Gutmensch
Der Begriff Gutmensch wird im deutschen Sprachraum seit den 1980er Jahren als Bezeichnung für Menschen verwendet, denen stark ausgeprägte oder übertriebene politische Korrektheit unterstellt wird. Der Begriff ist weitgehend negativ konnotiert, und wird regelmäßig als Kritik verstanden; der Verwender unterstellt dem so Bezeichneten Naivität oder politisches Kalkül.
Herkunft des Begriffs
Er entstand als Reaktion auf den damaligen Eindruck, die politische Korrektheit würde sich etablieren. Dabei wird er sowohl von Rechtsextremen gebraucht, die linke Ideale auf einer Affektebene diskreditieren wollen, aber ebenso von desillusionierten 68ern, die ihre eigene politische Herkunft bekämpfen, von Linken, die ironische Kritik an undurchdachter und dogmatischer Verwendung der political correctness üben wollen, sowie von Rechten, die vor allem Kritik an einem naiven Optimismus der 68er-Generation und deren politisch-ideologischem Erbe in Grünen und SPD ausüben wollen.
Er wurde erstmals in diesem Sinne von Kurt Scheel in der Zeitschrift Merkur gebraucht, wie er behauptet. Das Wort galt in den Feuilletons als modischer "latest critical chic". Political Correctness wurde zuweilen, so von Klaus Bittermann, Herausgeber der Edition Tiamat, "Gutmenschensprache" genannt.
Heute ist der Begriff zum Teil schon in die Alltagssprache eingegangen, wo er oft unbedacht benutzt wird, um Menschen, die sich uneigennützig für ein "gutes" Ziel einsetzen, als übertrieben altruistisch oder naiv zu beschreiben.
Semantisches Vorfeld des Begriffs und seiner Bedeutung
- Umstritten ist, ob das Wort auf den französischen Ausdruck bonhomme, zu Deutsch etwa gutmütiger Trottel, zurückzuführen ist, das manchmal in ähnlicher Bedeutung genutzt wird, jedoch in keinem Links-Rechts-Zusammenhang steht und somit keinerlei politische Bedeutung hat.
- Nach einer anderen Erklärung von Jürgen Hoppe (WDR) ist das Wort Gutmensch 1941 von Joseph Goebbels erfunden worden. Angeblich leiteten die Nationalsozialisten das Wort aus dem jiddischen "a gutt Mensch" ab. Adolf Hitler benutzt in Mein Kampf in tendenziellem Sinne zahlreiche Gut-Wörter, so etwa das Wort "gläubiges Gemüt" gegenüber Politikern, die gutmütig daran glaubten, "mit dem Mittel westlicher Demokratie der jüdischen Welteroberung entgegentreten zu können." Gut meinend und Gutmütigkeit wird hier als Gefahr und Naivität dargestellt, die allem "deutschfeindlichen", von "Juden" und "Marxisten" in die Hände spielten: "Wenn dann diese oft seelenguten braven Menschen in ihrer politischen Betätigung dennoch in die Reihen der Todfeinde unseres Volkstums eintraten und diese so schließen halfen, dann lag dies daran, daß sie ja die Niedertracht der neuen Lehre weder verstanden noch verstehen konnten."
- Die häufig geäußerte Behauptung, der Begriff sei von Friedrich Nietzsche geprägt worden, ist nicht nachgewiesen. In Nietzsches Werk finden sich zahlreiche verachtende Äußerungen über den "guten Menschen", nicht jedoch mit der Vokabel "Gutmensch".
Begriffliche Abgrenzung
Im Unterschied zum Hassprediger wird der Gutmensch positiv durch Zustimmung und Toleranz zu etwas oder jemanden definiert, während der Hassprediger durch Ausgrenzung bzw. Ablehnung von etwas oder jemandem Profil zu gewinnen versucht. Während der Gutmensch beispielsweise die Position vertritt, dass Ausländer mit allen ihren kulturellen und individuellen Eigenschaften zu akzeptieren sind, ist der Hassprediger der Ansicht, dass Andersdenkende von vornherein minderwertig, zu bekämpfen und zu benachteiligen sind.
Politische Verwendung
Mit der Verwendung dieses Begriffes wird einem politischen Gegner meist aus dem linken Spektrum übertriebene politische Korrektheit oder Realitätsverlust unterstellt, was auf ein persönliches Defizit wie z. B. mangelndes Reflexionsvermögen zielt. Die Bezeichnung des Gegners als "Gutmensch" soll also eine Sachlichkeit der eigenen Argumente betonen, denen sich die so Bezeichneten durch Naivität, übertriebene und unrealistisch hohe moralische Ansprüche oder Glauben an Utopien zu entziehen versuchten.
Die so Angegriffenen sehen dahinter einen Begriff zumeist aus dem rechten oder auch dem desillusionierten "unpolitischen" und linken Lager, der ihre Bestrebungen nach Humanität, Solidarität und sozialer Gerechtigkeit ins Lächerliche ziehen soll. Damit solle zudem eine Diskussion zur Sache auf eine persönliche, emotionale Ebene gezogen werden, um einer inhaltlichen Auseinandersetzung auszuweichen.
Andere Verwendungen
Der Plural Gutmenschen (Bonhommes, boni homines) ist auch eine gebräuchliche Bezeichnung für die Angehörigen einer der größten religiösen Glaubensbewegungen des Mittelalters, die auch als Katharer und Albigenser bezeichnet wurden und sich selbst veri christiani, wahre Christen, nannten.
Literatur
- Das Wörterbuch des Gutmenschen, Edition Tiamat 1994, ISBN 3492226957
- Das Wörterbuch des Gutmenschen Bd. 2, Edition Tiamat 2001 ISBN 3923118643
- Gerhard Henschel: Das Blöken der Lämmer. Die Linke und der Kitsch, Edition Tiamat 1994 ISBN 3923118732