Schweizerdeutsch (auch Schwyzerdütsch) ist eine Sammelbezeichnung für diejenigen alemannischen Dialekte, die in der Schweiz und in Liechtenstein gesprochen werden. Linguistisch sind die Dialekte Vorarlbergs sowie die Dialekte einiger von Walsern besiedelter italienischer Bergdörfer südlich der Schweizer Grenze eng mit dem Schweizerdeutschen verwandt; trotzdem werden sie weder in den betreffenden Gebieten noch in der Schweiz als Schweizerdeutsch bezeichnet.
Linguisten haben hunderte von Deutschschweizer Mundarten unterschieden. Die starke topografische Kammerung der Schweiz und die relativ geringe räumliche Mobilität bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben dazu geführt, dass sich die Dialekte teilweise sehr stark voneinander unterscheiden, bisweilen sogar so stark, dass auch die Schweizer untereinander Verständigungsprobleme haben können. So gilt das Walliserdeutsch als extremste Ausprägung. Neben den unterschiedlichen Aussprachen sind insbesondere Flurnamen, Bezeichnungen für Pflanzen, Werkzeuge, landwirtschaftliche Geräte und Ähnliches stark regional geprägt.
Gliederung der schweizerdeutschen Dialekte
Niederalemannisch
Zur Dialektgruppe des Niederalemannischen gehört in der Schweiz der Dialekt von Basel-Stadt, das Baseldeutsch. Kennzeichen dieses Niederalemannischen ist ein anlautendes kh statt des hochalemannischen ch, beispielsweise Khind statt Chind. Das Niederalemannische wird zugleich nördlich des Bodensees und in jenem Teil des ehemaligen Landes Baden (im heutigen Baden-Württemberg) gesprochen, der südlich der Oos, des Flusses durch Baden-Baden, liegt. Auch das Elsässische zählt zum Niederalemannischen.
Hochalemannisch
Fast alle hochalemannischen Dialekte werden in der Schweiz und Liechtenstein gesprochen. Zum Hochalemannischen gehören noch die Dialekte des äussersten Südwestens Baden-Württembergs, die Dialekte Vorarlbergs in Österreich sowie die Dialekte des Sundgaus im südlichen Elsass.
Höchstalemannisch
Die Mundarten des Wallis sowie der Walsersiedlungen, des Berner Oberlands, der Innerschweiz und des Senselands (Kanton Freiburg) gehören zum Höchstalemannischen, dessen Kennzeichen Formen wie schnyyä, nüü(w)/nyyw, buu(w)e/büü(w)ä statt hochalemannischem schneie/schnäie, neu, boue/baue sind. Die Dialekte des Wallis und die von den Wallisern (Walsern) gegründeten Tochtersiedlungen in Norditalien und im Tessin bilden eine besonders konservative Untergruppe, das Walliserdeutsch bzw. Walserdeutsch.
Die Mundart von Samnaun im Unterengadin gehört nicht zum Alemannischen, sondern zum Tirolerischen, also zum Bairisch-Österreichischen.
Schweizer Hochdeutsch und Schweizerdeutsch
Der Sprachgebrauch in der Schweiz unterscheidet sich dadurch von dem in Deutschland oder Österreich, dass ein deutlicher Gegensatz zwischen Dialekt und Standardsprache besteht: Dialekt und Standardsprache bilden also kein Kontinuum, in dem ein gleitender Übergang möglich wäre. Eine sprachliche Äusserung kann nicht auf mehr oder weniger dialektale oder standardsprachliche Art erfolgen; man spricht entweder Dialekt oder Standardsprache und wechselt zwischen beiden.
Die Dialekte werden in der Schweiz von allen sozialen Schichten im mündlichen Bereich als normale Umgangs- und Verkehrssprache verwendet; Dialekt zu sprechen ist also nicht sozial geächtet. Auch mit sozial höhergestellten Leuten und im Umgang mit Behörden ist das Sprechen des Dialekts in jeder Situation üblich.
Schweizer Hochdeutsch wird in der Schweiz hauptsächlich für schriftliche Äusserungen verwendet und wird deshalb auch oft «Schriftdeutsch» genannt.
