Provence

Die Provence ist eine Landschaft im Südosten von Frankreich. Sie liegt am Mittelmeer zwischen Rhônetal und Italien. Im Norden liegt die Landschaft Dauphiné in der Region Rhône-Alpes.
Geographie
Die größten Städte sind Marseille (880.000 Einwohner), Nizza (345.000), Toulon (166.000) und Aix-en-Provence (137.000). Weitere wichtige Städte sind Avignon (90.000 Einwohner), Arles (50.000) und Orange (29.000). Historische Hauptstadt ist Marseille. Die Departements Alpes-de-Haute-Provence, Var, Vaucluse und Bouches-du-Rhône gehören zur historischen Region Provence. Zusammen mit den Departements Hautes-Alpes und Alpes-Maritimes bilden sie die heutige Region Provence-Alpes-Côte d'Azur..
Bevölkerung
Gesprochen wird in der Landschaft die Provenzalische Sprache (französisch: occitan oder langue d'oc), die von den französischen Königen und Regierungen lange Zeit unterdrückt wurde. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts wird sie wieder vermehrt gesprochen. Die Bevölkerung mit provencalischer Muttersprache wird Provencalen genannt. Mit der Sprache lebten auch viele alte Bräuche wieder auf. So beispielsweise die provenzalische Volksmusik. Eine Besonderheit sind die bei Touristen und der lokalen Bevölkerung beliebten Santons, provenzalische Krippenfiguren.
Landwirtschaft
Bekannt sind die Gewürzkräuter (Kräuter der Provence), die Küche, einige Weine und Parfüm aus der Provence.
Die Landschaft um das Städtchen Grasse, nahe Nizza ist das Zentrum der französischen Parfüm-Herstellung. Einige Rosé-Weine werden als Côtes de Provence AOC aus den typischen Rebsorten von Südfrankreich produziert. Diese Weine sind meist sehr jung, nach kurzer Lagerung, am besten. Der Weinbau ist verbreitet und profitiert vom milden Mittelmeer-Klima. Weitere Landesprodukte sind Lavendel, Obst (Kirschen aus der Gegend von Apt) sowie Oliven.
Sehenswürdigkeiten
Die Provence ist reich an natürlichen Sehenswürdigkeiten und Baudenkmälern.
Auf der Liste des Weltkultur- und Naturerbes der Menschheit:
- Die römischen und romanischen Denkmale von Arles
- Das Amphitheater und der Triumphbogen von Orange
- Die Altstadt von Avignon
Sehenswerte Städte und Dörfer:
- Aigues-Mortes
- Fontaine-de-Vaucluse (Quelle der Sorgue)
- Glanum bei Saint Rémy de Provence
- Les Baux-de-Provence
- Les Saintes-Maries-de-la-Mer
- Vaison-la-Romaine
Landschaften:
- Camargue
- Luberon mit dem Gipfel des Mourre Nègre
- Mont Ventoux
- Verdonschlucht
Geschichte
Der Name Provence stammt aus der Zeit der römischen Herrschaft, vom lateinischen provincia, da es eine der ersten und am stärksten romanisierten Regionen war.
Hellenisierung
Um 600 v. Chr. begann die systematische Kolonisation der Küste der Provence durch Griechen aus der kleinasiatischen Stadt Phokäa. Die Phokäer waren durch die Perser unter Druck geraten und hatten bei ihren Fahrten entlang der Mittelmeerküste das von der Natur geschaffene Hafenbecken der späteren Stadt Marseille entdeckt. Es gibt eine Sage nach der der Keltenkönig Nann für seine Tochter Gyptis einen Mann suchte und seiner Tochter die freie Wahl ließ. Sie entschied sich für einen schönen griechischen Fremdling. Darauf sollen sie die Stadt Marseille, das damalige Massalia (später Massilia) gegründet haben. Diese Stadt erlebte einen enormen Bevölkerungszuwachs. Die Stadt begann sich langsam zu einer großen Handelsniederlassung zu entwickeln, die sogar mit dem weitentfernten Germanien Handel betrieb. Vor allem die gute Lage am Meer machte Massalia so erfolgreich. Entlang der Küste entstanden zahlreiche Stützpunkte und Tochtergründungen, unter ihnen Antopolis (Antibes), Nikäa (Nizza) und Glanon (St. Rémy, Glanum). Die Glanzzeit Massilias fiel in das 4. Jh. Eine keltische Invasion im späten 2. Jh. v. Chr. beendete dann die Epoche der weitgehend aggressionsfreihen Koexistenz von Griechen und Ureinwohnern. Massilia geriet zunehmend unter Druck und war gezwungen seinen Verbündeten, Rom, um Hilfe zu bitten. Hiermit begann die Zeit der Romanisierung.
