Konvergenzkriterium von Pringsheim

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Die Konvergenzkriterium von Pringsheim oder auch Hauptkriterium von Pringsheim ist ein Kriterium über das Konvergenzverhalten von Kettenbrüchen. Es geht zurück auf den deutschen Mathematiker Alfred Pringsheim und gehört zu den klassischen Lehrsätzen der Kettenbruchlehre innerhalb der Analytischen Zahlentheorie.[1][2] In der englischsprachigen Fachliteratur wird das Kriterium auch unter dem Namen Śleszyński-Pringsheim's theorem (u. ä.) geführt,[3] wobei der erstgenannte Name auf den polnisch-russischen Mathematiker Ivan Śleszyński (1854 – 1931) verweist, welcher dieses Kriterium ebenfalls und schon vor Pringsheim gefunden hatte. Es gibt Hinweise darauf, dass Alfred Pringsheim die entsprechende Veröffentlichung von Ivan Śleszyński möglicherweise kannte, als er seine Veröffentlichung im Jahre 1898 machte. [4] Anzufügen ist hier der Hinweis von Oskar Perron im Band II seiner Lehre von den Kettenbrüchen, wonach der wesentliche Inhalt dieses Satzes auch schon in dem Lehrbuch der algebraischen Analysis von Moritz Abraham Stern (Leipzig 1860) zu finden ist.[5]

Formulierung der Kriteriums

Teil I

Für zwei Zahlenfolgen komplexer Zahlen       und       mit der Eigenschaft, dass die Ungleichungen

     [6]

erfüllt sind, ist der zugehörige Kettenbruch

 

stets konvergent. Das bedeutet:

Die Folge der Näherungsbrüche

     

ist eine konvergente Folge und der durch sie eindeutig bestimmte Grenzwert   mit

     .

ist der Wert des zugehörigen Kettenbruchs.

Teil II

Im Falle, dass die oben genannte Bedingung erfüllt ist, gilt stets

        und damit    .

Teil III

Der Grenzfall       liegt dann und nur dann vor, wenn folgende drei Bedingungen erfüllt sind:

(IIIa)        
(IIIb)   Alle         sind negative reelle Zahlen.
(IIIc) Die Reihe       ist divergent.

In diesem Grenzfall hat der Kettenbruch den Wert   

Folgerungen

Aus dem Konvergenzkriterium von Pringsheim lassen sich die mehrere weitere Konvergenzkriterien ableiten. Dazu zählen auch die folgenden:[7][8][9]

Folgerung I: Der Satz von Worpitzky (1865)

Für eine Zahlenfolge komplexer Zahlen      , welche in allen Folgengliedern die Ungleichung

     

erfüllt, ist der Kettenbruch

 

stets konvergent.

Dabei gilt für die Näherungsbrüche           stets

 

und dementsprechend für den Wert       des Kettenbruchs

 

Der Satz von Worpitzky gilt als das erste Konvergenzkriterium für Kettenbrüche mit komplexwertigen Elementen.[10]

Folgerung II: Weiteres Konvergenzkriterium von Pringsheim

Durch Spezialisierung findet man mit dem Konvergenzkriterium von Pringsheim ein weiteres, welches Alfred Pringsheim in seiner Arbeit Über die Konvergenz unendlicher Kettenbrüche in den Sitzungsberichten der Bayerischen Akademie der Wissenschaften von 1898 selbst formuliert hat[11] und welches wie folgt lautet:

Für eine Zahlenfolge komplexer Zahlen      , welche in allen Folgengliedern die Ungleichung

     

erfüllt, ist der reguläre Kettenbruch

 

stets konvergent.

Dieses weitere Konvergenzkriterium von Pringsheim ist beispielsweise immer anwendbar für den Fall, dass alle Teilnenner         mindestens den Betrag 2 haben.

Beispiele

Beispiel I

Nach dem Konvergenzkriterium von Pringsheim konvergiert der folgende unendliche Kettenbruch:

 

Da   (IIIb)   nicht erfüllt ist, ist   Teil III   nicht anwendbar. Vielmehr ist

   ,

wie sich aus den von Leonhard Euler und Ernesto Cesàro gefundenenen Kettenbruchentwicklungen der eulerschen Zahl       ergibt.[12] Daher ist wegen der Transzendenz der eulerschen Zahl die Zahl       ebenfalls eine transzendente Zahl.

Beispiel II

Nach dem Konvergenzkriterium von Pringsheim und sogar nach der oben genannten Folgerung II konvergiert genauso der reguläre Kettenbruch

  .

