mobiles Reserveeinsatzzentrum, das auch für Auslandeinsätze zur Verfügung steht.
Luftflottenkommando
Dem "Comando della Squadra Aerea" (CSA) unterstehen alle fliegenden Verbände der italienischen Luftwaffe. Es ordnet und überwacht den Dienstbetrieb und stellt schon im Frieden die höchstmögliche Einsatzbereitschaft aller unterstellten Verbände sicher. Zu diesem Zweck bedient es sich zweier Luftwaffendivisionskommandos ("Aquila" und "Drago" in Mailand bzw. Bari) mit etlichen weiteren Unterkommandos, die für alle Bereiche der Luftkriegsführung, inkl. der elektronischen Kriegsführung zuständig sind.
Für operative Einsätze werden Einheiten und Verbände dem Einsatzführungskommmando der Luftwaffe (COFA) bzw. dem NATO-Kommando CAOC 5 in Poggio Renatico bereitgestellt. Dieses Kommando führt im täglichen Dienstbetrieb alle anfallenden operativen Aufgaben aus, vom Rettungshubschraubereinsatz über Alarmstarts von Abfangjägern ("Scrambles") bis zu regelrechten Luftangriffsoperationen (Kosovo-Krieg).
Der zentrale operative Verband der italienischen Luftwaffe ist das Geschwader (it. "Stormo", dt. "(Vogel-)Schwarm") das mit einem Regiment beim Heer vergleichbar ist. Größere fliegende Verbände heißen "Luftbrigaden", von denen es aber nur wenige gibt. Dem Geschwaderkommandeur, einem Oberst, der in Deutschland auch "Kommodore" heißt, unterstehen neben Stabseinheiten und dem Operationszentrum folgende "Gruppen" (vgl. Bataillon):
- 1-2 (evtl. 3) fliegende Gruppen, bez. je nach Flugzeugtyp bzw. Einsatzart
- "Technische Unterstützungsgruppe" (technische Unterstützung, Wetterdienst, Flugsicherung)
- "Logistische Unterstützungsgruppe" (Infrastruktur, Feuerwehr, Gesundheitswesen)
- "Flugzeugwartungsgruppe" (Werft; nicht an allen Standorten, nur für jeweils einen Typ)
- "Verteidigungsgruppe" (Objektschutz und Flugabwehr, i.d.R. mit je 1 Flarakstffl. "Spada")
- 1 Staffel mit Verbindungsflugzeugen und ggf. Rettungshubschraubern.
Terminologisch gibt es bei den fliegenden Gruppen einige Schwierigkeiten. Die fliegende Gruppe eines deutschen Geschwaders unterteilt sich wie in Italien in Staffeln ("Squadriglie"). Bei der deutschen Luftwaffe gibt es heute eine fliegende Gruppe pro Geschwader mit i.d.R. zwei fliegenden Staffeln zu je etwa 20 Flugzeugen, die i.d.R. von einem Major befehligt werden. Weil man in Italien 12-18 Flugzeuge nicht in einer Einheit (Staffel) im Rang einer Kompanie zusammenfassen will, stellen dort 12-18 Flugzeuge eine fliegende Gruppe dar, also einen Verband auf Bataillonsebene, der von einem Oberstleutnant geleitet wird. Die Unterscheidung in "Squadriglie" (Staffeln) hat nur Verwaltungscharakter. Oft wird "Gruppo" mit "Staffel" oder auch engl. "Squadron" übersetzt, was in Ordnung ist und auch in Italien akzepiert wird. Ganz den Tatsachen entspricht es jedoch nicht.
Nachstehend eine Liste mit den wichtigsten italienischen Luftwaffenbasen und Geschwadern (in Klammern die Flugzeugtypen; Mehrfachnennungen weisen auf mehrere "Staffeln" hin):
- Cameri (Novara): Flugzeugwerft (für samtliche Tornados der ital. Luftwaffe)
- Piacenza: 50. Stormo (Tornado ECR)
- Ghedi (Brescia): 6. Stormo (Tornado IDS/Tornado IDS)
- Villafranca (Verona): Mobiler Unterstützungsverband für Auslandseinsätze
- Istrana (Treviso): 51. Stormo (AMX/AMX)
- Rivolto (Udine): Frecce Tricolori (MB339PAN)
- Cervia (Rimini): 5.Stormo (F-16ADF)
- Pisa: 46. Brigata Aerea (C-130J/C-130J/C-27; Werft)
- Grosseto: 4. Stormo (Eurofighter/Eurofighter; Werft, OCU) (im Zulauf)
- Ciampino (Rom): 31. Stormo (A-319CJ/Falcon 900EX/Falcon50/S-3D; Flugbereitschaft)
- Pratica di Mare (Rom): 9. Brigata Aerea (Luftbetankung, Eloka, C-SAR, Flugversuchszentrum)
- Latina: 70. Stormo (SF-260, Flugschule)
- Frosinone: 72. Stormo (NH-500, Hubschrauberflugschule)
- Grazzanise (Neapel): (Neapels neuer internationaler Flughafen?)
