Manoel de Oliveira

portugiesischer Filmregisseur
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Manoel Cândido Pinto de Oliveira (* 11. Dezember 1908 in Porto) ist ein portugiesischer Filmregisseur und Drehbuchautor. Er gilt seit 2001 als ältester noch aktiver Regisseur und als der einzige, der schon zur Stummfilmzeit gearbeitet hat.

Manoel de Oliveira (in der Cinémathèque française 2008)

Werdegang

Oliveira wurde 1908 in eine wohlhabende portugiesische Familie in Porto geboren. Da er vor der portugiesischen Rechtschreibreform von 1911 geboren wurde, schreibt er seinen Namen bis heute in seiner alten Schreibweise Manoel (statt der modernen Form Manuel). In jungen Jahren war er aktiver Sportler, u. a. auch Autorennfahrer. Er wollte zunächst Schauspieler werden, und er nahm einige Filmrollen an. So trat er u.a. 1933 in der ersten ausschließlich portugiesischen Tonfilmproduktion des in der Folge aufblühenden Portugiesischen Films auf, in Cottinelli Telmos Komödie A Canção de Lisboa, an der Seite von Vasco Santana u.a. Doch der Film Berlin: Die Sinfonie der Großstadt von Walter Ruttmann beeinflusste ihn nachhaltig, und regte ihn an, Filmregisseur zu werden. Sein erstes Werk entstand 1931 noch als Stummfilm: Douro, faina fluvial, ein Dokumentarfilm (deutscher Titel: Harte Arbeit am Fluss Douro) über den nordportugiesischen Fluss Douro, der in Oliveiras Heimatstadt mündet.

Seine erste Spielfilm-Regiearbeit, Aniki Bóbó (1942), über Kinder des Hafenviertels in Porto, war noch vor Viscontis "Besessenheit" von 1943 der erste Film des Neorealismus, jedoch kommerziell ein Misserfolg. Oliveira wandte sich von nun an der Herstellung von Portwein im familiären Weingut am Douro zu.[1] Oliveira begründete diese Pause damit, dass es während des repressiven Estado Novo-Regimes in Portugal für ihn sehr schwer gewesen sei, Filme zu drehen..[2] Ende der 1950er Jahre beschäftigte er sich wieder verstärkt mit Kino. 1955 kam er für einige Zeit nach Deutschland, um sich mit Farbfilm vertraut zu machen. Er erstand technisches Gerät und stellte zwei Spielfilme in kompletter Eigenproduktion her, doch wurde ihm eine Aufführung nicht ermöglicht. Nach einem Dokumentarfilm (O Pão, 1959), bei dem er die Traditionen in Curalha, einer Gemeinde im Kreis (Concelho) von Chaves, kennen lernte, entschloss er sich zu einem erneuten Spielfilm.[3] Der so entstandene O Acto da Primavera (dt. Titel: Der Leidensweg Jesu in Curalha) gewann eine Goldmedaille beim Filmfestival von Siena und war ein Startsignal für die zukünftige internationale Orientierung Oliveiras. Der Film wurde jedoch nur ein Mal in Portugal gezeigt, und wegen einiger Dialoge wurde Oliveira von der Geheimpolizei PIDE vorübergehend inhaftiert.

Bis 1971 drehte er trotz aller Veränderungen im portugiesischen Film keine weitere Filme mehr, auch nicht, nachdem er 1967 auf der vom Filmklub Porto veranstalteten „Studienwoche zum portugiesischen Novo Cinema“ als Aushängeschild der jungen Bewegung anerkannt worden war,[4] und als deren Vorläufer O Acto da Primavera gilt. Dann, in einem Alter, in dem andere in Rente gehen, begann Oliveira zunehmend sich mit ganzer Kraft dem Filmemachen zu widmen. Seither entstanden gut 30 Spielfilme, deren bekanntester Am Ufer des Flusses (1994) (Vale Abraão) sein dürfte. Auch sein Freund Wim Wenders gab de Oliveira 1994 in seinem Film Lisbon Story einen Gastauftritt, bei dem er sich selbst spielt. Die Premiere seines aktuellsten Films, Gebo et l´ombre nach einem Stück von Raul Brandão, mit Claudia Cardinale, Michael Lonsdale, Leonor Silveira und Luís Miguel Cintra, hatte am 6. September 2012 in Paris seine kommerzielle Premiere, nachdem er am 5. September beim Filmfestival Venedig uraufgeführt wurde.[5]

 
Manoel de Oliveira bei den Filmfestspielen von Cannes 2001

Oliveira drehte u. a. mit seinem Freund Michel Piccoli, mit John Malkovich, Catherine Deneuve und Irene Papas. Er dreht auch mit Marcello Mastroianni (so 1996 Mastroiannis letzten Film, Reise an den Anfang der Welt, 1997 erschienen) und später mit dessen Tochter Chiara Mastroianni. Er wurde mehrfach ausgezeichnet auf den Filmfestivals von Venedig, Cannes, Montreal u. a.

In seiner Liebeserklärung an das Kino und an Lissabon (Lisbon Story 1994) setzte Wim Wenders auch Manoel de Oliveira ein Denkmal mit einem Gastauftritt.

„Oliveira ist ein genuin europäischer Regisseur, der sich von Feuillade und nicht von Griffith ableitet. Sein Publikum, selbst wenn man das Fernsehen berücksichtigt, ist kein Massenpublikum“ schreibt der Filmhistoriker Thomas Brandlmeier.[6]

Oliveira führt nicht nur Regie, sondern ist auch beim Drehbuch, bei Schnitt und Kameraführung sowie als Produzent aktiv.

Ehrungen

Filmografie (Auswahl)

  • 1931: Harte Arbeit am Fluss Douro (Douro, faina fluvial)
  • 1942: Aniki Bóbó
  • 1963: Der Leidensweg Jesu in Curalha (O acto da primavera)
  • 1972: Vergangenheit und Gegenwart (O passado e o presente)
  • 1975: Benilde, Jungfrau und Mutter (Benilde ou a virgem mãe)
  • 1979: Das Verhängnis der Liebe (Amor de perdição)
  • 1981: Francisca
  • 1985: Der seidene Schuh (Le soulier de satin)
  • 1987: Mein Fall (Mon cas)
  • 1988: Die Kannibalen (Os canibais)
  • 1990: Non oder Der vergängliche Ruhm der Herrschaft (Non, ou a Vã Glória de Mandar)
  • 1991: Die göttliche Komödie (A divina comédia)
  • 1992: Tag der Verzweiflung (O dia de desespero)
  • 1993: Am Ufer des Flusses (Vale abraão)
  • 1994: Die Büchse des Bettlers (A caixa)
  • 1995: Das Kloster (Le couvent)
  • 1996: Party

Literatur

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Filmen, um zu überleben. auf: Spiegel online. 11. Dezember 2008.
  2. Der Filmregisseur Manoel de Oliveira, 100, über Zeit, Intimität und Autorennen. In: Der Spiegel. Heft 7/2009, 29. Juni 2009, S. 46.
  3. Jorge Leitão Ramos: Dicionário do cinema portugués 1962-1988. 1. Auflage. Editorial Caminho, Lissabon 1989, S. 286.
  4. A. Murtinheira, I. Metzeltin: Geschichte des portugiesischen Kinos. 1. Auflage. Praesens Verlag, Wien 2010, S. 97.
  5. www.imdb.com, abgerufen am 15. dezember 2012.
  6. Thomas Brandlmeier: Manoel de Oliveira und das groteske Melodram. Berlin 2010, S. 6.