In den letzten Jahrzehnten sind verstärkt Gebrauchsausweitungen des Dialekts zu Lasten des (Schweizer) Hochdeutschen festzustellen (wobei im Weiteren unter «Hochdeutsch» stets die deutsche Standardsprache mit deutlichem Schweizer Akzent zu verstehen ist):
- Im mündlichen Bereich sollte das Hochdeutsche zwar offizielle Sprache des Schulunterrichts sein, doch beschränken sich die Lehrer aller Stufen oftmals darauf, nur den eigentlichen Unterrichtsgegenstand in Hochdeutsch zu erteilen; zwischendurch gemachte Bemerkungen und Anweisungen (beispielsweise Kevin, gang bis so guet s Fäischter go zuemache «Kevin, sei so gut und mach das Fenster zu!») erfolgen dagegen in der Mundart. Das Hochdeutsche wird damit zur Sprache der Distanz («Sprache des Verstandes»), der Dialekt zur Sprachform der Nähe («Sprache des Herzens»). Auch Zwischenfragen und ähnliche Interventionen von Schülern und Studenten erfolgen immer mehr im Dialekt. Diesen Zustand bestätigen auch indirekt die wiederholten Ermahnungen der Schulbehörden, das Hochdeutsche im Unterricht mehr zu pflegen.
- Vor allem in den privaten Radio- und Fernsehkanälen wird praktisch nur noch Dialekt gesprochen. Da es viele Mitarbeiter aber gewohnt sind, ihre Sprechtexte auf Hochdeutsch niederzuschreiben, entsteht beim Ablesen oft eine stark hochdeutsch geprägte Sprachform mit den Lautformen des Dialekts, aber der Syntax des Hochdeutschen: Es schtååt z befürchtə, dåss d Zåål dər Vərletztə, diə i Chrånkchəhüüsər iiglifərət woordə sind, no beträchtlich ååschtiigə chönnt statt mə hät ångscht, das no mee Vərletzti in Schpitål prååcht wäärdə chönntət (zürcherdeutsch). In den staatlichen Medien gilt es zu differenzieren:
- Im Radio sind fast nur noch die Nachrichten sowie das gesamte Programm des Kulturkanals (DRS 2) auf Hochdeutsch.
- Im Fernsehen ist der Dialekt üblich in Unterhaltungsshows, in Soaps und Serien, im Kinderprogramm, in allen Sendungen mit ausgesprochenem Schweizbezug (Volksmusik, Regionalnachrichten), in analysierenden Sportsendungen, in allen Interviews und Diskussionen mit Deutschschweizern ausserhalb der Hauptnachrichten.
- In Gemeinde- und Kantonsparlamenten ist es zum Teil üblich, die Voten im Dialekt abzugeben.
- Auch in schriftlicher Verwendung ist das Hochdeutsche auf dem Rückzug, wo es sich um die Privatsphäre handelt:
- E-Mails und SMS vor allem der jüngeren Generation
- Sprache der Chatrooms
- Kontaktanzeigen und Annoncen in Zeitungen.
- Überdies werden in den hochdeutsch geschriebenen Zeitungen (zum Teil sogar in Weltblättern wie der «NZZ») in lokalem Zusammenhang immer öfter spezielle schweizerdeutsche Vokabeln verwendet (beispielsweise Töff für «Motorrad», Büsi für «Katze», Güsel für «Müll»).
Die Deutschschweizer haben also mangelnde Übung im mündlichen Gebrauch des Hochdeutschen; weit verbreitet ist die Ansicht, diese offizielle Nationalsprache sei eigentlich eine Fremdsprache. Dies hat zur Folge, dass ein Aussterben des Dialekts nicht mehr zu befürchten ist. Hochdeutsch wird seit dem 1. Weltkrieg wenig geschätzt und als fremd empfunden. Andererseits klingt Schweizer Hochdeutsch auch für viele Schweizer selbst schwerfällig und ungelenk. Hinzu kommen auch aufgrund geschichtlicher Ereignisse vorhandene Vorbehalte und Vorurteile gegenüber den Deutschen und den Österreichern und damit verbunden oft auch eine ablehnende Haltung gegen das Hochdeutsche. Dialektsprache wird somit auch bewusst als Abgrenzung benutzt, wobei es nach einer Eingewöhnungszeit des guten Zuhörens auch von anderen deutschsprachigen Menschen, von ausserhalb der Schweiz, einigermassen gut zu verstehen ist.
Schweizerdeutsch ist durch die vorgenannten Faktoren zwar eher auf dem Vormarsch, andererseits durchläuft es in den vergangenen Jahrzehnten dramatische Veränderungen. Einerseits führen die massiven Migrationsbewegungen innerhalb des Landes vielerorts zu einer zunehmenden Nivellierung der einzelnen Dialekte, andererseits hat der Konsum deutscher Medien zu einem Eindringen vieler hochdeutscher Elemente geführt. Durch diese Entwicklungen ergibt sich ein immer stärkeres Auseinanderdriften von passiver und aktiver Sprachkompetenz der Schweizer bezüglich der hochdeutschen Sprache. Während das Sprachverständnis (schriftlicher und gesprochener Hochsprache) schicht- und ausbildungsspezifisch demjenigen durchschnittlicher Einwohner Deutschlands in nichts nachsteht, wird die Ausdrucksfähigkeit und Gewandtheit beim eigenen Gebrauch zunehmend schwächer. Gleichzeitig wird das Schweizerdeutsche immer mehr mit hochdeutschen Vokabeln und Ausdrücken gesprochen (z.B. Träppe (Treppe) statt Schtäge).