Romanisierung
Das Eindringen der Römer in die Provence hatte mehrere Hintergründe. Nachdem Rom begann seinen Einfluss über Italien hinaus auszudehnen, musste es zwangsläufig zur Konfrontation mit der damals größten Handelsmacht, Karthago, kommen. Von 264-241 v. Chr. verlief der 1. Punische Krieg, der wegen des Streites um Sizilien entbrannte, wo die siegreichen Römer schließlich ihre erste Provinz gründeten. Die Allianz, die Rom mit dem südlich des Ebro gelegenen Sagunt schloss, löste den 2. Punischen Krieg aus (218-202), in dessen Verlauf sich Massalia als treuer Bündnispartner Roms auszeichnete. Die massiliotische Flotte besiegte bereits 1 Jahr nach Kriegsausbruch die karthagische Seestreitmacht und deren Führer Himilcon. Hannibal selbst war bei seinem Zug von Spanien nach Italien gezwungen, das starke Massalia zu umgehen.
Als die Punischen Kriege schließlich beendet waren, wurde der Konsul Lucius Baebius und sein ihn begleitender Heereszug nahe Massalia überfallen und bis auf den letzten Mann vernichtet. Massalia geriet schon bald selbst unter massiven Druck. 181 v. Chr. rief man die Römer zur Hilfe. Es erfolgte zwar eine siegreiche Gegenwehr der Römer, jedoch mussten diese sechzig Jahre später erneut um Hilfe gebeten werden. Dem Hilferuf der Hafenstadt kam Rom diesmal mit mehreren rasch aufeinanderfolgenden militärischen Unternehmungen nach.
Als Konsul des Jahres 125 v. Chr. wurde Marcus Fulvius Flaccus vom Senat beauftragt, Massilia gegen die Plünderungen der Salluvier zu unterstützten. Flaccus nutzte den Auftrag, um große Teile des Landes zu erobern, und kehrte 123 v. Chr. mit einem Triumphzug nach Rom zurück.
Zwei Jahre später wurde die Provinz Gallia ulterior, das entferntere Gallien (das später nur noch Gallien hieß) im Gegensatz zu Gallia citerior, dem näheren Gallien in Norditalien (auch Gallia cisalpina genannt) eingerichtet, die später in Gallia Narbonensis umbenannt wurde. Hauptstadt wurde erst Aquae Sextiae (Aix-en-Provence), später dann die 118 v. Chr. gegründete Colonia Narbo Martius (Narbonne). Darüber hinaus wurde die Via Domitia als Verlängerung der Via Aurelia angelegt, um Italien auf dem Landweg mit Spanien zu verbinden.
Die folgenden 100 Jahre mussten darauf verwandt werden, diesen neuen Besitz zu sichern. Bald kam ein weiterer Gegner auf die Römer zu: Die Germanenvölker der Kimbern und Teutonen, die den Rhein überschritten hatten und im Rhônetal südwärts vorrückten. Die Römer erlitten bei Aurasio (Orange) im Herbst 105 v. Chr. eine Niederlage gegen die Kimbern. Erst in Spanien konnten sie aufgehalten werden. Die Teutonen fielen im Rhônedelta ein. Marius war es dort gelungen eine gewaltige Streitmacht zusammenzuziehen und besiegte schließlich die Germanen 102 v. Chr. in einer entscheidenden Schlacht im Südosten von Aquae Sextiae. In den folgenden Jahren gab es wiederholt Aufstände der Gallier, die mit rücksichtsloser Härte niedergeschlagen wurden.
Im Jahre 58 v. Chr. begann Caesar seine Eroberungsfeldzüge in Gallien und die Narbonensis diente ihm als eine feste Ausgangsbasis. Mit der Niederschlagung der letzten großen nationalen Erhebung unter dem Arvenerfürst Vercingetorix (52 v. Chr.) waren das Keltentum in Gallien endgültig besiegt. Caesar wandte sich nun gegen Pompeius, seinen einstigen Mitstreiter, der inzwischen in Rom zum Alleinherrscher – consul sine collega – hatte aufsteigen können. Massilia hatte sich in dieser Auseinandersetzung auf die Seite des späteren Verlierers, Pompeius, geschlagen. Fast ein halbes Jahr musste Caesar darauf verwenden, den Widerstand der unbotmäßigen Hafenstadt zu brechen. Schließlich wurde Massilia erobert und die massilianische Flotte vernichtet.
