Die politische Agitation (lat. agitare = aufregen, aufwiegeln; auch: schwenken, schütteln, z.B. einer Flüssigkeit) ist eine besondere Form der politischen Werbung. Der Begriff wird in der Umgangssprache, aber auch in journalistischen Kommentaren bisweilen abwertend benutzt. Der Agitator wird oft gleichgesetzt mit einem Aufwiegler, Anstifter, Hetzer und Unruhestifter.
Daneben gibt es eine Reihe weiterer, gänzlich anderer Bedeutungen von Agitation bzw. Agitator.
Politik
Ein politischer Agitator will insbesondere durch motivierende, anspornende oder aufrührerische Reden und Veröffentlichungen eine größere Menge von Menschen zu einer gemeinsamen Aktion oder Reaktion bewegen (meist im Hinblick auf einen politischen Gegner, i.d.R. den Klassenfeind).
In der leninistischen Praxis (aber auch der anderer politischer Parteien) war und ist der Begriff "Agitation" positiv behaftet. Lenin selbst definierte Agitation als "den Appell an die Massen zu bestimmten konkreten Aktionen, die Förderung der unmittelbaren revolutionären Einmischung des Proletariats in das öffentliche Leben." [1]. Er grenzte die A. von der Propaganda ab (vgl. auch Agitprop). In kommunistischen Parteien und Staaten ist die Funktion des Agitators gfs. sogar ein Amt. Angela Merkel etwa war in den 80-er Jahren Sekretärin für Agitation und Propaganda an der Akademie der Wissenschaften der DDR. In der alten Bundesrepublik hingegen stellte der § 130 StGB die "Anreizung zum Klassenkampf" unter Strafe, ab 1960 die Volksverhetzung.
Bei der Agitation tritt das aufklärerische Moment in den Hintergrund. Stattdessen wird - wie bei ihrem Pendant, der Propaganda - u.a. auf Emotionalisierung, Suggestion, Polarisierung und Vereinfachung gesetzt, um unter Umgehung von Gegenargumenten, Abwägungen oder weiterführenden Überlegungen Stimmungen zu erzeugen bzw. Massenbewegungen unter einem meist sehr pauschalen und populistischen Motto zu formieren und zu einigen. Schlagworte dominieren den Diskurs; Losungen ersetzten insbesondere im Maoismus (und vergleichbaren ideologischen Richtungen) rationale, argumentativ kohärente (in sich schlüssige) Programmatiken (vgl. Mao-Bibel).
Meist straff organisierte Massenaufmärsche und Kundgebungen gehören unverzichtbar zum Repertoire der Agitation.
Während man im Zusammenhang mit sozialistischen, bolschewistischen, stalinistischen und maoistischen Parteien überwiegend von Agitation (gfs. noch von Agitprop) spricht, wenn man die politische Verführungskunst meint, findet man Hinblick auf Nationalsozialismus und Faschismus fast ausschließlich den Begriff Propaganda.
Medizin
In der Medizin meint Agitation (auch: Agitiertheit) eine krankhafte Unruhe, bei der es zu heftigen und hastigen Bewegungen des Patienten kommt (Symptome: Zittern, gesteigerter Bewegungsdrang). Eine Agitation tritt vor allem bei Psychosen oder im Delirium auf, allerdings auch im normalen Schlaf. Sie ist nicht mit gewöhnlicher Nervosität zu verwechseln.
Technik
Über das Englische fand das Wort Agitator auch Eingang in den deutschen technischen Wortschatz. Im weitesten Sinn versteht darunter Vorrichtungen oder Maschinen zur permanenten oder zeitlich gesteuerten automatischen Bewegung von Gegenständen wie Werkstücken, Flüssigkeiten, Lösungen, Gemischen etc. Das einfachste Beispiel hierfür ist eine (Beton-)Mischmaschine.
Zitate
- Das Geheimnis des Agitators ist, sich so dumm zu machen, wie seine Zuhörer sind, damit sie glauben, sie seien so gescheit wie er. (Karl Kraus)
- Man kann in 24 Stunden die Taktik der Agitation in irgendeiner besonderen Frage, die Taktik bei der Durchführung irgendeiner Teilaufgabe der Parteiorganisation ändern; aber in 24 Stunden, ja sei es sogar in 24 Monaten, seine Ansichten darüber ändern, ob überhaupt, stets und unbedingt eine Kampforganisation und politische Agitation in den Massen notwendig sind, das bringen nur Leute ohne jegliche Prinzipien fertig. (Wladimir I. Lenin, Womit beginnen? [2])
Literatur
- Bernhard Jahnel: Grundfragen politischer Agitation in Lenins Polemik. VEB Verlag für Buch- und Bibliothekswesen, 1964.
- K. Kalašnikov: Die Grundzüge der bolschewistischen Agitation. Berlin (Ost): Dietz Verlag, 1950.
- Hartmut Stirner: Die Agitation und Rhetorik Ferdinand Lassalles. 1978. - ISBN 3-92163-015-0
Weblinks
- Brigitte Frank-Böhringer, Auszug aus: Charakteristik der agitatorischen Rede (Magic-point.net)
- Foto: Lenin und Trotzki bei einer Kundgebung auf dem Roten Platz (Moskau, 20.05.1920)
Siehe auch: Manipulation, Demagogie, Politischer Aschermittwoch, Karl-Eduard von Schnitzler, Persuasion, Polemik, Volksverhetzung