Spezialitäten
Schreibweise
Alle Mundarten beziehungsweise Dialekte im deutschsprachigen Raum haben eines gemeinsam: es gibt für sie keine offizielle oder allgemein verbindliche Rechtschreibung. Genauso verhält es sich mit den schweizerdeutschen Dialektformen. Im Bereich der Mundartliteratur haben sich aber zwei Verschriftungssysteme durchgesetzt: die Dieth-Schrift oder Schwyzertütschi Dialäktschrift und die Bärndütschi Schrybwys.
Im Alltagsgebrauch (SMS, Chat, persönliche Briefe) wird der Dialekt «nach Gefühl» und persönlichem Geschmack in die geschriebene Form umgesetzt.
Auch bei der Verwendung des Hochdeutschen werden spezielle, nur in der Schweiz gebräuchliche Wörter und Rechtschreibregeln verwendet, so genannte Helvetismen.
Oft wird das Ypsilon für das gedehnte geschlossene i verwendet («Schrybwys»). Das Schweizerische Hochdeutsch spricht das Ypsilon nicht als Ü sondern als (offenes) i aus. Also «Gimnasium» und nicht «Gümnasium».
Vokale
Die meisten Schweizer Dialekte haben die frühneuhochdeutsche Monophthongierung und Diphthongierung nicht mitgemacht und verharren somit diesbezüglich auf mittelhochdeutschem Stand:
1) Bewahrung der mittelhochdeutschen Monophthonge:
Huus ist «Haus», Züüg ist «Zeug», wiit ist «weit» etc. Ausnahmen gibt es im Bündner Schanfigg (Hous, wejt), in Unterwalden (Huis, wejt) und im Aostataler Issime (Hous, wejt), wo die alten Längen alle diphthongiert sind. Eine weitere Ausnahme betrifft auslautende Langvokale und diejenigen vor Vokal, die in den hochalemannischen Mundarten des Mittellandes diphthongiert worden sind (mhd. frî -> frei, snîen -> schneie, mhd. sû -> Sou, bûwen -> boue, mhd. niu -> nöi). In weiten Teilen werden die alten Diphthonge von den neuen lautlich unterschieden. So heisst es in Zürich: Bäi (Bai), aber frej für standardsprachlich gleich lautende «Bein, frei» oder Baum, aber boue für standardsprachlich gleich lautende «Baum, bauen».
2) Bewahrung der mittelhochdeutschen öffnenden Diphthonge:
Während in der Standardsprache die mittelhochdeutschen ie, ue, üe monophthongiert wurden (vergleiche Liebe, wo ie noch in der Schrift erhalten ist aber [Müesli und nicht Müsli.
] gesprochen wird), sind diese Diphthonge in den schweizerdeutschen Mundarten erhalten geblieben. Ein geschriebenes ue wird nicht ü, sondern ú-e ausgesprochen (mit Betonung auf dem -ú-), der Schweizer «Rudolf» ist also Ru-edi, nicht Rüdi. Achtung: Mus ist «Maus», aber Mues (oder Muos) ist «Mus» - zum Frühstück gibt es alsoEndungen
- Die Endung -ung wird in den meisten Dialekten als -ig gesprochen (nicht jedoch im Senseland (nur z.T.), im Wallis oder im altertümlichen Stadtbernischen sowie im Kanton Schaffhausen). «Kreuzung» entspricht somit normalschweizerdeutschem Chrüüzig (aber senslerisch Chrüzùng, älter stadtberndeutsch Chrüzung, schaffhauserdeutsch Chrüüzing). Eine Ausnahme bilden die Typen auf -igung (z. B. «Kreuzigung»), wo es aus phonetischen Gründen bei «Chrüüzigung» bleibt. Ein Grenzfall ist auch das Wort «Achtung». In manchen Regionen wird das Wort als Achtig ausgesprochen, wenn es in einem Satz als Tugend/Wert ausgesprochen wird, hingegen verwendet man manchmal Achtung!, wenn es sich um den Ausruf «Vorsicht!» handelt. Dies liegt daran, dass es sich um ein Lehnwort aus der Standardsprache handelt, dass das einheimische Obacht! verdrängt.
- Der Verb-Endung -eln entspricht in der Regel -le (Bsp. zügle, bügle, tafle «zügeln, bügeln, tafeln»).
