Wolfram von Oertzen (* 24. Juli 1939 in Mannheim) ist ein deutscher Experimentalphysiker, der sich insbesondere mit Kernphysik und Schwerionenphysik beschäftigt.
Leben
Er ist der Sohn des Diplom-Ingenieurs Hans Jürgen von Oertzen (1907–1983) und der Magdalena (Leni) Specht (* 1911). Oertzen ging in der Sowjetunion in Suchumi und Obninsk zur Schule, wo sein Vater nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Ingenieur zwangsweise tätig war. Er studierte von 1958 bis 1963 Physik an der Universität Heidelberg, wo er 1967 über Schwerionenreaktionen bei Rudolf Bock promovierte und sich 1971 habilitierte. Ab 1964 war er wissenschaftlicher Assistent am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg. Im Zeitraum 1968/69 war Oertzen wissenschaftlicher Assistent am IPN in Orsay (Frankreich), und 1972/73 am Lawrence Berkeley National Laboratory sowie 1973 am Brookhaven National Laboratory. Seit 1974 ist er Professor für Physik an der Freien Universität Berlin und Leitender Wissenschaftler am früheren Hahn-Meitner-Institut in Berlin, dessen Physik-Abteilung er 1979 bis 1994 leitete. Am Hahn-Meitner-Institut war er für das Forschungsprogramm in experimenteller Kernphysik zuständig und leitete den Bau des Schwerionenbeschleunigers VICKSI (jetzt Teil des Ionenstrahllabors ISL). Er war unter anderem Gastprofessor in Tübingen (1991), Orsay (1977), am Kernforschungsinstitut (ISN) der Universität Grenoble (1983/84), am Schwerionenbeschleuniger GANIL in Caen, am Institute for Nuclear Study (INS) der Universität Tokio, CRN (jetzt Department de Recherches Subatomiques) in Straßburg (1990, 1994), Padua (Laboratori Nationale du Legnaro, Italien), 2000-2001 Unisversity of Surrey, Guildford (UK) und wiederholt Berater (Consultant) am Los Alamos National Laboratory (New Mexico, USA).
Auszeichnungen
1994 erhielt er den Alexander-von-Humboldt-Preis für Frankreich,
1995 den russischen Flerov-Preis und
2007 den Gentner-Kastler-Preis der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.
Er war seit 1994 Mitglied des Ausschusses Kernphysik der European Physical Society und 1999 ihr Vorsitzender. 1996 bis 1989 war er Vorsitzender des Fachausschusses „Hadronen und Kerne“ der DPG. 1987 bis 1991 war er Mitglied des nationalen (Frankreich) Komitees (01) des CNRS.
1996 wurde er Ehrenprofessor (Prof.h.c.)an der Universität Sankt Petersburg.
2008 wurde er zum Fellow der European Physical Society (EPS) gewählt.
2012 erhielt er zusammen mit der FOBOS-Gruppe den ersten Preis des russischen Vereinigten Instituts für Kernforschung, in Dubna (Moskau) für die Entdeckung eines neuen radioaktiven Zerfalls, die kollineare Dreifach-Spaltung von Californium 252.
Er heiratete am 23. August 1966 in Heidelberg Marianne Kirchner (* 25. Mai 1940 in Leipzig), die Tochter des Pfarrers Gerhard Kirchner und der Hildegard Leuckfeld. Das Ehepaar hat einen Sohn und eine Tochter. Seit 1994 ist er in zweiter Ehe mit Edda Eisenlohr verheiratet.
Wirken
Oertzens Untersuchungen von Neutronen-Transferreaktionen z.B. auf Kohlenstoffkerne am MPI in Heidelberg lieferten erste Hinweise auf Molekülorbitale in Kernen. Mit Transferreaktionen von Neutronen-Paaren am GSI in Darmstadt untersuchte er superfluide Eigenschaften von Kernen und mit erklärte die beobachtete Erhöhung des Wirkungsquerschnitts bei der Fusion schwerer Kerne durch Verstärkungseffekte beim Austausch von Proton-Paaren. Später befasste er sich mit der Untersuchung von Kernen mit Kern-Regenbogenstreuung (die Hinweise auf die Zustandsgleichung kalter Kernmaterie und der Kernkräfte bei höheren Dichten liefert) und die Untersuchung von Kern-Molekülen (Spektroskopie neutronenreicher leichter Kerne, die Cluster-Bildung durch Valenzneutronen ähnlich wie bei Valenzorbitalen von Molekülen zeigen). Weitere Arbeiten betreffen Cluster von Alpha-Teilchen in angeregten Zuständen von Kernen, die nach von Oertzen im Grenzbereich zum Alpha-Zerfall Bose-Quantenflüssigkeiten bilden können.
Literatur
- Genealogisches Handbuch des Adels, Adelige Häuser A Band XXII, Seite 195, Band 103 der Gesamtreihe, C. A. Starke Verlag, Limburg (Lahn) 1992, ISBN 3-7980-0700-4
- Wolfram von Oertzen Kernstruktur jenseits des Schalenmodells: Cluster und Kernmoleküle (Gentner-Kastler-Preis), Physik Journal, Band 6, 2007, Nr. 8/9, S. 79
- Wolfram von Oertzen Exotische Kernformen. Nukleare Cluster und kovalente Bindung auf der Femtoskala, Physik in unserer Zeit, Heft 5, 2011, S. 235
Weblinks
- Literatur von und über Wolfram von Oertzen im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Homepage am Hahn-Meitner-Institut
- Zur Verleihung des Gentner-Kastler-Preises 2007, mit Foto
Personendaten | |
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NAME | Oertzen, Wolfram von |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Physiker |
GEBURTSDATUM | 24. Juli 1939 |
GEBURTSORT | Mannheim |