Mittelalter und Neuzeit
Nach fast 600 Jahren als römischer Provinz wurde das Land 470/477 von den Westgoten erobert. 509 - nachdem die Franken die Westgoten in der Schlacht von Vouillé geschlagen hatten - übernahmen die Ostgoten die provincia, 536 dann, nachdem die Franken auch die Burgunder unterworfen hatten, wurde das Land für 320 Jahre fränkisch. 855 (Prümer Teilung) bis 879 bildete die Provence zusammen mit Südburgund ein selbständiges karolingisches Königreich unter Karl, danach ab 879 das Königreich Niederburgund, bis 933 mit der Hauptstadt Arles - daher auch die Bezeichnung Arelat.
Von 934 an gehörte die Provence zum vereinigten Königreich Burgund, ab 1032 aufgrund eines sich realisiernden Erbvertrages zum deutschen Kaiserreich, ohne jemals völlig integriert zu werden: 1365 erfolgte die Krönung Karls IV. in Arles, obwohl die tatsächlichen Herren längst andere waren.
Die Grafen von Arles hatten früh die faktische Macht in der Provence ergriffen, galten Ende des 10. Jahrhunderts bereits als Grafen der Provence, teilten sich aber sehr schnell in zwei Linien, was 1112, nachdem die ältere Linie durch die Grafen von Toulouse beerbt worden war, und sich das Aussterben der jüngeren Linie und die Übernahme ihrer Ländereien durch die Grafen von Barcelona abzeichnete, zu einer Festschreibung der bereits realisierten Dreiteilung der Provence führte.
Das Land südlich der Durance ging an Barcelona, 1246 durch Heirat an Anjou, 1382 durch Testament an einen jüngeren Zweig der gleichen Familie und 1481 wiederum durch Testament an den französischen König, womit die Provence aus dem Heiligen Römischen Reich ausschied. Die wichtigsten Regenten dieser Zeit waren drei Grafen von Provence, die gleichzeitig auch Könige von Neapel waren:
- Karl von Anjou, der die Staufer erfolgreich aus Süditalien vertrieb,
- Johanna I., die ihren Ehemann ermorden ließ und im folgenden Kirchenprozess freigesprochen wurde, nachdem sie dem Papst die Stadt Avignon verkauft hatte,
- René, Herzog von Lothringen und Graf von Provence, le bon roi René des provenzalischen Volkstums und einer der wichtigsten Förderer der Troubadoure
Das Land nördlich der Durance wurde zur - seit 1053 bereits bestehenden - Grafschaft Forcalquier, die 1209 wieder durch Erbschaft an die Provence zurückfiel. Im Westen schließlich, um Avignon, entstand die Markgrafschaft Provence, die als Erbe der älteren Linie seit längerem in der Hand der Grafen von Toulouse war und im Zusammenhang mit den Kreuzzügen gegen die Ketzer 1274 unter die Herrschaft des (seit 1309 dann in Avignon residierenden) Papstes geriet. Dieser päpstliche Machtbereich schrumpfte im Lauf der Jahre immer mehr, im Norden spaltete sich das Fürstentum Orange ab, das 1713 von Frankreich annektiert wurde, bis der verbliebene Rest, die Grafschaft Venaissin, 1791 im Zuge der Französischen Revolution ebenfalls übernommen wurde.
1498 wurde der zu diesm Zeitpunkt zu Frankreich gehörende Teil der Provence in die Domaine royal eingefügt, ab 1660 das Gebiet wie eine Provinz verwaltet und 1789 im Zuge der Französischen Revolution in Départements aufgeteilt.
Lediglich die in den Meeralpen gelegenen Teile der Provence, die sich im Laufe der Zeit selbstständig gemacht hatten (z.B. die Grafschaft Nizza und das Fürstentum Monaco), verblieben beim Heiligen Römischen Reich, und kamen zum Teil erst später zu Frankreich - die Grafschaft Nizza endgültig erst 1860.
