Neonicotinoide

Gruppe von Insektengiften
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Als Neonicotinoide oder Neonikotinoide wird eine Gruppe von hochwirksamen Insektiziden bezeichnet. Sie alle sind synthetisch hergestellte nikotinartige Wirkstoffe und wirken als Nervengift.

Wirkungsweise

Die Neonicotinoide sind systemische Insektizide, die als Kontakt- und auch als Fraßgift wirken können. Sie werden gut über die Wurzeln aufgenommen und in die Blätter transportiert, die dann vor beißenden und saugenden Insekten geschützt sind. Deshalb werden diese Stoffe auch als Saatgutbeizmittel verwendet. Da die Wirkstoffe in der Pflanze nur langsam abgebaut werden, hält die Wirkung längere Zeit an. Bei Insekten wirkt diese Stoffgruppe wie Acetylcholin am nikotinischen Acetylcholinrezeptor der Nervenzellen. Der Abbau durch das Enzym Acetylcholinesterase findet aber nicht statt. Durch den ausgelösten Dauerreiz wird die chemische Signalübertragung gestört.[1] Eine Übersichtsarbeit zur Nicotin-acetylcholine-receptor-gen-Familie bei Honigbienen wurde 2006 veröffentlicht.[2]

Geschichte

Anfang der 1970er Jahre wurde in der damaligen Shell Development Company in Modesto eine neue Klasse von Nitromethylen-Heterocyclen erfunden, die am Nikotinischen Acetylcholinrezeptor wirken. Shell fand heraus, dass das 2-(Dibromnitromethyl)-3-methylpyridin des Chemikers Henry Feuer (Purdue University) eine unerwartete insektizide Wirkung auf Stubenfliege und Erbsenlaus zeigte. Eine Optimierung dieser Struktur führte zu Nithiazin. Dieser frühe Prototyp kann heute als die erste Generation der Neonicotinoide angesehen werden. Nithiazin wies eine starke Wirkung gegen Helicoverpa zea, gute systemische Eigenschaften und eine geringe Toxizität gegenüber Säugetieren auf, wurde aber aufgrund mangelnder photochemischer Stabilität nie für die breite landwirtschaftliche Anwendung kommerzialisiert.[3]

Anfang der 1980er Jahre setzte das japanische Unternehmen Nihon Tokushu Noyaku Seizo K.K. (heute Bayer CropScience K.K.) die Arbeit fort und konzentrierte sich dabei auf den Reisschädling Nephotettix cincticeps. Chemische Optimierungen führten zu NTN32692, dessen Aktivität im Vergleich mit Nithiazin massiv erhöht werden konnte. Das Problem der mangelnden photoschemischen Stabilität wurde jedoch erst mit der Verbindung Imidacloprid gelöst.[3]

Imidacloprid wurde 1991 von der Bayer AG kommerzialisiert. Es erreichte einen erheblichen Verkaufserfolg und wurde das weltweit meistverkaufte Insektizid im Pflanzenschutz und Veterinärbereich. Daraufhin drängten weitere Unternehmen wie Takeda (heute Sumitomo Chemical Takeda Agro), Agro Kanesho, Nippon Soga, Mitsui Toatsu (heute Mitsui Chemicals), Ciba-Geigy (heute Syngenta) mit eigenen Neonicotinoiden auf den Markt. Die Neonicotinoide wurden damit zu der am schnellsten wachsenden Insektizidklasse, was auf ihre einzigartigen biologischen und chemischen Eigenschaften zurückzuführen ist: Breites Wirkungsspektrum, niedrige Applikationsraten, gute systemische Eigenschaften (Aufnahme und Verteilung in der Pflanze), neuer Wirkmechanismus, und ein günstiges Sicherheitsprofil.[3]