- Amendola (Foggia): 32. Stormo (AMX/AMX-T/PredatorUAV; Werft)
- Gioia del Colle (Bari): 36. Stormo (Tornado IDS)
- Brindisi: Logistikzentrum, Hubschrauberstaffel (HH-3F)
- Lecce: 61. Stormo (MB339/MB339; Flugschule, Werft)
- Sigonella (Catania): 41. Stormo (Atlantic; Seefernaufklärung)
- Trapani: 37. Stormo (F-16ADF/HH-3F) (E-3AWACS, NATO-FOB)
- Decimomannu (Cagliari): "NATO Air Weapons Training Installation-AWTI"
- Aviano (Pordenone): 31st Fighter Wing (USAF) (F-16C/F-16C)
- Martina Franca (Tarent): 16. Stormo (force protection - Objektschutzverband für Auslandseinsätze)
- Furbara (Rom): "Reparto Incursori Aeronautica Militare" (Spezialeinheit; Forward Air Control, Combat SAR)
Die italienische Luftwaffe verfügt derzeit noch über insgesamt etwa 85 Tornados, 110 AMX (davon etliche in Reserve), 34 F-16ADF und ca. 100 Aermacchi MB 339, sowie 22 C-130J Hercules II (davon 10 in der verlängerten Version) und 12 C-27J Transportflugzeuge. Aufgrund industriepolitischer Erwägungen wurden in den 90er Jahren keine F-16C Kampfflugzeuge als Ersatz für die veralteten F-104S "Starfighter" beschafft, um das (besonders von Deutschland lange verzögerte) Eurofighter-Programm nicht zu gefährden. Die 34 F-16 wurden von den USA als "Stop-Gap-Fighter" geleast. 121 Eurofighter sind bestellt, doch das dritte Baulos ist gefährdet. Italien ist im amerikanischen Joint Strike Fighter (JSF) Programm, mit dem es die leichten Kampfflugzeuge vom Typ AMX ersetzen möchte. Die Tornados, die unlängst ein "Midlife-Update" erhielten, sollen noch bis 2020 im Dienst bleiben und eventuell von weiteren Eurofightern oder JSF ersetzt werden. Die Jettrainer und leichten Erdkampfflugzeuge vom Typ Aermacchi MB 339 dürften bald vom neuen Aermacchi M 346 abgelöst werden. Bestellt sind 4 neue Tankflugzeuge vom Typ KC-767. Die Beschaffung von eigenen AWACS-Flugzeugen konnte wegen mangelnder finanzieller Ressourcen bis dato nicht realisiert werden. Auch die alten Nike-Herkules Flugabwehrraktenen wurden aus diesem Grund nicht durch Patriot-Raketen ersetzt. Italien ist im Raketenprogramm MEADS vertreten.
Luftwaffenunterstützungskommando
Das "Comando Logistico" (COMLOG) ist für den gesamten technischen, logistischen und Verwaltungsbetrieb in der italienischen Luftwaffe zuständig, sofern er nicht von den fliegenden Verbänden selbst durchgeführt wird. Für territoriale Aufgaben unterstehen dem Kommando zwei territoriale Luftwaffenregionen in Mailand (1.) und Bari (3.), sowie eine Dienststelle für Aufgaben in Rom. Daneben unterstehen COMLOG drei Divisionen:
- 1. COMLOG-Division: Flugversuchszentrum, Flugmedizin, wissenschaftliche Dienste u.a.
- 2. COMLOG-Division: Technische Dokumentation, Materialerhaltung Fluggerät
- 3. COMLOG-Division: Technische Dokumentation, Materialerhaltung C-4 Systeme
Luftwaffenausbildungskommando
Das "Comando Generale delle Scuole" (CGS) ist für die Rekrutierung, Aus- und Fortbildung des gesamten Personals der italienischen Luftwaffe zuständig. Neben Schulen und Akademien aller Art (u.a. Luftwaffenakademie in Pozzuoli bei Neapel, Führungsakademie in Florenz) unterstehen ihm auch die fliegenden Ausbildungsgeschwader (in o.g. Liste aufgeführt) in Latina, Frosinone und Lecce, sowie Ausbildungsstellen in Sheppard (Texas, USA) und Moose Jaw (Kanada).