Grafen und Markgrafen von Provence
- Boso I. Graf von Provence († 935 nach 13. September) (Buviniden), ∞ um 928 Berta († nach 18. August 965), Tochter des Grafen Boso von Avignon und Vaisin, Markgraf von Tuszien († nach 936) (Bosoniden)
- Hugo der Schwarze, Markgraf der Provence 936-948, Bruder Bosos I. (Buviniden)
- Boso II. († 965/967) Graf von Avignon und Arles, d.h. Graf in Provence
Ältere Linie
- Rotbald II. († wohl 1008), Sohn Bosos II., Graf von Provence 961/1005
- Rotbald III. († 1014), dessen Sohn
- Wilhelm V. († 1037), dessen Sohn
- Emma († nach 1063), dessen Schwester, verheiratet mit Wilhelm III. Taillefer Graf von Toulouse († 1037)
Der Besitz der älteren Linie geht in den Besitz der Grafen von Toulouse über
Jüngere Linie
- Wilhelm II. († 994), Sohn Bosos II., Graf von Provence 970, Markgraf von Provence 979, ∞ 984/um 986 Adelheid von Anjou, Tochter des Grafen Fulko II., Witwe des Grafen Stephan (Étienne) von Gévaudan, geschieden von König Ludwig V.
- Wilhelm III. († 1018), dessen Sohn, Graf von Provence 994/1018
- Wilhelm IV († 1019/30), dessen Sohn, Graf von Provence 1018
- Fulko Bertrand I. († wohl 1051) dessen Bruder, 1018 Graf von Provence,
- Bertrand II. († 1090/1094), dessen Sohn Graf von Provence
- Gerberga († 1112/1118), dessen Schwester, verheiratet mit Gilbert, Graf von Gévaudan, Vizegraf von Carlat, Graf von Arles (Provence)
- Dulcia von Gévaudan († 1127/30), deren Tochter, Erbin von Provence, verheiratet mit Raimund Berengar III., Graf von Barcelona 1112-1130 (siehe unten)
Linie Forcalquier
- Gottfried I. († wohl 1061/62), Sohn Wilhelms III., Graf von Arles, um 1057-1060 Markgraf von Provence
- Wilhelm VI. Bertrand († vor 1067), dessen Sohn, 1044 Graf von Provence (Forcalquier), 1065 Markgraf von Provence - Nachkommen: die Grafen von Forcalquier
- Gottfried II. († 1065/67), dessen Bruder, Graf von Forcalqueir
Haus Barcelona
- Berengar Raimund, Graf von Provence 1130-1144, Sohn Dulcias und Raimund Berengars III. (siehe oben) (nicht zu verwechseln mit seinem älteren Bruder Raimund Berengar IV., Graf von Barcelona 1130-1162)
- Raimund Berengar II., dessen Sohn, 1144-1166,
- Dulcia II. 1166-1167, dessen Tochter, abgesetzt, † 1172
- Alfons I. 1167-1196, Graf von Barcelona (Alfons II.), Urenkel Dulcias von Gévaudan und Raimund Berengars III. von Barcelona.
- Raimund Berengar III., Mitgraf von Provence 1168-1181, dessen Bruder
- Sancho, Mitgraf von Provence 1181-1185, dessen Bruder, ab 1185 Graf von Roussillon
- Alfons II. Mitgraf von Provence 1185, alleine 1196-1209, Sohn Alfons’ I., verheiratet mit Garsende II., der Erbin der Grafschaft Forcalquier
- Raimund Berengar IV., Graf von Provence 1209-1245, dessen Sohn
- Beatrix, Gräfin von Provence 1245-1267, dessen Tochter, verheiratet mit Karl von Anjou
Haus Anjou
- Karl I., Graf von Anjou, König von Neapel 1265-1285, Graf von Provence 1267-1285, Ehemann der Beatrix von Provence
- Karl II. 1285-1309, deren Sohn, unterwirft 1306 Piemont
- Robert 1309-1343, dessen Sohn
- Johanna 1343-1382, dessen Enkelin, verliert 1345 Piemont, verkauft 1348 Avignon an den Papst
- Ludwig I. Graf von Anjou, Graf von Provence 1382-1384 als Testamentserbe, wobei er auf Piemont verzichtet
- Ludwig II. 1384-1417, dessen Sohn
- Ludwig III. 1417-1434, dessen Sohn
- René 1434-1480, le bon roi René, dessen Bruder
- Karl IV., 1480-1481, dessen Neffe
Testamentserbe ist Ludwig XI. von Frankreich,
Literatur
- Ralf Nestmeyer: "Provence & Côte d'Azur". Ein Reisehandbuch. Michael-Müller-Verlag, Erlangen 2006. ISBN 3-89953-226-0
- Ralf Nestmeyer: "Provence und Côte d'Azur". Ein literarischer Reiseführer. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2005. ISBN 3-608-93654-8