Wirtschaftliche Bedeutung

Neonicotinoide sind in mehr als 120 Ländern zugelassen. Mit einem Umsatz von 1,5 Mrd. € hatten sie im Jahr 2008 einen Anteil von 24 % am globalen Insektizidmarkt. Neonicotinoide haben eine noch größere Bedeutung auf dem Markt für Beizmittel. Mit der Einführung der ersten Neonicotinoide in den 1990er Jahren ist dieser Markt stark gewachsen, von 155 Mio. € (1990) auf 957 Mio. € (2008). Der Umsatz von Beizmitteln wurde 2008 zu 80 % von Neonicotinoiden dominiert.[4]

Sieben Neonicotinoide von verschiedenen Herstellern sind derzeit auf dem Markt.[4]

Name Hersteller Produktnamen Umsatz in Mio. US$ (2009)
Imidacloprid Bayer CropScience Confidor, Admire, Gaucho 1.091
Thiamethoxam Syngenta Actara, Platinum, Cruiser 627
Clothianidin Sumitomo Chemical/Bayer CropScience Poncho, Dantosu, Dantop 439
Acetamiprid Nippon Soda Mospilan, Assail, ChipcoTristar 276
Thiacloprid Bayer CropScience Calypso 112
Dinotefuran Mitsui Chemicals Starkle, Safari, Venom 79
Nitenpyram Sumitomo Chemical Capstar, Bestguard 8

Der Patentschutz ist für die meisten Neonicotinoide abgelaufen (Imidacloprid seit 2005). Die Produktion von Generika ist in Ländern wie Indien und China bereits etabliert.[4]

Landwirtschaft

Im Gegensatz zu anderen Insektizidgruppen lassen sich Neonicotinoide auf vielfältige Weise ausbringen. Die meisten Neonicotinoide können zur Blattbehandlung, als Beizmittel, sowie zur Bodenbehandlung eingesetzt werden. Etwa 60 % der Anwendungen entfallen auf Beizmittel und Bodenapplikationen. Imidacloprid, Thiamethoxam und Clothianidin finden breite Verwendung als Beizmittel für Baumwolle, Mais, Zuckerrüben, Raps und andere Nutzpflanzen.[4]

Neonicotinoide gehören zu den effektivsten Insektiziden zur Kontrolle von bohrenden Schädlingen, wie Blattläusen, Mottenschildläusen, Zwergzikaden, Spitzkopfzikaden und Fransenflüglern, sowie einer Reihe von beißenden Schädlingen wie Kleinschmetterlingen und Käfern.[4]

Sie bekämpfen Blattläuse wie Aphis gossypii, die Grüne Pfirsichblattlaus, die Hopfenblattlaus, und die Traubenkirschenlaus auf Gemüse, Zuckerrüben, Baumwolle, Apfelfrüchten, Getreide und Tabak; Käfer wie den Kartoffelkäfer auf Kartoffeln; Lissorhoptrus oryzophilus auf Reis; Mottenschildläuse (z.B. Bemisia tabaci, Trialeurodes vaporariorum) und Fransenflügler (z.B. Tabakblasenfuß) auf Gemüse, Baumwolle, und Zitruspflanzen; Kleinschmetterlinge wie den Apfelwickler und Phyllocnistis citrella auf Apfelfrüchten und Zitruspflanzen; sowie Drahtwürmer auf Zuckerrüben und Mais.[4]

Da einige Schädlinge Überträger von Pflanzenviren sind, können Neonicotinoide die Verbreitung von Pflanzenkrankheiten verhindern. Als Beispiele lassen sich die Verhinderung der Übertragung des Gelbverzwergungsvirus durch Blattläuse auf Getreide, des Tomatenbronzefleckenvirus durch Fransenflügler auf Tomaten, oder des Bakteriums Xylella fastidiosa durch Homalodisca vitripennis auf Zitruspflanzen nennen.[4]

Nichtlandwirtschaftliche Anwendungen

Neonicotinoide werden im Haushalts-, Rasen- und Gartenbereich gegen Termiten, Blatthornkäfer, Schaben und Ameisen eingesetzt. Des Weiteren finden sie Verwendung gegen Parasiten von Hund und Katze, wie Flöhe, Läuse und Fliegen.[4]

