Die Ägyptische Expedition (1798 bis 1801) bezeichnet einen französischen Feldzug nach Ägypten.
Vorgeschichte
Historischer Hintergrund
Nach der Hinrichtung König Ludwigs XVI. 1793 hatten fast alle Monarchien Europas, darunter Großbritannien, Spanien, Portugal und die meisten deutschen und italienischen Staaten, Frankreich den Krieg erklärt. Die hohe Moral der Revolutionstruppen und das Geschick des jungen Feldherren Napoleon sorgten jedoch für anhaltende militärische Erfolge der Franzosen.
1795 wurden die Niederlande von der französischen Armee besetzt und standen nun unter französischer Kontrolle. Preußen und Spanien schlossen im selben Jahr einen Friedensvertrag mit Frankreich. Unter französischem Druck erklärte Spanien im August 1796 Großbritannien sogar den Krieg. 1798 wurde der Frieden von Campo Formio zwischen Frankreich und Österreich geschlossen. Großbritannien war damit 1798 das einzige einflussreiche europäische Land, das sich noch im Krieg mit der französischen Republik befand. Zu seinen Verbündeten zählten nur noch Portugal, das wenig einflussreiche Königreich von Neapel-Sizilien und die Insel Malta. Russland verhielt sich neutral.
Das Direktorium Frankreichs hatte nach den Erfolgen in Kontinentaleuropa eine Invasion Großbritanniens erwogen. Napoleon hatte deswegen zu Beginn des Jahres 1798 die nordwestliche Küsten Frankreichs bereist, um die Möglichkeiten einer solchen militärischen Operation zu überprüfen. Er kam jedoch zu dem Schluss, dass eine solche Invasion nicht umsetzbar sei, da die Seestreitkräfte Frankreichs dafür nicht ausreichten und teilte dies in einem Brief vom 23. Februar 1798 auch dem Direktorium mit. In dem selben Brief schlug er zwei andere Alternativen: einen Angriff auf das Königreich Hannover oder eine Expedition in die Levante. Beide Angriffe würden das britische Königreich schwächen. Hannover war das Stammhaus des britischen Königs Georg I. und ein Krieg im Nahen Osten würde sich negativ auf den britischen Handel mit Indien auswirken.
Als erster Schritt dazu sollte zunächst das unter osmanischem Einfluss stehende Ägypten besetzt und die Engländer aus allen Besitzungen vertrieben werden, in die Napoleon vordringen konnte. Dies hätte eine Operationsbasis für eine militärische Operation gegen Indien geschaffen.
Charles de Talleyrand, damals Außenminister des Direktoriums, fand Napoleons Vorhaben überzeugend, weil ein Sieg leicht zu erringen zu sein schien: Ägypten wurde zwar von einem osmanischen Gouverneur regiert, dieser verfügte jedoch über keine türkischen Garnisonen. Der einzige Widerstand würde von den lediglich 10.000 Mamelucken ausgehen. Deren militärische Stärke lag in der Kavallerie, die jedoch auf einem von Kanonen und Gewehren dominierten Schlachtfeld am Ende des 18. Jahrhunderts keine wirkliche militärische Bedeutung mehr hatte. Es war daher möglich, eine für diese Expedition ausreichende Truppe aufzustellen, ohne Frankreichs militärische Präsenz in Europa nachhaltig zu schwächen.
Nach anfänglichem Widerstand billigte das Direktorium den Plan Bonapartes und gab ihm den Auftrag, Ägypten zu besetzen und die Engländer aus allen Besitzungen zu vertreiben, „in die der General gelangen kann“. Er erhielt weiter den Befehl, die Landenge von Sues zu durchqueren, um eine französische Dominanz in der Region am Roten Meer zu erreichen. Im Sinne der Ideale der Französischen Revolution umfasste sein Auftrag auch die Anweisung, „das Los der Menschen in Ägypten zu verbessern“.
Da Ägypten nominell zur Türkei gehörte, sollte Außenminister Talleyrand anschließend nach Konstantinopel reisen, um mit dem türkischen Sultan Verhandlungen zu führen. Dann sah der Plan vor, zusammen mit den Türken in Indien einzufallen.
Die Vorbereitung der Expedition
Am 19. Mai 1798 verließ Napoleon mit der französischen Flotte Toulon. Seine Expedition bestand aus 17.000 Franzosen und 38.000 italienischen Soldaten. Sie transportierten rund 1.000 Kanonen an Bord ihrer 400 Schiffe. Dabei waren auch 150 Wissenschaftler und Forscher aus Frankreich.