Geschichte
Das militärische Luftfahrtwesen begann in Italien im Jahr 1884 mit der Aufstellung einer Luftschiff-Einheit beim 3. Pionierregiment des Heeres in Rom. Italien war das erste Land der Welt, das Flugzeuge in einem Krieg zum Einsatz brachte. Am 22. Oktober 1912 flog während des Italienisch-Türkischer Krieges Hauptmann Piazza in Libyen mit einer Blériot XI den ersten "Bombereinsatz" der militärischen Luftfahrtgeschichte.
Im Ersten Weltkrieg zeichnete sich besonders der Kavallerieoffizier Francesco Baracca aus. Einen großen Einfluss auf die Luftwaffen aller Staaten hatte der Lufwaffenstratege General Giulio Douhet, der erstmals die strategischen Wirkungen von Flächenbombardements beschrieb, welche von den italienischen Fliegertruppen mit ihren großen Caproni-Bombern Ca.3-Ca.5, Ca.36 sowie Ca.42 erstmals geflogen wurden und später im 2. Weltkrieg von den Alliierten im großen Stil umgesetzt wurden.
Die italienische Luftwaffe selbst wurde am 28. März 1923 unter dem Namen Regia Aeronautica ("Königliche Luftwaffe") gegründet. Im Wesentlichen handelte es sich um die Fusion der Fliegertruppen von Heer und Marine, denen danach eigene fliegende Einheiten verboten wurden. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen machte sich die Luftwaffe dank der Förderung durch das faschistische Regime Benito Mussolinis (der selbst auch Pilot war) und der Flugpioniere um Arturo Ferrarin, Francesco De Pinedo, Umberto Nobile und Italo Balbo einen Namen und stellte zahlreiche internationale Rekorde auf. Die Luftwaffe entwickelte sich in dieser Zeit von einer Teilstreitkraft zu einer Art "Sportverein", was man dann im Krieg bereute. Im spanischen Bürgerkrieg konnte die Regia Aeronautica von 1936 bis 1939 noch einmal voll überzeugen und avancierte in jenen Jahren noch vor der Aufrüstung Nazi-Deutschlands bis 1938 zur wahrscheinlich stärksten Luftwaffe der Welt. Im Zweiten Weltkrieg schlug sich die Luftwaffe von allen italienischen Teilstreitkräften noch am besten. Bei Kriegseintritt befand sich die Regia Aeronautica noch in einer Phase des Umbaus und der Modernisierung, die jedoch sehr langsam voranging, weswegen Italien 1940 mit zumeist veralteten Kräften in den Kampf ziehen mußte. Erst später konnten die Italiener mit dem Lizenzbau von deutschen Daimler-Benz-Flugmotoren modernere und leistungsfähigere Jagdflugzeuge bauen. Italienische Bomber flogen mehrfach spektakuläre Langstrecken-Einsätze, u.a. bis zum Persischen Golf. Besonders zeichneten sich die Torpedoflieger ("Aerosiluranti") aus, die trotz oft unmöglicher Umstände der britischen Flotte schweren Schaden zufügten.
Nach dem Krieg wurde die Luftwaffe mit der Abschaffung der Monarchie im Jahr 1946 in "Aeronautica Militare" umbenannt. Ab 1951, mit der Aufhebung der Rüstungsbeschränkungen, wurde die Luftwaffe im Rahmen der NATO wieder aufgerüstet und konnte in den fünfziger Jahren dank amerikanischer Militärhilfe einen recht hohen Einsatzstand erreichen. Die Geschwader der italienischen Luftwaffe wurden zeitweise zu Luftbrigaden ("aerobrigate") umstrukturiert. Bis in die neunziger Jahre hatte man eine eher territoriale Struktur mit zwei Luftwaffenregionen (1. in Mailand und 3. in Bari) und dazugehörigen "Regional Operations Centers" (ROC). 1999 erhielt die italienische Luftwaffe schliesslich eine moderne, eher nach Funktionen ausgerichtete Struktur.
Das Wappen der italienischen Luftwaffe zeigt neben einem gekrönten Adler und einem Spruchband mit der Aufschrift "Virtute Siderum Tenus" die Embleme der vier im ersten Weltkrieg erfolgreichsten Staffeln. Mit einer dieser Staffeln, der 87. "Squadriglia", flog Gabriele D'Annunzio am 9. August 1918 einen legendären Propagandaeinsatz über Wien (Abwurf von 400.000 Flugblättern).