Offene Gesellschaft
Die offene Gesellschaft ist ein Staatsmodell des österreichischen Philosophen Karl Popper, welches die größtmögliche Freiheit für jedes Individuum bieten soll. Der Staat soll dabei soweit wie möglich minimiert, allerdings nicht vollständig ausgeblendet werden. Die Vorstellung von der offenen Gesellschaft ist eng mit dem Liberalismus verbunden.
Der Begriff Offene Gesellschaft leitet sich vom Buchtitel Die offene Gesellschaft und ihre Feinde ab. In diesem Buch wendet sich Karl Popper gegen den Totalitarismus des Faschismus, Nationalsozialismus und Kommunismus, Ideologien, deren Ursprung er auf die Philosophie Platons, Hegels und Karl Marx', insbesondere deren Lehre von einer Gesetzmäßigkeit der Geschichte (siehe Historizismus), zurückführt.
In Offenen Gesellschaften ist im Gegensatz zu ideologisch festgelegten, geschlossenen Gesellschaften, die einen für alle verbindlichen Heilsplan verfolgen, ein intellektueller Meinungsaustausch gestattet, der auch kulturelle Veränderungen ermöglicht. Daher sind Meinungs- Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sowie religiöse Neutralität von grundlegender Bedeutung für Offene Gesellschaften.
Institutionen sind zwar unumgänglich, können in Offenen Gesellschaften aber geändert werden. Alles ist einer ständigen Kritik ausgesetzt.
Der Staat ist in einer Offenen Gesellschaft ein notwendiges Übel. Er soll zwar eine ausreichende Grundversorgung bereitstellen, aber den Bürgern keine Wohltaten erweisen. Popper schlägt als Maxime statt der Maximierung des Glücks die bescheidenere Minimierung des Leidens vor.
Die beste Staatsform ist nach Popper die Demokratie, die Popper neu definiert als eine Herrschaftsform, in der es möglich ist, die Herrscher ohne Blutvergießen auszutauschen. Dies, nicht etwa die Behauptung, dass die Mehrheit recht habe, sei der größte Vorzug der Demokratie.
Die westlichen Industrieländer begreifen sich selbst als Offene Gesellschaften. Dementsprechend hat etwa das deutsche Bundesverfassungsgericht die überragende Bedeutung insbesondere der Meinungsfreiheit und deren Vorrang gegenüber spezielleren Schutzrechten immer wieder betont.
Gegenbild der Offenen Gesellschaft in der Moderne ist der Totalitarismus.
Kritik
Kritik am Begriff übte unter anderem Ralf Dahrendorf, demzufolge der Poppersche Liberalismus die Notwendigkeit und Bedeutung von sozialen Bindungen („Ligaturen“) und Traditionen unterschätzt.
Sonstiges
Der amerikanisch-ungarische Financier George Soros, der ein großer Verehrer Poppers ist, hat 1993 eine Stiftung mit dem Namen Open Society Institute gegründet, um nach der Auflösung der Sowjetunion die Idee der Offenen Gesellschaft zu propagieren.
Literatur
- Popper, Karl: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde (Band 1), Stuttgart, 1992, ISBN 3825217248
- Popper, Karl: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde (Band 2), Stuttgart, 1992, ISBN 3825217256