- Ein abschliessendes -n entfällt gewöhnlich, vor allem in der Endung -en (chouffe - kaufen, Haagge - Haken), aber auch in Wörtern wie Wy - «Wein» oder Maa - «Mann». Dabei taucht meistens ein Verbindungs-n zwischen Endvokalen und Anfangsvokalen wieder auf. (Bsp. I han es Buech «ich habe ein Buch»). Dieses Phänomen hat keine grammatikalische Bedeutung, sondern dient dazu, den sog. «Knacklaut» am Wortanfang zu vermeiden. Das passiert nicht nur bei Verben, sondern auch bei anderen Wortarten. (Bsp. I han es Buech, won är mir ggää het «ich habe ein Buch, das er mir gegeben hat»). Gewisse alpine Mundarten (bes. östliches Berner Oberland, oberes Prättigau und Lötschental) kennen diesen n-Schwund hingegen nicht.
- auslautendes -e entfällt vielfach (Brügg / Brugg «Brücke», oder Pluralendung Böim «Bäume»). Konservative alpine Mundarten kennen diese sog. Apokope allerdings nicht.
Grammatik
Die schweizerdeutsche Grammatik zeichnet sich unter anderem durch folgende Merkmale aus:
- kein Imperfekt oder Plusquamperfekt, die Vergangenheit wird immer mit dem Perfekt ausgedrückt: i(ch) bi(n) gsi – «ich war» oder «ich bin gewesen»
- dafür bedient man sich oft einer manchmal Ultra-Perfekt genannten Form, welche im Hochdeutschen verpönt ist: i han en no gseh gha – «ich habe ihn noch gesehen gehabt»
- das Futur ist ungebräuchlich. Wenn die Zukunft nicht aus dem Zusammenhang oder einer expliziten Zeitangabe (wie moorn, morgen) ersichtlich ist, wird sie oft mit de(nn) bezeichnet: mir gseh(nd)'s de(nn) - «wir werden sehen».
- nur sehr eingeschränkt ein formaler Akkusativ (das heisst der Akkusativ hat bei Substantiven und Adjektiven meist die gleiche Form wie der Nominativ). Bei den Pronomina ist der Akkusativ aber deutlich: Er het dr Stier gsee - «Er hat den Stier gesehen») aber: Dr Stier het en gsee - «Der Stier hat ihn gesehen».
- keine Verwendung des Genitivs, sondern Umschreibung mit «von» oder Possessivpronomen: de(r) Hund vom Peter oder em Peter si(n) Hund. Ausgenommen sind in manchen Dialekten Namen: Meiers Hund, der Annas Ofe, ds Housis Huus.
- Bildung von Relativsätzen immer mit «wo»: das wo si mir gseit het - «das, was sie mir sagte»
- gewisse Verben, die eine Absicht kennzeichnen, tauchen oft noch ein zweites Mal im Infinitiv auf: i gang go schaffe - «ich gehe arbeiten»; dä loon i lo stoo (oder: laan i la staa) - «den lasse ich stehen»
- Die Syntax ist teilweise regional unterschiedlich.
Beispiele:
- Jetz bin i grad aneghocket... - «jetzt habe ich mich gerade hingesetzt»
- ... für es Buech (z) läse (westlicher Typus) - «um ein Buch zu lesen»
- ... zum es Buech (z) läse (östlicher Typus)
- Er het mi(ch) ned la gaa (westlicher Typus) - «er hat mich nicht gehen lassen»
- ... nöd gaa laa (östlicher Typus)
Aussprache
- Die Betonung ist häufiger als im Standarddeutschen auf der ersten Silbe (oder sogar, wenn man so will, auf der nullten - Namen mit vorausgehendem «von» wie von Allmen werden auf dem von betont).
- ch wird immer rau wie in «Bach» ausgesprochen - genau genommen uvular (wenn es nicht wie beispielsweise im Basler oder Bündner Dialekt als k [am Wortanfang] beziehungsweise h [im Wortinnern] wie im Hochdeutschen oder im Baseldeutschen als k, h oder [vor einem Konsonanten] weiches g ausgesprochen wird).
- /aspiriert; aspirierte [ ] kommen nur als Cluster / / vor (ebenso [ ] ausser in Chur und Basel); / / sind immer stimmlos. Es ist umstritten, worin der Unterschied zwischen / / und / / liegt; auf alle Fälle ist es ein deutlicher Unterschied. Der Hauptunterschied dürfte darin liegen, dass / / kurz ausgesprochen werden, während / / lange Konsonanten sind. Der Unterschied von Länge und Kürze zeigt sich bei Verschlusslauten an der Dauer des Verschlusses (Siehe zu diesen Fragen Willi 1996 und Krähenmann 2003). / werden nicht
- Der Buchstabe k bezeichnet die Affrikate [ ], während der nicht aspirierte Laut [ ] mit der Buchstabenkombination gg wiedergegeben wird.
