Die Mundharmonika (auch Harp) ist ein Musikinstrument mit Durchschlagzungen aus Metall in Luftkanälen.


Geschichte
Die Erfindung der Mundharmonika wird zu Unrecht sehr oft dem Thüringer Friedrich Buschmann zugeschrieben. Aufgebracht wurde diese Legende in den 30er Jahren. In einer Zeit in der man wohl auch aus politischen Gründen einen Deutschen als Erfinder zu legitimieren versuchte.
„Unausrottbar scheint die Legende, der Thüringer Friedrich Buschmann habe Mund- und Ziehharmonika erfunden. Einer Überprüfung hält diese These nicht stand. Denn der Musiker Buschmann spricht in einem Brief vom 1828 von seiner soeben getätigten Erfindung. Jahre zuvor hatte schon die gewerbsmäßige Herstellung in Wien begonnen.“ „Nachweislich wurden „Mundharmonikas [...]“ 1825 in Wien verkauft.“ (s.u. Literatur Conny Restle:In aller Munde, S. 43)
Zur früheren Geschichte und den Vorläufern siehe Harmonium.
- 1824 bekam Anton Reinleinin Wien ein Patent für eine Verbesserung der Handharmonika, Mundharmonikas wurden dort schon wesentlich länger gebaut.
- 1826 in Knittlingen durch Ignaz Hotz Nachbau, Firmengründung 1826.
- 1827/28 Christian Messner in Trossingen baut die ersten Mundharmonika nach.
- 1829 in Graslitz (Klingenthal/Sa.) Nachbau durch Johann Georg Meisel
- 1829 erhielt Johann Wilhelm Rudolph Glier (1793 - 1873) vom physikalischen Verein in Frankfurt am Main eine Mundharmonika zum Geschenk und baute kurz darauf die Instrumente nach.
- 1829 erfand Charles Wheatstone das Symphonium eine Art Luxusmundharmonika und der Vorläufer der englischen Konzertina.
Überblick
Da sie klein, billig und leicht zu spielen ist, hat die Mundharmonika als Volksinstrument weite Verbreitung gefunden und ist heute im Blues als Blues Harp bekannt. Sie wird hauptsächlich in Begleitung von der Gitarre oder solistisch verwendet, wobei jedoch nur einstimmige Melodien und eingeschränkt Akkorde gespielt werden können. Mundharmonikas gibt es in vielen Modellen: diatonische (davon für jede Tonart eine eigene), chromatische, Akkord- und Bass-Modelle.
Bedeutende Zentren der Mundharmonika-Produktion sind Trossingen/Baden-Württemberg, Klingenthal/Sachsen, Shanghai/Volksrepublik China und Blumenau/Brasilien.
Ein weltberühmter Jazz-Mundharmonika-Spieler ist Toots Thielemans (geb. 1922 in Brüssel). Er komponierte und spielte viele Filmmelodien wie Midnight Cowboy, The Getaway, sowie für TV-Serien wie Sesamstraße.
In der klassischen Musik war Tommy Reilly der vielleicht bedeutendste Mundharmonikaspieler.
Zwischen Jazz und Klassik bewegte sich der erste große Virtuose der chromatischen Mundharmonika Larry Adler.
In Deutschland am bekanntesten ist der Bluesmundharmonikaspieler Steve Baker, durch seine vielen Mundharmonika-Fachbücher und Workshops sowie seine musikalisch großartigen Auftritte mit Gitarristen wie Abi Wallenstein oder Chris Jones.
Eine wichtige Rolle spielt die Mundharmonika in dem Western Spiel mir das Lied vom Tod von Sergio Leone, in dem Charles Bronson als Mundharmonika spielender Cowboy eine der berühmtesten Melodien der Filmgeschichte intoniert.
Blues Harp
Blues Harp ist ein Begriff für die Art diatonischer Mundharmonika in der sogenannten Richterstimmung (festgelegt 1875 von einem Herrn Richter), die über 10 Kanzellen mit jeweils einem Blas- und einem Zieh-Ton zu spielen ist.
Eine C-Dur-Bluesharp hat die Blastöne:
C-E-G-C-E-G-C-E-G-C
und die Ziehtöne:
D-G-H-D-F-A-H-D-F-A
Das heißt nur die mittleren 4 Kanzellen enthalten eine vollständige C-Dur-Tonleiter, die oberen und die unteren drei sind jeweils nach harmonischen Kriterien zusammengestellt. Durch die Anordnung von einem Blaston und einem Ziehton pro Kanzelle kann durch Veränderung des Mundraumes beim Spielen die Tonhöhe abweichend von der Stimmung verändert werden, z.B. kann dadurch beim Atem-Ziehen durch die Kanzelle auch die Blaston-Stimmzunge in Bewegung versetzt werden (Überziehen). Daraus ergibt sich eine Tonhöhenveränderung um mindestens einen Halbton.
Dadurch hat ein geschickter Mundharmonikaspieler auf seiner diatonischen Bluesharp mehr Töne zur Verfügung, nämlich alle fehlenden Halbtöne der Tonleiter in den oberen und unteren drei Kanzellen, die ohne diese Effekte (genannt: blas/zieh Bending und Überblasen/Überziehen) in der Richter-Stimmung nicht zur Verfügung ständen.
Das Bending (engl. für Biegen) ist eine besonders bei Blues-Musikern verbreitete Spielweise, da nicht nur mit den von der Tonleiter zu Verfügung stehenden Tönen gespielt werden kann, sondern ein ununterbrochener Ton-zu-Ton-Übergang wie er beim Blues üblich ist, möglich wird. Mit diesem Effekt wurde die Blues Harp so beweglich wie die menschliche Stimme. Der Spieler kann somit das Instrument förmlich schluchtzen und schreien lassen. Daher die landläufige Bezeichnung Blues Harp.
Weblinks
- Deutsches Harmonikamuseum Trossingen
- Internationales Harmonikafestival Klingenthal/Vogtland
- Tabellarische Geschichte
- Website zur diatonischen Mundharmonika (englisch)
- Website zur chromatischen Mundharmonika (englisch)
- Allgemeine Informationen über Mundharmonikas
- Deutsches Mundharmonikaspieler-Portal mit 3D-Karte
Literatur
- Conny Restle: In aller Munde. Mundharmonika, Handharmonika, Harmonium; eine 200jährige Erfolgsgeschichte, Staatl. Institut für Musikforschung, Berlin 2003, ISBN 3-922378-20-X
- Kim Field: Harmonicas, Harps, and Heavy Breathers. The Evolution of the People's Instrument, Cooper Square Press, New York 2000, ISBN 0-8154-1020-4
- Perry Letsch: Das Mundharmonika-Liederbuch. 70 bekannte Lieder und songs, Schott, Mainz 2005, ISBN 3-7957-5086-5
- Martin Rost: Rock Blues Country Harp, Lehrbuch mit CD, Voggenreiter-Verlag, Bonn 2001
- Christoph Wagner (Hrsg.): Die Mundharmonika. Ein musikalischer Globetrotter, Transit-Verlag, Berlin 1996, ISBN 3-88747-110-5
- Robert Lambrecht: Imagination is limitless. Weltreise der Mundharmonika, AbsolutMedien, Berlin 2002 (1 Videokassette, VHS, 60 Min.), ISBN 3-89848-265-0