Analytik

Zum zuverlässigen Nachweis einzelner Neonicotinoide kommen chromatographische Methoden zum Einsatz.[5] Die Identifizierung der chromatographisch getrennten Substanzen erfolgt durch Massenspektrometrie.[6] Zur Analytik von saatgut-gebundenen Stoffen liegen ebenfalls Untersuchungen vor.[7]

Ökotoxikologie

Bienen und andere Bestäuber

In den letzten Jahren gab es immer wieder Meldungen[8][9] über angebliche und zum Teil auch nachgewiesene Bienenvergiftungen durch Neonicotinoide. Die Problematik dabei besteht darin, dass solche Vergiftungen aufgrund der außerordentlich geringen Wirkstoffmengen in der Größenordnung von 1 Nanogramm auf 100 g Körpergewicht (etwa 1000 Bienen) nur sehr schwer nachweisbar sind und meist außerdem Schädigungen der Bienenvölker durch andere Einflüsse wie etwa die Varroamilbe möglich waren. Auch bei dem in den letzten Jahren in verschiedenen Weltgegenden auftretenden spektakulären und mysteriösen Völkerkollaps wurden immer wieder Pestizide auf der Basis von Neonicotinoiden als mögliche oder mitverantwortliche Ursache vermutet.

Je nach Witterungverlauf und Beschaffenheit kann z. B. die Halbwertszeit von Clothianidin in den oberen Bodenschichten von etwa 1 bis 3 Jahren betragen[10], während der Hersteller Bayer CropScience eine Zeit von nur 120 Tagen angibt.

Seit 1992 wurden über 100 wissenschaftliche Studien zu Neonicotinoiden und Bienen veröffentlicht. Eine Systematische Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2012 stellte fest, dass viele Laborstudien letale und subletale Effekte auf das Futterbeschaffungs-, Lern- und Erinnerungsvermögen gezeigt hätten, hingegen in Studien unter realistischen Feldbedingungen mit entsprechend niedrigeren Dosen keine Auswirkungen nachgewiesen worden seien.[11] Eine ebenfalls 2012 veröffentlichte Übersichtsarbeit konnte die Hypothese eines Völkerkollaps durch Neonicotinoidrückstände in Pollen und Nektar auf Basis der Bradford-Hill-Kriterien vorläufig nicht stützen, da erhebliche Wissenslücken bestünden.[12] Eine 2011 publizierte Meta-Analyse von 14 Studien bezüglich der Wirkung von Imidacloprid auf Honigbienen unter Labor- und semi-Feldbedingungen ergab, dass die unter Feldbedingungen erwartbaren Dosierungen keine letalen Effekte haben würden, jedoch die Leistung der Bienen um 6-20% verringern würden.[13][14]

Bienensterben im Oberrheingraben 2008

Im Oberrheingraben kam es Ende April 2008 zu einem massiven Bienensterben durch den Wirkstoff Clothianidin, bei dem über 11.000 Völker geschädigt wurden. Als Ursache wurde die durch eine unzureichende Haftung des Beizmittels am Maissaatgut bedingte Abdrift von pneumatischen Sägeraten identifiziert. Der Wirkstoff legte sicht als Staubfilm über benachbarte Rapsfelder, die aufgrund besonderer klimatischer Gegebenheiten in diesem Jahr zeitlich mit der Maissaat in Blüte standen und von Bienen beflogen wurden. Daraufhin wurde die Beizung von Maissaatgut mit Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam in Deutschland verboten.[15][16][17][18]

Andere Tiere

Eine spanische Studie zeigte, dass die Aufnahme von mit Neonicotinoiden oder anderen Pflanzenschutzmitteln gebeiztem Saatgut beim Rothuhn (Alectoris rufa) in hoher Dosierung zum Tod, aber auch zu Befruchtungsproblemen führen kann.[19]