- Das lange a ist in vielen Mundarten sehr geschlossen und dunkel und tendiert gegen o (mit dem es auch zusammenfallen kann).
- ä und e entsprechen in den meisten Mundarten oft beinahe dem standarddeutschen a.
- Das y wird als geschlossener, oft gelängter i-Laut gelesen, also Schwiiz und nicht Schwüz für den Kanton Schwyz.
- Bei Wörtern aus dem Französischen wie Fondue oder Bellevue ist die Aussprache anders als im Französischen mit Betonung auf der 1. Silbe, also Fóndü (phonetisch: [ ]) und Béllvü ([ ]).
Siehe auch: Chuchichäschtli
Wortschatz
Allgemein ist zu erwähnen, dass es im Schweizerdeutschen sehr viele französische und italienische Lehnwörter gibt. Eine Auswahl davon ist in der folgenden Liste zu finden. (Es steht jeweils zuerst das schweizerdeutsche Wort bzw. der schweizerdeutsche Ausdruck)
- Typische Wörter
- äxgüsi oder exgüsee (excusez) – «Entschuldigung!»
- grüezi – Grussformel für Leute, die man siezt
- grüessech (im Kanton Bern üblich) - bei Leuten, die man siezt
- Müntsch(i), Mutzi - Kuss
- Gutsch - (sehr grosser) Tropfen
- Wörter, die bei nichtschweizerischen Zuhörern deutscher Sprache zu Missverständnissen führen können:
- Äuä - «Warscheindlich» Je nach Betonung heisst es auch «Nein» oder aber auch «Ja»
- Anke (m) – «Butter»
- abfigge - «abnützen»
- büeze – «nähen», «arbeiten»
- brüele, briegge, bäägge, greine, gränne - «weinen»
- bügle – «arbeiten», (in einigen Gegenden aber) «bügeln»
- Büsi - «Katze»
- Chaschte, Schaft – «Schrank»
- cheere – «drehen», «wenden»
- Cheib - «Kerl» (grob oder kumpelhaft, bedeutete ursprünglich «Aas»)
- Chessel, Chübel – «Eimer»
- Chlapf - «Knall, Schlag», auch «Ohrfeige» oder «Auto»
- Chrampf – «harte Arbeit»
- chrampfe – «hart arbeiten»
- Depot – «Pfand» (bei Mehrwegverpackungen)
- Dili - «Zimmerdecke»
- eis ga zieh - «einen trinken gehen» (salopp)
- fäge (fegen), de Bode ufnää (den Boden aufnehmen) – «wischen»
- es fägt (es fegt) – «etwas macht Spass»
- Ghüder, Güsel (m) - «Kehricht»
- Gröibschi, Gigetschi, Gürbschi, Bitzgi, Bütschgi - Apfelinneres
- glette (glätten) - bügeln (mit dem Bügeleisen)
- Goof (m) - Balg, Bube, Gör (Schimpfwort)
- Grind – «Kopf» (salopp)
- gumpe - «springen, hüpfen»
- hocke - «sitzen»
- huere (derb) – Intensivierungspartikel, z.B. hueregrooss 'extrem gross' (aber auch Hure; Prostituierte)
- Ich mag mi nümm erinnere / bsinne. (Ich mag mich nicht mehr erinnern / besinnen.) – «Ich kann mich nicht mehr erinnern.»
- Ich mag nümme. - «Ich kann nicht mehr, bin fix und fertig.» oder aber: «Ich bin satt.»
- in Uusgang ga – «ausgehen» (hat nichts mit dem Flur zu tun)
- gheie - fallen; werfen
- Koleeg – «Freund; Kumpel»
- lauffe - «gehen»
- lehre – sowohl «lehren» als auch «lernen»
- lisme – «stricken»
- lose – «horchen» (aber: ghööre – «hören»)
- luege - «sehen, lugen, schauen»
- moll - «doch»
- poschte, kömerle – «einkaufen»
- Puff - «Unordnung» (aber auch «Bordell»)
- rüere (rühren) – «werfen»
- schmöcke (schmecken) – «riechen» (mit der Nase), «schmecken» (im Mund; aus dem Hochdeutschen übernommen und zumehmend verbreitet)
- Siech - «Typ» (grob, meist in Verbindung mit «geile» (um Respekt auszudrücken), «blööde» (um Verachtung auszudrücken) oder «huere» (als allgemeiner Fluch, wie z.B. «verdammt!»), bedeutete ursprünglich «Kranker».)