Hier ist

   ,

wobei       eine Konstante darstellt, welche mit der Euler-Gompertz-Konstanten verwandt ist. Wie Carl Ludwig Siegel gezeigt hat, gehört auch       zu den transzendenten Zahlen.[13] Also ergibt sich auch hier, dass die Zahl       transzendent ist.

Beispiel III

Nach der oben genannten Folgerung II konvergiert schließlich auch für beliebiges     ,       immer der folgende unendliche Kettenbruch:[14]

 

Hierfür gilt:

 [15]   .

Anmerkungen

  1. Wenn man in dem obigen Beispiel (III)       setzt, liegt ebenfalls ein konvergenter unendlicher Kettenbruch vor, dessen Wert gleich dem Kehrwert der goldenen Zahl       , also gleich       ist.
  2. Auf Alfred Pringsheim gehen noch weitere Konvergenzkriterien für unendliche Kettenbrüche zurück.[16] [17] Als andere klassische Konvergenzkriterien in diesem Bereich sind (etwa) der Satz von Seidel-Stern oder der Satz von van Vleck zu nennen.[18][19][20]

Literatur

  • Steven R. Finch: Mathematical Constants (= Encyclopedia of Mathematics and its Applications. Band 94). Cambridge Univity Press, Cambridge [u. a.] 2003, ISBN 0-521-81805-2.
  • Lisa Lorentzen - Haakon Waadeland: Continued Fractions with Applications (= Studies in computational mathematics. Band 3). North-Holland, Amsterdam [u. a.] 1992, ISBN 0-444-89265-6.
  • William B. Jones - W. J. Thron: Continued Fractions. Analytic Theory and Applications (= Encyclopedia of Mathematics and its Applications. Band 11). Addison-Wesley Publishing Company, Reading, Mass. [u.a.] 1980, ISBN 0-201-13510-8.
  • Oskar Perron: Die Lehre von den Kettenbrüchen - Band II: Analytisch-funktionentheoretische Kettenbrüche. Reprografischer Nachdruck der dritten, verbesserten und durchgesehenen Auflage, Stuttgart 1957. 4. durchgesehene und ergänzte Auflage. Teubner Verlag, Stuttgart 1977, ISBN 3-519-02022-X.
  • Alfred Pringsheim: Vorlesungen über Zahlen- und Funktionenlehre. Erster Band: Zahlenlehre. Dritte Abteilung: Komplexe Zahlen - Reihen mit komplexen Gliedern - Unendliche Produkte und Kettenbrüche (= B. G. Teubners Sammlung von Lehrbüchern auf dem Gebiete der Mathematischen Wissenschaften mit Einschluss ihrer Anwendungen. XL, I.3). Teubner Verlag, Leipzig und Berlin 1921.
  • Alfred Pringsheim: Über die Konvergenz unendlicher Kettenbrüche. In: Sitzungsberichte der (kgl.) Bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München. Mathematisch-physikalische (naturwissenschaftliche) Klasse. Band 28, 1898, S. 295–324. [1]
  • W. J. Thron: Should the Pringsheim criterion be renamed the Śleszyński criterion? In: Comm. Anal. Theory Contin. Fractions. Band 1, 1992, S. 13–20. MR1192192

Einzelnachweise

  1. Perron: S. 58 ff.
  2. Pringsheim: Vorlesungen ... Band I.3, S. 878 ff.
  3. Lorentzen - Waadeland: S. 30 ff.
  4. Thron: In: Comm. Anal. Theory Contin. Fractions. Band 1, S. 13 ff.
  5. Perron a.a.O.:
  6.   steht für den komplexen Betrag.
  7. Perron: Die Lehre von den Kettenbrüchen - Band II. S. 61–62.
  8. Lorentzen - Waadeland: S. 35.
  9. Jones - Thron: S. 94.
  10. Jones - Thron: S. 10, 94.
  11. Es wird ebenfalls in seinen Vorlesungen über Zahlen- und Funktionenlehre (Band I.3, S. 880)
  12. Perron: Die Lehre von den Kettenbrüchen - Band II. S. 19.
  13. Vgl. Finch: S. 423.
  14. Lorentzen - Waadeland: S. 32.
  15. Hier ist der Hauptwert der komplexen Quadratwurzelfunktion gemeint.
  16. P: S. 58 - 65.
  17. Vgl. Perron: S. 58 - 65.
  18. Perron a.a.O.:
  19. Jones - Thron: S. 60 - 146.
  20. Lorentzen - Waadeland: S. 32 - 36.