EU-Restriktionen ab 2013

Nachdem in den letzten Jahren mehrere Studien Hinweise auf die Gefährdung von Honigbienen durch Neonicotinoide gegeben hatten, beauftragte die EU-Kommission im April 2012 die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) mit einer Untersuchung dieser Zusammenhänge. Im Januar 2013 veröffentlichte EFSA eine Bewertung der Neonicotinoide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam im Hinblick auf ihre Risiken für Honigbienen.[20] Die Wissenschaftler untersuchten die Verwendung dieser Neonicotinoide zur Saatgutbehandlung und als Granulat sowie verschiedene Expositionswege für Honigbienen. Gemeinsam mit wissenschaftlichen Sachverständigen aus den EU-Mitgliedstaaten erreichte die Bewertung folgende Schlüsse:

  • Exposition durch Pollen und Nektar: Nur die Verwendung bei Nutzpflanzen, die für Honigbienen uninteressant sind, wurde als akzeptabel erachtet.
  • Exposition durch Stäube: Ein Risiko für Honigbienen bestand bzw. konnte nicht ausgeschlossen werden, mit einigen Ausnahmen, wie bei der Verwendung für Zuckerrüben oder Nutzpflanzen, die in Gewächshäusern angebaut werden, und bei der Verwendung einiger Granulatformen.
  • Exposition durch Guttation: Nur die Risikobewertung für mit Thiamethoxam behandeltem Mais konnte abgeschlossen werden. Hier zeigen Feldstudien eine akute Wirkung auf Honigbienen, die dem Wirkstoff mittels Guttationsflüssigkeit ausgesetzt waren.

Aufgrund mangelnder Daten konnte EFSA die Risikobewertung für einige Verwendungen nicht abschließen. Auch gelte es, die Risiken für andere Bestäuber näher zu untersuchen.

Die EU-Kommission schlug daraufhin eine vorläufige Einschränkung der Verwendung der drei untersuchten Substanzen vor, da ein hohes Risiko für Honigbienen ohne eine solche Einschränkung nicht ausgeschlossen werden könne. Nachdem im Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit die erforderliche qualifizierte Mehrheit nicht erreicht wurde, stimmten am 29. April 2013 Vertreter der Mitgliedsstaaten im Berufungsausschuss ab. 15 Mitgliedstaaten befürworteten den Vorschlag, 8 Mitgliedstaaten stimmten dagegen und 4 Mitgliedstaaten enthielten sich.[21] Da keine Einigung erzielt wurde, setzte die Kommission ihren Vorschlag am 24. Mai um.[22] Ab 1. Dezember sind Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam nur noch für gewerbliche Anwendungen und in bestimmten Kulturen für Saatgut-, Boden- und Blattbehandlungen gar nicht mehr bzw. nur nach der Blüte zulässig. Die Einschränkungen gelten für zunächst zwei Jahre, können aber auf Basis neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse angepasst werden.

Landwirtschaftlich relevant sind insbesondere folgende Verbote und Ausnahmen:[23]

  • Weizen und Gerste: Saatgut- und Bodenbehandlungen sind nur dann erlaubt, wenn die Aussaat zwischen Juli und Dezember erfolgt. Blattbehandlungen sind verboten.
  • Mais, Raps, Sonnenblume: Saatgut- und Bodenbehandlungen sind verboten. Blattbehandlungen sind nur nach der Blüte erlaubt.
  • Zuckerrübe: Ist nicht von Verboten betroffen (da die Ernte vor der Blüte erfolgt).

In der deutschen Landwirtschaft treffen die EU-Restriktionen lediglich die Saatgutbehandlung bei Raps (Cruiser OSR ab 1. Oktober 2013, Chinook, Elado, Modesto ab 30. November 2013); die Zulassungen für die Saatgutbehandlung bei Mais ruhen bereits seit 2008 für alle ehemals dafür zugelassenen Neonicotinoidprodukte (Faibel, Cruiser 350 FS, Poncho).[24] In Italien ist die Saatgutbehandlung mit Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam seit September 2008 verboten.[25] In Frankreich ist die Saatgutbehandlung mit Gaucho (Imidacloprid) bei Sonnenblume seit 1999 und bei Mais seit 2004, mit Cruiser OSR (Thiametoxam) bei Raps seit Juli 2012 untersagt. Clothianidin war in Frankreich nie zugelassen.[26][27][28]