- springe, seckle – «rennen»
- studiire - «nachdenken», (Ich muas studiire = ich muss nachdenken), auch im Sinne von (Medizin o. ä.) studieren
- tschuute, schutte - «treten; kicken; Fussball spielen»
- Töff - «Motorrad» (in Deutschland relativ selten und, wie häufigeres Töfftöff eher abwertend gebraucht)
- Töffli - «Mofa»
- voorig, vöörig - «genügend; übrig» ('s hät no voorig, das isch no voorigplibe; aber auch «zur Genüge»: das langet voorig)
- vöörig - «schlecht, mangelhaft, kläglich»
- wüsche (wischen) – «fegen»
Dieser teilweise sehr unterschiedliche Wortschatz macht es für Schweizer und Deutsche oft schwierig, sich zu verständigen. Interessant zu beobachten ist dies, wenn Schweizer Kinder mit Spielgefährten Hochdeutsch zu sprechen versuchen.
«Möchtist du auch mal in den Pool hineingumpen?» sollte zum Beispiel bedeuten «Möchtest du auch einmal in den Pool springen?» Ähnlich setzt sich dies dann auch in der Schule fort, wo Hochdeutsch gesprochen und geschrieben werden sollte. Dadurch kommen die Kinder allmählich in einen «Sprachzwist», aus dem sich die meisten aber mit zunehmendem Alter herauslösen und einen differenzierten Blick auf beide Sprachen entwickeln.
Einige Ausdrücke des schweizerdeutschen Wortschatzes haben ihren Eingang ins Hochdeutsche gefunden (sog. Helvetismen), so z.B. Müsli oder Putsch.
Bei schweizerischen Schriftstellern erscheinen schweizerische Wörter in unterschiedlichem Mass.
Wer spricht Schweizerdeutsch?
Bei der Volkszählung von 2000 betrug der Anteil der deutschsprachigen Schweizer 63,6 % der Gesamtbevölkerung. Von diesen gaben 93,3 % an, im Alltag Dialekt zu sprechen. 66,4 % davon gaben sogar an, nur Dialekt und kein Hochdeutsch zu sprechen.
So wird die Hochsprache zwar in der Verfassung als eine der vier offiziellen Landessprachen definiert, bleibt aber für den Grossteil der Bevölkerung praktisch eine Fremdsprache (siehe auch Diglossie).
In der deutschsprachigen Schweiz (gelb) gibt es eine Anzahl von verschiedenen Dialekten. Üblicherweise werden diese nach den Kantonen unterteilt. Dies ist jedoch linguistisch nicht gerechtfertigt, da teilweise innerhalb von Kantonen grosse Unterschiede im Dialekt vorkommen, andererseits aber in einigen kantonsübergreifenden Regionen praktisch der gleiche Dialekt gesprochen wird.
Einsprachige Kantone, in denen von der einheimischen Bevölkerung nur Schweizerdeutsch gesprochen wird, sind: St. Gallen (SG), Appenzell-Innerrhoden bzw. Appenzell-Ausserrhoden (AR), Thurgau (TG), Glarus (GL), Schaffhausen (SH), Zürich (ZH), Zug (ZG), Schwyz (SZ), Luzern (LU), Uri (UR), Unterwalden (UW), Aargau (AG), Basel-Stadt (BS) und Basel-Landschaft (BL) und Solothurn (SO). Eine deutschsprachige Mehrheit haben Graubünden (GR, neben Italienisch und Rätoromanisch) und Bern (BE, neben Französisch). Eine deutschsprachige Minderheit neben einer französischen Mehrheit haben Wallis (VS) und Freiburg (FR). Dem Schweizerdeutsch nahe Dialekte werden auch im Norden von Italien (P) und in Bosco/Gurin im Tessin (TI) gesprochen. Im Kanton Jura gibt es eine schweizerdeutschsprachige Gemeinde, Ederswiler.
Da mehr und mehr Menschen innerhalb der Schweiz umsiedeln, haben sich die Unterschiede zwischen den Dialekten in letzter Zeit etwas abgeschwächt. Die Unterschiede sind aber noch immer von grösster Bedeutung und es kann vorkommen, dass sich Menschen aus verschiedenen Regionen nur schwer verstehen, v.a. dort, wo man auf seltene Dialekte mit wenigen Sprechern trifft.
Mittlerweile sind auch alle Rätoromanen des Schweizerdeutschen und natürlich des Hochdeutschen mächtig, das heisst, es gibt niemanden mehr, der nur Rätoromanisch spricht. Deshalb müsste man eigentlich die auf der Karte «rätoromanisch eingefärbten» Gebiete als rätoromanisch- und deutschsprachig bezeichnen.