Verlauf
Napoleon eroberte Malta (12. bis 13. Juni) und landete bei Abukir. Alexandria, das am 2. Juli 1798 gestürmt wurde, ergab sich schnell in sein Schicksal. In der Schlacht bei den Pyramiden am 21. Juli 1798 etwas südlich von Gizeh wurde das türkisch-ägyptische Heer zusammen mit einer Mamelucken-Eliteeinheit unter Mourad Bey und Ibrahim Bey, insgesamt rund 5.000, vernichtend in die Flucht geschlagen und Kairo sowie ganz Ägypten besetzt.
Allerdings wurde schon am 1. August 1798 die französische Flotte von den Briten unter Admiral Nelson bei Abukir vollständig vernichtet, so dass die Verbindungswege nach Frankreich unterbrochen waren. Ein Aufstand in Kairo vom 22. bis 23. Oktober 1798 wurde von Napoleon niedergeschlagen. (siehe auch Seeschlacht bei Abukir)
Außenminister Talleyrand hatte unterdessen nicht, wie versprochen, Konstantinopel bereist. Die Türkei erklärte schließlich unter englischem Druck Frankreich den Krieg.
Ein Feldzug Napoleons nach Syrien mit 14.000 Mann zur Verteidigung der Eroberung Ägyptens gegen ein sich formierendes türkisches Heer scheiterte mit der Belagerung von Akkon (März bis Mai 1799). Trotz einiger Siege über osmanische Truppen musste Napoleon sich nach Ägypten zurückziehen, wo er am 25. Juli 1799 die Osmanen bei Abukir vernichtend schlug. Da sich die Lage in Europa dramatisch gegen ihn wandte, kehrte Napoleon am 22. August 1799 heimlich nach Frankreich zurück und überließ das Kommando in Ägypten General Kléber.
Kléber handelte zwar mit den Osmanen den freien Abzug aus Ägypten aus, doch als Großbritannien die bedingungslose Kapitulation forderte, wurde der Krieg wieder aufgenommen. Die Osmanen wurden am 20. März 1800 bei Heliopolis von Kléber vernichtend geschlagen und Kairo wieder besetzt. Allerdings wurde Kléber am 14. Juni 1800 in Kairo von einem Muslim ermordet. Sein Nachfolger Menou wurde von den 17.000 Mann starken britischen Truppen bei Abukir am 21. März 1801 und Ramanja am 9. April geschlagen. Am 31. August kapitulierte Alexandria, und die französischen Truppen mussten gegen freien Abzug Ägypten verlassen.
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Nachwirkung
Die Bedeutung der Ägyptischen Expedition liegt zum einen darin, dass die Vorherrschaft der Mamelucken in der ägyptischen Gesellschaft durch die Niederlagen gegen die Franzosen schwer erschüttert war und dadurch der Aufstieg von Muhammad Ali Pascha ermöglichte wurde. Napoleons Reformen bestanden aus der Modernisierung der ägyptischen Verwaltung, der Einführung eines neuen Postdiensts, der Förderung des Baus von Windmühlen und der Bekämpfung der Beulenpest. Außerdem wurde der Buchdruck eingeführt und ganz Ägypten kartographiert.
War die Expedition auch letztlich ein militärischer Fehlschlag, führte sie doch zu bedeutenden wissenschaftlichen Entdeckungen, da durch die an der Expedition teilnehmenden Wissenschaftler die altägyptische Kultur weithin bekannt wurde und so ein starkes Interesse an der Frühgeschichte geweckt wurde. Bedeutendste Entdeckung war hierbei sicher der Fund des Steins von Rosetta am 15. Juli 1799, der letztlich die Entzifferung der altägyptischen Hieroglyphen durch Jean-François Champollion ermöglichte.
Literatur
- Abdarrahman Al-Gabarti: Bonaparte in Ägypten. Aus der Chronik des Abdarrahman Al-Gabarti (1754–1829). Übersetzt von Arnold Hottinger. (Bibliothek des Morgenlandes, Band 21) Zürich: Artemis, 1983, ISBN 3-7608-45320 (451 Seiten)
- John Keegan: Intelligence in war. Knowledge of the enemy from Napoleon to Al-Qaeda, Pimlico, London 2004. ISBN 0-7126-6650-8 (engl.)
- Keegan befasst sich in diesem militärgeschichtlichem Buch ausführlich damit, welche Informationen Nelson während der Verfolgung Napoleons zur Verfügung stand und wie diese die jeweiligen Entscheidungen beeinflusste.
- Brian Lavery: Nelson and the Nile - The Naval War against Bonaparte 1798, Caxton Publishing Group, London, 2003 ISBN 1-84068-5225 (engl)