Diskussion

Im Januar 2013 veröffentlichte das Humboldt Forum for Food and Agriculture e. V. (HFFA) eine Studie zum Wert der Neonicotinoide in der EU. Die Studie wurde finanziert von Bayer CropScience und Syngenta und unterstützt von COPA-COGECA, der European Seed Association und der European Crop Protection Association. Die Studie untersuchte die kurz- und mittelfristigen Auswirkungen eines möglichen EU-weiten Verbots aller Neonicotinoidanwendungen auf landwirtschaftliche und gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung und Beschäftigung, globale Preise, Landnutzung und Treibhausgasemissionen. Kurzfristig, im ersten Jahr eines möglichen Verbots, würde demnach die landwirtschaftliche bzw. gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung um mindestens 2,8 bzw. 3,8 Mrd. € sinken. Die größten wirtschaftlichen Verluste würden den Anbau von Weizen, Mais und Raps in Großbritannien, Deutschland, Rumänien und Frankreich betreffen. 22.000 Arbeitsplätze würden EU-weit verloren gehen (überwiegend in Rumänien und Polen), und die landwirtschaftlichen Einkommen im Schnitt um 4,7% sinken. Mittelfristig ergäben sich Verluste durch ein Verbot über einen Zeitraum von 5 Jahren von knapp 17 Mrd. € und 27.000 Arbeitsplätzen. Die mit Abstand höchsten Einkommenseinbußen träten in Großbritannien auf, die meisten Arbeitsplätze gingen in Rumänien verloren. Die geringere Produktion infolge eines Verbotes würde außerdem höhere Importe von Agrarrohstoffen in die EU nach sich ziehen. Diese größere Nachfrage auf dem Weltmarkt würde der HFFA-Studie zufolge eine Ausweitung der globalen landwirtschaftlichen Anbaufläche um 3,3 Mio. ha und einen zusätzlichen Ausstoß von 600 Mio. t CO2-Äquivalent bedeuten.[29]

Nach Angaben des Agriculture and Horticulture Development Board (AHDB) bedeuten die Restriktionen für britische Rapsbauern eine erschwerte Kontrolle des Großen Rapserdflohs, von Flohkäfern und der Grünen Pfirsichblattlaus. (Die Pfirsichblattlaus ist ein Überträger des Gelben Rüben-Mosaikvirus, das Ertragsverluste von 15-30% bewirken kann). Als Alternativen zur Saatgutbeizung mit Neonicotinoiden bliebe die Blattbehandlung mit Pyrethroiden und Pirimicarb, wenngleich die Pfirsichblattlaus bereits starke Resistenzprobleme gegen diese Wirkstoffe aufweist, die sich weiter verschärfen könnten. Auch könnten Nichtzielorganismen durch diese Alternativen stärker als durch Neonicotinoide geschädigt werden. Der Pflanzenschutz im Weizenanbau werde aufgrund der Ausnahmen hingegen kaum tangiert. Beim Gemeinen Lein seien Pyrethroide die einzige Alternative zur Neonicotinoidbeizung, zum Schutz des Mais vor Halmfliegen könnte Methiocarb verwendet werden.[30]

Laut der Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (UFOP) betrifft die Durchführungsverordnung nahezu 100% des deutschen Rapsanbaus ab der Aussaat 2014. Die UFOP erwartet einen deutlichen Anstieg der Behandlungsintensität mit weniger wirksamen Pflanzenschutzmitteln, womit das Beizverbot die Bemühungen für einen verbesserten Bienen- und Umweltschutz konterkariere. Gleichzeitig sei mit erheblichen Ertragseinbußen zu rechnen und bei Starkauftreten der Herbstschädlinge die Wirtschaftlichkeit des Rapsanbaus in Frage zu stellen.[31]