Historische Entwicklung des Schweizerdeutschen
Bis ins 20. Jahrhundert hinein blieb der Gebrauch des Dialektes auf den Bereich des Privatlebens beschränkt. Im öffentlichen Leben wurde, vor allem seit der Reformation, Hochdeutsch vorgezogen. Die gehobenen Klassen (Patrizier) und die Familien der Grossbourgeoisie einiger Städte wie Bern und Basel «präferierten» Französisch und «parlierten» dieses auch im Alltag. Viele französische Lehnwörter zeugen heute noch davon. Wie die übrigen deutschen Mundarten galt auch das Schwyzerdütsch als Sprache der Bauern und des gemeinen Volkes, was die in einigen Regionen gebräuchliche Bezeichnung «Buuredütsch» für Schweizerdeutsch belegt.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gab es immer wieder Bewegungen mit dem Ziel, Schwyzerdütsch salonfähig zu machen und es zu einer Schriftsprache zu normalisieren. Die Versuche, sich innerhalb des deutschen Kulturraumes durch die Entwicklung einer eigenständigen «vollwertigen» Sprache zu emanzipieren, ähnlich wie es einst die Niederländer taten, wurde durch die politischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts (Nazismus) zusätzlich verstärkt.
Gleichzeitig machte sich eine Gegenströmung zu dieser Entwicklung bemerkbar: Durch die Entwicklung der audiovisuellen Medien und durch die erhöhte Mobilität der Bevölkerung werden die Dialekte, ausgehend von den städtischen Gebieten, immer mehr von Ausdrücken der standarddeutschen Schriftsprache und auch des Englischen durchzogen. Dazu kommt, dass praktisch der gesamte Wortschatz des modernen Lebens über jeweils einheitliche hochdeutsche Formen ins Schwyzerdütsche gelangt. Doch beschränkt sich dieser hochdeutsche Einfluss fast ausschliesslich auf den Wortschatz.
Soziologische Aspekte
Die soziologischen Funktionen von Schwyzerdütsch sind vielfältig. Es kann sowohl als Umgangssprache als auch als Fachsprache verwendet werden. Schwyzerdütsch ist weder nur Trendsprache noch eine technische Sprache. Es wird von allen Gesellschaftsschichten gleichermassen verwendet und ist also nicht mehr wie manche Dialekte als Sprachform einer «Unterschicht» diskreditiert.
Wie überall beinhalten die Varietäten verschiedener Sprechergruppen (Secondos, Forstarbeiter usw.) zusätzliche spezielle Abkürzungen und Ausdrücke.
Da die schweizerdeutschen Dialekte nicht kodifiziert sind (das heisst, dass sie keine offizielle Rechtschreibung und keine normierte Grammatik haben), erscheinen sie stark kontextuell, lassen sich also weder in ihrer Anwendung noch in ihrer Stellung zur Umwelt klar definieren. Schwyzerdütsch gibt den Deutschschweizern jedoch starken emotionalen Halt und trägt wesentlich zu einem Gemeinschafts- und Heimatgefühl bei, weshalb es aus dem Alltag auch nicht wegzudenken ist. Ein Beispiel dafür ist der Boom der Mundartmusik seit 1990.
In den grösseren Städten, besonders in Basel und Bern, gab es jedoch noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts ausgeprägte soziale Dialektunterschiede (Soziolekte). Zwar sprachen alle Schichten Dialekt, aber der Dialekt der Oberschicht unterschied sich deutlich von demjenigen der Mittelschicht, der sich wiederum sowohl vom Dialekt der Unterschicht als auch vom Dialekt der Landbevölkerung abhob.
Innere Unterschiede
Die schweizerdeutschen Dialekte unterscheiden sich zum Teil sehr stark voneinander. Überspitzt gesagt hat beinahe jede Region, teilweise sogar jede Gemeinde, einen eigenen «Touch» in ihrem Dialekt. Deutschschweizer kann man zum Teil sehr gut alleine nach ihrem Dialekt relativ genau einer Heimatgegend zuordnen. Als grössere Mundarträume lassen sich das Berndeutsche, Baseldeutsche, Zürichdeutsche, Urnerdeutsche, Walliserdeutsche, Bündnerdeutsche, das Appenzellerdeutsche und das St. Gallerdeutsche unterscheiden, wobei diese Unterscheidung nur teilweise auf dialektologischen Prinzipien begründet sind, sondern ebenso auf aussersprachlichen Konzepten (wie z.B. politische Grenzen) und Einstellungen beruhen. Jede der genannten Regionen ist auch intern stark gegliedert, so dass sich für keine ein Merkmal finden lässt, das nur in dieser vorkommt und sie von anderen Regionen abgrenzt. Dass politische Aspekte und Einstellungen mit dieser Einteilung interferieren, zeigt sich deutlich am Beispiel des genannten Appenzellerdeutschen, das vom St. Gallerdeutschen umgeben ist, aber eben politisch eigenständig ist.