Im März 2013 legten Bayer CropScience und Syngenta einen Aktionsplan zum Bienenschutz vor, der unter anderem die Ausweitung von Ackerrandstreifen, Feld-Monitoring, Rückstandsuntersuchungen und Abluftdetektoren an Sägeraten umfasst.[32] Bayer erklärte nach der EU-Entscheidung, die Restriktionen bedeuteten einen Umsatzverlust von 80 Mio. € pro Jahr.[33] Im August 2013 reichten Syngenta und Bayer Klage beim Europäischen Gerichtshof ein. Sie warfen der EU-Kommission Verstöße gegen EU-Gesetze und einen Mangel an Beweisen für eine schädliche Wirkung der Neonicotinoide auf Honigbienen vor. Bis zu einer Entscheidung des Gerichts haben die Klagen keine Auswirkungen auf die Umsetzung der Restriktionen.[34]

Einzelnachweise

  1. Pesticide Toxicity Profile: Neonicotinoid Pesticides (engl.)
  2. Jones AK, Raymond-Delpech V, Thany SH, Gauthier M, Sattelle DB.: The nicotinic acetylcholine receptor gene family of the honey bee, Apis mellifera., Genome Res. 2006 Nov;16(11):1422-30. PMID 17065616
  3. a b c Peter Jeschke, Ralf Nauen: Neonicotinoid Insecticides. In: Lawrence I. Gilbert, Sarjeet S. Gill (Hrsg.): Insect Control: Biological and Synthetic Agents. Academic Press, London 2010, ISBN 978-0-12-381449-4, S. 61–119.
  4. a b c d e f g h Peter Jeschke, Ralf Nauen, Michael Schindler, Alfred Elbert: Overview of the Status and Global Strategy for Neonicotinoids. In: Journals of Agricultural and Food Chemistry. Band 59, 2011, S. 2897–2908.
  5. Tapparo A, Giorio C, Soldà L, Bogialli S, Marton D, Marzaro M, Girolami V.: UHPLC-DAD method for the determination of neonicotinoid insecticides in single bees and its relevance in honeybee colony loss investigations., Anal Bioanal Chem. 2013 Jan;405(2-3):1007-14. PMID 22965530
  6. Kamel A.: Refined methodology for the determination of neonicotinoid pesticides and their metabolites in honey bees and bee products by liquid chromatography-tandem mass spectrometry (LC-MS/MS)., J Agric Food Chem. 2010 May 26;58(10):5926-31. PMID 20163114
  7. Tapparo A, Marton D, Giorio C, Zanella A, Soldà L, Marzaro M, Vivan L, Girolami V.: Assessment of the environmental exposure of honeybees to particulate matter containing neonicotinoid insecticides coming from corn coated seeds., Environ Sci Technol. 2012 Mar 6;46(5):2592-9. PMID 22292570
  8. Netzwerk Regenbogen.de: Frankreich: Bayer und BASF wegen Bienensterben angeklagt vom 19. Februar 2004, abgerufen am 9. Juni 2013
  9. Mysterious Honey Bee Disorder Buzzes into Court; im August 2008 reicht das Natural Resources Defense Council eine Klage wegen der Verwendung des Insektizids Clothianidin beim amerikanischen Bundesgerichtshof von Washington ein.
  10. United States Environmental Protection Agency, Office of Prevention, Pesticides and Toxic Substances: Pesticide Fact Sheet "Clothianidin", Conditional Registration, May 30, 2003, Page 15 (PDF-Datei)
  11. Blacquière T, Smagghe G, van Gestel CA, Mommaerts V.: Neonicotinoids in bees: a review on concentrations, side-effects and risk assessment. In: Ecotoxicology. Band 21, Nr. 4, 2012, S. 973-92, doi:10.1007/s10646-012-0863-x.
  12. James E Cresswell1, Nicolas Desneux, Dennis vanEngelsdorp: Dietary traces of neonicotinoid pesticides as a cause of population declines in honey bees: an evaluation by Hill's epidemiological criteria. In: Pest Management Science. Band 68, Nr. 6, 2012, S. 819–827, doi:10.1002/ps.3290.
  13. James E. Cresswell: A meta-analysis of experiments testing the effects of a neonicotinoid insecticide (imidacloprid) on honey bees. In: Ecotoxicology. Band 20, Nr. 1, 2011, S. 149-57, doi:10.1007/s10646-010-0566-0.
  14. Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum, Baden-Württemberg: Abschlussbericht Beizung und Bienenschäden. 17. Dezember 2008.
  15. Thomas G. Nagel: Die Überwachung der Einhaltung der Verordnung über das Inverkehrbringen und die Aussaat von mit bestimmten Pflanzenschutzmitteln behandeltem Maissaatgut (MaisPflSchMV). In: Journal für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Band 6, 2011, S. 223–231, doi:10.1007/s00003-010-0656-1.
  16. LTZ Augustenberg: Bienensterben im Jahr 2008 in Baden-Württemberg, Übersichtsseite.
  17. Informationsdienst Wissenschaft: Analysen des Julius Kühn-Instituts zu Bienenschäden durch Clothianidin, 10. Juni 2008.
  18. Erik Stokstad: Pesticides Under Fire for Risks to Pollinators. In: Science. Band 340, 2013, S. 674–676, doi:10.1126/science.340.6133.674.
  19. A. Lopez-Antia, M. E. Ortiz-Santaliestra, F. Mougeot, R. Mateo: Experimental exposure of red-legged partridges (Alectoris rufa) to seeds coated with imidacloprid, thiram and difenoconazole. Ecotoxicology, Januar 2013, 22(1):125-38. doi: 10.1007/s10646-012-1009-x.
  20. Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA): EFSA identifiziert Risiken durch Neonicotinoide für Bienen Pressemitteilung, 16. Januar 2012.
  21. Europäische Kommission: Bienen und Pestizide: Kommission verfolgt Plan zum besseren Bienenschutz weiter. Pressemitteilung, 29. April 2013.
  22. EU-Kommission: Bees & Pesticides: Commission goes ahead with plan to better protect bees. 30. Mai 2013.
  23. Durchführungsverordnung (EU) Nr. 485/2013 der Kommission vom 24. Mai 2013.
  24. Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: Änderungen bei Pflanzenschutzmitteln mit neonicotinoiden Wirkstoffen. Fachmeldung, 12. Juli 2013.
  25. Ministerio del lavoro, della salute e delle politiche sociali: Sospensione cautelativa dell'autorizzazione di impiego per la concia di sementi, dei prodotti fitosanitari contenenti le sostanze attive clothianidin, thiamethoxam, imidacloprid e fipronil, ai sensi dell'articolo 13, comma 1, del decreto del Presidente della Repubblica 23 aprile 2001, n. 290.
  26. Interdiction de la molécule d'imidaclopride
  27. Décision du Conseil d’Etat relative au Gaucho, 31. März 2004.
  28. Arrêté du 24 juillet 2012 relatif à l'interdiction d'utilisation et de mise sur le marché pour utilisation sur le territoire national des semences de crucifères oléagineuses traitées avec des produits phytopharmaceutiques contenant la substance active thiametoxam, JORF n°0172 du 26 juillet 2012 page 12246, texte n° 26.
  29. Steffen Noleppa, Thomas Hahn: The value of Neonicotinoid seed treatment in the European Union: A socio-economic, technological and environmental review. Humboldt Forum for Food and Agriculture (HFFA), 2013.
  30. Neonicotinoid pesticide restrictions. HGCA, Juni 2013.
  31. Verbot neonicotinoider Saatgutbeizung wird scharf kritisiert. Proplanta.de, 5. Mai 2013. Abgerufen am 22. Oktober 2013.
  32. Neonikotinoide: Unternehmen legen eigenen Aktionsplan vor. agrarheute.com, 28. März 2013.
  33. Rheinische Post
  34. Tania Rabesandratana: Pesticidemakers Challenge E.U. Neonicotinoid Ban in Court. ScienceInsider, 28. August 2013.