Diese Unterschiede verwischen sich durch die wachsende Mobilität der Bevölkerung und die Verwendung des Dialektes in den Medien zusehends. Der durch die Verwischung entstehende Dialekt wird umgangssprachlich als «Bahnhofbuffet-Olten-Dialekt» bezeichnet.
Siehe auch
Literatur
- Andreas Lötscher: Schweizerdeutsch. Geschichte, Dialekte, Gebrauch. Frauenfeld 1983.
- Hans Bickel, Robert Schläpfer (Hgg.): Die viersprachige Schweiz. 2., neubearbeitete Auflage Aarau 2000.
- Rudolf Hotzenköcherle: Die Sprachlandschaften der deutschen Schweiz, hg. von Niklaus Bigler und Robert Schläpfer unter Mitwirkung von Rudolf Börlin, Aarau 1994 (Sprachlandschaften I).
- Georges Lüdi: Die Sprachenlandschaft der Schweiz - Eidgenössische Volkszählung 1990. Bundesamt für Statistik. Bern 1997.
- Schweizerisches Idiotikon - Schweizerdeutsches Wörterbuch in 17 Bänden (beispielsweise in Universitätsbibliotheken; die Homepage verweist auf rund zwei Dutzend Regionalwörterbücher).
- Sprachatlas der deutschen Schweiz, hg. von Rudolf Hotzenköcherle, fortgeführt und abgeschlossen von Robert Schläpfer, Rudolf Trüb und Paul Zinsli, acht Bände Bern beziehungsweise Basel 1962-1997 (beispielsweise in Universitätsbibliotheken). Stuttgart 1996.
- Isabelle Imhof: Kauderwelsch, Schwiizertüütsch, das Deutsch der Eidgenossen. Reise Know-How Verlag, Bielefeld
- Wörterbuch Schweizerdeutsch - Deutsch. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2005.
- Csaba Földes: Deutsch als Sprache mit mehrfacher Regionalität: Die diatopische Variationsbreite. - in: Muttersprache (Wiesbaden) 112 (2002) 3, S. 225-239.
- Beiträge zum Schweizerdeutschen, hg. von Albert Bachmann, Bände I-XX Frauenfeld 1910-1941 (Sammlung wissenschaftlicher Darstellung von schweizerdeutschen Mundarten, immer Lautlehren, teilweise auf Formenlehren).
- Beiträge zur Schweizerdeutschen Mundartforschung, hg. von Rudolf Hotzenköcherle, Bände I-XXII Frauenfeld 1949-1975 (Sammlung von wissenschaftlichen Darstellungen zu grammatischen und lexikalischen Fragestellungen).
- Albert Weber: Zürichdeutsche Grammatik, Zürich 1948 (mit Nachdrucken).
- Ludwig Fischer: Luzerndeutsche Grammatik, Zürich 1960 (mit Nachdruck).
- Werner Hodler: Berndeutsche Syntax, Bern 1969.
- Werner Marti: Berndeutsche Grammatik für die heutige Mundart zwischen Thun und Jura, Bern 1985.
- Rudolf Suter: Baseldeutsch-Grammatik, Basel 1976 (mit Nachdruck).
- Urs Willi: Die segmentale Dauer als phonetischer Parameter von fortis und lenis' bei Plosiven im Zürichdeutschen: Eine akustische und perzeptorische Untersuchung.
- Astrid Krähenmann: Quantity and prosodic asymmetries in Alemannic: Synchronic and diachronic perspectives. Berlin 2003.
- Ann Beilstein-Schaufelberger: Züritüütsch / Schweizerdeutsch - Lehrmittel mit 2 Hör-CD und Lösungsschlüssel zu den Aufgaben.
Weblinks
Vorlage:Wikipedia2 Vorlage:Wikiquote1
- Artikel zu den Deutschschweizer Dialekten im Historischen Lexikon der Schweiz
- Tonbeispiele von Schweizer Dialekten
- Tonaufnahmen von Schweizer Dialekten
- Das Chochichästli-Orakel: Identifiziert Schweizer Dialekte anhand von zehn Wörtern mit hoher Treffsicherheit
- Beat Siebenhaar; Walter Vögeli. Mundart und Hochdeutsch im Vergleich. (beschreibt den Dialekt im Kontrast zur Hochsprache)
- Linguistik Online: Dialektologie des Schweizerdeutschen
- Das neue Schweizerdeutsch-Lehrmittel